Der Bundesrat hat in seiner 952. Sitzung am 16. Dezember 2016 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage insgesamt
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass sich die Kommission des Urheberrechts im digitalen Binnenmarkt annimmt. Er begrüßt ferner die grundsätzliche Zielrichtung des Vorschlags der Kommission, die Unterschiede zwischen den nationalen Urheberrechtssystemen zu verringern und den Nutzern EU-weit einen umfassenderen Online-Zugang zu geschützten Werken zu ermöglichen. Der Bundesrat betont, dass durch die Vorschläge die kulturelle Vielfalt in den Mitgliedstaaten jedoch nicht beeinträchtigt werden darf und ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber, Verwerter, Produzenten, Rundfunkveranstalter, Kultureinrichtungen und Verbraucher zu gewährleisten ist.
Zu Fragen des Urheberrechts erinnert der Bundesrat insoweit an seine der Kommission bereits übermittelten Stellungnahmen vom 10. Juli 2015 (BR-Drucksache 212/15(B) ), 18. März 2016 (BR-Drucksache 015/16(B) ) und 22. April 2016 (BR-Drucksache 167/16(B) ).
- 2. Der Bundesrat stellt mit Bedauern fest, dass die Reformbestrebungen der Kommission weit hinter seinen Erwartungen an eine konsistente, verbraucherfreundliche Reform des Urheberrechts zurückbleiben. In diesem Zusammenhang erinnert er an seine obige Stellungnahme vom 18. März 2016, insbesondere an die aus Verbraucherschutzsicht relevanten Ziffern 4 und 5, mit der er zentrale Aspekte des Reformbedarfs konkret aufgezeigt hat.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass nach Angaben der Kommission von den im Internet angebotenen audiovisuellen Werken, trotz wachsender Bedeutung von Plattformen für Videoabruf et cetera, nur ein Drittel aller angebotenen Werke aus der EU stammen.
- 4. Er begrüßt die mit der vorgeschlagenen Richtlinie angestrebte Erleichterung des grenzübergreifenden Zuganges zu urheberrechtlich geschützten Inhalten, die im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher ist.
- 5. Die Kommission greift mit dem zweiten Urheberrechtspaket wichtige und drängende Themen der digitalen Wissensgesellschaft auf. Der Bundesrat begrüßt das Ziel des Richtlinienvorschlags, angesichts der Entwicklung der digitalen Technologien die Rechtmäßigkeit bestimmter Nutzungsarten in den Bereichen Bildung, wissenschaftliche Forschung und Erhaltung des kulturellen Erbes unter klar definierten Voraussetzungen zu gewährleisten. Insbesondere der verfolgte Ansatz, die Schrankenregelungen zu harmonisieren und sie vertragsfest auszugestalten, wird im Grundsatz begrüßt. Der Bundesrat sieht hierin einen wichtigen Schritt zu einem europäischen Wissenschafts- und Bildungsraum.
- 6. Er verfolgt das Ziel, den für Bildung und Wissenschaft sowie kulturelle Einrichtungen notwendigen Zugang zu digitalen Werken unter angemessenen und für alle Seiten fairen Bedingungen zu gewährleisten sowie die Nutzung der digitalen Potenziale in der Breite zu ermöglichen. Die breite Nutzung der entsprechenden digitalen Potenziale verspricht aus Sicht des Bundesrates eine nachhaltige gesamtgesellschaftliche Rendite - unter anderem durch effektivere sowie effizientere Lern- und Forschungsumgebungen und eine dadurch verbesserte europäische Innovationsfähigkeit.
- 7. Der Bundesrat stellt fest, dass Wissenschaft und Bildung von einem möglichst freien Austausch von und Zugang zu Informationen und Publikationen leben. Viele Informationen sind in Form von Werken urheberrechtlich geschützt und können daher nicht ohne weiteres im Bildungs- und Wissenschaftsbereich genutzt werden. Vor diesem Hintergrund begrüßt er geeignete Schrankenregelungen auf europäischer Ebene, die einen fairen Ausgleich zwischen Urhebern und Nutzern beinhalten, verständlich formuliert, leicht handhabbar sind und sich an den Nutzungsrealitäten in entsprechenden Einrichtungen orientieren.
- 8. Der Bundesrat muss feststellen, dass sich die Harmonisierung von Schrankenbestimmungen des Urheberrechts auf lediglich ausgewählte Bereiche beschränkt, während weitere praxisrelevante und konfliktträchtige Fragestellungen, wie beispielsweise der Umgang mit der Privatkopieausnahme sowie weiteren Formen angemessener, nicht kommerzieller Nutzungen, ausgeklammert bleiben.
- 9. Er bittet die Bundesregierung, im Zuge der weiteren Beratungen des Richtlinienvorschlags in geeigneter Weise sicherzustellen, dass auch nach europäischem Recht die Anlage und Pflege von Datenbanken mit Informationen, die für eine geordnete Rechtspflege unerlässlich sind, urheberrechtlich weiterhin unbedenklich bleibt. Insoweit geht der Bundesrat davon aus, dass die Bereitstellung einer Datenbank, wie sie etwa in Form von "Asylfact" für den Bereich der Asylverfahren in Deutschland als für eine schnelle und geordnete Durchführung dieser Verfahren notwendige Informationsquelle zur Verfügung steht, der Schrankenregelung des § 45 Urheberrechtsgesetz - Rechtspflege und öffentliche Sicherheit - unterfällt. Da dies auch für die Zukunft gesichert sein muss, erscheint es sinnvoll, im europäischen Sekundärrecht auch für den Bereich der Rechtspflege und öffentlichen Sicherheit eine entsprechende Ausnahmeregelung vorzusehen.
- 10. Aus Sicht des Bundesrates bleiben - wie beispielhaft Erwägungsgrund 36 zeigt - die vorgeschlagenen Regelungen noch zu sehr in alten Verwertungsund Wertschöpfungsmodellen verhaftet und rezipieren bislang nur unzulänglich die Realität digitaler Mediennutzung an Hochschulen, Forschungseinrichtungen und den Einrichtungen des Kulturerbes.
- 11. Er stellt kritisch fest, dass der Vorschlag bisher Ergebnisse ökonomischer Studien unberücksichtigt lässt (zum Beispiel die Studie des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE 2016): Ökonomische Auswirkungen einer Bildungs- und Wissenschaftschranke im Urheberrecht, Juli 2016), wonach Schrankenregelungen für Bildung und Forschung generell keine Auswirkungen auf den Primärmarkt haben, und dass hieraus keine entsprechenden Schlüsse für die Vergütungspflicht und den Vorrang von Verlagsangeboten gezogen worden sind.
- 12. Der Bundesrat stellt mit Bedauern fest, dass der Vorschlag seinen Anforderungen an eine Harmonisierung des Urheberrechts im Bereich von Bildung und Forschung, wie in seiner obigen Stellungnahme vom 18. März 2016 dargelegt, noch nicht gerecht wird, um verlässlich die europarechtlichen Voraussetzungen für die Einführung der von ihm geforderten allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke zu schaffen (vergleiche BR-Drucksache 643/13(B) vom 20. September 2013).
- 13. Aus Sicht des Bundesrates sollten Bestimmungen aufgenommen werden, die es Gedächtnisinstitutionen erlauben, frei zugängliche Netzdokumente im Wege des sogenannten Web-Harvestings zu sammeln. Die vorgesehene Bestimmung in Artikel 5 setzt voraus, dass sich die Inhalte bereits in den Sammlungen der Gedächtnisinstitutionen befinden. Hier bedarf es einer weiteren Grundlage dafür, ein kulturelles Gedächtnis der sogenannten born digitals aufbauen zu können. Dieses Regelungsdefizit widerspricht den Empfehlungen der Kommission zur Digitalisierung und Online-Zugänglichkeit kulturellen Materials und dessen digitaler Bewahrung vom 27. Oktober 2011 (K(2001) 7579 endgültig).
- 14. Der Bundesrat verweist bezüglich der Vollharmonisierung des Kopienversands durch Bibliotheken auf negative Erfahrungen mit der nationalen Regelung des § 53a Urheberrechtsgesetz, die praktisch ins Leere läuft. Eine europäische Regelung sollte sich von daher nicht an dieser Regelung orientieren, da eine Klausel, die die elektronische Lieferung nur erlaubt, wenn keine offensichtlichen und "angemessenen" Verlagsangebote existieren, zwingend zu einer Verschlechterung der Literaturversorgung führt, zu entsprechenden Beeinträchtigungen des Lehr- und Forschungsbetriebes und zu Umgehungsversuchen seitens der Betroffenen.
- 15. Er plädiert dafür, in Artikel 4 eine klarstellende Regelung über die Zulässigkeit von Annexnutzungen in Forschung und Lehre aufzunehmen, die es den Nutzenden gestattet, die ins jeweilige Intranet eingestellten Inhalte abzuspeichern, auszudrucken sowie im gleichen Lernkontext öffentlich wiederzugeben und auch als Papierkopien verteilen zu dürfen. Hierbei handelt es sich um notwendige Rechte um an Bildungs- und Forschungseinrichtungen angemessen mit urheberrechtlich geschütztem Material arbeiten und die großen diesbezüglichen Potenziale der Digitalisierung nutzen zu können.
- 16. Aus Sicht des Bundesrates lässt die vorgeschlagene Legaldefinition der "Einrichtungen des Kulturerbes" eine Einbeziehung der Theater in öffentlicher Trägerschaft vermissen. Aufgrund der dort vorhandenen umfassenden Dokumentationen - unter anderem von Uraufführungen, Premieren und Aufführungen, gerade auch in digitaler Form - sollten sie, entsprechend der Einrichtungen des Film- und Tonerbes, grundsätzlich in den Kanon der "Einrichtungen des Kulturerbes" aufgenommen werden.
- 17. Er plädiert für eine Überprüfung der Schrankenfestigkeit von Regimen der Digitalen Rechteverwaltung (Digital-Rights-Management-Regime (DRM)). Schrankenregelungen sollten nach Möglichkeit nicht generell, sondern nur unter besonderen Voraussetzungen durch DRM außer Kraft gesetzt werden: Technische Schutzmaßnahmen dürfen aus Sicht des Bundesrates nicht dazu führen, dass urheberrechtliche Schranken unterlaufen werden.
- 18. Der Bundesrat setzt sich weiterhin für eine Einführung eines Weiterveräußerungsrechts für rechtmäßig erworbene digitale Güter ein. Die gegenwärtige Rechtslage führt zu einer Ungleichbehandlung körperlicher Werke (zum Beispiel Bücher) gegenüber digitalen Werken (zum Beispiel e-Books), indem Verbraucherinnen und Verbrauchern beim Erwerb von digitalen Gütern häufig durch Allgemeine Geschäftsbedingungen sowie durch technische Schutzmaßnahmen (sogenanntes Digitales Rechtemanagement) untersagt bzw. verwehrt wird, ein erworbenes Produkt etwa weiter zu verkaufen oder zu verschenken. Die rechtliche Absicherung eines allgemeinen Weiterveräußerungsrechtes für ordnungsgemäß erworbene digitale Güter unter der Voraussetzung, dass der Weiterveräußerer keine Kopien des digitalen Werks zurückbehält, ist deshalb geboten.
Im Einzelnen
- 19. Erwägungsgrund 16 ist aus Sicht des Bundesrates problematisch zu bewerten, da er über den Umweg des Urheberrechts Eingriffe in die von Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz geschützte Lehr- und Forschungsfreiheit eröffnet. In Erwägungsgrund 16 sollte vielmehr klargestellt werden, dass die Nutzung von entsprechenden Inhalten den Zwecken von Forschung und Lehre dient, um auszuschließen, dass in den nationalstaatlichen Regelungen eine Vorrangklausel möglich ist.
In diesem Zusammenhang ist generell darauf hinzuweisen, dass enge Schranken zur Folge haben, dass die privilegierten Einrichtungen nur auf wenige Lizenzangebote zurückgreifen, sich im Übrigen der vorhandenen freien Ressourcen im Netz bedienen oder über Linklisten und den Verweis auf die Privatkopie behelfen. Dies widerspricht nicht nur dem Paradigma der "Digitalen Wissensgesellschaft", sondern führt im Ergebnis dazu, dass verlegerische Inhalte gegenüber freien Ressourcen weniger attraktiv für die digitale Nutzung werden und daher mittelfristig massiv an Relevanz und damit auch Absatz einbüßen. Damit wird das Ziel verfehlt, die Tragfähigkeit des Verlagswesens angesichts des digitalen Wandels zu stärken. Schließlich hat eine Schranke ohne Lizenzvorrang den Vorteil, dass sie die Allgemeinheit vor unverhältnismäßigen Preisen schützt.
- 20. Der Bundesrat regt an, in den Erwägungsgründen 33 bis 35, in Artikel 2 Absatz 4 und in Artikel 11 klarzustellen, dass das Anknüpfungskriterium für den Anwendungsbereich der Schutzrechte die journalistischredaktionelle Leistung ist. Damit soll klargestellt werden, dass diese Schutzrechte nicht allein Presseverlagen zustehen, sondern allen Anbietern journalistischredaktioneller Leistungen.
Zu Titel II
- 21. In Artikel 3 begrüßt der Bundesrat die in den Absätzen 1 und 2 getroffenen Regelungen. Sie sind aus seiner Sicht geeignet, bestehende Rechtsunsicherheiten zu beseitigen. Text- und Data-Mining ist eine zentrale Methode der Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in der digitalen Wissensgesellschaft und es sind geeignete Rahmenbedingungen erforderlich, um im weltweiten Wettbewerb der Forschungseinrichtungen erfolgreich teilnehmen zu können. Der Bundesrat befürchtet, dass bei Beibehaltung der Absätze 3 und 4 die Anwendbarkeit der Absätze 1 und 2 sich ins Gegenteil wenden könnte. Insbesondere Absatz 4 ist mit zusätzlicher Bürokratie und Kosten verbunden und könnte dazu führen, dass die Anwendung der Text- und Data-Schranke erst nach einer Einigung zwischen einer unter Umständen Vielzahl von Beteiligten zum Tragen kommen kann. Es sollte von daher - wird von den Absätzen 3 und 4 nicht Abstand genommen - in unmissverständlicher Weise klargestellt werden, dass die Anwendung der Absätze 1 und 2 nicht vom tatsächlichen Abschluss der in Absatz 4 vorgesehenen Vereinbarung abhängig ist.
- 22. Der Bundesrat sieht die rechtsdogmatischen Folgen der Ausnahmeregelung in Artikel 3 in Form einer expliziten Erlaubnis betreffend das Text- und Data-Mining durch Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung kritisch. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass Unternehmen und Start-ups, die innovative Big-Data-Anwendungen oder Suchtechnologien anbieten, für ihre Webanalysen mit sämtlichen Urhebern von Inhalten im Internet Lizenzen abschließen müssten. Das ist nicht nur unpraktikabel, sondern würde das Ende für viele Anbieter von Datenanalysen in Europa bedeuten.
Zu berücksichtigen ist, dass auch Unternehmen nicht unwesentliche Forschungs- und Innovationsleistungen mit gesellschaftlichem Nutzen erbringen, oftmals auch in Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen. Text- und Data-Mining ist als eine dem Lesen nachgeordnete Nutzung anzusehen, bei dem auf Daten und Texte zurückgegriffen wird, zu denen bereits rechtmäßiger Zugriff besteht. Daher sollte es insgesamt (einschließlich der Verbreitung der Analyseergebnisse) unter die Ausnahmeregelung fallen. Für alle Anwendungsformen und zwecke des Text- und Data-Mining einschließlich der Forschung ist es überaus wichtig, die erzielten Analyseresultate mit Hilfe von Stichproben zum Beispiel gegenüber Auftraggebern nachvollziehbar machen zu können. Hierfür ist die Offenlegung sogenannter "Deminimis"-Teile der analysierten Texte bzw. Daten in Form von "Snippets" in der Praxis sehr bedeutsam.
- 23. Der Bundesrat plädiert dafür, in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b die Wörter "nicht als unmöglich" durch die Wörter "mit vertretbarem Aufwand" zu ersetzen. Damit soll ein unverhältnismäßiger Aufwand für mit der Regelung verbundene und vermeidbare Bürokratiekosten ausgeschlossen werden.
- 24. Aus Sicht des Bundesrates ist die Vorrangklausel des Absatzes 2 in Artikel 4 zu streichen, da sie in der Praxis für den Rechteinhaber zu einer ihn benachteiligenden Unternutzung der Schranke führen würde. Ferner zeigen die Erfahrungen mit dem nationalen § 52a Urheberrechtsgesetz, dass die Suche nach angemessenen Lizenzen zu einem hohen bürokratischen Aufwand führt, der die gesellschaftlich wünschenswerte Nutzung einer entsprechenden Schranke unattraktiv macht und eine prohibitive Wirkung entfalten kann. Die im Erwägungsgrund 17 enthaltenen Annahmen lassen sich aus Sicht des Bundesrates empirisch nicht halten, da sie unter anderem durch die Ergebnisse der DICE-Studie widerlegt wurden.
- 25. Die Regelung in Artikel 4 Absatz 4 ist zu streichen, da aufgrund der DICE-Studie primärmarktrelevante Auswirkungen von Schrankenregelungen nicht feststellbar sind. Hochschulen, Forschungseinrichtungen und die Einrichtungen des kulturellen Erbes sind für Verlagsprodukte entgeltfrei als Werbefläche nutzbar. Ferner finanzieren die Träger dieser Einrichtungen Personal und Infrastruktur und schaffen damit die Voraussetzungen dafür,
- 26. Aus Sicht des Bundesrates sollte klargestellt werden, dass die vorgesehene Vergütung pauschaliert zu erfolgen hat, da eine Einzelerfassung weder hochschuladäquat ist noch mit vertretbarem Aufwand umgesetzt werden kann. Entsprechend sollte Artikel 4 Absatz 4 um folgenden Satz 2 ergänzt werden:
"Der faire Ausgleich erfolgt pauschal."
- 27. Aus seiner Sicht greift Artikel 5 in seiner Beschränkung auf Vervielfältigungen zu kurz. Der Bereich der Vermittlung des kulturellen Erbes sollte hier aus Sicht des Bundesrates einbezogen werden. Um dies zu ermöglichen, bedarf es einer tragfähigen Regelung für die öffentliche Zugänglichmachung des kulturellen Erbes im Rahmen der Aufgabenstellung der jeweiligen Gedächtnisinstitution. Er schlägt hierfür vor, in der Überschrift nach dem Wort "Erhalt" die Wörter "und Zugänglichkeit" einzufügen. Ferner sollten nach dem Wort "vervielfältigen" die Wörter "und über ein gesichertes elektronisches Netz zum Zwecke der Kulturvermittlung und der wissenschaftlichen Auswertung öffentlich zu nichtgewerblichen Zwecken zugänglich zu machen" eingefügt werden.
Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs von Artikel 5 ist aus Sicht des Bundesrates zwingend erforderlich, da nationale Portale, wie die Deutsche Digitale Bibliothek und das Archivportal-D, sowie europäische Portale, wie die Europeana oder das "Archives Portal Europe", Inhalte nicht nur zum Zweck der Kulturvermittlung, sondern gerade auch zum Zweck der wissenschaftlichen Auswertung bereitstellen und sich zu einer umfassenden und allgemein zugänglichen Quelle des Wissens über das kulturelle Erbe Europas weiterentwickeln sollen.
- 28. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich im weiteren Verfahren dafür einzusetzen, durch eine geeignete Ergänzung in Artikel 5 Museen eine gesetzliche Erlaubnis einzuräumen, ihre Bestände über das Internet öffentlich zugänglich zu machen, um dadurch einer breiten Öffentlichkeit besseren Zugang zu urheberrechtlich geschützten Kulturgütern im Bestand der Museen zu ermöglichen.
Zu Titel III
- 29. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die in Artikel 7 an das deutsche Recht angelehnte Regelung. Allerdings sollte hier von der geplanten Erstreckung auf Übersetzungen abgesehen und klargestellt werden, dass der Antiquariatsbuchhandel nicht zu den üblichen Vertriebswegen gehört.
Zu Titel IV
- 30. Er weist darauf hin, dass sich unter den in Titel IV der vorgeschlagenen Richtlinie genannten Maßnahmen, die sich ausweislich der Begründung "mittelfristig positiv auf die Produktion und die Verfügbarkeit von Inhalten und auf den Medienpluralismus auswirken" werden, auch eine erweiterte Variante des sogenannten Leistungsschutzrechtes befindet. Ein solches ist im nationalen Recht bereits am 1. August 2013 in Kraft getreten und diente ausweislich der damaligen Begründung im Wesentlichen dem Schutz der Presseverlage vor systematischen Zugriffen auf die verlegerische Leistung durch die Anbieter von Suchmaschinen. Eine Änderung der Nutzungsmöglichkeiten für Verbraucherinnen und Verbraucher sollte damit ausdrücklich nicht verbunden sein (vergleiche BR-Drucksache 514/12 (PDF) vom 12. Oktober 2012). Vor diesem Hintergrund bittet der Bundesrat die Bundesregierung um Prüfung, ob und gegebenenfalls inwieweit nach den bisherigen Erfahrungen mit dem nationalen Leistungsschutzrecht dieses seit 2013 dazu beigetragen hat, sich positiv auf die Produktion und die Verfügbarkeit von Inhalten auszuwirken, und ob dieses Instrument wirklich geeignet ist, Verbraucherinnen und Verbrauchern einen grenzübergreifenden Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten zu erleichtern, und der Kommission entsprechend darüber zu berichten.
- 31. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die in Artikel 11 enthaltene Einführung eines Leistungsschutzrechts auf europäischer Ebene. Hierdurch können redaktionelle, journalistische Leistungen und deren redaktionelle Aggregation gegenüber Plattformen geschützt und Verwerterrechte gestärkt werden.
Er fordert die Kommission auf, eine Deminimis-Grenze (für sogenannte Snippets bzw. kleinste Textausschnitte) für das Leistungsschutzrecht in Artikel 11 des Richtlinienvorschlags einzuführen.
Der Bundesrat regt darüber hinaus an, die in Erwägungsgrund 33 enthaltene Klarstellung in Bezug auf Hyperlinks in Artikel 11 aufzunehmen.
Er empfiehlt, in Artikel 11 eine angemessene Beteiligung der Urheber an den Erlösen aus der Verwertung das Leistungsschutzrechts wie in § 87h Urheberrechtsgesetz vorzusehen.
Der Bundesrat hebt hervor, dass es den Schutzrechtsinhabenden auch zukünftig möglich bleiben muss, unter Beachtung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit auf ihr Schutzrecht ganz oder teilweise zu verzichten.
Die Schutzdauer von 20 Jahren erscheint überzogen. Der Bundesrat bittet die Kommission deshalb um Überprüfung, ob die in Artikel 11 Absatz 4 gewählte Schutzdauer von 20 Jahren sachgerecht oder einzuschränken ist.
- 32. Bezüglich Artikel 12 weist er darauf hin, dass nach ökonomischen Studien urheberrechtlichen Schrankenregelungen faktisch keine Primärmarktrelevanz zukommt (vergleiche Studie "DICE 2016"). Von der Beteiligung der Verlage an den notwendigen Vergütungen für Urheber wissenschaftlicher Werke, die unter anderem auch der BGH auf nationaler Ebene negativ bewertet hat, im Rahmen einschlägiger Schrankenbestimmungen sollte daher Abstand genommen werden. Verlage beeinflussen - im Gegensatz zu Urhebern - ihre Erlöse durch die Kalkulation ihrer Produkte. Angemessen weit gefasste Schrankenregelungen führen zu einer schnelleren Diffusion neuen Wissens und regen damit die Generierung neuen Wissens an.
- 33. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission mit Artikel 13 des Richtlinienvorschlags Diensteanbieter, die große Mengen der von ihren Nutzern hochgeladenen Werke und sonstigen Schutzgegenstände speichern oder öffentlich zugänglich machen, bezüglich der Einhaltung von Schutzrechten und entsprechenden Nutzungsvereinbarungen stärker in die Pflicht nehmen möchte. Er weist in dem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass die insoweit erlassenen Maßnahmen sowohl die Interessen von Rechteinhabern als auch von Diensteanbietern wahren müssen und nicht dazu führen dürfen, dass Innovationshemmnisse im Bereich von Diensteanbietern entstehen. Der Bundesrat bittet die Kommission daher, zu überprüfen, ob in Ergänzung zum Kriterium der "große(n) Mengen" von hochgeladenen Werken und sonstigen Schutzgegenständen im Wortlaut des Artikels 13 eine Bagatellschwelle definiert werden sollte, um Hemmnisse für Innovationen und Unternehmensgründungen zu vermeiden.
- 34. Er bittet die Kommission außerdem, bestehende Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Sprachfassungen von Artikel 13, insbesondere zwischen der deutschen und der englischen Sprachfassung des Richtlinienvorschlags, aufzulösen.
- 35. Er begrüßt die Einführung von Transparenzpflichten in Artikel 14 des Richtlinienvorschlags zum Nutzen von Urhebern und ausübenden Künstlern, die künftig einen Informationsanspruch hinsichtlich der Verwertung ihrer Werke und der damit erzielten Einnahmen erhalten.
Der Bundesrat bittet die Kommission sicherzustellen, dass in Artikel 14 Absatz 1 die Urheber und ausübenden Künstler einen Auskunftsanspruch nur hinsichtlich solcher Informationen haben, die im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs üblicherweise vorhanden sind, um unnötigen bürokratischen Aufwand zu vermeiden.
Er bittet zudem, die Beschränkung des Anwendungsbereichs in Artikel 14 Absatz 1 des Richtlinienvorschlags auf "diejenigen, denen sie Lizenzrechte erteilt oder an die sie Rechte übertragen haben" noch einmal zu überprüfen. Dadurch, dass die Ansprüche sich ausschließlich auf diese Vertragspartner beziehen, können beispielsweise die Mitwirkenden in Auftragsproduktionen dieses Auskunftsrecht nicht nutzen. Dies gilt umso mehr, als der Vertragspartner weder verpflichtet ist, sich Informationen zur weiteren Nutzung bei dem Dritten, der das Werk nutzt, zu beschaffen, noch der Dritte auskunftspflichtig ist, wenn seinem Vertragspartner nicht selbst ein Auskunftsrecht zusteht.
- 36. Der Bundesrat bittet zugleich, die Formulierung "nicht erheblich" in Artikel 14 Absatz 3 zu präzisieren, um Rechtsklarheit zu schaffen und der Gefahr der Umgehung zu begegnen.
- 37. Er begrüßt außerdem, dass die Notwendigkeit von Streitschlichtungsmechanismen in Artikel 16 des Richtlinienvorschlags erkannt wurde, um die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Stärkung der Urheber durchzusetzen. Es sollte nach einer angemessenen Frist evaluiert werden, ob das vorgeschlagene freiwillige Verfahren zur effektiven Rechtsdurchsetzung ausreicht.
Direktzuleitung an die Kommission
- 38. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.