Der Bundesrat hat in seiner 935. Sitzung am 10. Juli 2015 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Mitteilung allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich das Ziel der Schaffung eines Digitalen Binnenmarktes (Digital Single Market: DSM). Damit wird ein Beitrag zu mehr Wachstum und Beschäftigung sowie zur Sicherung der "digitalen Souveränität" Europas in einem zunehmend von der Digitalisierung geprägten Wirtschaftsumfeld geleistet. Der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen gehört zu den Grundpfeilern der EU. Ein gemeinsamer DSM ist sinnvoll und notwendig, um Wachstums- und Innovationspotenziale in Europa auszuschöpfen. Die fortschreitende Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft stellt für die Gesetzgeber aller Mitgliedstaaten eine neue Herausforderung dar, die bei der Realisierung des europäischen DSM ein inhaltlich, politisch und institutionell verknüpftes und abgestimmtes Vorgehen erfordert. Isolierte Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene allein sind in vielen Bereichen nicht ausreichend. Nur ein europäischer Binnenmarkt mit mehr als 500 Millionen Konsumenten ist in der Lage, den großen Märkten in Asien und Amerika auf Augenhöhe gegenüberzutreten.
- 2. Europäische Regelungen sind aber im Einklang mit den Mitwirkungsrechten von Bund und Ländern umzusetzen.
- 3. Unter Maßgabe der im Hinblick auf die medien- und kulturpolitische Prärogative der Mitgliedstaaten übergeordneten Zielsetzung der Sicherung von Informations- und Medienfreiheit, des Medienpluralismus und der kulturellen Vielfalt nimmt der Bundesrat zu den Plänen der Kommission zur Errichtung eines europäischen Binnenmarktes wie folgt Stellung:
Allgemeine Bestimmungen
- 4. Der DSM betrifft Bereiche, in denen der Bundesrat bereits Beschlüsse gefasst hat, die aufgrund der DSM-Initiative in einem neuen Zusammenhang stehen (insbesondere BR-Drucksachen 689/13(B) , 321/13(B) , 211/13(B) , 527/12(B) , 395/12(B) , 566/10(B) ). Aufgrund dieser europäischen Rahmenstrategie fallen nahezu alle künftigen legislativen und nichtlegislativen Maßnahmen im digitalen Bereich in den Anwendungsbereich des DSM. Die Positionierungen des Bundesrates gelten auch vor dem Hintergrund der DSM-Initiative fort.
- 5. Der Bundesrat befürchtet, dass eine EU-Verordnung zu rechtlichen Unklarheiten und Abgrenzungsproblemen im Verhältnis zu dem geltenden Richtlinienpaket führen würde. Er lehnt daher - mit Ausnahme für den Bereich Roaming eine Regelung in Form einer EU-Verordnung ab und spricht sich für eine Empfehlung im Sinne von Artikel 288 AEUV aus. Allenfalls eine Richtlinie der EU kann noch als angemessen gewertet werden.
- 6. Der Bundesrat erwartet, dass die Bundesregierung gegenüber der Kommission bei der Schaffung des DSM insbesondere die Bedeutung audiovisueller und journalistischer Inhalte, textlicher und sonstiger Content-Güter sowie ihrer Urheber, Produzenten und Vermittler angemessen verdeutlicht. In diesem Kontext bekräftigt er, dass öffentlichrechtliche, kommerzielle und nichtkommerzielle audiovisuelle und presserelevante Medienanbieter und andere Inhalteproduzenten durch ihre Investitionen in die europäischen Kultur- und Kreativindustrien maßgeblich zur Entwicklungs- und Wettbewerbsfähigkeit dieser Branchen beitragen und damit auch zukunftsorientierte Arbeitsplätze sichern und schaffen. Hierbei sind auch Interessen der Öffentlichkeit, die originäre audiovisuelle und sonstige mediale Inhalte schafft und digital zur Verfügung stellt, wie auch neue Formen der Kreation und der Verbreitung von Inhalten durch digitale Techniken angemessen zu berücksichtigen.
- 7. Der Bundesrat betont die Bedeutung der Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Zugang zu einem offenen Internet, europaweit. Diese müssen aber in Einklang mit den Rechten und der Vergütung der Inhalteproduzenten und Urheber stehen. Damit einher geht die Bedeutung der Interoperabilität, in deren Rahmen auch die Wechsel- und Auswahloptionen der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht pauschal eingeschränkt werden dürfen.
- 8. Er erinnert auch daran, dass die Vertragsabschlussfreiheit und die Freiheit der Preisgestaltung zu den elementaren Grundpfeilern marktwirtschaftlich organisierter Volkswirtschaften gehören. Vorschlägen der Kommission, die unmittelbare Eingriffe in diese Grundsätze zum Ziel haben, steht der Bundesrat kritisch gegenüber.
Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen im Einzelnen
Zu Nummer 2.1. Regeln für den grenzüberschreitenden elektronischen Handel
- 9. Die Harmonisierung von Regelungen für den innergemeinschaftlichen Online-Handel kann nach Ansicht des Bundesrates ein grundsätzlich sinnvolles Instrument sein, um die Attraktivität des europäischen Binnenmarkts für Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher zu steigern und die Belastungen - insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) abzusenken. Hierbei dürfen allerdings bewährte Verbraucherschutzstandards nicht abgesenkt werden. Auf die bestehenden Strukturen zu deren Durchsetzung ist Rücksicht zu nehmen.
- 10. Der Bundesrat hält eine Überarbeitung der Verordnung zur Zusammenarbeit im Verbraucherschutz für sinnvoll. Die bestehenden Ungewissheiten bei der individuellen Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreitenden Verkehr werden dadurch allerdings nicht behoben werden können.
Zu Nummer 2.2. Paketzustelldienste
- 11. Soweit die Kommission Maßnahmen zur Verbesserung der Preistransparenz und der regulatorischen Aufsicht über Paketzustelldienste auf den Weg bringen und dadurch den grenzüberschreitenden Online-Handel fördern will, weist der Bundesrat darauf hin, dass Maßnahmen der Preistransparenz ebenso wie Maßnahmen des Kartellrechts dazu beitragen können, einen stärkeren Wettbewerb auch auf dem Gebiet der Paketzustellung sicherzustellen. Direkte Markteingriffe sollten auf extreme Ausnahmefälle, insbesondere den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen, beschränkt bleiben.
Zu Nummer 2.3. Geoblocking
- 12. Bezüglich der Vorschläge zur Unterbindung ungerechtfertigten Geoblockings ist der Bundesrat der Auffassung, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zu den im Binnenmarkt angebotenen Leistungen grundsätzlich wünschenswert ist. Gleichwohl gibt er zu bedenken, dass Geoblocking durchaus seine Berechtigung haben kann (wie beispielsweise im Urheberrecht oder bei öffentlichrechtlichen Anordnungen von Glücksspielaufsichtsbehörden) und eine unterschiedliche Preisgestaltung im Binnenmarkt auch Ausfluss einer unterschiedlichen Kaufkraft sein kann.
- 13. Der Bundesrat hegt die Erwartung, dass die von der Kommission angekündigten Regelungsvorschläge das bestehende System der territorialen Lizenzen für audiovisuelle Werke und des mit ihnen aus Gründen des urheberrechtlichen Schutzes notwendig verbundenen Geoblockings nicht verändern werden, bis notwendige und erstrebenswerte neue, ebenso effektive Finanzierungsmodelle für europäische audiovisuelle Werke als Kulturgut mit den Beteiligten entwickelt wurden. Er begrüßt die Ankündigung von Kommissar Oettinger, eine Privilegierung für den audiovisuellen Bereich prüfen zu wollen. Der Bundesrat fordert die Kommission, das Europäische Parlament und den Rat auf, im DSM Regelungen vorzusehen, die Privilegierungen zugunsten des audiovisuellen Sektors sicherstellen und so der Kulturhoheit der Mitgliedstaaten Rechnung tragen. Im Faktenpapier wird bereits anerkannt, dass die Finanzierung des audiovisuellen Sektors derzeit weitestgehend auf einem System territorialer Exklusivität beruht, welches als solches nicht als ungerechtfertigtes Geoblocking bezeichnet werden kann.
Unbeschadet dessen fordert der Bundesrat die Kommission auf, im Rahmen der Entwicklung des DSM Initiativen zu ergreifen, die dazu beitragen können, den grenzüberschreitenden Zugang der Verbraucherinnen und Verbraucher zu den im Heimatland legal erworbenen Inhalten unter besonderer Berücksichtigung der Interessen der Inhalteproduzenten und Urheber zu fördern. Es ist ein fairer Ausgleich zwischen den Interessen der Zuschauer auf Zugang, auskömmlichen Einnahmemöglichkeiten für Produzenten und Rechteinhabern sowie dem Ziel eines vielfältigen Medienangebotes zu gewährleisten. Aus Gründen der kulturellen und Meinungsvielfalt gerechtfertigtes Geoblocking muss auch weiterhin möglich sein.
Zu Nummer 2.4. Urheberrecht
- 14. Der Bundesrat begrüßt die Anpassung des Urheberrechts an das digitale Zeitalter. Er unterstützt daher die Bestrebungen der Kommission, das europäische Urheberrecht zu modernisieren, um vermeidbare Beschränkungen der Nutzungs- und Verwertungsrechte zu verringern, die infolge der Fragmentierung der unterschiedlichen Rechtsregime in den Mitgliedstaaten bestehen. Bei der Ausgestaltung ist auf einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber, Verwerter und Nutzer zu achten. Eine wirksame Bekämpfung von gewerbsmäßigen Urheberrechtsverletzungen ist dem Bundesrat ein besonderes Anliegen. Im Bereich Bildung und Wissenschaft soll die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke durch eine harmonisierte Bildungs- und Wissenschaftsschranke praktikabler werden.
- 15. Der Bundesrat befürwortet eine Ausgestaltung, die nicht nur die aktuellen technologischen Entwicklungen aufgreift, sondern auch künftige kulturelle Gestaltungsformen technikoffen berücksichtigt, ohne jedoch die kulturelle und sprachliche Diversität in den Mitgliedstaaten auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu beeinträchtigen. Der Bundesrat hält es für unverzichtbar, die rechtlichen Voraussetzungen für eine angemessene Entlohnung der Kulturschaffenden zu entwickeln und gleichzeitig Regelungen vorzusehen, welche die wirtschaftlichen Vorteile der anderen Akteure in der Wertschöpfungskette in ein ausgewogenes Verhältnis mit den Interessen der Nutzerinnen und Nutzer setzen. Der Bundesrat begrüßt Initiativen, die es der Werbewirtschaft ermöglichen, gemeinsam auf Werbeschaltungen auf Online-Seiten zu verzichten, die strukturell darauf ausgerichtet sind, mit Urheberrechtsverletzungen Einnahmen zu erzielen. Dabei ist sicherzustellen, dass entsprechende Vereinbarungen Transparenz und Überprüfbarkeit gewährleisten und der Anwendungsbereich klar definiert ist, um negativen Folgen für die Meinungsfreiheit und innovative neue Dienstleistungen entgegenzuwirken.
Zu Nummer 2.5. Zum mehrwertsteuerbedingten Verwaltungsaufwand
- 16. Der Bundesrat teilt die Ansicht der Kommission, dass eine Reduzierung des mehrwertsteuerbedingten Verwaltungsaufwands und ein Abbau der Hindernisse bei Auslandsgeschäften zur Erleichterung des innergemeinschaftlichen Online-Handels sinnvoll sein können. Bei der Ausgestaltung der Regelungen wird darauf zu achten sein, dass neue Regelungen auch tatsächlich zu einer nachprüfbaren Verminderung des Verwaltungsaufwandes bei den Unternehmen und in der Verwaltung führen.
Zu Nummer 3.1. Bedarfsgerechte Telekommunikationsvorschriften
- 17. Er begrüßt grundsätzlich die Initiative der Kommission zur Überprüfung der rechtlichen Regelungen im Bereich der Telekommunikation und zur Anpassung dieser Vorschriften an die strukturellen Veränderungen des Marktes.
- 18. Er teilt die Auffassung der Kommission, nach der die sukzessiven Anpassungen der EU-Telekommunikationsvorschriften in Verbindung mit den EU-Wettbewerbsregeln entscheidend für konkurrenzfähigere Märkte waren.
Ebenso stimmt der Bundesrat mit der Kommission überein, dass wirksamer Wettbewerb ein wesentlicher Faktor für Investitionen in Telekommunikationsnetze ist.
- 19. Er stimmt mit der Kommission nicht überein, sofern diese unzureichende Investitionen der Telekommunikationsunternehmen in ländlichen Gebieten vor allem auch auf eine mangelnde Einheitlichkeit und Berechenbarkeit der Regulierung innerhalb der EU zurückführt.
Vielmehr sind unzureichende Investitionen in ländlichen Gebieten nach Überzeugung des Bundesrates auf eine zu geringe kumulierte Nachfrage aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte in diesen Regionen zurückzuführen. Diese führt zu Investitionsentscheidungen zu Gunsten von Regionen mit niedrigeren Opportunitätskosten und höheren Gewinnaussichten.
- 20. Der Bundesrat betont die Wichtigkeit des Erreichens der für das Jahr 2020 gesetzten europäischen Breitbandziele. Damit die EU möglichst schnell ihren Rückstand bei "superschnellen" Breitbandnetzen aufholen kann, ist eine Hochgeschwindigkeitsstrategie auch über das Jahr 2020 hinaus zu entwickeln, die vor allem das Problem unzureichender Investitionen adressiert.
- 21. Er lehnt ferner die Gleichordnung von offenem Internet und Spezialdiensten (managed services) ab. Vielmehr ist von einem klaren Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des offenen Internets gegenüber Spezialdiensten auszugehen. Jegliche Abweichungen von diesem Grundsatz sollen nur auf Grund eines abschließenden Katalogs von eng definierten Ausnahmen mit objektiv überprüfbaren Kriterien zulässig sein. Anderenfalls würden Spezialdienste, die aufgrund hoher Infrastruktur- und Unterhaltskosten für die Netze im Interesse der Telekommunikationsanbieter liegen, zu einer Marginalisierung des offenen Internets und so zu einer nicht hinnehmbaren Beschränkung der Inhalte- und Meinungsvielfalt führen. Der Bundesrat hebt deshalb hervor, dass bei Geschäftsmodellen, die Verträge mit begrenztem Breitbandvolumen vorsehen, bestimmte Datendienste nicht beliebig aus dem Volumenverbrauch herausgerechnet bzw. nicht beliebig von einer Drosselung nach Verbrauch des gebuchten Datenvolumens ausgenommen werden dürfen (Verbot sogenannten Zero-Ratings). Die Möglichkeit, beliebige Inhalte, Anwendungen und Dienste per Vertrag zu Spezialdiensten des jeweiligen Telekommunikationsanbieters mit zugesicherter Dienstqualität zu erklären, lehnt er ab. Der Bundesrat verweist auf seine Stellungnahme vom 29. November 2013 (BR-Drucksache 689/13(B) ) und bekräftigt diese an dieser Stelle, insbesondere die Ziffern 16 bis 30 zu Netzneutralität bzw. dem Best-Effort-Prinzip und dabei auch die hier nicht wiedergegebenen Ziffern 22 bis 25 sowie 27 bis 30.
- 22. Frequenzen sind ein knappes öffentliches Gut. Die nationale Funkfrequenzverwaltung hat sich als effizientes Mittel erwiesen, um das Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aspekten zu wahren. In Bezug auf das 700 MHz- und das 800 MHz-Frequenzband stellt der Bundesrat fest, dass diese Frequenzen in Deutschland bereits 2010 (800 MHz) und im Juni 2015 (700 MHz) vergeben wurden. Er sieht in dem zügigen Vorgehen eine vorbildhafte Entwicklung, die geeignet ist, eine Anreizwirkung auf andere Mitgliedstaaten der EU auszuüben.
Vor diesem Hintergrund kritisiert der Bundesrat, dass diese Anreizwirkung zu Gunsten einer unter Umständen sehr verzögernd wirkenden Harmonisierung der Frequenzpolitik in Europa aufgegeben werden soll.
Er befürwortet ausdrücklich die abgestimmte Freigabe des 700-MHz-Frequenzbands, da dadurch der Ausbau noch leistungsfähigerer Netze als unabdingbare Voraussetzung für die Industrie 4.0 und vernetzte Mobilität erleichtert wird. Er verweist auch darauf, dass bei der Reform der Telekommunikationsvorschriften die Belange der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben weiterhin berücksichtigt werden bzw. bleiben sollten und dem Bedarf weiterer Frequenznutzungen und Frequenzzuteilungen hinsichtlich der Datenübertragung Rechnung getragen werden sollte.
Bei einer Verständigung auf EU-weite Kriterien der Frequenzzuteilung sind die Spielräume der Mitgliedstaaten zur Sicherung der Meinungsvielfalt zu erhalten. Der Bundesrat setzt sich dafür ein, dass ein Rundfunkspektrum erhalten bleibt, das neben der bestehenden Programmvielfalt einen wirtschaftlichen Betrieb von DVB-T und dessen Entwicklungsmöglichkeiten garantiert. Ebenso muss ein ausreichendes Spektrum für den Betrieb von PMSE (drahtlose Mikrofon- und Videotechnik in Kultur, Bildung und Sport) zur Verfügung stehen. Der Lamy-Bericht beschreibt, wie die Kommission eine frequenzpolitische Initiative im Bereich des UHF-Bandes ausgestalten könnte. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung dazu auf, sich gegenüber der Kommission dafür auszusprechen, dass der Lamy-Bericht, insbesondere mit seinem Vorschlag einer Frequenznutzungsgarantie für den Rundfunk, im REFIT des Telekom-Pakets bei einer anstehenden Revision des Telekom-Pakets sowie des "Radio Spectrum Policy Programmes" berücksichtigt wird.
- 23. Der Bundesrat stimmt mit der Kommission überein, dass Investitionen in den Ausbau von noch leistungsfähigeren Netzen mit hoher Kapazität einen wirksamen Wettbewerb sowie dem Ausbaurisiko angemessene Renditen voraussetzen.
- 24. Er sieht die bisherigen Regelungen für eine sektorspezifische Regulierung im Telekommunikationsmarkt sowie die europäische Abstimmung über das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation grundsätzlich als erfolgreich an. Änderungen, die die strukturellen Veränderungen des Marktes aufnehmen und zur Implementierung eines DSM führen sollen, sollen nach Auffassung des Bundesrates auf der Weiterentwicklung der bisherigen Ansätze basieren. Zur Wahrung der Planungssicherheit, Berechenbarkeit und Subsidiarität spricht sich der Bundesrat dafür aus, die nationale TK-Regulierung grundsätzlich beizubehalten und übereilte Paradigmenwechsel zu vermeiden.
Zu Nummer 3.2. Mediengesetzgebung
- 25. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass neue Vorschriften, die eine Antwort auf technologische Entwicklungen geben und in Europa gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle audiovisuellen Medien schaffen, dringend nötig sind. Durch eine Überarbeitung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) ist die veraltete Differenzierung der Medienregulierung zwischen linearen und nichtlinearen Diensten aufzugeben. Ziel einer künftigen Regulierung muss nach Auffassung des Bundesrates die Herstellung eines Level-Playing-Fields zwischen Rundfunkunternehmen und Internetdiensten sein.
- 26. Zur geplanten Überarbeitung der AVMD-Richtlinie erinnert der Bundesrat ferner an seine Stellungnahme vom 5. Juli 2013 (BR-Drucksache 321/13(B) ) zum Grünbuch der Kommission über die Vorbereitung auf die vollständige Konvergenz der audiovisuellen Welt. Er verweist insbesondere auf die Ziffern 6 bis 10, in denen er einen einheitlichen Rechtsrahmen für lineare und nichtlineare audiovisuelle Angebote empfiehlt, sich grundsätzlich für das Herkunftslandprinzip ausspricht, dringenden Handlungsbedarf bei den Regeln für kommerzielle Kommunikation sieht, die Sicherstellung der Integrität von Inhalten für notwendig hält und alle Maßnahmen unterstützt, die den Schutz von Minderjährigen verbessern. Außerdem verweist der Bundesrat auf die laufenden Arbeiten der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz.
Zu Nummer 3.3. Plattformen und Mittler
- 27. Der Bundesrat begrüßt darüber hinaus, dass die Kommission bei der Überprüfung der Telekommunikationsvorschriften darauf hinarbeiten will, gleiche Ausgangsbedingungen für die Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer zu gewährleisten, die auch Dienste umfassen sollen, die von den Endnutzern zunehmend als Substitute für herkömmliche elektronische Kommunikationsdienste genutzt werden. Er begrüßt deshalb die Absicht der Kommission, eine umfassende Untersuchung der Rolle von Plattformen und Mittlern vorzunehmen. Die von der Kommission in den Blick genommenen Plattformen (zum Beispiel Suchmaschinen, soziale Medien, e-Commerce-Plattformen, App-Stores, Preisvergleichs-Websites) haben durch auswertende und aggregierende Aktivitäten einen Einfluss darauf, auf welche Inhalte die Nutzerinnen und Nutzer aufmerksam werden. Dieser Einfluss wird zum Teil von marktstarken Unternehmen ausgeübt. Neben den von der Kommission genannten Aspekten (unter anderem Transparenz) ist insbesondere die Diskriminierungsfreiheit über das bestehende allgemeine Wettbewerbsrecht hinaus europaweit zu gewährleisten. Spielräume der Mitgliedstaaten zur Sicherung von Meinungsvielfalt und kommunikativer Chancengerechtigkeit sind dabei zu erhalten.
Zu Nummer 3.4. Datenschutz bei digitalen Diensten
- 28. Der Bundesrat spricht sich gleichermaßen für ein hohes Datenschutzniveau und die Ermöglichung wirtschaftlicher Wertschöpfung aus. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen digitale Medien unbesorgt nutzen können. Bedingung hierfür ist, dass sie einem verantwortungsvollen Umgang mit ihren Daten vertrauen können. Nur Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich darauf verlassen können, dass ihre Daten sicher sind und nicht gegen ihren Willen verarbeitet oder weiter gegeben werden, können die Medienvielfalt auch in vollem Umfang nutzen.
- 29. Der Bundesrat begrüßt die Ankündigung, die "e-Datenschutz-Richtlinie" (Richtlinie 2002/58 EG - Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation) zu überprüfen. Er nimmt hierzu auf seine Stellungnahme vom 30. März 2012 (BR-Drucksache 052/12(B) , Ziffer 9) Bezug, in der auf die in diesem Bereich entstehenden Rechtsunsicherheiten nach Inkrafttreten der vorgeschlagenen Datenschutz-Grundverordnung hingewiesen wurde.
- 30. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass eine "lernende Organisation" aus Wirtschaft, Wissenschaft und Staat ein sinnvolles Instrument sein kann, um sicherzustellen, dass aus Wirtschaft und Wissenschaft Produkte und Dienstleistungen generiert werden, die den vom Staat festgestellten Sicherheitsbedarf (Erkenntnislage Cybersicherheit) unmittelbar aufgreifen können. Er unterstützt daher die Pläne der Kommission zur Schaffung eines Netzwerks zur Cybersicherheit.
Zu 4.2. Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit
- 31. Der Bundesrat teilt die Ansicht der Kommission, der zufolge Interoperabilität und Standardsetzung eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren eines Binnenmarkts sind. Er gibt aber auch zu bedenken, dass das Setzen einheitlicher Standards für technische Systeme ein hoch komplexes Thema ist, das nur mit der gebotenen Zurückhaltung und unter Berücksichtigung der legitimen Interessen von Wirtschaft und Gemeinwesen angegangen werden sollte. Dies betrifft beispielsweise den Bereich der e-Gesundheit, da hier der Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten im Raum steht.
Zu 4.3. Inklusive digitale Gesellschaft
- 32. Bezüglich der Vorschläge der Kommission zur Förderung einer inklusiven, digitalen Gesellschaft verweist der Bundesrat darauf, dass die Zuständigkeit für den Bereich der eigenen Verwaltungsorganisation bei den Mitgliedstaaten liegt. Die Erfassung aller mit einer Person im Zusammenhang stehenden Daten in einer einheitlichen Datenbank sieht er schon unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten kritisch.
- 33. Der Bundesrat hinterfragt kritisch die angestrebte Ausweitung des Grundsatzes der einmaligen Datenerfassung. Die automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten muss den Anforderungen des Datenschutzes gerecht werden und es sind Maßnahmen zu treffen, die je nach der Art der zu schützenden personenbezogenen Daten oder Datenkategorien geeignet sind, dass zu unterschiedlichen Zwecken erhobene Daten getrennt verarbeitet werden können. Eine Entwicklung hin zu einer umfangreichen Datenbank, in der alle Informationen zu Bürgerinnen und Bürger gespeichert sind, ist abzulehnen.
Zu Bildungsfragen
- 34. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass bei der Verbesserung der digitalen Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürger in der EU Handlungsbedarf besteht. Dies gilt jedoch nicht nur im Hinblick auf den von der Kommission prognostizierten IT-Fachkräftemangel, sondern insbesondere auch vor dem Hintergrund einer immer weiter voranschreitenden Digitalisierung in allen Lebensbereichen. Digitale Kompetenzen und Qualifikationen sind folglich eine zentrale Aufgabe, der sich Bildungs- und Ausbildungssysteme stellen müssen, um junge Menschen auf das Leben vorzubereiten. Damit Schülerinnen und Schüler möglichst früh Informations- und Medienkompetenz erlangen und an der digitalen Welt teilhaben können, ist es wichtig, dass auch Schulen an den Breitbandausbau angeschlossen werden. Der Bundesrat unterstützt deshalb die Aussage der Kommission, dass der Breitbandausbau auch im Bereich der Daseinsfürsorge gefördert werden muss.
- 35. Er unterstützt die Aussage der Kommission, dass im digitalen Zeitalter große Chancen für den Wohlstand, die Lebensqualität und die Zukunftsfähigkeit Europas liegen. Folglich ist es unabdingbar, dass sich die Mitgliedstaaten auch mit der Vermittlung digitaler Kompetenzen und Qualifikationen befassen. Darüber hinaus kann der Einsatz digitaler Medien den Unterricht bereichern und in Ergänzung der aktuellen pädagogischen Konzepte das Lehren und Lernen fördern. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die deutschen Länder bereits heute digitale Kompetenzen und Qualifikationen umfangreich fördern. In diesem Zusammenhang werden die Aus- und Fortbildungssysteme kontinuierlich an die digitalen Anforderungen angepasst. Von Bedeutung ist dabei nicht nur, wie Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) angewandt werden, sondern insbesondere auch, wie mit den durch digitale Medien vermittelten Inhalten umgegangen werden soll.
- 36. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die soziale Dimension der Bildungskommunikation im Hinblick auf den Einsatz von IKT nicht verloren gehen darf. Die direkte und reale Kommunikation muss in Lehr- und Lernprozessen auch weiterhin neben einer virtuellen Kommunikation über das Netz eine maßgebliche Rolle spielen. Er weist daher darauf hin, dass die Vorteile einer Verlagerung von Bildungsangeboten auf digitale Plattformen sorgfältig mit dem unverzichtbaren Lernen in sozialen und realen Zusammenhängen abgewogen werden müssen (vergleiche BR-Drucksache 709/13(B) ).
- 37. Der Bundesrat stimmt mit der Kommission darin überein, dass sich der digitale Wandel in einer Größenordnung und mit einer Geschwindigkeit vollzieht, die immense Möglichkeiten für Innovation, Wachstum und Arbeitsplätze bieten. Unbeschadet der Tatsache, dass Bildung einen Schlüsselfaktor dabei darstellt, Menschen für diesen Wandel zu rüsten, betont er jedoch erneut, dass ein auf Bildung als Wirtschaftsfaktor verengter Fokus dem deutlich breiteren Bildungsanspruch in den Ländern, der auf die personale, kognitive und soziale Bildung des Einzelnen abzielt und die Gesamtpersönlichkeit im Blick hat, nicht gerecht wird. Der rasche Wandel macht es überdies erforderlich, neben dem Zugang zu den aktuellen technischen Möglichkeiten technikunabhängige Kompetenzen wie die grundlegenden Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen sowie ethische Maßstäbe zum Umgang mit neuen technischen Möglichkeiten zu vermitteln. Hierdurch sollen Schülerinnen und Schüler die Fähigkeit zum Umgang auch mit künftigen, im Einzelnen noch nicht absehbaren Veränderungen erlangen.
- 38. Die Kommission stellt in ihrer Mitteilung fest, dass unter anderem im Bildungsbereich neue Plattformen ein exponentielles Wachstum erzielt hätten, und betont die Chancen einer "Ökonomie des Teilens" für Effizienzsteigerungen, Wachstum und Beschäftigung. Der Bundesrat erkennt an, dass die Entwicklung der frei zugänglichen Lehr- und Lernmaterialien (Open Educational Resources, OER) gefördert werden sollte. Er stellt gleichwohl fest, dass die Kommission in ihrer Arbeitsunterlage den fragmentarischen Einsatz von OER in den Mitgliedstaaten nur pauschal bemängelt, ohne jedoch auf die in diesem Bereich drängenden rechtlichen Fragen, insbesondere des Urheberrechts sowie der Qualitätssicherung, einzugehen.
- 39. Der Bundesrat sieht die Ankündigung der Kommission mit Sorge, Veränderungen der Aus- und Fortbildungssysteme ausgehend von auf EU-Ebene laufenden Initiativen anzustoßen. Bezüglich der digitalen Bildung unterstreicht der Bundesrat, dass die Kompetenz für die Ausgestaltung der Bildungsinhalte und ihre Weiterentwicklung ausschließlich bei den Mitgliedstaaten, in Deutschland bei den Ländern, liegt. Im Bildungsbereich kommt der EU nur eine unterstützende Rolle unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und der Freiwilligkeit der europäischen Bildungskooperation zu. Dieses Kompetenzgefüge ist auch im Rahmen eines digitalen Binnenmarktes zu beachten und darf nicht durch die Einrichtung sogenannter "Allianzen für branchenspezifische Kompetenzen" unterlaufen werden, die - wie in dem Arbeitspapier der Kommission angekündigt - mit Stakeholdern aus unterschiedlichen Wirtschaftssektoren Curricula mit bestimmten Bildungsinhalten festlegen.
- 40. Die Kommission kündigt in der Mitteilung an, bei der Anerkennung digitaler Kompetenzen und Qualifikationen mitwirken zu wollen. Hierfür werden nach den Ausführungen in der Arbeitsunterlage ein Kompetenzrahmen und ein Selbstevaluierungsinstrument auf europäischer Ebene entwickelt; die Anerkennung soll in einem Online-Kompetenzportfolio sichergestellt werden. Ein solches kann allenfalls als unverbindliche Richtschnur dienen, den Vergleich von Qualifikationen erleichtern sowie die Transparenz erhöhen. Der Bundesrat warnt in diesem Zusammenhang erneut vor einer Vermischung von Anerkennungs- und Transparenzinstrumenten (vgl. BR-Drucksache 725/12(B) ) und hinterfragt den Mehrwert der Schaffung neuer Instrumente in diesem Bereich.
- 41. Der Bundesrat nimmt die Pläne der Kommission, Investitionen in den digitalen Binnenmarkt mit finanziellen Mitteln aus "Erasmus+" und "Horizont 2020" zu flankieren, zur Kenntnis. Er begrüßt grundsätzlich Investitionen in digitale Pädagogik, Fähigkeiten und Kompetenzen, weist jedoch darauf hin, dass nicht jeder Einsatz von IKT zu Lehr- und Lernzwecken bereits für sich einen pädagogischen Mehrwert mit sich bringt. Bei der Verwendung von Mitteln aus den EU-Förderprogrammen für den digitalen Binnenmarkt sollte auf eine pädagogisch sinnvolle Verwendung von IKT geachtet und diese untersucht werden. Unbeschadet der Bedeutung der Förderung digitaler Kompetenz darf auch die Förderung persönlicher Begegnungen insbesondere im schulischen Bereich im Rahmen von "Erasmus+" nicht aus dem Blick geraten. Gerade die Zahl der reinen Schulpartnerschaften ist durch die geänderte Förderstruktur dramatisch zurückgegangen. Vor diesem Hintergrund sind dringend Umsteuerungen bei der Programmdurchführung angezeigt, um der strukturellen Benachteiligung des schulischen Bereichs im Programm "Erasmus+" entgegenzuwirken.
Direktzuleitung der Stellungnahme
- 42. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.