Der Hessische Ministerpräsident
Wiesbaden, 5. März 2014
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stephan Weil
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Hessische Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat die anliegende Entschließung des Bundesrates - Maßnahmen zur stärkeren Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet und zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung mit dem Antrag zuzuleiten, die Entschließung zu fassen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Plenarsitzung am 14. März 2014 aufzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Bouffier
Entschließung des Bundesrates - Maßnahmen zur stärkeren Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet und zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung
Der Bundesrat möge beschließen:
I. Der Bundesrat stellt fest:
Der Bundesrat unterstützt die in der Vergangenheit ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung und der Länder zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet. In dem jüngst vom Bundeskabinett beschlossenen Bericht des Bundesministeriums des Innern und des Bundesjustizministeriums über die in 2012 ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet wurde festgestellt, dass das Bundeskriminalamt (BKA) im Jahr 2012 insgesamt 6209 Hinweise zu kinderpornographischen Inhalten bearbeitete. Nach vier Wochen betrug die Löschquote solcher einschlägigen Inhalte 97 Prozent. Dies zeigt den Erfolg der Maßnahmen.
Es sind aber auch besorgniserregend hohe Zahlen, die längst nicht das gesamte Ausmaß dieses Kriminalitätsfeldes abdecken. Sie zeigen, dass die Bekämpfung von Kinderpornografie eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt. Verstärkte Anstrengungen im Hinblick auf eine konsequente und effektive Verfolgung dieses Kriminalitätsfeldes erscheinen erforderlich. Dabei ist es verfassungsrechtlich zwingend geboten, dass der Gesetzgeber die Grenzen zum strafrechtlich relevanten Verhalten klar bestimmt (Art. 103 Abs. 2 GG) . Die aktuelle Diskussion um sogenannte Posing-Bilder zeigt, dass es auch in der Altersgruppe der 14-18- Jährigen eine Grauzone gibt, welche die Ermittlungsbehörden regelmäßig vor schwierige Abwägungsfragen stellt.
II. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung,
sich dieser Materie zügig anzunehmen und gesetzgeberisch aktiv zu werden. Insbesondere wird die Bundesregierung gebeten, ihren Beitrag zur Umsetzung der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern zeitnah zu leisten.
III. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung
bei Vorlage neuer Regelungen und darüber hinaus folgende Inhalte zu berücksichtigen:
1. Strafbarkeitslücken identifizieren und schließen
Es wird zu prüfen sein, ob Strafbarkeitslücken insbesondere im Bereich der Verbreitung und des Besitzes kinder- und jugendpornografischer Schriften (§ 184b und c StGB) bestehen. Strafbarkeitslücken bei sogenannten Posing-Bildern erscheinen nicht hinnehmbar.
Es erscheint notwendig, jedenfalls Bilder von nackten Kindern, die ohne jeden sinnstiftenden Kontext allein auf die sexuelle Erregung des Betrachters abzielen, umfassend unter Strafe zu stellen. Dabei wird auch die Altersgruppe der 14-18-Jährigen in die Prüfung mit einzubeziehen sein. Als neuer Aspekt sollte geprüft werden, bereits die kommerzielle Erstellung und die einschlägige Weiterverbreitung solcher Bilder unter Strafe zu stellen.
Kinder und Jugendliche sind in Chatforen und sozialen Netzwerken einer starken Gefährdung durch sexuelle Übergriffe pädophiler Täter ausgesetzt (sog. Cybergrooming). Entsprechend dem Beschluss der Justizministerinnen und Justizminister der Länder vom Juni 2013 sollte deshalb auch dieser Aspekt in Umsetzung der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern zeitnah umgesetzt werden.
2. Grundlegende Reform des Strafgesetzbuches - Anpassung an die Entwicklungen der digitalen Kommunikation
Die Ankündigung zur Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet den veralteten Schriftenbegriff im Strafrecht zu einen modernen Medienbegriff zu erweitern, wird als erster und notwendiger Schritt zur Anpassung des Strafgesetzbuches an die Entwicklungen der digitalen Kommunikation verstanden. Darüber hinaus ist jedoch eine umfassende Reform des Strafgesetzbuches im Hinblick auf die Realitäten der modernen Kommunikation nötig, da das Strafrecht in vielen Fällen noch den Begrifflichkeiten des letzten Jahrhunderts verhaftet ist und deswegen Strafbarkeitslücken bestehen.
Auch in anderen Rechtsbereichen ist zu prüfen, ob weitere Regelungen, etwa mit Blick auf die Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Kindern, erforderlich sind.
3. Stärkung der technischen und personellen Rahmenbedingungen
Es ist nicht zu verkennen, dass sich ein großer Teil der Kriminalität ins Internet verlagert hat und deswegen sich auch die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden in ihren Strukturen an diese Entwicklung anpassen müssen. Die konsequente Verfolgung internetbasierter Kriminalität bedarf hochspezialisierte Ermittlungs- und Strafverfolgungseinheiten.
Eine enge Zusammenarbeit von Justiz und Polizei ist dringend erforderlich. Beispielhaft kann hier auf die Zusammenarbeit der bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main angesiedelten Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität mit dem Bundeskriminalamt und dem Hessischen Landeskriminalamt verwiesen werden. Diese Zusammenarbeit hat schon zu vielfältigen Ermittlungserfolgen geführt, die deutschlandweit Beachtung gefunden haben. Eine weitere Stärkung der Ermittlungsbehörden erscheint angesichts der stetig steigenden Anzahl und des Umfangs der Verfahren insbesondere im Bereich der Kinderpornografie dringend angezeigt. Aufgrund der nationalen Bedeutung sehen wir den Bund hier in einer besonderen Pflicht.
4. Präventionsarbeit verbessern
Neben der Stärkung der Strafverfolgung sind auch präventive Maßnahmen erforderlich. Die umfassende Bekämpfung dieses Kriminalitätsfeldes ist insoweit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe von nationaler Bedeutung zu verstehen, aus der sich auch eine umfassende Verpflichtung des Bundes ergibt.
In die Überlegungen zur Stärkung der präventiven Maßnahmen sind auch die Täter mit einzubeziehen. Für therapiebereite Menschen mit pädophilen Neigungen, die (weiteren) Übergriffen vorbeugen wollen, ist es erforderlich, dass entsprechende therapeutische Anlaufstellen bestehen. Beispielhaft kann hier das Projekt "Kein Täter werden" in Gießen als Teil eines bundesweiten Projektes der Berliner Charité genannt werden. Auch solche Projekte sind wichtige Bausteine zur Verhinderung zukünftiger Straftaten.
Kinder und Jugendliche, aber auch die Eltern, sollen stärker für die Gefahren des Internets - etwa durch sog. Sexting - sensibilisiert werden. Eltern trifft dabei eine besondere Verantwortung. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit Medien ist bereits im Kindes- und Jugendalter dringend erforderlich. Auf die Stärkung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen sollte im Hinblick auf ihre besondere Gefährdung durch drohende sexuelle Übergriffe im Internet verstärkt hingewirkt werden.
Dabei sollte auch in einen kritischen Dialog mit den Internetanbietern eingetreten werden. Im Zuge dessen gilt es auch an die Selbstverantwortung von Internetanbietern und Suchmaschinen zu erinnern. Bei sozialen Netzwerken und Anbietern von E-Mail- und Nachrichtendiensten sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen besonders im Hinblick auf Persönlichkeitsrechte, das Recht am eigenen Bild bzw. urheberrechtliche Belange - in den Blick zu nehmen.