Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 21. Januar 2010 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen und insbesondere auf seine Entschließung vom 15. November 2007 zu den schwerwiegenden Vorfällen, die die Existenz christlicher und anderer religiöser Gemeinschaften gefährden,
- - unter Hinweis auf Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte von 1966,
- - unter Hinweis auf die UN-Erklärung über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Überzeugung von 1981,
- - gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Förderung der Demokratie sowie der Achtung der Menschenrechte und der Bürgerfreiheiten zu den Grundprinzipien und Zielen der Europäischen Union gehört und eine gemeinsame Grundlage für ihre Beziehungen mit Drittstaaten bildet,
B. in der Erwägung, dass gemäß den internationalen Menschenrechtsnormen und insbesondere gemäß Artikel 18 des Internationalen Pakts für Bürgerliche und Politische Rechte jedermann das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit hat; in der Erwägung, dass dieses Recht die Freiheit einschließt, die Religion oder Weltanschauung zu wechseln und allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekunden,
C. in der Erwägung, dass Europa, wie auch andere Teile der Welt, nicht frei von Fällen ist, in denen direkt gegen diese Freiheit verstoßen wird, und Schauplatz einzelner Straftaten gegen Angehörige von Minderheiten aufgrund deren Religion ist,
D. in der Erwägung, dass die Europäische Union ihr Eintreten für Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit wiederholt deutlich gemacht und betont hat, dass es überall in der Welt Aufgabe der Regierungen ist, diese Freiheiten zu garantieren,
E. in der Erwägung, dass in der oberägyptischen Stadt Nag Hammadi am 6. Januar 2010 sieben Menschen - sechs koptische Christen und ein Polizist - durch Schüsse aus einem vorüberfahrenden Fahrzeug getötet und weitere verletzt wurden, als Gottesdienstbesucher nach einer Mitternachtsmesse am koptischen Heiligen Abend eine Kirche verließen; in der Erwägung, dass es während der vergangenen Wochen zu weiteren Zusammenstößen zwischen koptischen Christen und Moslems gekommen ist, die von der ägyptischen Regierung als Einzelfälle charakterisiert wurden,
F. in der Erwägung, dass die ägyptischen Behörden am 8. Januar 2010 mitgeteilt haben, das sie in Zusammenhang mit dem Überfall von Nag Hammadi vom 6. Januar drei Personen festgenommen hätten, die sich nach wie vor in Haft befänden; in der Erwägung, dass die ägyptische Staatsanwaltschaft entschieden hat, dass die drei wegen vorsätzlichen Mordes vor dem Notstandsgericht für die Sicherheit des Staates (Emergency State Security Court) angeklagt werden sollen,
G. in der Erwägung, dass ungefähr 10 % der ägyptischen Bevölkerung koptische Christen sind; in der Erwägung, dass es in Ägypten in den vergangenen Jahren wiederholt zu Gewaltakten gegen koptische Christen gekommen ist,
H. in der Erwägung, dass die Glaubensfreiheit und die Freiheit, religiöse Riten zu praktizieren, durch die ägyptische Verfassung garantiert werden,
I. in der Erwägung, dass es den Beziehungen zu Ägypten große Wichtigkeit beimisst und die Bedeutung Ägyptens und der Beziehungen zwischen Ägypten und der EU für die Stabilität und Entwicklung des Europa-Mittelmeer-Raums betont,
J. in der Erwägung, dass die katholische Kirche Malaysias im Jahre 2007 vor Gericht gegen die malaysische Regierung geklagt hat, nachdem diese damit gedroht hatte, die Herausgabe der Zeitung Herald im Interesse der nationalen Sicherheit verbieten zu lassen, wenn die Zeitung nicht damit aufhöre, das Wort "Allah" zu verwenden, das von der malaiischsprachigen Bevölkerung christlichen Glaubens allgemein als Übersetzung des Wortes "Gott" gebraucht wird,
K. in der Erwägung, dass der Oberste Gerichtshof Malaysias am 31. Dezember 2009 entschieden hat, dass die Christen in Malaysia das verfassungsmäßige Recht genießen, das Wort "Allah" als Bezeichnung für Gott zu gebrauchen, und dass das Wort nicht ausschließlich dem Islam vorbehalten ist,
L. in der Erwägung, dass nach dem Urteil mindestens neun Überfälle auf christliche Kirchen in Malaysia stattgefunden haben,
M. in der Erwägung, dass die Regierung im Jahre 2009 mehr als 15 000 Exemplare der Bibel in malaiischer Sprache beschlagnahmt und bis heute nicht zurückgegeben hat, in denen das Wort "Allah" als Bezeichnung für Gott verwendet wird,
N. in der Erwägung, dass die malaysische Regierung den Gebrauch des Wortes "Allah" durch die christlichen Gemeinden in den Bundesstaaten Sabah und Sarawak akzeptiert, während sie ihn in anderen Teilen des Staates infrage stellt, wodurch sie für zusätzliche Diskriminierung innerhalb der gesamten christlichen Gemeinschaft in Malaysia sorgt,
O. in der Erwägung, dass der Dialog zwischen den verschiedenen Gemeinschaften von entscheidender Bedeutung für die Förderung des Friedens und der Völkerverständigung ist,
- 1. betont, dass das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit ein grundlegendes Menschenrecht ist, das durch internationale Rechtsinstrumente garantiert wird, und verurteilt schärfstens jegliche Form von Gewalt, Diskriminierung und Intoleranz aus Gründen der Religion und des Glaubens gegen Anhänger von Religionen, Renegaten und Nichtgläubige;
- 2. bringt seine Besorgnis wegen der jüngsten Überfälle auf koptische Christen in Ägypten und seine Solidarität mit den Familien der Opfer zum Ausdruck; fordert die ägyptische Regierung auf, die persönliche Sicherheit und die körperliche Unversehrtheit der koptischen Christen und der Mitglieder anderer religiöser Minderheiten in Ägypten zu gewährleisten;
- 3. begrüßt die Bemühungen der ägyptischen Behörden zur Ermittlung der Urheber und der Ausführenden des Überfalls vom 6. Januar 2010; fordert die ägyptische Regierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass sämtliche Personen, die für diesen und für andere Gewaltakte gegen koptische Christen oder andere Minderheiten die Verantwortung tragen, vor Gericht gestellt und in einem ordnungsgemäßen Verfahren verurteilt werden;
- 4. fordert die ägyptische Regierung auf zu gewährleisten, dass die koptischen Christen und die Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften in den Genuss sämtlicher Menschenrechte und aller grundlegenden Freiheiten - einschließlich des Rechts, ihre Religion frei zu wählen und zu wechseln - gelangen, und dass jegliche gegen sie gerichtete Diskriminierung unterbunden wird;
- 5. bedauert Fälle religiös motivierter Gewalt auf europäischem Boden, einschließlich des Mordes an Marwa El-Sherbini, und bringt seine Solidarität mit den Familien der Opfer zum Ausdruck;
- 6. verleiht seiner Besorgnis über die jüngsten Überfälle auf Kirchen und Gotteshäuser in Malaysia und seiner Solidarität mit den Opfern Ausdruck; fordert die malaysischen Behörden auf, die persönliche Sicherheit und körperliche Unversehrtheit von Personen zu gewährleisten, die ihre Religion ausüben, und geeignete Schritte zu unternehmen, um Kirchen und andere Gotteshäuser zu schützen;
- 7. fordert die malaysischen Behörden auf, Berichten über Überfälle auf Gotteshäuser gründlich und zügig nachzugehen und die Verantwortlichen gerichtlich zur Verantwortung zu ziehen;
- 8. ist der Auffassung, dass das Vorgehen des malaysischen Innenministeriums eine Verletzung der Religionsfreiheit darstellt; ist besonders darüber besorgt, dass die malaysische Regierung ungesetzlich gehandelt hat und dass ihr Eingreifen zu einem Anwachsen der Spannungen zwischen den religiösen Gruppen im Lande beigetragen hat;
- 9. begrüßt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Malaysias und fordert die malaysischen Behörden auf, diese Entscheidung zu respektieren; fordert die malaysische Regierung auf, nicht die erneute Inkraftsetzung des Verbots der Verwendung des Wortes "Allah" anzustreben, sondern stattdessen zu versuchen, die entstandenen Spannungen abzubauen und auf weitere Handlungen zu verzichten, die geeignet sein könnten, das friedliche Zusammenleben der vorherrschenden und der Minderheitsreligionen zu gefährden, wie es in der malaysischen Verfassung verankert ist;
- 10. fordert den Rat, die Kommission und die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik auf, im Rahmen der Beziehungen der EU zu den betreffenden Ländern und der Zusammenarbeit mit ihnen besonders auf die Lage der religiösen Minderheiten, einschließlich der christlichen Gemeinschaften, zu achten;
- 11. unterstützt alle Initiativen, die die Förderung des Dialogs und des gegenseitigen Respekts zwischen den Gemeinschaften zum Ziel haben; appelliert an alle Religionsführer, sich für Toleranz einzusetzen und gegen den Hass sowie gegen die gewalttätige und extremistische Radikalisierung vorzugehen;
- 12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Parlament von Ägypten sowie der Regierung und dem Parlament von Malaysia zu übermitteln.