979. Sitzung des Bundesrates am 28. Juni 2019
A
1. Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz die Einberufung des Vermittlungsausschusses gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes mit dem Ziel zu verlangen, das Gesetz grundlegend zu überarbeiten.
Begründung:
Folgende Aspekte sind besonders problematisch:
- a) Entgegen der Stellungnahme des Bundesrates sieht das Gesetz für die Ausbildungsduldung eine Wartezeit - wenn auch nun verkürzt von sechs auf drei Monate - vor. Dadurch wird der Anwendungsbereich der 3+2-Regelung, die sich in der Praxis bewährt hat und die von der Wirtschaft begrüßt wird, stark beschnitten.
- b) Zu stark eingeschränkt wird die Anwendung der 3+2-Regelung auch dadurch, dass sie auf Helferberufe nur Anwendung finden soll, wenn es sich um Engpassberufe handelt.
- c) Ebenfalls entgegen der Stellungnahme des Bundesrates bezieht das Gesetz die Einstiegsqualifizierung nicht explizit in die 3+2-Regelung ein.
- d) Eine weitere Einschränkung des Anwendungsbereichs der 3+2-Regelung enthält die Neufassung des § 60a Absatz 6 AufenthG (in Verbindung mit § 104 Absatz 16 AufenthG), nach der die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis für Personen aus sicheren Herkunftsstaaten auch dann grundsätzlich nicht möglich sein soll, wenn ein Asylantrag zurückgenommen oder nicht gestellt wurde. Durch die missglückte Fassung dieser Norm wird zudem nicht nur der Anwendungsbereich der Ausbildungsduldung beschränkt, sondern es wird auch für die Fälle langjähriger Kettenduldung, in denen nie ein Asylantrag gestellt wurde, die Neuerteilung einer Beschäftigungserlaubnis und damit der Weg in die Integration ausgeschlossen.
- e) Zu restriktiv und zu kompliziert sind ferner die gestaffelten Fristen zur Identitätsklärung als Voraussetzung für die Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung.
Insgesamt verschlechtern die namentlich vorgeschlagenen Regelungen die Möglichkeiten von Geflüchteten, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, und von Unternehmen, dringend benötigte Fachkräfte aus dem Kreis der Geflüchteten zu gewinnen.
Darüber hinaus ist die Befassung des Vermittlungsausschusses angezeigt, da insgesamt die Anregungen aus dem Bundesratsverfahren in zu geringem Umfang aufgegriffen und im Bundestagsverfahren neue Regelungen eingebracht wurden, mit denen der Bundesrat sich bisher nicht im Einzelnen auseinandersetzen konnte.
B
2. Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
C
Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik empfiehlt dem Bundesrat ferner, die folgende Entschließung zu fassen:
3.
- a) Die positive konjunkturelle Lage der deutschen Wirtschaft, der voranschreitende demografische Wandel und die Digitalisierung der Arbeitswelt führen bereits heute dazu, dass der Fachkräftebedarf allein durch die zur Verfügung stehenden inländischen Potenziale nicht gedeckt werden kann. Auch wird die Einwanderung aus der EU in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach zurückgehen. Nur mittels eines umfassenden und offensiven Konzeptes zur Fachkräftesicherung, welches die Gewinnung von Fachkräften aus Drittstaaten beinhaltet, aber auch die bereits hier lebenden Menschen mit Fluchthintergrund berücksichtigt, kann der steigende Bedarf gedeckt werden.
- b) Der Bundesrat begrüßt, dass mit dem Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung einige Verbesserungen erreicht werden, um geflüchteten Menschen in Arbeit und Ausbildung einen rechtssicheren Aufenthalt zu ermöglichen.
- c) Es ist zwar ein positiver Aspekt, dass nunmehr die Geltungsdauer der Beschäftigungsduldung ausgeweitet wurde. Jedoch sind die immer noch bestehenden Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungsduldung nach § 60c AufenthG aus arbeitsmarktpolitischer Sicht eine zu große Hürde, um eine umfassende Integration der nach Deutschland kommenden Migrantinnen und Migranten zu erreichen. Zudem erfasst die aufgenommene Stichtagsregelung lediglich Geduldete, die bis zum 31. August 2018 nach Deutschland eingereist sind.
- d) Nur wenn diese Hürden deutlich gesenkt werden, kann die Beschäftigungsduldung einen echten Beitrag zur Deckung des Fachkräftebedarfs der deutschen Wirtschaft leisten.
- e) Der Bundesrat fordert vor diesem Hintergrund, die in diesem Gesetz enthaltenen Hürden für die Erteilung einer Beschäftigungsduldung zeitnah abzusenken. Insbesondere sollten dabei die folgenden Punkte berücksichtigt werden:
- - Es sollte keine Stichtagsregelung zur Beschäftigungsduldung eingeführt werden, da diese den potenziellen Personenkreis weiter einschränkt, der grundsätzlich einen Anspruch auf eine Beschäftigungsduldung besitzt.
- - Eine Festlegung der Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden pro Woche ist nicht zeitgemäß. Es erscheint ausreichend, dass der Lebensunterhalt der Ausländerinnen und Ausländer durch die Beschäftigung gesichert sein muss.
4. Hilfsempfehlung zu Ziffer 3:
- a) Der Bundesrat begrüßt, dass mit dem Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung geflüchteten Menschen in Arbeit und Ausbildung ein rechtssicherer Aufenthalt ermöglicht werden soll.
- b) Nach Auffassung des Bundesrates s i.d.R. gelungen erforderlich, die für Menschen, die sich bereits in Ausbildung und Beschäftigung befinden oder die eine Ausbildungs- oder Beschäftigungsstelle konkret in Aussicht haben, und für die Betriebe, die geflüchtete Menschen ausbilden und beschäftigen wollen, Rechts- und Planungssicherheit schaffen.
- c) Der Bundesrat bedauert, dass die Anregungen des Bundesrates in seiner Stellungnahme in BR-Drucksache 8/19(B) in weiten Teilen nicht aufgegriffen wurden und befürchtet, dass aufgrund der weiterhin im Gesetz vorgesehenen Zugangshürden und Ausschlüsse vielen Personen, die voraussichtlich längerfristig in Deutschland bleiben werden, der Zugang zur Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung verwehrt bleiben wird.
- d) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sorgfältig zu beobachten, in welchem Umfang die Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung tatsächlich in Anspruch genommen wird, vor allem aber, in welchem Umfang und in welchen Fällen die neu geschaffenen Duldungstatbestände nicht greifen, wobei auch die Auswirkungen der Befristung der Regelungen in den Blick genommen werden sollten.
- e) Die Wirkung der Regelungen sollte zeitnah überprüft und gegebenenfalls ein Gesetz vorgelegt werden, mit dem in Anlehnung an die Vorschläge des Bundesrates in seiner Stellungnahme in BR-Drucksache 8/19(B) der Zugang zur Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung verbessert und erweitert wird.
- f) Bei der Prüfung sollte auch berücksichtigt werden, welche Auswirkungen die neu geschaffenen Regelungen zur Beschränkung des Zugangs zu Beschäftigung und der Anrechnung von Duldungszeiten in Fällen, in denen von einer ungeklärten Identität ausgegangen wird, auf die Integration von geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt haben.