Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, 12. Januar 2019
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Antrag für eine Entschließung des Bundesrates "Arbeitszeiten an die Herausforderungen der digitalisierten Arbeitswelt anpassen" zuzuleiten.
Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 15. Februar 2019 aufzunehmen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Laschet
Entschließung des Bundesrates "Arbeitszeiten an die Herausforderungen der digitalisierten Arbeitswelt anpassen"
Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:
- 1. Die voranschreitende Digitalisierung verändert die Arbeitswelt, sie eröffnet eine Vielzahl von Chancen, zu deren Nutzung eine weitere Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes notwendig ist. Zeitflexibles und ortsunabhängiges Arbeiten erfordert eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen für eine flexible Arbeitszeitgestaltung, um den Bedürfnissen der Unternehmen und der Beschäftigten in einer modernen Arbeitswelt gerecht zu werden.
- 2. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Erhalt der Arbeitskraft gerade in Zeiten des demografischen Wandels auch im Hinblick auf die Fachkräftesicherung ein wichtiges Ziel ist. Um langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu sein, sind auch die Unternehmen darauf angewiesen, dass ihre Beschäftigten langfristig gesund und leistungsfähig bleiben.
- 3. Die Möglichkeit einer flexiblen Anpassung der Arbeitszeiten auf die jeweiligen betrieblichen Erfordernisse trägt zum Erhalt und weiteren Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit und damit auch der Arbeitsplätze bei. Flexiblere Arbeitszeiten ermöglichen zudem den Beschäftigten durch eine größere Selbstbestimmung bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeiten Familie, Pflege und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Dieses gilt insbesondere bei mobiler Arbeit oder bei der Arbeit im Homeoffice. Die Interessen von Arbeitgebern und Beschäftigten müssen mit dem Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Beschäftigten in Einklang gebracht werden.
- 4. Um die Chancen der Digitalisierung in der Arbeitswelt zu nutzen, fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes einzubringen.
Mit dem Entwurf sollen die innerhalb der Vorgaben der EU-Richtlinie 2003/88/EG zur Arbeitszeitgestaltung vorhandenen Spielräume besser genutzt werden, indem die Tarifpartner innerhalb dieses Rahmens eigene Regelungen treffen können. Dabei sollen die bisherigen tarifvertraglichen Abweichungsmöglichkeiten des Arbeitszeitgesetzes im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie wie folgt angepasst werden:
- a. Vereinbarung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit anstelle der werktäglichen Höchstarbeitszeit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer entsprechend Art. 6 der EU-Arbeitszeit-Richtlinie. Die Höhe der gesetzlichen maximalen Wochenarbeitszeit soll dabei unverändert bleiben. Zugleich sind die in der Richtlinie vorgesehenen Ausgleichszeiten zu gewähren.
- b. Vereinbarung einer Verkürzung der vorgeschriebenen Ruhezeit von 11 Stunden zwischen zwei Arbeitstagen entsprechend Art. 18 der EU-Arbeitszeit-Richtlinie. Die Verkürzung ist nur unter der Voraussetzung zulässig, dass die betroffenen Arbeitnehmer gleichwertige Ausgleichsruhezeiten oder in Ausnahmefällen, in denen die Gewährung solcher Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist, einen angemessenen Schutz der Gesundheit und der Sicherheit erhalten.
- 5. Der Bundesrat ist der Überzeugung, dass es nur durch echte sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen gelingen wird, regional- und branchenspezifisch passgenaue Regelungen zu treffen, die den Interessen beider Seiten gerecht werden und dem Schutz der Sicherheit und der Gesundheit hinreichend Rechnung tragen. Daher soll der erweiterte Gestaltungsspielraum nur tarifgebundenen Arbeitgebern vorbehalten sein. Dieser Tarifvorbehalt schafft einen positiven Anreiz zu einer höheren Tarifbindung und gewährleistet, dass nur unabhängige und durchsetzungsstarke, also nach den Kriterien des Bundesarbeitsgerichts tariffähige Gewerkschaften Abweichungen von den gesetzlichen Arbeitnehmerschutzrechten vorsehen können.
- 6. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die vorgeschlagenen Neuregelungen in der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt einen gelungenen Ausgleich zwischen dem Flexibilisierungsinteresse der Arbeitgeber, dem wachsenden Interesse der Arbeitnehmer an Arbeitszeitsouveränität und dem Interesse beider Seiten an der Gesunderhaltung und der Sicherheit der Beschäftigten bilden.