Untersuchungsrecht des Europäischen Parlaments
Angenommener Vorschlag des Europäischen Parlaments vom 23. Mai 2012 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments über Einzelheiten der Ausübung des Untersuchungsrechts des Europäischen Parlaments und zur Aufhebung des Beschlusses 95/167/EG, Euratom, EGKS des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission ((2009/2212(INI))1
- 1. Das Parlament hat beschlossen, die Abstimmung über den Entschließungsantrag gemäß Artikel 41 Absatz 3 seiner Geschäftsordnung zu verschieben (A7-0352/2011).
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments über Einzelheiten der Ausübung des Untersuchungsrechts des Europäischen Parlaments und zur Aufhebung des Beschlusses 95/167/EG, Euratom, EGKS des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission
DAS Europäische Parlament, gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 226 Absatz 3, gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 106a, nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente, nach Zustimmung des Rates1, nach Zustimmung der Kommission1, gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren, in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1) Der Vertrag von Lissabon hat die Voraussetzungen für ein erneuertes und verstärktes institutionelles Gleichgewicht in der Europäischen Union geschaffen, das den Organen eine effizientere, transparentere und demokratischere Arbeitsweise ermöglicht. In diesem Zusammenhang wurden auch die Befugnisse des Europäischen Parlaments in Bezug auf politische Kontrolle gestärkt und ausgeweitet. Aus diesem Grund sollten die Untersuchungsausschüsse des Europäischen Parlaments im Einklang mit der nationalen Parlamentspraxis und den Anforderungen des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (im Folgenden "die Verträge") gestärkt werden, indem ihnen spezifische, echte und klar begrenzte Befugnisse eingeräumt werden, die dem politischen Gewicht und den Zuständigkeiten des Europäischen Parlaments besser gerecht werden und gleichzeitig dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Die Befugnisse der Untersuchungsausschüsse, bei denen es sich um außerordentliche Instrumente der politischen Kontrolle handelt, sollten die Zuständigkeiten anderer Organe unberührt lassen.
- 1. ABl.
- (2) Am 19. April 1995 erließen das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission den Beschluss 95/167/EG, Euratom, EGKS2 über Einzelheiten der Ausübung des Untersuchungsrechts des Europäischen Parlaments. Dieser Beschluss enthält den Hinweis, dass seine Bestimmungen aufgrund späterer Erfahrungen geändert werden können.
- (3) Angesichts des erneuerten institutionellen Gleichgewichts, das durch den Vertrag von Lissabon geschaffen wurde, und der Erfahrungen, die im Rahmen der Tätigkeit der Untersuchungsausschüsse des Europäischen Parlaments gemacht wurden, sollte der Beschluss 95/167/EG, Euratom, EGKS aufgehoben und durch eine neue Verordnung ersetzt werden.
- (4) Gemäß dem in der Rechtsprechung des Gerichtshofs3 anerkannten Grundsatz der Nützlichkeit sollten dem Europäischen Parlament und seinen Untersuchungsausschüssen die Befugnisse eingeräumt werden, die für die Erfüllung der aus dem Untersuchungsrecht resultierenden Aufgaben unentbehrlich sind. Deshalb ist es auch von entscheidender Bedeutung, dass die Organe und Einrichtungen der Europäischen Union und die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen ergreifen, um die Wahrnehmung dieser Aufgaben zu erleichtern.
- (5) Ein Untersuchungsausschuss sollte nicht eingesetzt werden, wenn der behauptete Sachverhalt von einem Gericht geprüft wird und das Gerichtsverfahren in der Sache noch anhängig ist. Um jedoch jeglichen Konflikt zwischen politischen Untersuchungen und gerichtlichen Ermittlungen zu vermeiden, sollte das Europäische Parlament die Befugnis haben, zu prüfen, ob es notwendig ist, die Ermittlungen eines Untersuchungsausschusses auszusetzen, wenn nach dessen Einsetzung ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wird, das eine Verbindung zu dem behaupteten Sachverhalt aufweist.
- 1. ABl.
- 2. ABl. L 78 vom 06.04.95, S. 1.
- 3. Urteil in den verbundenen Rechtssachen 281, 283 bis 285 und 287/85 Deutschland, Frankreich, Niederlande, Dänemark und Vereinigtes Königreich gegen Kommission [1987] Slg. 3203, Rdnr. 28.
- (6) Aus den Grundsätzen der Transparenz, des guten staatlichen Handelns und der demokratischen Rechenschaftspflicht folgt, dass das Verfahren vor den Untersuchungsausschüssen und insbesondere die Anhörungen öffentlich sein sollten. Andererseits sollten auch nichtöffentliche Verfahren und angemessene Vertraulichkeitsvorschriften vorgesehen werden, um die Effizienz der Ermittlungen, den Schutz vitaler Interessen der Mitgliedstaaten, die Wahrung der Privatsphäre und die persönliche Integrität- wobei insbesondere die Rechtsvorschriften der Union zum Schutz personenbezogener Daten zu beachten sind - sowie den Schutz der geschäftlichen Interessen von natürlichen oder juristischen Personen zu gewährleisten.
- (7) Der Zweck des Untersuchungsrechts, das ein wichtiges Element der parlamentarischen Kontrollbefugnisse ist, besteht darin, festzustellen, in welcher Weise das geltende Recht in der Vergangenheit umgesetzt wurde. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass sich ein Untersuchungsausschuss auf Tatsachenbeweise stützen kann, die er im Laufe seiner Ermittlungen erhoben hat.
Zu diesem Zweck sollte ein Untersuchungsausschuss befugt sein, Mitglieder von Organen der Union sowie Mitglieder von Regierungen der Mitgliedstaaten anzuhören, von Beamten und sonstigen Bediensteten der Union oder der Mitgliedstaaten Beweismittel zu erhalten, von jeder anderen in der Union ansässigen Einzelperson Beweismittel zu erhalten, Sachverständigengutachten einzuholen, Unterlagen anzufordern und Untersuchungen vor Ort durchzuführen.
- (8) Ermittlungen sollten unter voller Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, insbesondere des Grundsatzes des fairen Verfahrens, und des Rechts der Beteiligten, zu den sie betreffenden Sachverhalten Stellung zu nehmen, durchgeführt werden.
- (9) Untersuchungsausschüsse sollten die Rechte der als Zeugen geladenen Personen im Einklang mit der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union umfassend achten.
- (10) Bei den Ermittlungen sollte zudem dem Grundsatz Rechnung getragen werden, dass die Ergebnisse einer Untersuchung nur auf Elemente gestützt werden dürfen, die einen Beweiswert besitzen. Ein Untersuchungsausschuss sollte daher insbesondere Zugang zu relevanten Dokumenten haben, die sich im Besitz der Organe oder Einrichtungen der Europäischen Union, im Besitz der Mitgliedstaaten oder, falls er ein Dokument als wesentlich für den erfolgreichen Abschluss der Untersuchung betrachtet, im Besitz jeder sonstigen natürlichen oder juristischen Person befinden.
- (11) Gemäß dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und der Pflicht zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung der Union sollten die Organe und Einrichtungen der Union und die Mitgliedstaaten Beamte oder sonstige Bedienstete bestimmen, denen sie die Befugnis einräumen, vor einem Untersuchungsausschuss zu erscheinen, wenn sie vom Ausschuss dazu aufgefordert werden. Zudem sollte der Untersuchungsausschuss die Möglichkeit haben, die für die untersuchte Angelegenheit zuständigen Kommissionsmitglieder anzuhören, wenn ihre Zeugenaussagen als wesentlich und für eine gründliche Beurteilung der untersuchten Angelegenheit erforderlich angesehen werden.
- (12) Um zu gewährleisten, dass ein Untersuchungsausschuss seine Ergebnisse auf Elemente stützt, die einen Beweiswert besitzen, sollte er jedoch auch die Befugnis haben, die Anhörung von Einzelpersonen mit Wohnsitz in der Union als Zeugen zu beantragen, denen die Pflicht obliegen sollte, Fragen bereitwillig, umfassend und wahrheitsgemäß zu beantworten. Falls ein Beamter oder sonstiger Bediensteten der Union nicht gemäß Artikel 17 und 19 des in der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates1 niedergelegten Statuts der Beamten der Europäischen Union und gemäß Artikel 11 der in derselben Verordnung niedergelegten Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union die Zustimmung hat, der Ladung eines Untersuchungsausschusses Folge zu leisten, zur Anhörung zu erscheinen und persönlich Erklärungen abzugeben und Aussagen zu machen, sollte der Beamte oder die für die Verweigerung der Zustimmung verantwortliche Behörde vor dem Ausschuss erscheinen und die Gründe für die Verweigerung darlegen.
- 1. ABl. L 56 vom 04.03.68, S. 1.
- (13) Mit der Ratifizierung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union haben sich die Mitgliedstaaten auch damit einverstanden erklärt, dem Europäischen Parlament die Befugnis zu übertragen, behauptete Verstöße gegen das Unionsrecht oder Missstände bei dessen Umsetzung zu untersuchen. Sie sollten sich daher dazu verpflichten, dass ihre Behörden nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Rechts den Untersuchungsausschüssen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die erforderliche Unterstützung zukommen lassen.
- (14) Damit die demokratische Kontrolle auf Unionsebene gestärkt wird, räumen die Bestimmungen dieser Verordnung den Untersuchungsausschüssen erweiterte Befugnisse ein. Um diese Bestimmungen zu verwirklichen, die Effizienz der Untersuchungen zu erhöhen und diese mit der nationalen Parlamentspraxis besser in Einklang zu bringen, sollte diese Verordnung die Möglichkeit vorsehen, in eng umgrenzten Fällen wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zu verhängen. Es sollte Sache der Mitgliedstaaten sein, dafür zu sorgen, dass bestimmte Verstöße in ihrem nationalen Recht angemessenen Sanktionen unterliegen und entsprechende Verfahren gegen die Urheber solcher Verstöße eingeleitetet werden.
- (15) Der Grundsatz der Gewaltenteilung, wonach zur Vermeidung von Machtmissbrauch die Legislative (Parlament), die Exekutive (Regierung) und die Judikative (Gerichtsbarkeit) voneinander getrennt sein müssen, sollte geachtet werden.
- (16) Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden.
HAT folgende Verordnung Erlassen:
Abschnitt 1
Regelungsgegenstand und allgemeine Bestimmungen über die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen
Artikel 1
Regelungsgegenstand
- 1. Diese Verordnung regelt die Einzelheiten der Ausübung des Rechts des Europäischen Parlaments, bei der Erfüllung seiner Aufgaben unbeschadet der Zuständigkeiten, die gemäß den Verträgen anderen Organen oder Einrichtungen übertragen wurden, behauptete Verstöße gegen das Unionsrecht oder Missstände bei dessen Umsetzung durch ein Organ oder eine Einrichtung der Union, eine öffentliche Verwaltungsbehörde eines Mitgliedstaats oder jede Person, die nach dem Unionsrecht über die Zuständigkeit verfügt, dieses umzusetzen, zu untersuchen.
- 2. Die Vorschriften über die interne Organisation der Untersuchungsausschüsse sind in der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments niedergelegt.
Artikel 2
Einsetzung und Mandat eines Untersuchungsausschusses
- 1. Das Europäische Parlament kann nach Maßgabe und in den Grenzen der Verträge nichtständige Untersuchungsausschüsse einsetzen.
- 2. Das Europäische Parlament kann solche Untersuchungsausschüsse auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder einsetzen.
- 3. In dem Beschluss zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wird dessen Mandat insbesondere durch folgende Angaben beschrieben:
- a) Gegenstand und Zweck der Untersuchung unter Bezugnahme auf die einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts;
- b) Zusammensetzung des Ausschusses auf der Grundlage einer ausgewogenen Vertretung der politischen Kräfte;
- c) Frist für die Vorlage des Untersuchungsberichts, die höchstens zwölf Monate ab dem Zeitpunkt der ersten Sitzung beträgt und durch begründeten Beschluss des Parlaments zweimal um jeweils höchstens drei Monate verlängert werden kann.
Artikel 3
Beendigung der Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses
Die Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses endet
- a) mit der Vorlage des Untersuchungsberichts oder
- b) mit Ablauf der Frist für die Vorlage des Untersuchungsberichts und
- c) in jedem Fall mit Ablauf der Wahlperiode.
Artikel 4
Erneute Untersuchung
Zu einem Sachverhalt, der bereits Gegenstand einer Untersuchung durch einen Untersuchungsausschuss war, kann ein Untersuchungsausschuss nur dann eingesetzt oder erneut eingesetzt werden, wenn seit der Beendigung der Tätigkeit des früheren Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 3 Buchstaben a oder b mindestens zwölf Monate vergangen sind oder neue Tatsachen bekannt geworden sind. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses kann in jedem Fall erfolgen, wenn neue, schwerwiegende Tatsachen bekannt geworden sind, bei denen davon auszugehen ist, dass sie zu einer Änderung materieller Feststellungen führen.
Abschnitt 2
Allgemeine Verfahrensvorschriften
Artikel 5
Unvereinbarkeiten
- 1. Ein Untersuchungsausschuss darf einen behaupteten Sachverhalt nicht untersuchen, wenn der behauptete Sachverhalt von einem Gericht geprüft wird und das Gerichtsverfahren in der Sache noch anhängig ist.
- 2. Wird nach der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein gerichtliches Verfahren eingeleitet, das eine Verbindung zu dem behaupteten Sachverhalt aufweist, so prüft das Europäische Parlament, ob es notwendig ist, für die Dauer dieses Verfahrens gemäß Artikel 226 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die Ermittlungen des Ausschusses auszusetzen.
Die Dauer der Aussetzung wird nicht auf die in Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe c genannte Frist angerechnet.
- 3. Innerhalb von zwei Monaten nach der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses oder der Benachrichtigung der Kommission über einen behaupteten Verstoß gegen das Unionsrecht durch einen Mitgliedstaat, mit dem ein Untersuchungsausschuss befasst wurde, teilt die Kommission dem Europäischen Parlament mit, ob der von dem Untersuchungsausschuss geprüfte Sachverhalt Gegenstand eines Vorverfahrens der Union ist. In einem solchen Fall leitet der Untersuchungsausschuss alle erforderlichen Schritte ein, damit die Kommission ihre Zuständigkeiten gemäß den Verträgen wahrnehmen kann.
Artikel 6
Öffentlichkeit der Verhandlungen
- 1. Das Verfahren und insbesondere die Anhörungen vor dem Untersuchungsausschuss sind öffentlich.
- 2. In Ausnahmefällen wird das Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt, wenn dies von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses, einem Organ oder einer Einrichtung der Union oder einer betroffenen nationalen Behörde beantragt wird. Wenn ein Zeuge oder Sachverständiger beantragt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehört zu werden, prüft der Untersuchungsausschuss diesen Antrag und die Gründe für diesen Antrag unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Vertrauliche Informationen gemäß Artikel 8 werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geprüft.
Artikel 7
In einer laufenden Untersuchung genannte Personen
Kann eine Person durch ihre Nennung in einer laufenden Untersuchung Nachteile erleiden, so wird sie vom Untersuchungsausschuss hierüber unterrichtet. Er hört die betreffende Person auf ihren Antrag an.
Artikel 8
Vertraulichkeit
- 1. Die vom Untersuchungsausschuss erlangten Informationen sind ausschließlich für die Erfüllung seiner Aufgaben bestimmt. Sie dürfen nicht offen gelegt werden, wenn sie vertrauliches Material enthalten. Vertrauliche Informationen werden vom Europäischen Parlament unter Beachtung seiner auf "EU-Verschlusssachen" und "sonstige vertrauliche Informationen", die nicht als Verschlusssache eingestuft sind, anwendbaren internen Vorschriften gehandhabt und geschützt.
- 2. Absatz 1 gilt ebenso für Informationen, deren Offenlegung:
- a) dem Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Integrität - insbesondere im Hinblick auf die Rechtsvorschriften der Union zum Schutz personenbezogener Daten -,
- b) den geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums, zuwiderlaufen, oder
- c) den Interessen der Union bzw. eines oder mehrerer ihrer Mitgliedstaaten ernsthaften Schaden zufügen würde.
- 3. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses und sonstige Personen, denen aufgrund ihrer Tätigkeit Vorgänge, Informationen, Kenntnisse, Unterlagen oder Gegenstände, die gemäß den Bestimmungen der Mitgliedstaaten oder eines Organs der Union unter Geheimschutz stehen, mitgeteilt werden bzw. mit ihnen in Berührung kommen, sind verpflichtet, auch nach Abschluss ihrer Tätigkeit Vertraulichkeit gegenüber Unbefugten und der Öffentlichkeit zu wahren.
Artikel 9
Zusammenarbeit
Die Organe und Einrichtungen der Union sowie die nationalen Behörden der Mitgliedstaaten unterstützen den Untersuchungsausschuss im Einklang mit den Rechtsvorschriften der Union und den nationalen Rechtsvorschriften bei der Erfüllung seiner Aufgaben nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit.
Artikel 10
Mitteilungen
Mitteilungen, die zum Zweck der Anwendung dieser Verordnung an die nationalen Behörden der Mitgliedstaaten gerichtet werden, sind über deren Ständige Vertretungen bei der Union zu übermitteln.
Artikel 11
Ergebnisse der Untersuchungen
- 1. Der Untersuchungsausschuss legt seinen Abschlussbericht dem Europäischen Parlament vor.
- 2. Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses kann ein Minderheitenvotum enthalten, soweit dieses Minderheitenvotum die Unterstützung von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses findet.
- 3. Das Europäische Parlament kann den Organen und Einrichtungen der Union oder den Mitgliedstaaten zur Weiterleitung an die zuständigen Behörden Empfehlungen übermitteln, die es auf der Grundlage des Abschlussberichts verabschiedet.
Abschnitt 3
Untersuchung
Artikel 12
Durchführung der Untersuchung
- 1. Zur Durchführung der Ermittlungen kann der Untersuchungsausschuss im Rahmen seines Mandats und vorbehaltlich der Artikel 14 bis 18:
- - Mitglieder der Organe der Union und Mitglieder der Regierungen der Mitgliedstaaten anhören; - von Beamten und sonstigen Bediensteten der Union oder der Mitgliedstaaten Beweismittel erhalten;
- - von jeder anderen in der Union ansässigen Einzelperson Beweismittel erhalten; - Sachverständigengutachten einholen;
- - Unterlagen anfordern;
- - Untersuchungen vor Ort durchführen.
- 2. Der Untersuchungsausschuss kann im Laufe seiner Ermittlungen nationale Behörden um Hilfe ersuchen.
- 3. Berühren behauptete Verstöße gegen das Unionsrecht oder Missstände bei dessen Umsetzung eine mögliche Verantwortlichkeit einer Einrichtung oder einer Behörde eines Mitgliedstaats, so kann der Untersuchungsausschuss das Parlament des betreffenden Mitgliedstaats um Zusammenarbeit bei den Ermittlungen ersuchen.
Zu diesem Zweck kann das Europäische Parlament interparlamentarische Vereinbarungen mit den Parlamenten der Mitgliedstaaten schließen.
Artikel 13
Untersuchungen vor Ort
Der Untersuchungsausschuss kann Untersuchungen vor Ort durchführen. Diese werden gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden unter Einhaltung des maßgeblichen nationalen Rechts vorgenommen.
Artikel 14
Anforderung von Unterlagen
- 1. Auf Antrag des Untersuchungsausschusses, der an die Organe und Einrichtungen der Union gerichtet ist, stellen diese dem Ausschuss sämtliche relevanten Unterlagen zur Verfügung, die sich in ihrem Besitz befinden.
- 2. Auf Antrag des Untersuchungsausschusses, der an die Behörden der Mitgliedstaaten gerichtet ist, stellen diese dem Ausschuss gemäß den Bestimmungen des nationalen Rechts und vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 346 Absatz 1 Buchstaben a und b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sämtliche relevanten Unterlagen zur Verfügung, die sich in ihrem Besitz befinden.
- 3. Der Untersuchungsausschuss kann jede sonstige betroffene juristische oder natürliche Person auffordern, die Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die er als für den erfolgreichen Abschluss seiner Untersuchung sachdienlich erachtet. Diese Personen müssen der Aufforderung des Ausschusses - unbeschadet ihrer sonstigen Verpflichtungen aus dem Unionsrecht und dem nationalen Recht - Folge leisten. Sie können dabei die Rechte geltend machen, die ihnen im Fall einer von einem nationalen Vollzugsorgan durchgeführten Beschlagnahme von Gegenständen nach nationalem Recht zustehen würden.
- 4. In den Anträgen auf Vorlage von Unterlagen sind die Rechtsgrundlage und der Zweck des Antrags, die vorzulegenden Unterlagen sowie die Frist, innerhalb deren sie vorzulegen sind, anzugeben. Ferner ist darauf hinzuweisen, welche Folgen eine ungerechtfertigte Weigerung, die angeforderten Unterlagen vorzulegen, haben kann.
Artikel 15
Ladung von Zeugen
- 1. Für die Zwecke der vorliegenden Verordnung bedeutet "Einzelperson" eine natürliche Person, die bei einer Anhörung vor einem Untersuchungsausschuss gemäß den Bestimmungen dieses Artikels eine Aussage macht.
Der Untersuchungsausschuss kann jede in der Union ansässige Person auffordern, an einer Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss teilzunehmen, wenn dies erforderlich ist, um seine Aufgaben zu erfüllen.
In jeder Aufforderung sind der Familienname, die Vornamen und die Anschrift der betreffenden Einzelperson anzugeben; ferner ist genau anzugeben, zu welchem Sachverhalt und aus welchen Gründen diese Einzelperson vor dem Untersuchungsausschuss angehört werden soll. Der Ausschuss leitet die Ladung gemäß Artikel 10 an die zuständige nationale Behörde des Mitgliedstaats, in dem die Einzelperson ansässig ist, weiter. Gemäß dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und den einschlägigen rechtlichen Bestimmungen lädt die zuständige nationale Behörde die Einzelperson zur Anhörung vor den Untersuchungsausschuss.
- 2. Die Einzelpersonen haben die ihnen von den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses gestellten Fragen bereitwillig, umfassend und wahrheitsgemäß zu beantworten. Sie können das Recht auf Verweigerung der Aussage geltend machen, das ihnen im Fall einer Aufforderung zur Anhörung vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss oder ähnlichem Gremium in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat oder, falls kein Ausschuss oder Gremium dieser Art besteht, in dem Mitgliedstaat, in dem die Anhörung stattfindet, zustehen würde.
Die Einzelpersonen sind im Voraus über ihre Rechte und Pflichten zu unterrichten und auf die möglichen Folgen hinzuweisen, die sich aus einer ungerechtfertigten Weigerung, der Aufforderung zur Anhörung Folge zu leisten, einer Falschaussage oder einer Bestechung von Einzelpersonen ergeben können.
Artikel 16
Anhörung von Mitgliedern der Organe der Union und von Mitgliedern der Regierungen der Mitgliedstaaten
Der Untersuchungsausschuss kann die Organe der Union, mit Ausnahme des Gerichtshofs der Europäischen Union, oder die Regierungen der Mitgliedstaaten ersuchen, ein oder mehrere ihrer Mitglieder zu benennen, um am Verfahren des Untersuchungsausschusses teilzunehmen, falls anzunehmen ist, dass ihre Aussage sachdienlich und für eine eingehende Bewertung der zu untersuchenden Angelegenheit erforderlich ist.
Wurde ein Ersuchen nach Absatz 1 gestellt, so benennt die Kommission ein oder mehrere für die untersuchte Angelegenheit zuständige Kommissionsmitglieder, die vor dem Untersuchungsausschuss erscheinen.
Artikel 17
Beamte und sonstige Bedienstete der Union und der Mitgliedstaaten
- 1. Der Untersuchungsausschuss kann die Organe oder Einrichtungen der Union darum ersuchen, einen oder mehrere Beamte oder sonstige Bedienstete für die Teilnahme am Verfahren des Ausschusses zu bestimmen.
Die Organe oder Einrichtungen der Union bestimmen die Beamten oder sonstigen Bediensteten, denen sie die Zustimmung erteilen, vor dem Untersuchungsausschuss zu erscheinen.
- 2. Der Untersuchungsausschuss kann einen bestimmten Beamten oder sonstigen Bediensteten der Union in einer Angelegenheit, die mit dessen dienstlichen Pflichten zusammenhängt, als Zeugen laden, sofern er die Anhörung der betreffenden Person als für die Erfüllung seiner Aufgabe erforderlich betrachtet. Hat der betreffende Beamte oder sonstige Bedienstete gemäß Artikel 17 bis 19 des Statuts der Beamten der Europäischen Union und Artikel 11 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union keine Zustimmung, der Ladung des Untersuchungsausschusses Folge zu leisten, zur Anhörung zu erscheinen und persönlich Erklärungen abzugeben und Aussagen zu machen, erscheint der Beamte oder die für die Verweigerung der Zustimmung verantwortliche Behörde vor dem Untersuchungsausschuss und legt die Gründe für die Verweigerung dar.3. Der Untersuchungsausschuss kann einen Mitgliedstaat auffordern, einen oder mehrere Beamte für die Teilnahme am Verfahren des Ausschusses zu bestimmen.
- 4. Der betreffende Mitgliedstaat benennt die Beamten, die er nach dem Recht dieses Mitgliedstaats ermächtigt, vor dem Untersuchungsausschuss zu erscheinen.
Die betreffenden Beamten ergreifen im Namen ihrer Regierung und gemäß deren Anweisungen das Wort. Sie sind weiterhin an die Verpflichtungen gebunden, die sich aus den für sie gelten Rechtsvorschriften ergeben.
Ist der betreffende Beamte nicht befugt, vor dem Untersuchungsausschuss auszusagen, erscheint ein Vertreter, der befugt ist, für die Regierung des betreffenden Mitgliedstaats verbindlich zu handeln, vor dem Untersuchungsausschuss und legt die entsprechenden Gründe dar.
Artikel 18
Sachverständige
- 1. Der Untersuchungsausschuss kann beschließen, bei einem oder mehreren Sachverständigen ein Gutachten einzuholen. In dem diesbezüglichen Beschluss werden der Auftrag des Sachverständigen und die Frist für die Erstellung des Gutachtens festgelegt.
- 2. Sachverständige dürfen nur zu solchen Punkten Stellung nehmen, mit denen sie ausdrücklich befasst wurden.
- 3. Auf Vorschlag eines Sachverständigen kann der Untersuchungsausschuss gemäß den Artikel 15 bis 17 die Anhörung einer in der Union ansässigen Person beantragen.
- 4. Nach der Erstellung eines Gutachtens kann ein Sachverständiger vom Untersuchungsausschuss angehört werden.
Artikel 19
Sanktionen
- 1. Über jede Ablehnung oder Nichteinhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen Pflichten wird ein formeller Vermerk erstellt.
Der Präsident des Europäischen Parlaments kann den Inhalt solcher Vermerke ganz oder teilweise bekannt geben und veranlassen, dass der bekannt gegebene Inhalt im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wird.
- 2. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass folgende Verstöße in ihrem nationalen Recht angemessenen Sanktionen unterliegen:
- - ungerechtfertigte Weigerung, angeforderte Unterlagen zu übermitteln;
- - ungerechtfertigte Weigerung einer Einzelperson, der Aufforderung zur Anhörung nachzukommen;
- - Falschaussage;
- - Bestechung von Einzelpersonen.
Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und den Sanktionen für entsprechende Verstöße im Kontext der Arbeiten von Untersuchungsausschüssen in den nationalen Parlamenten entsprechen.
- 3. Besteht der begründete Verdacht, dass eine Person einen Verstoß nach Absatz 2 begangen hat, so leitet der Mitgliedstaat, in dem diese Person ihren Wohnsitz hat, nach Maßgabe seines nationalen Rechts ein entsprechendes Verfahren gegen diese Person ein.
Artikel 20
Kosten
Reisekosten und Tagegelder der Mitglieder und Beamten oder sonstigen Bediensteten der Organe und Einrichtungen der Union gehen zu Lasten dieser Organe und Einrichtungen. Reisekosten und Tagegelder anderer Personen, die von einem Untersuchungsausschuss angehört werden, werden vom Europäischen Parlament im Rahmen der für die Anhörung von Sachverständigen geltenden Höchstbeträge erstattet.
Abschnitt 4
Schlussbestimmungen
Artikel 21
Aufhebung
Der Beschluss 095/167/Euratom/EGKS/EWG wird aufgehoben.
Artikel 22
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem ...*
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Geschehen zu ... am
Für das Europäische Parlament
Der Präsident
- *. ABl. Bitte folgendes Datum einfügen: 12 Monate nach dem Datum des Inkrafttretens dieser Verordnung.