Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG
COM (2012) 369 final
901. Sitzung des Bundesrates am 12. Oktober 2012
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Gesundheitsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt das Anliegen der Kommission, die Durchführung multinationaler klinischer Prüfungen mit Arzneimitteln am Menschen zu erleichtern. Insbesondere sollten dadurch einheitliche Verfahren beim Einreichen der Anträge auf Genehmigung der klinischen Prüfung gewährleistet werden. Ebenso soll die unnötig komplexe Sicherheitsberichterstattung vereinfacht werden. Derzeit besteht die Gefahr, dass das eigentliche Anliegen, der Patientenschutz, bei der unüberschaubaren Vielzahl der Meldungen in den Hintergrund tritt.
- 2. Dennoch wird vom Bundesrat Nachbesserungsbedarf gesehen. Daher bittet der Bundesrat die Bundesregierung, im weiteren Beratungsverfahren das bestehende und grundrechtlich gebotene Niveau zum Schutz der Prüfungsteilnehmer - insbesondere durch ausreichende Berücksichtigung der nationalen Ethikkommissionen und bei der Einbeziehung nicht einwilligungsfähiger Patientinnen und Patienten - möglichst weitgehend in der vorgeschlagenen Verordnung fortzuschreiben. Außerdem müssen klarere Regelungen zum Ausschluss der kostenfreien Nutzung des nationalen Entschädigungsmechanismus in allen Fällen, in denen als Ziel eine Marktzulassung steht, erwirkt werden, gegebenenfalls durch entsprechende Rückforderungsregeln. Dies ist Aufgabe des Bundes und berührt die Länderhaushalte nicht direkt. Die Höhe der Auslagen ist nicht abschätzbar.
- 3. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, im Rahmen des weiteren Beratungsverfahrens darauf hinzuwirken, dass folgende Änderungen an dem Verordnungsvorschlag vorgenommen werden:
- - Im gesamten Regelungswerk soll sichergestellt werden, dass die deutsche Übersetzung dem englischen Original entspricht. - Es muss sichergestellt sein, dass eine behördliche Inspektion aller maßgeblichen Einrichtungen des Sponsors möglich ist. Insbesondere soll Artikel 2 um die Legaldefinition des Begriffs "klinisch prüfen" ergänzt werden. Speziell bei der Beauftragung Dritter mit einzelnen Tätigkeiten aus dem Gesamtspektrum ist oft strittig, ob bereits beziehungsweise noch "klinisch geprüft" wird und die Beauftragung somit anzeige- beziehungsweise überwachungspflichtig ist. Die vorhandene Definition für "klinische Prüfung" ist hier nicht ausreichend. Außerdem sollte in Artikel 75 festgelegt werden, welche näheren Bestimmungen die Kommission in den delegierten Rechtsakten zu den Inspektionsverfahren treffen soll. In diese Diskussion sollten die Länder einbezogen werden, da sie für die Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln zuständig sind. Dabei sollte, wie in Artikel 75 Absatz 3 beschrieben, darauf geachtet werden, dass nur die Ergebnisse (das heißt die aufgefundenen Mängel) in die Datenbank eingestellt werden müssen. Dies trägt auch zu der nach Absatz 5 geforderten Erhöhung der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen bei.
- - Artikel 5 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags soll so gefasst werden, dass der berichterstattende Mitgliedstaat wie beim zentralen Zulassungsverfahren von einem zentralen europäischen Gremium bestimmt wird und nicht der Wahl des Sponsors überlassen bleibt.
- - Die Beteiligung einer nationalen Ethikkommission muss beim einheitlichen Bewertungsverfahren nach Artikel 6 beim Erstantrag, der nachträglichen Einbeziehung von Mitgliedstaaten und bei wesentlichen Änderungen sichergestellt werden. Die internationalen Leitlinien der International Conference on Harmonisation of Good Clinical Praxis (ICH-GCP-Leitlinien) schreiben eine Bewertung der in Teil I aufgeführten Punkte (zum Beispiel Prüfplan, Nutzen-Risiko-Bewertung) durch eine Ethikkommission zwingend vor. Das nationale Verfahren mit der Doppelbewertung durch Bundesoberbehörde und federführender Ethikkommission hat sich bewährt und sollte beibehalten werden. - Die nach Artikel 6 Absatz 4 und Absatz 7 des Verordnungsvorschlags genannten Fristen zur Erstellung der Teile I und II des Bewertungsberichts müssen zumindest verdoppelt werden, so dass eine hinreichende Prüfung der vollständigen Antragsunterlagen durch die Genehmigungsbehörden und Ethikkommissionen der betroffenen Mitgliedstaaten ermöglicht wird. Diese Fristen haben praktisch keinen Einfluss auf einen gegebenenfalls verspäteten Marktzugang der Arzneimittel. Anzustreben wäre die Beibehaltung der Frist von 30 beziehungsweise 60 Tagen für die Bewertung eines Antrags.
- - In Artikel 6 Absatz 5 ist geregelt, dass Stellungnahmen des betroffenen Mitgliedstaates bloß "gebührend Berücksichtigung" finden. Hier ist eine stärkere Beteiligung der betroffenen Mitgliedstaaten zu fordern.
- - Das in Artikel 8 Absatz 2 aufgezeichnete Opt-out-Verfahren zum Ausstieg eines Mitgliedstaates muss konkretisiert werden. - In Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe c des Verordnungsvorschlags soll eine ärztliche Aufklärung als Voraussetzung der Einbeziehung von Prüfungsteilnehmern aufgenommen werden (Arztvorbehalt).
- - In Artikel 29 sollen die Ausführungen zur Aufklärung vor Einwilligung um Informationen zur Probandenhaftpflicht und zum Entschädigungsmechanismus ergänzt werden.
- - In Artikeln 28 bis 32 soll das Schutzniveau für Probanden nach § 41 Arzneimittelgesetz (AMG) beibehalten werden. Insbesondere soll in Artikel 32 festgehalten werden, dass eine potentielle Eigennützigkeit der Anwendung des Prüfpräparates vorausgesetzt wird und dass die Nichteinwilligungsfähigkeit der Patientin und des Patienten dokumentiert und eine Frist von 48 Stunden bis zum Nachholen des Einverständnisses beziehungsweise bis zum Bestellen eines Vertreters eingehalten wird. - In Artikel 58 Absatz 1 muss sichergestellt werden, dass in Apotheken, die Krankenhäuser beziehungsweise Arztpraxen mit der Prüfmedikation beliefern, die Durchführung bestimmter Herstellungsschritte wie Umetikettierung und Rekonstitution für die zu beliefernde Einrichtung möglich bleibt. Ansonsten kann im ambulanten Bereich und in Krankenhäusern ohne eigene Krankenhausapotheke eine Vielzahl von klinischen Prüfungen nicht mehr durchgeführt werden.
- - In Artikel 69 soll die Möglichkeit einer Kosponsorenschaft gestrichen werden, da Verantwortung nicht teilbar ist.
- - In Artikel 70 muss die Möglichkeit, einen Ansprechpartner des Sponsors in der EU zu benennen, durch die Benennung eines Sponsorvertreters ersetzt werden, wie es momentan im AMG vorgesehen ist.
- - Bezüglich des Kapitels XIV, IT-Infrastruktur, sollten Mindestanforderungen an die Datenbank aufgenommen werden, insbesondere sollte vorgesehen werden, dass die zuständige Behörde bei Eingang von für sie relevanten Informationen automatisch benachrichtigt wird.
- 4. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, im Rahmen der weiteren Befassung im Rat darauf hinzuwirken, dass Regelungen zur Feststellung möglicher geschlechtsspezifischer Unterschiede bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit des jeweils geprüften Arzneimittels im Rahmen von klinischen Prüfungen in dem vorliegenden Verordnungsvorschlag getroffen werden.
Nach der derzeit in Deutschland geltenden Regelung in § 7 Absatz 2 der Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen (GCP-Verordnung) muss der Sponsor in seinem Antrag auf Genehmigung einer klinischen Prüfung eine Begründung dafür angeben, dass die gewählte Geschlechterverteilung in der Gruppe der betroffenen Personen zur Feststellung möglicher geschlechtsspezifischer Unterschiede bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit des geprüften Arzneimittels angemessen ist. Die Berücksichtigung des Aspektes der geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Anwendung von Arzneimitteln im Rahmen von klinischen Prüfungen und der daraus resultierende Erkenntnisgewinn sind nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten zum Schutz der Gesundheit von Patientinnen und Patienten erforderlich.
B
- 5. Der Ausschuss für Kulturfragen, der Rechtsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.