Der Bundesrat hat in seiner 825. Sitzung am 22. September 2006 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat stimmt dem Vorschlag der Kommission, das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln über eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zu regeln, grundsätzlich zu.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass nach Artikel 3 des Verordnungsvorschlags die Begriffe "Integrierter Pflanzenschutz" und "Gute Pflanzenschutzpraxis" im Vergleich zu den bisherigen Festlegungen gemäß der Richtlinie 91/414/EWG über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln neu bestimmt werden.
Zudem ist die Aufnahme der Begriffsbestimmung "Gute Umweltpraxis" vorgesehen.
Die Minimierung von Umweltrisiken zählt zu den Kernelementen der guten Pflanzenschutzpraxis. Insofern ist die Einführung dieses neuen Begriffs obsolet. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich für eine Festlegung der Begriffe gemäß dem bisherigen Status quo einzusetzen.
- 3. Der Bundesrat stellt darüber hinaus fest, dass so genannte parallel importierte Pflanzenschutzmittel in dem Vorschlag bislang keine Berücksichtigung finden.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bedürfen aber solche Pflanzenschutzmittel keiner eigenen Zulassung, wenn sie mit einem Mittel übereinstimmen, das in dem Mitgliedstaat zugelassen ist, in dem der Parallelimport in Verkehr gebracht werden soll. Die fehlende Regelung für den Umgang mit Parallelimporten ist mit entsprechenden Rechtsunsicherheiten für Importeure, Anwender und Überwachungsorgane verbunden. Die Bundesregierung wird daher gebeten, analog zum deutschen Pflanzenschutzgesetz auf die Aufnahme eines vereinfachten Verfahrens zur Feststellung der Übereinstimmung mit einem zugelassenen Mittel in der Verordnung hinzuwirken.
- 4. Die vorgeschlagenen Regelungen sehen vor, dass die für die üblichen Re-Registrierungen von Pflanzenschutzmitteln notwendigen und im Regelfall extrem teuren Studien keinen Verwertungsschutz erhalten und durch Importeure, Generika- und Zweitantragsteller entwertet werden können. Dies muss geändert werden damit die Pflanzenschutzmittelhersteller nicht aus wirtschaftlichen Überlegungen auf die Re-Registrierung von bewährten Produkten verzichten und so die Problematik der Lückenindikationen, insbesondere für landwirtschaftliche Betriebe mit Sonderkulturen, verschärfen.
- 5. Gemäß dem Verordnungsvorschlag sollen als bedenklich eingestufte Wirkstoffe bei einer vergleichenden Bewertung durch andere Wirkstoffe oder auch nichtchemische Verfahren ersetzt werden können, obwohl sie unabhängig voneinander die strengen EU-Zulassungskriterien erfüllt haben. Dieses Vorgehen engt die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln auf Betriebsebene entscheidend ein und sollte daher geändert werden. Für die Pflanzenschutzmittelhersteller und landwirtschaftlichen Betriebe dürfen Transparenz und Planungs- und Investitionssicherheit dadurch nicht beeinträchtigt werden.
- 6. Die Unterteilung der EU in Zulassungszonen führt in den Berührungsbereichen zwischen Frankreich und Deutschland trotz gleicher ökologischer und klimatischer Bedingungen zur Verhinderung der gegenseitigen Anerkennung, weil diese wegen der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Zonen nicht praktiziert werden kann. In der Verordnung sollte ein Weg aufgezeigt werden, wie die gegenseitige Anerkennung in benachbarten Regionen, von denen jede einer anderen Zone angehört, zu erfolgen hat.
- 7. In Artikel 64 Abs. 1 Satz 3 wird der berufsmäßige Verwender von Pflanzenschutzmitteln verpflichtet die Informationen in den zu führenden Aufzeichnungen für den Fall bereitzuhalten, dass Nachbarn oder die Trinkwasserwirtschaft Zugang dazu fordern. Diese Regelung in dem Vorschlag sollte fallen gelassen werden da trotz erwünschter Transparenz das Recht des Datenschutzes zu beachten ist und die Pflicht zur Offenlegung nicht ohne weiteres verlangt werden kann. Der Zugang zu den Informationen in den Aufzeichnungen sollte den zuständigen Fachbehörden zustehen.
- 8. Der Verordnungsvorschlag sieht vor, dass Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln erst erfolgen können, wenn die zulässigen Rückstandshöchstwerte in der EU-Höchstmengenverordnung festgelegt und der Wirkstoff in Anhang I aufgenommen ist. Die bisherige Möglichkeit der vorläufigen, nationalen Zulassung entfällt. Es ist zu befürchten, dass sich hierdurch die Dauer des Zulassungsverfahrens erheblich erhöht, bestehende Indikationslücken nicht ausreichend schnell geschlossen werden können und sich die Dauer des Patentschutzzeitraums für die forschende Industrie deutlich verkürzt. Hier müssen Wege gefunden werden die Aufnahme von Rückstandshöchstwerten für neue Wirkstoffe in die EU-Rückstandshöchstmengenverordnung so weit zu beschleunigen, dass daraus keine Verfahrensverzögerung für die Pflanzenschutzmittelzulassung - auch gegebenenfalls für vorläufige, nationale Zulassungen - entsteht.
- 9. Die europaweite Normierung von Grundsätzen des Integrierten Pflanzenschutzes sowie deren verbindliche - und damit im Rahmen von Cross Compliance auch zu kontrollierende - Festlegung als Anwendungsgrundsätze sind weder sinnvoll noch praktikabel. Die bisherigen Erfahrungen in Deutschland zeigen, dass sich derartige Grundsätze nicht in hinreichendem Maße konkretisieren lassen um einerseits im Vollzug überwachbar zu sein und andererseits den Anwendern den erforderlichen Beurteilungs- und Handlungsspielraum zu gewährleisten.
- 10. Eine Notwendigkeit zur europaweiten Harmonisierung der Details der Dokumentationspflicht wird nicht gesehen. Die Festlegung dieser Einzelheiten sollte dem Subsidiaritätsprinzip folgen und national erfolgen.
- 11. Um das Entstehen von Indikationslücken zu verringern, ist eine EU-weite Harmonisierung möglicher Indikationen (gemäß Artikel 30) sowie eine Definition der "geringfügigen Verwendung" (gemäß Artikel 49) anzustreben.
- 12. Die in Artikel 65 vorgesehene Möglichkeit, durch eine nachfolgende Verordnung Kontrollvorgaben für die Mitgliedstaaten festzulegen (in Deutschland sind davon überwiegend die Länder betroffen) muss sehr kritisch überprüft und auf das zwingend erforderliche Maß reduziert werden. Insbesondere ist zu hinterfragen, wieso im Rahmen dieser Verordnung Vorgaben für Kontrollen in den Bereichen Produktion, Verpackung, Lagerung und Transport von Pflanzenschutzmitteln erfolgen sollen, obwohl diese Bereiche nicht Gegenstand des Geltungsbereichs der Verordnung sind.
- 13. Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass der zukünftige Text noch deutliche praktikable Verbesserungen erfährt.
Das wird nur möglich sein, wenn die betroffenen Ausschüsse im Rat (Landwirtschaft/ Wirtschaft und Umwelt-/Verbraucherschutz) an der Diskussion und Ausgestaltung gleichberechtigt teilnehmen können.
- 14. Der Bundesrat benennt gemäß § 6 Abs. 1 EUZBLG i. V. m. Abschnitt IV der Bund-Länder-Vereinbarung für die Beratung der Vorlage "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln" in den Gremien der Kommission und des Rates einen Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Ministerialrat Martin Hannen).