Der Bundesrat hat in seiner 818. Sitzung am 21. Dezember 2005 beschlossen, der Verordnung gemäß Artikel 80 Abs. 2 des Grundgesetzes nach Maßgabe der aus der Anlage ersichtlichen Fassung zuzustimmen und die aus der Anlage ersichtliche Entschließung zu fassen.
Anlage
Neufassung und Entschließung zur ... Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Lärmkartierung - ... BImSchV)
A Neufassung Zur Verordnung insgesamt
Die Verordnung ist wie folgt zu fassen:
"... Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Lärmkartierung - ... BImSchV)*
Auf Grund des § 47f des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, der durch Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm vom 24. Juni 2005 (BGBl. I S. 1794) eingefügt worden ist, verordnet die Bundesregierung nach Anhörung der beteiligten Kreise:
* Die Rechtsverordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm (ABl. EG (Nr. ) L 189 S. 12) in deutsches Recht.
§ 1 Anwendungsbereich
Diese Verordnung gilt für die Kartierung von Umgebungslärm. Sie konkretisiert Anforderungen an Lärmkarten nach § 47c des Bundes-Immissionsschutzgesetzes.
§ 2 Lärmindizes
(1) Die Lärmindizes LDay, LEvening und LNightt sind die A-bewerteten äquivalenten Dauerschallpegel in Dezibel gemäß ISO 1996-2: 1987, wobei der Beurteilungszeitraum ein Jahr beträgt und die Bestimmungen an allen Tagen in folgenden Zeiträumen erfolgen:
- 1. LDay: 12 Stunden, beginnend um 6.00 Uhr,
- 2. LEvening: 4 Stunden, beginnend um 18.00 Uhr,
- 3. LNightt: 8 Stunden, beginnend um 22.00 Uhr.
Ein Jahr ist das für die Schallemission ausschlaggebende und ein hinsichtlich der Witterungsbedingungen durchschnittliches Kalenderjahr.
(2) Der Lärmindex LDEN in Dezibel ist wie folgt definiert:
§ 3 Datenerhebung und Datenübermittlung
(1) Soweit die für die Ausarbeitung der Lärmkarten zuständigen Behörden nicht auf Bestände zurückgreifen können, können sie anordnen, dass ihnen vorhandene, nach den §§ 4 und 5 für die Erarbeitung von Lärmkarten erforderliche Daten sowie vorhandene Ergebnisdaten für Lärmkarten unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden von
- 1. Eisenbahninfrastrukturunternehmen für den durch Eisenbahnen hervorgerufenen Umgebungslärm,
- 2. Verkehrsunternehmen für den durch Straßenbahnen im Sinne des § 4 des Personenbeförderungsgesetzes hervorgerufenen Umgebungslärm,
- 3. Betreibern von Verkehrsflughäfen für den durch Flugzeuge in der Umgebung von Verkehrsflughäfen hervorgerufenen Umgebungslärm,
- 4. Anlagenbetreibern und Betreibern von Häfen für den durch Anlagen und Häfen nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 hervorgerufenen Umgebungslärm,
- 5. Trägern der Straßenbaulast für den durch Straßenverkehr hervorgerufenen Umgebungslärm.
Sofern für die Ausarbeitung der Lärmkarten die Erhebung von Daten erforderlich ist, sind die Betreiber und Unternehmen nach Satz 1 zur Mitwirkung verpflichtet, insbesondere dazu, während der üblichen Geschäftszeiten das Betreten von Betriebsgrundstücken und -räumen zu dulden, Anlagen und Einrichtungen zugänglich zu machen oder vorhandene Unterlagen zur Verfügung zu stellen. § 52 Abs. 5 und 7 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gilt entsprechend.
(2) Die Gemeinden haben die für die Lärmkarten erforderlichen Daten über die vom Umgebungslärm betroffene Wohnbevölkerung, soweit vorhanden, den für die Ausarbeitung der Lärmkarten zuständigen Behörden unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
(3) Andere Behörden haben den für die Ausarbeitung der Lärmkarten zuständigen Behörden die dort vorhandenen und für die Lärmkarten erforderlichen Daten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
§ 4 Ausarbeitung von Lärmkarten
(1) Lärmkarten für Ballungsräume erstrecken sich auf sämtliche darin gelegene Hauptlärmquellen, sowie ferner auf
- 1. sonstige Straßen,
- 2. sonstige Schienenwege von Eisenbahnen nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz,
- 3. Schienenwege von Straßenbahnen im Sinne des § 4 des Personenbeförderungsgesetzes,
- 4. sonstige Flugplätze für den zivilen Luftverkehr,
- 5. Industrie- oder Gewerbegelände, auf denen sich eine oder mehrere Anlagen gemäß Anhang I der Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung befinden, einschließlich Häfen für die Binnen- oder Seeschifffahrt mit einer Gesamtumschlagsleistung von mehr als 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr,
soweit diese sonstigen Lärmquellen erheblichen Umgebungslärm hervorrufen.
(2) Die Ausarbeitung von Lärmkarten hat getrennt für jede Lärmart (Straßenlärm, Schienenlärm, Fluglärm, Industrie- und Gewerbelärm einschließlich Hafenlärm) auf der Grundlage der Lärmindizes LDEN und LNightt zu erfolgen.
(3) Lärmkarten müssen georeferenziert sein. Alle Daten sind in einer Form vorzuhalten, die ihre digitale Weiterverarbeitung ermöglicht. Lärmkarten sind in elektronischer Form zu erstellen; sie müssen in körperlicher Form herstellbar sein.
(4) Lärmkarten bestehen aus:
- 1. einer graphischen Darstellung der Lärmsituation mit den Isophonen-Bändern für
- a) den LDEN über 55 dB(A) bis 60 dB(A), über 60 dB(A) bis 65 dB(A), über 65 dB(A) bis 70 dB(A), über 70 dB(A) bis 75 dB(A) sowie über 75 dB(A), und
- b) den LNightt über 50 dB(A) bis 55 dB(A), über 55 dB(A) bis 60 dB(A), über 60 dB(A) bis 65 dB(A), über 65 dB(A) bis 70 dB(A), sowie über 70 dB(A) und optional über 45 dB(A) bis 50 dB(A),
mit den Farben nach DIN 18005 Teil 2, Ausgabe September 1991, erschienen bei der Beuth-Verlag GmbH, 10772 Berlin, und archivmäßig niedergelegt beim Deutschen Patentamt in München,
- 2. einer graphischen Darstellung der Überschreitung eines Wertes, bei dessen Überschreitung Lärmschutzmaßnahmen in Erwägung gezogen oder eingeführt werden,
- 3. tabellarischen Angaben über die geschätzte Zahl der Menschen, die in Gebieten wohnen, die innerhalb der Isophonen-Bänder nach Nummer 1 liegen, wobei die Abschätzung nach Absatz 5 zu erfolgen hat,
- 4. einer allgemeinen Beschreibung der Hauptlärmquellen nach Lage, Größe und Verkehrsaufkommen,
- 5. einer Beschreibung der Umgebung: Ballungsräume (Lage, Größe, Einwohnerzahl), Städte, Dörfer, ländliche Gegend oder nicht ländliche Gegend, Flächennutzung, andere Hauptlärmquellen,
- 6. Angaben über durchgeführte und laufende Lärmaktionspläne und Lärmschutzprogramme,
- 7. einer tabellarischen Angabe über lärmbelastete Flächen sowie über die geschätzte Zahl der Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser in diesen Gebieten, nach Maßgabe des Absatzes 6,
- 8. Angaben über die zuständigen Behörden für die Lärmkartierung.
In den Lärmkarten können zusätzliche Texterläuterungen und Informationen verwendet werden.
(5) Die Zahl der in ihren Wohnungen durch Umgebungslärm belasteten Menschen (Absatz 4 Satz 1 Nr. 3) ist separat für jede Lärmart anzugeben. Die Zahlenangaben sind auf die nächste Hunderterstelle auf- oder abzurunden.
(6) Die Gesamtfläche der lärmbelasteten Gebiete (Absatz 4 Satz 1 Nr. 7) ist anzugeben. Die Angabe hat in Quadratkilometern zu erfolgen und ist aufzugliedern nach LDEN -Werten über 55 dB(A), über 65 dB(A) und über 75 dB(A). Entsprechendes gilt für die Zahl der Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser. Bei der Zahlenangabe für Wohnungen ist auf 100 Wohnungen zu runden.
§ 5 Berechnungsverfahren
(1) Die Lärmindizes werden nach Verfahren berechnet, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Die Berechnungsverfahren werden
- 1. für die Lärmarten nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,
- 2. für Fluglärm (§ 4 Abs. 1 Nr. 4) vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,
- 3. für Industrie- und Gewerbelärm (§ 4 Abs. 1 Nr. 5) vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger konkretisiert.
(2) Die Berechnungspunkte zur Ermittlung von LDEN und LNightt für die Lärmbelastung in der Nähe von Gebäuden liegen in einer Höhe von vier Meter über dem Boden.
(3) Für die Ermittlung der Belastetenzahlen nach § 4 Abs. 5 liegen die Berechnungspunkte auf der Gebäudefassade. Für diesen Fall wird die letzte Reflexion an der Gebäudefassade, auf der der Berechnungspunkt liegt, nicht berücksichtigt. Für die flächenmäßige Darstellung der Lärmbelastung nach § 4 Abs. 4 ist ein Raster von 50 Meter mal 50 Meter oder weniger zu Grunde zu legen.
(4) Das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie stellt den für die Ausarbeitung von Lärmkarten zuständigen Behörden zentral das Digitale Geländemodell für Deutschland (DGM-D) zur Verfügung. Liegen in den Ländern detailliertere geographische Daten vor, können diese ergänzend zu dem DGM-D verwendet werden.
(5) Für die Berechnung sind für jede Lärmart dieselben Gebäude- und Einwohnerdaten zu verwenden. Gleiches gilt für sonstige Bauwerke auf dem Ausbreitungsweg.
§ 6 Übermittlung der Lärmkarten
(1) Die nach § 47e Abs. 2 und 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zuständigen Behörden übermitteln binnen vier Monaten nach den in § 47c Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes aufgeführten Fristen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit oder einer von ihm benannten Stelle die vollständigen Lärmkarten.
(2) Die nach § 47e Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zuständigen Behörden übermitteln zu den in § 47c Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes aufgeführten Fristen den obersten Landesbehörden oder den von ihnen benannten Stellen die vollständigen Lärmkarten.
§ 7 Information der Öffentlichkeit über Lärmkarten
Geeignete Ausfertigungen der Lärmkarten, die der Unterrichtung der Öffentlichkeit dienen, werden von den zuständigen Behörden nach § 47e Abs. 1 und 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verbreitet. Die Verbreitung der Lärmkarten hat in für die Öffentlichkeit verständlicher Darstellung und leicht zugänglichen Formaten zu erfolgen. Erforderlichenfalls ist eine Zusammenfassung mit den wichtigsten Punkten der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Für die Verbreitung sollen, soweit vorhanden, elektronische Kommunikationsmittel verwendet werden. Die Anforderungen an die Unterrichtung der Öffentlichkeit können auch dadurch erfüllt werden, dass Verknüpfungen zu Internetseiten eingerichtet werden, auf denen die zu verbreitenden Lärmkarten zu finden sind.
§ 8 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am einsetzen: Datum des Tages nach der Verkündung in Kraft.
Der Bundesrat hat zugestimmt."
Begründung
Bereits die Vorlage des ersten Entwurfs der Kartierungsverordnung (BR-Drs. 095/05 (PDF) ) stieß auf fachliche Einwände der Länder. Trotz Überarbeitung nach Verabschiedung des Umsetzungsgesetzes im Juni 2005 blieben die meisten Einwendungen der Länder unberücksichtigt. Die hier vorliegende Fassung berücksichtigt dagegen die Einwendungen weitgehend. Das betrifft den Verzicht auf Wiederholung von an anderer Stelle verankerten Regelungen, die strikte 1:1-Umsetzung von Vorgaben der Richtlinie mit dem Verzicht auf die Einführung sonstiger Hauptlärmquellen und die klare Zuweisung der Festlegung von Auslöseschwellen und -kriterien für die Maßnahmeplanung in die noch zu erlassende Verordnung zur Lärmaktionsplanung. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Verordnung zur Lärmaktionsplanung als Änderungsverordnung zur Verordnung über die Lärmkartierung konzipiert wird.
B Entschließung
- 1. Die Aufstellung der Lärmkarten ist eine umfangreiche und anspruchsvolle Aufgabe, die die bisher in der Lärmbekämpfung durchgeführten Kartierungsaufgaben nach Art und Umfang bei Weitem übersteigt. Um die Lärmkarten der verschiedenen Quellen mit gleicher Qualität erarbeiten und vergleichen zu können, müssen detaillierte Festlegungen zur Vorgehensweise getroffen werden. Dies betrifft insbesondere die Berechnungsverfahren für die einzelnen Lärmquellen bzw. die Verfahren zur Kennzeichnung der belasteten Bevölkerung, die in diesem Zusammenhang eine wesentliche Arbeitsgrundlage darstellen. Die Verordnung enthält zwar die Verpflichtung zur Veröffentlichung der Berechnungsverfahren, hiermit sind aber zeitliche Verzögerungen bei der Umsetzung verbunden.
Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, unverzüglich die Berechnungsverfahren für die Bereiche Straßenverkehrslärm, Schienenverkehrslärm und Fluglärm sowie Industrie- und Gewerbelärm zu konkretisieren, damit die zuständigen Behörden die Lärmkarten in den von der EU-Richtlinie vorgegebenen Fristen erstellen können.
- 2. Die Bundesregierung wird gebeten, bei der Berechnung den Gleispflegezustand in der Berechnungsvorschrift für die Lärmkartierung von Schienenlärm zu berücksichtigen, d.h. einen (akustischen) Malus für das nicht gepflegte Gleis neben dem Bonus für das besonders überwachte und aus akustischen Gründen gepflegte Gleis einzuführen.
Der Bundesrat bittet den Bund, das Problem des akustisch ungünstigen Schienenzustandes in der vorgelegten "Vorläufigen Berechnungsvorschrift für den Umgebungslärm an Schienen" (VBUSch) zu berücksichtigen und das Rechenverfahren entsprechend anzupassen.
- 3. Der Bundesrat appelliert an die Bundesregierung, die Kommunen bei den Aufgaben der Lärmkartierung und Lärmaktionsplanung finanziell zu unterstützen.