Der Bundesrat hat in seiner 847. Sitzung am 19. September 2008 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die vorgesehene Anpassung der Lärmgrenzwerte für Pkw- und Lkw-Reifen. Sie entspricht der Intention der Bundesratsentschließung vom 6. Juli 2007 (vgl. BR-Drucksache 205/07(B) ). Angesichts der erheblichen Bedeutung, die Reifenrollgeräusche für den Verkehrslärm und damit für die Lärmbelastung der Bevölkerung insgesamt haben, ist es unverzichtbar, die Lärmemissionen in diesem Bereich deutlich abzusenken. Hierfür ist die Schaffung eines Anreizes zur Entwicklung lärmärmerer Reifen zwingend erforderlich.
Der Bundesrat geht davon aus, dass die im Verordnungsvorschlag vorgesehenen zeitgemäßeren Anforderungen an Reifen nicht durch die übliche wahlweise Verwendung von ECE-genehmigten Reifen umgangen werden können, falls die ECE-Bestimmungen nicht mindestens gleichwertig sind.
- 2. Der Bundesrat bekräftigt die in seiner Entschließung vom 6. Juli 2007 geforderte Übergangsfrist (2012) für alle Neureifen. Er hält die Übergangsfrist des Artikels 11 Abs. 3 des Verordnungsvorschlags für Verkauf und Inbetriebnahme neuer Reifen für nicht sachgerecht, weil nach dem vorliegenden Vorschlag Neuwagen bereits ab dem 29. Oktober 2012 mit einer Bereifung ausgestattet werden müssen, die den geänderten Anforderungen entsprechen. Die vorgeschlagenen Grenzwerte des Anhangs I, Teil C für Reifen der Klassen C1, C2 und C3 werden bereits heute von zahlreichen am Markt erhältlichen Reifentypen erreicht, von den leisesten Produkten sogar deutlich unterschritten. Daher sieht der Bundesrat keine Notwendigkeit für die Einräumung einer längeren Übergangsfrist bis 2016 für neue Einzelreifen, etwa aus Gründen eines zusätzlichen Entwicklungsaufwands.
- 3. Der Bundesrat ist darüber hinaus der Überzeugung, dass die im Zuge des Vollzugs der EU-Umgebungslärmrichtlinie erforderlichen Lärmminderungsmaßnahmen auch beim Reifenrollgeräusch in Zukunft weitere Absenkungen der Geräuschemissionen erforderlich machen. Ergänzend zu den Regelungen des Artikels 11 sollten daher die Grenzwerte des Anhangs I, Teil C spätestens vier Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung mit der Option einer weiteren Absenkung überprüft werden.
Der Bundesrat hält weiterhin an seiner Haltung fest, dass auch runderneuerte Reifen für Pkw und Lkw in den Geltungsbereich der Verordnung einbezogen werden müssen. Angesichts eines Anteils runderneuerter Reifen von bis zu 50 Prozent bei Lkw wäre andernfalls die Wirksamkeit strengerer Grenzwerte stark eingeschränkt und das Erreichen des mit dem Verordnungsvorschlag intendierten Lärmminderungsziels gefährdet. In Anbetracht des hohen Lkw-Anteils am Straßenverkehrsaufkommen sieht der Bundesrat hier ein besonders großes Lärmminderungspotential, auf das nicht verzichtet werden kann.
Der Bundesrat stimmt der Einschätzung der im Auftrag der Kommission von der Federation of European Highway Research (FEHRL) erstellten Studie ("Final Report S12.408210 Tyre/Road Noise" vom Mai 2006) zu, wonach eine Kennzeichnung der Reifen entsprechend ihres Abrollgeräusches eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Marktdurchdringung besonders lärmarmer Reifen spielen kann. Die Kennzeichnung kann alternativ durch Angabe der Geräuschemission oder durch ein geeignetes Signet für besonders lärmarme Reifen erfolgen, deren Abrollgeräusch die Grenzwerte des Anhangs I, Teil C um wenigstens 3 dB(A) unterschreitet.
Der Bundesrat hält es außerdem für erforderlich, das Prüfverfahren gemäß ISO 13325 zur Ermittlung der Rollgeräusche von Reifen zeitnah an den aktuellen Stand der Messtechnik anzupassen und dabei insbesondere eine deutliche Verminderung der Messtoleranzen sicherzustellen. Seit der Festlegung des bisherigen Prüfverfahrens haben sich Mess- und Prüftechnik bedeutend weiterentwickelt und gestatten inzwischen eine deutlich erhöhte Genauigkeit. Eine Messtoleranz von 1 dB(A) entspricht - wie auch die FEHRL-Studie bestätigt - nicht mehr dem Stand der Messtechnik und gestattet keinen präzisen Vergleich der emittierten Rollgeräusche. Sie erschwert auch eine präzise Kennzeichnung der Reifen.
Der Bundesrat begrüßt den Vorschlag der Kommission, die harmonisierten Vorschriften für den Bau von Kraftfahrzeugen zu vereinfachen, neue Anforderungen an moderne elektronische Sicherheitssysteme aufzustellen sowie Anforderungen an Reifen von Pkw und Lkw zu definieren, die sowohl umweltrelevanten Aspekten (Rollgeräusch, Rollwiderstand) als auch der Fahrsicherheit (Nasshaftung) Rechnung tragen.
- 4. Hinsichtlich der speziellen Anforderungen an Reifen hält der Bundesrat folgende Anpassungen für erforderlich:
- - Der Bundesrat hält es für erforderlich, eine physikalische Definition von "offroad professional Tyres", Traktionsreifen und Winterreifen aufzunehmen. Die im Vorschlag enthaltenen Definitionen der Reifenklassen basieren auf dem vom jeweiligen Hersteller benannten Verwendungszweck. Es sollten jedoch ausschließlich objektive technische Definitionen Grundlage für ein Zugeständnis höherer Grenzwerte sein, wie sie in Artikel 2 des Vorschlags der Kommission vom März 2008 noch enthalten war.
- - Die zulässige Höchstgeschwindigkeit für Geländereifen für den gewerblichen Einsatz nach Artikel 9 Abs. 7 sollte 140 km/h betragen. Fahrzeuge der Feuerwehr und der Rettungsdienste sind häufig mit dieser Reifenkategorie ausgestattet und erreichen im Einsatz entsprechend hohe Geschwindigkeiten. Eine Begrenzung auf 80 km/h würde dem Einsatzzweck dieser Fahrzeuge widersprechen. Ohne eine Geschwindigkeitsbegrenzung wäre diese Kategorie aber auch für Geländewagen und Sport Utility Vehicles interessant.
- - Der Bundesrat hält es für nicht vertretbar, Reifen mit einer Nennbreite über 274 mm um 2 dB(A) gegenüber schmaleren Reifen zu privilegieren. Der Bundesrat hält es für erforderlich, in Anhang 1 Teil C die Reifenklasse C1E zu streichen und C1D auf alle Reifen über einer Nennbreite von 245 mm zu erweitern.
- - Der Bundesrat hält die Grenzwerte der von der FEHRL erstellten Studie zum Reifen-Fahrbahngeräusch (Study S12,408210 "Tyre/Road Noise") vom Mai 2006 für sachgerecht, die im Vorschlag der Kommission vom März 2008 enthalten waren. Der Bundesrat schlägt vor, sich auch in den Reifenklassen C2 und C3 an den Empfehlungen der FEHRL-Studie zu orientieren und die Grenzwerte um weitere 1 bis 2 dB(A) abzusenken.
- - Im Anhang I Teil C sollte für die Reifenklassen C2 und C3 die in früheren Entwürfen vorhandene Kategorie "Spezialreifen" wieder in die Tabelle aufgenommen werden. Dieser Kategorie sollte gegenüber den "Traktionsreifen" jeweils ein um 1 dB(A) (Klasse C2) bzw. 2 dB(A) (Klasse C3) höherer Grenzwert zugestanden werden. Spezialreifen sind für Fahrzeuge notwendig, die sowohl auf der Straße als auch im Gelände fahren, wie z.B. in Steinbrüchen oder auf Baustellen. Um die nötige Griffigkeit im Gelände zu erreichen, müssen diese Reifen ein gröberes Profil aufweisen als Reifen, die für den reinen Straßeneinsatz konzipiert sind. Auf Grund des gröberen Profils ist es konstruktiv nicht möglich, die gleichen Lärmgrenzwerte wie für Straßenreifen einzuhalten.