864. Sitzung des Bundesrates am 27. November 2009
A.
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Rechtsausschuss (R) empfehlen dem Bundesrat, die Entschließung nach Maßgabe der folgenden Änderungen zu fassen:
1. Zu Ziffer 4 Satz 2 - neu - und Ziffer 5 Satz 2 - neu -
Die Entschließung ist wie folgt zu ändern:
- a) Der Ziffer 4 ist folgender Satz anzufügen:
"Der Bundesrat erinnert daran, dass sich die Informations- und Mitwirkungsrechte der Länder auch auf die Vorbereitung und den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen durch die EU erstrecken."
- b) Der Ziffer 5 ist folgender Satz anzufügen:
"Der Bundesrat hält es für unverzichtbar, dass Daten nur unter Darlegung der maßgeblichen Verdachtsgründe und der spezifischen Verbindung der Person oder Organisation zu den Vereinigten Staaten von Amerika übermittelt werden."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Zu Buchstabe a
Die Ergänzung stellt klar, dass bereits die Regelungen des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (Abschnitt I Nummer 2 der Anlage zu § 9 EUZBLG) die Informations- und Mitwirkungsrechte der Länder auch auf die Vorbereitung und den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen durch die EU erstrecken, so dass das SWIFT-Abkommen den dort festgelegten Unterrichtungspflichten unterliegt.
Zu Buchstabe b
Die Ergänzungsmaßgabe konkretisiert bereits in der Entschließungsbegründung angedeutete wesentliche datenschutzrechtliche Anforderungen an das geplante Abkommen, wie sie sich unter anderem aus einer Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder oder aus Forderungen der betroffenen Kreditwirtschaft ergeben. Mit der Forderung nach einer konkreten Bedrohungs- oder Gefährdungsanalyse soll die Datenübermittlung an die Vereinigten Staaten für Zwecke der Terrorismusbekämpfung im Wesentlichen an die gleichen Anforderungen geknüpft werden wie die Befugnisse deutscher Verfassungsschutzbehörden bei der Erhebung von Bankauskünften. Damit kann gleichzeitig erreicht werden, dass die in dem Abkommen angestrebten Nutzungsrechte europäischer bzw. nationaler Sicherheitsbehörden für die von US-Behörden gewonnenen Erkenntnisse in der Praxis effizient ausgeübt werden können, ohne z.B. Verwertungsverboten auf Grund unzureichenden Schutzes des informationellen Selbstbestimmungsrechts zu begegnen.
2. Zu Ziffer 6 bis 8 - neu -
Der Entschließung sind folgende Ziffern anzufügen:
- "6. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Übermittlung und weitere Verarbeitung nur zum Zwecke der Terrorismusbekämpfung gemäß der Definition in Artikel 1 des Rahmenbeschlusses des Rates 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 erfolgen darf. Dieser Zweck ist durch eine konkrete Bedrohungs- und Gefährdungsanalyse weiter einzugrenzen.
- 7. Der Bundesrat hält es für geboten, die Übermittlung ausschließlich auf internationale Transaktionsdaten zu begrenzen und diese nur aufgrund eines konkreten Übermittlungsersuchens (sogenanntes "push"-System) zur Verfügung zu stellen. Ein automatisiertes Abrufverfahren (sogenanntes "pull"-System), mit dem auf die Daten ohne weitere Kontrolle zugegriffen werden kann, ist in dem Abkommen ausdrücklich auszuschließen.
- 8. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der Umfang der zu übermittelnden Daten auf das für den konkreten Verwendungszweck notwendige Maß zu reduzieren ist. Für die übermittelten Daten sind zudem angemessene Löschungsfristen festzulegen."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Eine effektive Bekämpfung des internationalen Terrorismus setzt eine enge und vertrauensvolle transatlantische Zusammenarbeit voraus. Allerdings stellt dabei das unterschiedliche Datenschutzniveau in Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika eine Herausforderung dar. Deshalb ist zu gewährleisten, dass bei der Datenübermittlung die europäischen Datenschutzgrundsätze eingehalten werden. Bei der Erarbeitung des Abkommens sind daher die ergänzenden Punkte unter Ziffer 6 bis 8 zu berücksichtigen.
3. Zu Ziffer 9 bis 11 - neu -
Der Entschließung sind folgende Ziffern anzufügen:
- "9. Der Bundesrat hält es für erforderlich, eine Zustimmungserklärung der Bundesregierung im Rat unter Ratifizierungsvorbehalt zu stellen und sich gegen eine vorläufige Geltung des Abkommens auszusprechen.
- 10. Der Bundesrat schließt sich der Forderung des Europäischen Parlaments an, das geplante Abkommen auf einen Zeitrahmen von höchstens zwölf Monaten zu befristen.
- 11. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung vor der Aufnahme neuer Verhandlungen dafür Sorge zu tragen, dass die bisher mit der Übermittlung von Finanztransaktionsdaten an die Vereinigten Staaten von Amerika gesammelten Erfahrungen evaluiert werden und dass nationale Gesetzgebungsorgane und das Europäische Parlament frühzeitig und umfassend eingebunden werden."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Zu Ziffer 9
Die Ergänzung verweist auf die unter Konkretisierung der in Ziffer 4 des Antrags enthaltenen allgemeinen Forderung auf die durch Artikel 59 Absatz 2 GG vermittelten Mitwirkungsrechte von Deutschem Bundestag und Bundesrat. Diese Beteiligungsrechte dienen auch dem Schutz der durch das Abkommen berührten Grundrechte und dürfen nicht durch die Forderung unterlaufen werden, das geplante Abkommen aus Zeitgründen vorläufig, im Vorgriff auf diese Beteiligungsverfahren in Kraft zu setzen.
Zu Ziffer 10
Durch die Ergänzung wird die Forderung des Europäischen Parlaments unterstützt, die ihm durch den Lissabon-Vertrag eröffneten weitergehenden Mitwirkungsrechte nicht durch einen möglicherweise nur kurzzeitig vor dessen Inkrafttreten zum 1. Dezember 2009 erfolgenden Abschluss des Abkommens zu beschneiden. Die Forderung unterstreicht damit zusätzlich das Anliegen der Entschließung, die demokratische Legitimation des Abkommens zu verstärken.
Zu Ziffer 11
Vor dem Hintergrund der bisher ohne substantielle Einbindung der Gesetzgebungsorgane geführten Debatte um das SWIFT-Abkommen soll mit der Ergänzung sichergestellt werden, dass Praxiserfahrungen zum Umfang der Übermittlung von Finanzdaten an die US-Behörden, über die dadurch erzielten Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden und zur Wahrung individueller Schutzrechte unter Einbindung unabhängiger Sachverständiger bewertet werden, bevor Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen aufgenommen werden. Erst auf Grundlage einer solchen umfassenden Evaluation ist eine sachgerechte Interessensabwägung zwischen dem Schutz der informationellen Selbstbestimmung und weiterer Freiheitsrechte einerseits und den für den Eingriff sprechenden Zielen der Terrorismus-Bekämpfung andererseits möglich. Angesichts der hohen Grundrechtsrelevanz dieser völkerrechtlichen Entscheidungen ist gleichzeitig eine frühestmögliche Einbindung des Bundesrates und des Deutschen Bundestages wie auch des Europäischen Parlaments bereits bei der Abfassung eines künftigen Verhandlungsmandats einzufordern.
B.
- 4. Der Wirtschaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, die Entschließung unverändert zu fassen.