Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches Wohnungseinbruchdiebstahl

Der Bundesrat hat in seiner 958. Sitzung am 2. Juni 2017 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

Zu Artikel 2 Nummer 01 - neu - (§ 100a Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe j StPO), Nummer 02 - neu - (§ 100c Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h StPO), Artikel 3 (Einschränkung eines Grundrechts)

Begründung:

Die Änderung verfolgt den Zweck, einen vom Gesetzentwurf erkennbar nicht beabsichtigten, aber nach der aktuellen Formulierung zu erwartenden Rückschritt bei den nach geltendem Recht bestehenden Ermittlungsbefugnissen in Fällen des bandenmäßigen Einbruchdiebstahls bei dauerhaft genutzten Privatwohnungen zu verhindern. Eine über die geltende Rechtslage hinausgehende Ausweitung der Ermittlungsbefugnisse ist damit nicht verbunden.

Zu Buchstabe a

Nach dem Gesetzentwurf wird der Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung zukünftig als Verbrechen ausgestaltet und hierbei der Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe unabhängig davon zur Anwendung gebracht, ob ein Einzeltäter gehandelt hat oder eine bandenmäßige Begehungsform vorliegt. Die Ausgestaltung des Einbruchdiebstahls in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung als Qualifikationstatbestand in § 244 Absatz 4 StGB-E, ohne zugleich in § 244a StGB im Falle einer bandenmäßigen Begehungsweise eine nochmals angehobene Mindestfreiheitsstrafe hierfür vorzusehen, führt dazu, dass strafprozessuale Befugnisse, die derzeit bei einem bandenmäßigen Wohnungseinbruchdiebstahl im Sinne von § 244a Absatz 1, § 244 Absatz 1 Nummer 3 StGB noch ergriffen werden können, zukünftig nicht mehr im bisher vorhandenen Umfang zur Verfügung stehen werden.

Bisher sind in Fällen des Bandendiebstahls nach § 244 Absatz 1 Nummer 2 StGB und des schweren Bandendiebstahls nach § 244a StGB die strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen der Telekommunikationsüberwachung (§ 100a Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe j StPO), der akustischen Wohnraumüberwachung (§ 100c Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h StPO) und - aufgrund des Verweises auf den Katalog des § 100a Absatz 2 StPO - der akustischen Überwachung außerhalb von Wohnungen (§ 100f Absatz 1 StPO) möglich. Dadurch, dass § 244a Absatz 1 StGB aufgrund des Verweises auf § 244 Absatz 1 Nummer 3 StGB zukünftig nur noch "andere Räumlichkeiten, die keine dauerhaft genutzte Privatwohnung im Sinne des § 244 Absatz 4 StGB-E darstellen und Menschen nicht nur vorübergehend zur Unterkunft dienen" (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs auf Seite 6, 2. Absatz), erfassen wird, sind in der Folge die genannten strafprozessualen Maßnahmen zwar bei dem bandenmäßig begangenen Einbruch in derartige "andere Räumlichkeiten" möglich, jedoch nicht, wenn der Einbruch in dauerhaft genutzte Privatwohnungen bandenmäßig begangen wird. Dies ist nicht nur ein Wertungswiderspruch; vielmehr wird ein Rückschritt bei den Ermittlungsbefugnissen auch dem gesetzgeberischen Grundanliegen nicht gerecht, den Einbruchdiebstahl in dauerhaft genutzte Privatwohnungen effektiv zu bekämpfen.

Hiergegen kann auch nicht vorgebracht werden, dass die Straftatenkataloge des § 100a Absatz 2 StPO und des § 100c Absatz 2 StPO sowohl auf § 244 Absatz 1 Nummer 2 und § 244a StGB verweisen und im letzteren auch die bandenmäßige Begehung der in § 243 Absatz 1 Satz 2 StGB genannten Fallgestaltungen erfasst wird. Während § 243 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 StGB bereits seit dem 6. StrafRG vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) nicht mehr den Einbruch in eine Wohnung erfasst, verbietet sich ein Rückgriff auf § 244 Absatz 1 Nummer 2 StGB bei einem Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung (§ 244 Absatz 4 StGB-E) deshalb, weil dieser neue Straftatbestand als Verbrechen und damit als eigenständiger Qualifikationstatbestand ausgestaltet ist. Bei Vorliegen dieser Qualifikation sind zukünftig aber die genannten strafprozessualen Maßnahmen ausgeschlossen. In Fällen, in denen eine Katalogtat durch eine Nichtkatalogtat verdrängt wird und damit nur eine Verurteilung wegen der Nichtkatalogtat zu erwarten steht, verbietet es sich zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auf die verdrängte Katalogtat zurückzugreifen (vgl. zur ähnlich gelagerten Fallgestaltung bei § 261 StGB: BGH NStZ 2003, 499; Arloth, NStZ 2003, 609; Schmitt in Meyer-Goßner/ Schmitt, Strafprozessordnung, 60. Auflage 2017, § 100a Rn. 15 m. w. N.). Der Gesetzgeber bringt durch die Nichtaufnahme der Qualifikation gerade zum Ausdruck, dass jedenfalls dann, wenn bereits bei Anordnung der Maßnahme ein Verdacht hinsichtlich der verdrängenden Nichtkatalogtat gegeben ist, die Anordnung einer entsprechenden Ermittlungsmaßnahme nicht zulässig ist. Diese Wertung würde unterlaufen, wenn mit der - an sich für andere Fallgestaltungen entwickelten - Rechtsprechung des BGH zur Frage der Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus einer rechtmäßig angeordneten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme im selben Strafverfahren nur darauf abgestellt würde, ob Katalogtat und die sie verdrängende Nichtkatalogtat im Verhältnis der Tateinheit stehen, es sich um eine Zusammenhangstat handelt oder eine einheitliche prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO gegeben ist (vgl. zu dieser Thematik BT-Drucksache 016/5846 S. 66; BGH vom 5. März 1974 - 1 StR 365/73; BGHSt 30, 317; BGH NStZ 1998, 426; vgl. auch Schmitt a.a.O., Rn. 32f. und Bruns in Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7 Auflage 2013, § 100a Rn. 59 f., jeweils m. w. N.).

Will man nicht die strafprozessualen Eingriffsmaßnahmen der Telekommunikationsüberwachung und der akustischen Wohnraumüberwachung in jedem Fall eines Einbruchs in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung gestatten, sondern diese auf die bisherigen Fallgestaltungen einer bandenmäßigen Begehungsweise beschränken, kann - weil eine entsprechende Strafnorm fehlt auf die insoweit in den Straftatenkatalogen verwiesen werden könnte - der oben aufgezeigte Wertungswiderspruch nur dadurch umgangen werden, dass innerhalb der strafprozessualen Normen der §§ 100a und 100c StPO - an sich systemwidrig und den bisherigen Katalogen fremd - ein zusätzliches einschränkendes Merkmal aufgenommen wird. Dieses wird durch die mit der Änderung bezweckten jeweiligen Bezugnahme in § 100a Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe j StPO-E und § 100c Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h stopp-E auf die in § 244 Absatz 1 Nummer 2 StGB genannten Fallgestaltungen bewirkt. Danach ist der Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung nach § 244 Absatz 4 StGB-E Anlasstat für eine Maßnahme nach § 100a StPO oder 100c StPO, wenn die Tat durch ein Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begangen wird.

Keine Option wäre es demgegenüber, in § 244a Absatz 1 StGB einen bloßen Verweis auf den neuen Straftatbestand des § 244 Absatz 4 StGB-E aufzunehmen. Beide Normen weisen einen identischen Strafrahmen auf, weshalb die Aufnahme oder bloße Wiedergabe dieser Norm in einer an sich als Qualifikationstatbestand ausgestalteten anderen Norm keinen Sinn ergibt und systemwidrig wäre. Ferner wäre dann die Möglichkeit eines minder schweren Falles nach § 244a Absatz 2 StGB gegeben, soweit man nicht die Auffassung vertritt, dass bei Vorliegen des § 244a Absatz 1 StGB auch § 244 Absatz 4 StGB-E verdrängt wäre und sich somit die Frage der Sperrwirkung der höheren Mindeststrafe (für die Höchststrafe würde dann die für den Schuldspruch maßgebliche Norm gelten) von verdrängten Tatbeständen stellt (vgl. zu dieser Fallgestaltung bei § 30a Absatz 3 BtMG: BGH NStZ 2003, 440; BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - 5 StR 536/14 - BeckRS 2015, 03376).

Zu Buchstabe b

Durch die intendierte Änderung des § 100a StPO kann das Fernmeldegeheimnis ( Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes) ebenfalls eingeschränkt werden. Um dem Zitiergebot des Artikels 19 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes zu entsprechen, muss Artikel 3 deshalb auch auf diese Änderungsnorm verweisen.