Der Bundesrat hat in seiner 897. Sitzung am 15. Juni 2012 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission mit dem Vorschlag die Anrechnung der Treibhausgasemissionen (THG) und den Abbau von Treibhausgasen im Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forst (LULUCF) regeln möchte. Damit soll eine Grundlage für den LULUCF-Sektor geschaffen werden, damit dieser ebenfalls zur Erfüllung der Klimaschutzverpflichtungen der EU beitragen kann.
- 2. Der Bundesrat weist aber darauf hin, dass die zugrunde zulegenden Berechnungen und Berichterstattungen nachvollziehbar und administrierbar sein müssen.
- 3. Bislang waren die Emissionen und der Abbau von Treibhausgasen in der Land- und Forstwirtschaft nicht in die EU-Klimapolitik eingebunden. Die Anstrengungen von Landwirten und Waldbesitzern zur Sicherung der Kohlenstoffbindung in Wäldern und Böden wurden somit bisher nicht oder nur zum Teil anerkannt. Nach der Ablehnung der von der Kommission angestrebten Bodenschutzrichtlinie durch die Mitgliedstaaten bedarf es nun anderer Instrumente zur Stärkung der Speicherfunktion der Böden für CO₂. Unter Hinweis auf die Beschlüsse der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) vom Dezember 2011 soll nun diese Lücke in der Klimapolitik geschlossen werden. Es sollen Möglichkeiten eröffnet werden, die Leistungen von Landwirten und Waldbesitzern bei der Bekämpfung des Klimawandels im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu honorieren. Der vorgelegte Beschluss bedarf jedoch einiger Verbesserungen.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene für folgende Änderungen einzusetzen und nachfolgende Positionen zu vertreten:
- 4. Es ist darauf hinzuwirken, den administrativen Aufwand auf das Notwendige zu beschränken und die Kosten, auch mit Blick auf die Effektivität der jeweiligen Maßnahmen, so gering wie möglich zu halten.
- 5. Die von der Kommission zur Führung der sogenannten LULUCF-Konten benötigten Daten werden bereits im Rahmen der Klimaberichterstattung der Vereinten Nationen unter der Klimarahmenkonvention bzw. unter dem Kyoto-Protokoll erhoben. Dazu gehören auch turnusmäßige Überprüfungen der nationalen Inventare durch das Klimasekretariat der Vereinten Nationen. Um den bürokratischen Aufwand gering zu halten, muss daher der Entscheidungsvorschlag der Kommission im Einklang mit den auf internationaler Ebene gefassten Beschlüssen zur Klimaberichterstattung stehen.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, den Ländern eine Expertise über die im Vorschlag vorgesehenen Verfahren und Methoden zur Berechnung und Verbuchung von Emissionen und Festlegungen von Kohlenstoff und ihre Auswirkungen, insbesondere auch auf die Forstwirtschaft, vorzulegen, um eine eingehende Prüfung der Verhältnismäßigkeit der vorgesehenen Berichtspflichten vornehmen zu können. Derzeit kann nicht abgeschätzt werden, ob der Vorschlag der Kommission einen erheblichen (Mehr-)Aufwand zumindest für die öffentlichen Verwaltungen der Mitgliedstaaten und in Deutschland auch der Länder hervorruft.
- 7. Die in Artikel 10 geforderte Pflicht zur Aufstellung von Aktionsplänen sowie die damit verbundenen Evaluierungen durch die Kommission sind zu überprüfen und praxisgerecht auszugestalten.
Der Zeitrahmen von sechs Monaten ist für die Aufstellung der in Artikel 10 geforderten Aktionspläne zu kurz bemessen und sollte verlängert werden.
- 8. Der Ökologische Landbau und das Modell eines Vertragsklimaschutzes, das möglichst große Synergien zum Boden-, Gewässer- und Naturschutz aufweist, wären in diesem Zusammenhang hervorzuheben. Wirksame und effiziente Flächenmaßnahmen mit einem Fokus auf Hotspot-Standorte sowie Bearbeitungsvorgaben verbunden mit entsprechenden Potenzialen zur Senkung von THG-Emissionen sollten hier eingebunden werden. Ebenso können hierunter Investitionsförderungen und Beratungsaktivitäten wie ein Klima- und Energiecheck auf landwirtschaftlichen Betrieben subsumiert werden. Der Bundesrat weist aber darauf hin, dass es sich hierbei um Maßnahmen handeln muss, die sowohl wirksam erfasst wie auch überwacht werden können.
- 9. Nach Auffassung des Bundesrates ist eine Anrechnung von "natürlichen Störungen" im Bereich der landwirtschaftlichen Nutzflächen weder mit den Anrechnungsvorschriften des Kyoto-Protokolls vereinbar, noch ist sie mit hinreichender methodischer Genauigkeit durchführbar. Die Anrechnung von natürlichen Störungen sollte daher auf den Bereich der Forstwirtschaft begrenzt bleiben.
- 10. Der Bundesrat erkennt die Notwendigkeit, die THG-Emissionen in der Landwirtschaft zu reduzieren und im Rahmen der LULUCF-Bilanzierung zu berücksichtigen. Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2013 sollten daher im Kontext des "Greenings" sowie der Entwicklung des ländlichen Raums Maßnahmen zur Emissionsminderung von THG umgesetzt werden. Diese sollten an ihrem Minderungspotenzial und an ihrer Kosteneffizienz ausgerichtet werden sowie einfach umsetzbar und administrierbar sein.
- 11. Der Vorschlag sieht die umfangreiche Übertragung von Befugnissen zum Erlass von delegierten Rechtsakten an die Kommission zu wesentlichen Inhalten vor, wie zum Beispiel zu Begriffsbestimmungen (Artikel 2 Absatz 2), zu Referenzwerten (Artikel 6 Absatz 9) und zur Anrechnung natürlicher Störungen (Artikel 9 Absatz 5). Übertragungen von Befugnissen an die Kommission sind auf das zwingend Notwendige zu beschränken bzw. nicht vorzusehen. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auf seine diesbezügliche Stellungnahme vom 18. März 2011 (BR-Drucksache 097/11(B) ).
- 12. Der Bundesrat stellt zudem vielfach Inkonsistenzen und Unstimmigkeiten fest. So umfasst der vorgesehene Begriff "Weidebewirtschaftung" gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe h alle Formen der Grünland- und Futterbauwirtschaft, die in Zusammenhang mit einer tierischen Erzeugung stehen, beispielsweise die Silagegewinnung zur Milchviehfütterung, nicht aber zur Biogaserzeugung. Auf Grund der Fokussierung auf "Landnutzung" ist eine Verknüpfung mit der tierischen Erzeugung nicht nachvollziehbar.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, hier auf bereits eingeführte Festlegungen aus anderen Bereichen (zum Beispiel InVeKoS) zum Begriff Grünland abzustellen und auf eine Verknüpfung mit der tierischen Erzeugung zu verzichten.
- 13. Zudem sind Darstellungen bisheriger Erhebungen in der zugehörigen Mitteilung der Kommission zu LULUCF1 missverständlich und schwer nachvollziehbar. So ist die Landwirtschaft in Schaubild 2 der Mitteilung sowohl in die Sektoren "Landwirtschaft" als auch "LULUCF" aufgesplittet. Die Kriterien der Trennung sind allerdings nicht klar erkennbar. Die Unklarheiten, die sich auf Grund der unvollständigen und nicht nachvollziehbaren Darstellung ergeben, können zu Fehlschlüssen und Fehlentwicklungen führen und zeigen die Notwendigkeit für weiteren und tiefgreifenden Beratungsbedarf auf.
- 14. Um die tatsächliche Klimaschutzleistung des Forstsektors sachgerecht zu ermitteln, sind für eine Klima-Gesamtbilanz neben den stofflichen Kohlenstoffspeichern Sektor übergreifend auch die Substitutions- und Einspareffekte der Holzverwendung aus dem Sektor "Energie" zu quantifizieren und einzukalkulieren.
- 15. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zudem, die Länder bei den weiteren Beratungen fortlaufend eng einzubeziehen.
- 1. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Anrechnung von Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF) im Rahmen der Klimaschutzverpflichtungen der EU (COM (2012) 94 final)