Der Niedersächsische Ministerpräsident
Hannover, den 28. Juni 2013
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierungen von Niedersachsen und Bremen haben beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zur Gründung einer Bundesnetzgesellschaft zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 912. Sitzung des Bundesrates am 5. Juli 2013 aufzunehmen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Weil
Entschließung des Bundesrates zur Gründung einer Bundesnetzgesellschaft
Der Bundesrat möge beschließen:
- 1. Der Bundesrat stellt mit Sorge fest, dass der dringend erforderliche Ausbau des Höchstspannungsnetzes einschließlich der Errichtung der erforderlichen Netzanbindungen von Offshore-Windkraftanlagen bisher nur sehr zögerlich verläuft.
- 2. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, eine Bundesnetzgesellschaft zu gründen, im Rahmen derer der Bund und die Übertragungsnetzbetreiber gemeinsam den Netzausbau finanzieren und durchführen. Sie soll in einem ersten Schritt die zügige Realisierung insbesondere von ausgewählten Netzanbindungen von Offshore-Windkraftanlagen sicherstellen. Schrittweise soll diese Netzgesellschaft allen Betreibern von Höchstspannungsnetzen offenstehen und die bisherigen vier Netzzonen zu einer einheitlichen deutschen Netzzone zusammenführen.
- 3. Dabei ist für den Bund eine Beteiligung von mehr als 25% vorzusehen, um dem öffentlichen Interesse am zügigen und kosteneffizienten Netzausbau Ausdruck zu verleihen. Ein Rückfluss des Investitionskapitals wird durch die entsprechend dem Anteil an der Bundesnetzgesellschaft zu berechnenden Netznutzungsentgelte erfolgen.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung deswegen zeitnah:
- - eine Bundesnetzgesellschaft mit einer Beteiligung des Bundes von mehr als 25% zu gründen und zügig die gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, dass diese eigene Höchstspannungsleitungen einschließlich der erforderlichen Netzanbindungen von Offshore-Windkraftanlagen im Bundesgebiet und in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone errichten und betreiben kann, dabei sind hinreichende Beteiligungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und Länder vorzusehen;
- - mit dieser Bundesnetzgesellschaft in die Finanzierung der erforderlichen weiteren Netzanbindungen insbesondere von Offshore-Windparks einzusteigen;
- - ein Konzept zu entwickeln, wie die Kooperation der neuen Bundesnetzgesellschaft mit den bisherigen vier Übertragungsnetzbetreibern sinnvoll koordiniert und wie die bisherigen vier Netzzonen schrittweise zu einer einheitlichen deutschen Netzzone zusammengeführt werden können;
- - zu prüfen und ggf. Anlagemöglichkeiten vorzusehen, wie Bürgerinnen und Bürger angemessen finanziell an Netzausbauprojekten beteiligt werden können, insbesondere wenn die Projekte in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft erfolgen sollen.
Begründung:
Tragende Säulen der Energiewende sind der zügige Ausbau des Übertragungsnetzes und die Nutzung der Offshore-Windenergie. Sie liefert mit bis zu 4.500 Volllaststunden je Jahr kontinuierlich und gleichmäßig klimafreundlichen Strom und leistet auch einen bedeutenden Beitrag zur Versorgungssicherheit.
Um den auf See und durch windstarke Onshore-Standorte im Norden gewonnenen Strom in die Verbrauchszentren im Westen und Süden Deutschlands transportieren zu können, sind der Ausbau der Netzanbindungen von See an Land und die Schaffung weiterer Übertragungskapazitäten zwingend erforderlich.
Beim Ausbau der im Energieleitungsausbaugesetz 2007 als nötig erachteten 1.855 km Höchstspannungsleitungen kommt es bisher zu erheblichen Verzögerungen, so dass zum heutigen Zeitpunkt deutlich weniger als 300 km realisiert worden sind. Hintergrund sind auch der hohe Investitionsbedarf und die teilweise unzureichende Eigenkapitalausstattung von Übertragungsnetzbetreibern, insbesondere im Hinblick auf die Finanzierung der notwendigen Offshore-Netzanbindungen. Mindestens ein Übertragungsnetzbetreiber - dem die Bundesnetzagentur die nach § 4a Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz zum Betrieb eines Transportnetzes erforderliche Zertifizierung nicht erteilt hat, da das Unternehmen nicht nachgewiesen habe, dass es über die erforderlichen finanziellen Mittel zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung verfüge - hat sich dahingehend öffentlich geäußert, dass er sich zu einer Finanzierung des notwendigen Netzausbaus nur dann in der Lage sähe, wenn er einzelfallbezogen Investoren an einzelnen Netzanbindungsprojekten beteilige. Dies kann zu einer schrittweisen Zersplitterung der Netze führen und einen effizienten Netzbetrieb gefährden. Die schnelle Fertigstellung des Übertragungsnetzes stellt ein Element der Daseinsvorsorge dar und liegt im öffentlichen Interesse, um die Energiewende möglichst effizient und kostengünstig zu gestalten.
Um den dringend erforderlichen Netzausbau losgelöst von den bestehenden Regelzonenverantwortlichkeiten voranzutreiben, sollte eine Bundesnetzgesellschaft gegründet werden, auf die die Aufgabe der Bewirtschaftung des Höchstspannungsnetzes einschließlich der erforderlichen weiteren Netzanbindungen von Offshore-Windparks schrittweise übertragen wird. Hierzu bietet sich als erster Schritt der Einstieg einer Bundesnetzgesellschaft in die Finanzierung und Durchführung künftiger Netzausbaumaßnahmen gemeinsam mit den Übertragungsnetzbetreibern an.
Zu den künftigen Netzausbaumaßnahmen zählen insbesondere die im von der Bundesnetzagentur noch zu bestätigenden Offshore-Netzentwicklungsplan 2013 enthaltenen künftigen Maßnahmen des sogenannten Zubau-Offshorenetzes.
Bei Gründung und Hinzutreten einer Bundesnetzgesellschaft neben die bisherigen vier Übertragungsnetzbetreiber würde keine komplette Systemverantwortung innerhalb der jeweiligen Regelzone mehr bestehen. Um eine vollständige Systemverantwortung wiederherzustellen, sollten die bisherigen vier Regelzonen daher schrittweise zu einer einheitlichen deutschen Netzzone zusammengeführt werden. Dies würde auch zu einer Optimierung des Netzausbaus führen.
Eine finanzielle Beteiligungsmöglichkeit von Bürgerinnen und Bürgern - insbesondere in unmittelbarer Nähe der Netzausbauprojekte - kann zu einer besseren Akzeptanz für die jeweiligen Projekte führen. Hierdurch könnte auch sichergestellt werden, dass die mit der Energiewende verbundene Wertschöpfung nicht nur dort stattfindet, wo die Energie erzeugt bzw. verbraucht wird, sondern auch dort, wo der Strom durchgeleitet wird.