Der Bundesrat hat in seiner 936. Sitzung am 25. September 2015 beschlossen, zu dem Bericht gemäß § 4 des Landwirtschaftsgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Einfluss der Weltmärkte auf die Markt- und Preisentwicklung in der EU hat zugenommen. Der Agrarpolitische Bericht zeigt für den Berichtszeitraum 2011 bis 2014 eine hohe Preisvolatilität auf. Vor allem der Milchmarkt bedarf der besonderen Aufmerksamkeit der Agrarpolitik. Um Marktverwerfungen rechtzeitig begegnen zu können, ist ein wirksames Sicherheitsnetz erforderlich. Notwendig sind flexible und schnell wirksame Instrumente. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich verstärkt für die Belange der Milchviehbetriebe einzusetzen. Die aktuelle Lage auf dem Milchmarkt, die viele milchviehhaltende Betriebe in ihrer Existenz bedroht, unterstreicht den Handlungsbedarf. Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, damit die Milchviehhalter dauerhaft angemessene Einkommen erzielen können. Für den Milchmarkt sind auch künftig flexible und wirksame Kriseninstrumente auf EU-Ebene erforderlich. Aus Sicht des Bundesrates muss bei der Milchmarktbeobachtungsstelle ein Frühwarnsystem etabliert werden, welches die Marktsituation transparent, umfassend und zeitnah abbildet, damit erforderliche Krisenmaßnahmen umgehend eingeleitet werden können. Zusätzlich sind die Milchmarktinstrumente der Europäischen Union auszubauen und zu flexibilisieren. Insbesondere ist die Anhebung des Interventionspreises für Butter und Magermilchpulver auf ein angemessenes Niveau erforderlich. Zudem ist die private Lagerhaltung effizienter zu gestalten und "Mitnahmeeffekte" sind auszuschließen. Auch sollten die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Maßnahmen zur Mengenreduzierung geschaffen werden.
- 2. Der Agrarpolitische Bericht macht auch deutlich, dass die landwirtschaftlich genutzten Flächen auf Grund der Konkurrenz mit Siedlung, Verkehr, Industrie und sonstiger Infrastruktur stetig abnehmen. Darüber hinaus führen Entwicklungen wie der zum Teil drastische Anstieg der Kauf- und Pachtpreise landwirtschaftlicher Flächen sowie die zunehmenden Aktivitäten nichtlandwirtschaftlicher Investoren auf den Bodenmärkten in einigen Regionen Deutschlands zu einschneidenden Veränderungen auf landwirtschaftlichen Bodenmärkten. Dies kann sich negativ auf die regionale Agrarstruktur und die Entwicklungsmöglichkeiten bäuerlicher Betriebe auswirken. Deshalb wird die Bundesregierung gebeten, Initiativen zur Begrenzung des Flächenverbrauchs zu ergreifen. Dies betrifft insbesondere die möglichst flächensparende Durchführung konkreter Bauprojekte und die Stärkung der Prinzipien "Ausbau vor Neubau" und "Innenentwicklung vor Außenentwicklung".
- 3. Die deutsche Agrarpolitik ist, wie aus dem Bericht ersichtlich, überwiegend von EU-rechtlichen Vorgaben geprägt. Der Bundesrat betont, dass mit der Reform ab 2015 der bürokratische Aufwand für Landwirte und Verwaltung erheblich angestiegen ist. Der neue EU-Agrarkommissar hat eine Vereinfachungsdebatte zur jüngsten Reform der GAP eröffnet und das Thema zum Schwerpunkt für seine Amtszeit erklärt. Die Mitgliedstaaten sind diesem Aufruf ernsthaft gefolgt und haben knapp 700 Seiten Vereinfachungsvorschläge bei der Kommission eingereicht. Dies unterstreicht, dass die EU-Kommission dringend die Rechtsvorschriften anpassen muss. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, sich gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten weiterhin für praxisorientierte Vereinfachungen in der GAP einzusetzen. Aus deutscher Sicht ergeben sich durchaus Spielräume, ohne das Ziel der Reform in Frage zu stellen.
- 4. Die gemeinsame Verantwortung für attraktive ländliche Räume erwähnt der Agrarpolitische Bericht zu Recht. Die ländlichen Räume stehen vor großen Herausforderungen. Unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Entwicklungspotenziale sind sie als eigenständige Lebens- und Wirtschaftsräume zu stärken, um ihre Zukunftsfähigkeit zu erhalten. Die Weiterentwicklung der GAK durch eine Anpassung an die Fördermöglichkeiten der ELER-Verordnung und eine entsprechende finanzielle Aufstockung der GAK für die künftig noch wichtiger werdende Aufgabe der Unterstützung der ländlichen Räume sind deshalb dringend notwendig. Das GAK-Gesetz ist kurzfristig entsprechend zu ändern.
- 5. Der Agrarpolitische Bericht hebt die Bedeutung der Biomasse für die Energiewende hervor. Biomasse ist ein wichtiger erneuerbarer Energieträger, der einfach speicherbar ist. Gleichzeitig zeigt der Bericht aber auch, dass der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen nach einem starken Anstieg die letzten vier Jahre stagniert hat. Der Bundesrat sieht dafür als wesentliche Ursache die Novelle 2014 des EEG. Die Bundesregierung wird deshalb gebeten, entsprechende Rahmenbedingungen für die Erzeugung von Biomasse zu schaffen und Planungssicherheit zu gewährleisten, ohne die Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung zu verschärfen. Dabei sind für Bestandsanlagen Regelungen notwendig, die ein Wegbrechen der Strom- und Wärmebereitstellung durch Biomasse nach dem Auslaufen der bisherigen EEG-Vergütung verhindern und den Übergang zur Lieferung von systemdienlichen Einspeisung von Strom ebnen. Gleichzeitig sind Initiativen notwendig, die einen zielgerichteten Zubau von landwirtschaftlichen Biomasseanlagen für die Energiewende begünstigen. Die Bundesregierung wird gebeten, die investive Förderung insbesondere von Gülle-Biogasanlagen (§ 46 EEG) sowie von Maßnahmen zur Effizienzsteigerung vorhandener Biomasseanlagen (z.B. Biogasspeicherung, Nahwärmeleitungen, Blockheizkraftwerke) wieder in die GAK aufzunehmen.
- 6. Der Agrarpolitische Bericht zeigt die Einführung des Mindestlohns in der Landwirtschaft auf. Durch die Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrag-Mindestentgelts gelten für die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft sowie des Gartenbaus bis Ende 2017 auch die Regelungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG). Der Bundesrat begrüßt die Einführung des Mindestlohns sowie die in der Branche getroffenen Tarifregelungen.
- 7. Der Agrarpolitische Bericht geht auf die gesellschaftlichen Anforderungen an die landwirtschaftliche Tierhaltung ein. Der Bericht hebt hier u.a. das Prinzip des Vorrangs der Freiwilligkeit hervor. Danach sollen verpflichtend eingegangene Vereinbarungen der Wirtschaft u.a. zum Verzicht auf nichtkurative Eingriffe wie das Kupieren der Schwänze bei Schweinen und der Schnäbel bei Geflügel führen. Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hält allein freiwillige Maßnahmen demgegenüber nicht für ausreichend. Er kommt in dem Gutachten "Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung" zu dem Schluss, dass die derzeitigen Haltungsbedingungen eines Großteils der Nutztiere nicht zukunftsfähig seien und fordert die Politik zum Handeln auf. Die Länder halten in diesem Sinne die unverzügliche Erarbeitung und Umsetzung eines verbindlich einzuhaltenden Maßnahmenkataloges, der eine verantwortungsvolle und nachhaltige Tierhaltung sicherstellt, für zielführend. Hierzu gehören z.B. die Einführung von Anreizsystemen zur Belohnung von mehr Tierschutz, die Anpassung von Rechtsvorschriften sowie das Aufzeigen von Perspektiven für eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung in Deutschland.