Der Bundesrat hat in seiner 933. Sitzung am 8. Mai 2015 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Mitteilung allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Ziele der Energieunion, mit der eine nachhaltige, sichere, bezahlbare und wettbewerbsfähige Energieversorgung aller Bürgerinnen und Bürger gewährleistet werden soll. Neben Maßnahmen auf nationaler Ebene sind hierfür in bestimmten Bereichen grundsätzlich auch Maßnahmen auf europäischer Ebene notwendig.
- 2. Er begrüßt daher, dass die Kommission eine EU-Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzstrategie vorgelegt hat. Eine solche gemeinsame Strategie bietet die Chance, die beschlossenen Klima- und Energieziele der EU sowohl für das Jahr 2020 als auch für das Jahr 2030 umzusetzen und europaweit den Umbau hin zu einer Energieversorgung ohne Risiken für nachfolgende Generationen voranzutreiben. Darüber hinaus kann die Strategie auch ein Beitrag sein, das von der EU beschlossene Langfristziel, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren, zu erreichen.
- 3. Der Bundesrat begrüßt das Vorhaben einer europaweiten Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzstrategie, im Rahmen derer die EU weltweit eine Führungsrolle bei den erneuerbaren Energien übernehmen soll. Insbesondere zur Integration der erneuerbaren Stromerzeugung hält der Bundesrat einen grenzüberschreitenden flexiblen Ausgleich von Stromangebot und -nachfrage für notwendig. Von einer solchen Energieunion können damit positive Effekte auf Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wettbewerb ausgehen.
- 4. Er bittet die Bundesregierung, bei der Umsetzung der Energieunion, insbesondere bei der Einführung des geplanten Governance-Mechanismus, darauf zu achten, dass das Recht der Mitgliedstaaten, die Bedingungen für die Nutzung ihrer Energieressourcen, die Wahl zwischen verschiedenen Energiequellen und die allgemeine Struktur ihrer Energieversorgung zu bestimmen (vergleiche Artikel 194 Absatz 2 Satz 3 AEUV), unberührt bleibt.
- 5. Der Bundesrat stellt fest, dass nicht alle der geplanten Maßnahmen geeignet sind, um das übergeordnete Ziel einer sicheren und umweltfreundlichen Energieversorgung in der EU zu erreichen. Er fordert daher die Bundesregierung auf, sich in Brüssel im Zuge der aktuellen Verhandlungen um Schlussfolgerungen des Energierates am 8. Juni 2015 und auch bei der anschließenden Umsetzung der EU-Energieunion für die Prioritäten einer europäischen Energiewende einzusetzen.
- 6. Der Bundesrat vermisst konkrete Angaben darüber, wie der bis 2030 vorgesehene Anteil von 27 Prozent erneuerbaren Energien am europäischen Energieverbrauch zu schaffen ist, und kritisiert, dass an der Öl- und Gasgewinnung aus nicht konventionellen Quellen (zum Beispiel Schiefergas) in Europa als Option festgehalten werden soll und die Kohlenstoffabtrennung und -speicherung (CCS) sowie der Nuklearbereich als Forschungsschwerpunkte vorgesehen sind.
- 7. Er teilt die Auffassung, dass insgesamt das Niveau der Versorgungssicherheit der Mitgliedstaaten noch erhöht werden muss. Allerdings legt die Kommission aus Sicht des Bundesrates ein zu starkes Augenmerk auf fossile Energieträger wie zum Beispiel Gasimporte aus Drittstaaten. Aus Sicht des Bundesrates sollte die EU ihre Abhängigkeit von Energieimporten vor allem durch den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen verringern.
- 8. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die Energieeffizienz als einen ihrer fünf Schwerpunkte identifiziert. In diesem Bereich steht die Überarbeitung einer Reihe von Rechtsakten, wie zum Beispiel der Energieeffzienz-Richtlinie, der Gebäude-Richtlinie, der Energieverbrauchskennzeichnung und der ÖkoDesign-Richtlinie, an.
Zu den Vorschlägen zum energieeffizienten Verkehrssektor
- 9. Der Bundesrat bekennt sich zur Entwicklung eines energieeffizienten Verkehrssektors mit geringen CO₂-Emissionen. Er begrüßt daher die in der Rahmenstrategie enthaltenen Ziele zur Entwicklung eines energieeffizienten Verkehrssektors mit geringen CO₂-Emissionen.
- 10. Um einen funktionierenden Energiebinnenmarkt in Europa zu schaffen, ist die Reduktion des CO₂-Ausstoßes des Straßenverkehrs mit einer ganzheitlich integrierten Strategie anzugehen. Priorität muss die Ausrichtung auf zukunftsfähige Technologien haben, um die Stellung der europäischen Industrie im weltweiten Wettbewerb zu stärken.
- 11. Der Bundesrat hält zudem den für 2016 angekündigten Masterplan für die Einführung kooperativer intelligenter Verkehrssysteme und somit die intermodale Verknüpfung von Verkehrsträgern und Verbesserung des Verkehrsmanagements für zentrale Bausteine für mehr Energieeffizienz im Verkehr.
- 12. Der Bundesrat unterstreicht die Maßnahmen der Kommission zur Reduzierung der Erdölabhängigkeit des Verkehrs durch die Entwicklung und Nutzung alternativer Kraftstoffe, einschließlich der Errichtung der dafür notwendigen Infrastruktur, sowie die Umstellung auf elektrische Antriebe. Er unterstützt Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen im Verkehr, der Förderung der Elektromobilität und anderer alternativer Kraftstoffe und der Verbesserung der Attraktivität der weniger treibhausgasintensiven Verkehrsträger als wichtige verkehrs- und klimapolitische Zielsetzung. Der Bundesrat bedauert jedoch, dass die Strategie im aktuellen Stadium weder weiterreichende Neuerungen gegenüber bereits bekannten Zielen noch konkrete und messbare Ziele enthält.
Zu weiteren Gesichtspunkten
- 13. Der Bundesrat bedauert, dass dem Ausbau der erneuerbaren Energien eine vergleichsweise geringere Bedeutung zugemessen wird und dies kein eigener Schwerpunkt der EU-Energiestrategie ist. Er ist weiterhin der Auffassung, dass das bisher vereinbarte Ziel von 27 Prozent erneuerbarer Energien am Energieverbrauch bis 2030 nicht ausreicht, um die langfristigen Klima- und Energieziele der EU zu erreichen. Die Bundesregierung sollte sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass sowohl bei der Überarbeitung der Richtlinie für erneuerbare Energien als auch bei der Entwicklung von Vorschlägen für einen europäischen Strommarkt der Fokus nicht allein auf die Marktintegration der erneuerbaren Energien und auf eine Koordinierung der Fördersysteme gelegt wird, sondern der Zielerreichung und damit dem Ausbau der erneuerbaren Energien in allen EU-Mitgliedstaaten Priorität eingeräumt wird.
- 14. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass bei der Ausarbeitung des sogenannten "Governance Rahmens" zur Umsetzung der vereinbarten Klima- und Energieziele für 2030 der Zielerreichung höchste Priorität zugemessen werden sollte. Sollten sich Zielverfehlungen abzeichnen, so muss mit weiteren Maßnahmen zeitnah nachgesteuert werden. Die Bundesregierung sollte sich daher für einen möglichst verbindlichen "Governance Rahmen" einsetzen, in dem Fehlentwicklungen schnell entgegengewirkt werden kann.
- 15. Der Bundesrat hält fest, dass die Mittelaufwendungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien und Energieeffizienz im Forschungsbereich bisher deutlich hinter den Mittelaufwendungen für die nukleare Energieforschung zurückgeblieben sind. Gleichzeitig hat eine Aufwertung beider Bereiche im aktuellen Forschungsrahmenprogramm "Horizont 2020" stattgefunden. Diese Entwicklung sollte künftig noch verstärkt werden. Er fordert daher die Bundesregierung auf, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, die Forschungsmittel im Bereich der Nuklearforschung, die sich beispielsweise im Zeitraum von 2014 bis 2020 im Rahmen der EURATOM-Programme auf über 2 Milliarden Euro belaufen, in Zukunftstechnologien wie erneuerbare Energien und Effizienz umzuschichten.
- 16. Der Bundesrat begrüßt die Auffassung der EU, dass Biomasse und Biomassekraftstoffe umweltfreundlich genutzt werden sollen.
- 17. Er bittet die Bundesregierung, darauf zu achten, dass bei der neuen Strategie für nachhaltige Biomasse und Biokraftstoffe, die die EU voraussichtlich 2016 vorlegen wird, bestehende Regelungen Deutschlands zur nachhaltigen Produktion von Biomasse nicht konterkariert werden.
- 18. Der Bundesrat betont nachdrücklich, dass eine wirkungsvolle und schnelle Reform des EU-Emissionshandels möglichst bis 2017 eine wichtige Grundvoraussetzung ist, um die EU-Klimaziele auch im Energiesektor umsetzen zu können.