Der Bundesrat hat in seiner 921. Sitzung am 11. April 2014 beschlossen, zu dem Jahresgutachten 2013/14 des Sachverständigenrates gemäß § 6 Absatz 1 SachvRatG und zu dem Jahreswirtschaftsbericht 2014 der Bundesregierung gemäß § 2 Absatz 1 StabG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass sich die Wirtschaft in Deutschland weiterhin positiv entwickelt. Der Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung stellt zu Recht fest, dass die deutsche Wirtschaft gut aufgestellt ist und damit das für 2014 prognostizierte Wachstum von 1,8 Prozent erreicht werden kann. Besonders erfreulich ist die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, wo die Zahl der Beschäftigten auf einen neuen Rekord zusteuert.
- 2. Der Bundesrat unterstützt, dass die Bundesregierung ihre Perspektive bei der Erarbeitung ihrer Wirtschaftspolitik auf alle Bereiche der Sozialen Marktwirtschaft erweitert hat. Die dialogorientierte, interdisziplinäre und nicht ausschließlich zahlenbasierte Herangehensweise an wirtschaftspolitische Fragestellungen wird sich sicher positiv auswirken und auch die Wahrnehmung von Wirtschaftspolitik grundlegend verändern.
- 3. Der Bundesrat übersieht aber nicht, dass gerade in der jüngsten Entwicklung in Europa und den Schwellenländern noch erhebliche Gefahrenpotenziale liegen, die sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken können. Deshalb muss auch zukünftig alles getan werden, damit Wirtschaft und Gesellschaft stabile und verlässliche Rahmenbedingungen haben, um eventuell auftretende Störungen schnell zu verkraften.
- 4. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, mit einer nachhaltig angelegten und umsichtigen Wirtschaftspolitik die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu steigern und die Rahmenbedingungen für Innovationen und Investitionen zu verbessern. Dazu gehört die Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung privatwirtschaftlicher Investitionen wie die Ergänzung der Projektförderung von Forschung und Entwicklung durch eine steuerliche Förderung für kleine und mittlere Unternehmen.
- 5. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass weiterhin große Anstrengungen notwendig sind, damit Deutschland auch in Zukunft eine der innovativsten Volkswirtschaften weltweit bleibt. Dabei müssen auch die vorhandenen Innovationspotenziale gerade der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) noch stärker genutzt werden. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Innovationsausgaben der KMU nach der Innovationserhebung 2013 im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zwischen 2006 und 2012 konstant rund 24 Milliarden Euro betragen haben, während die Innovationsausgaben der Großunternehmen im selben Zeitraum von rund 80 auf 115 Milliarden Euro angestiegen sind.
- 6. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung die Innovationsdynamik durch innovationsfreundliche Rahmenbedingungen, geeignete Finanzierungsinstrumente und passgenaue Förderinstrumente stärken möchte. Er erinnert an das Vorhaben, den zu Grunde liegenden Innovationsbegriff für die Kultur- und Kreativwirtschaft zu öffnen und zu erweitern. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, neue Maßnahmen zu entwickeln, um den Transfer von Forschungsergebnissen in die Wirtschaft zu verbessern und zu beschleunigen. Der Bundesrat begrüßt darüber hinaus, dass europäische und internationale Forschungskooperationen vertieft werden sollen. Dabei ist anzustreben, dass solche Kooperationen auch verstärkt zu heimischer und europäischer Wertschöpfung führen.
- 7. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital international wettbewerbsfähig gestalten und die Attraktivität Deutschlands als Fonds- und Investitionsstandort für Wagniskapital erhöhen will.
- 8. Der Bundesrat ist überzeugt, dass der effiziente Einsatz von Rohstoffen angesichts volatiler und steigender Ressourcenpreise zum Erfolgsfaktor für die Wirtschaft werden wird. Es muss daher erklärtes Ziel von Bund und Ländern sein, die Ressourceneffizienz voranzutreiben. Der Bundesrat begrüßt in diesem Zusammenhang, dass die Beratung für Unternehmen und Haushalte im Bereich Ressourceneffizienz verbessert werden soll. Dabei ist eine enge Abstimmung mit den Aktivitäten der Länder erforderlich, um Synergien zu nutzen.
- 9. Auch aus Sicht des Bundesrates ist es zuallererst Aufgabe der Unternehmen selbst, ihren Bedarf an Rohstoffen am Markt zu decken. Der Bundesrat begrüßt in diesem Zusammenhang, dass die Bundesregierung die Unternehmen bei der zuverlässigen Versorgung mit Rohstoffen unterstützt, indem sie die Rahmenbedingungen für faire und transparente Bedingungen im Rohstoffhandel schafft und Rohstoffpartnerschaften eingeht.
- 10. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass Forschung und Entwicklung entscheidende Pfeiler sind, um die effiziente Rohstoffnutzung sicherzustellen. Der Transfer von der Wissenschaft zu den KMU muss dabei verstärkt werden, um Materialkosten in den Betrieben zu senken und Ressourcen effizienter einsetzen zu können.
- 11. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Bundesregierung zu einer umfassenden digitalen Agenda 2014-2017 in den entscheidenden Zukunftsfeldern. Bei der Präzisierung und Ausgestaltung der Vorhaben durch die Bundesregierung sollte auf die Kernbereiche der deutschen Wirtschaft besonderes Augenmerk gelegt werden. Dabei werden insbesondere auch die Themen Digitalisierung der klassischen Industrie (Industrie 4.0), Big Data, Cloud Computing und IT-Sicherheit zentrale Bereiche des digitalen Wandels sein. Der Bundesrat betont die Notwendigkeit der Einbeziehung weiterer Bereiche wie Unternehmenssoftware und Mobilität.
- 12. Fundament des digitalen Wandels, der sämtliche Lebens- und Arbeitsräume umfassen wird, ist die leistungsstarke und flächendeckende Versorgung mit der hierfür benötigten Infrastruktur. Eine zukunftsweisende Breitbandinfrastruktur (flächendeckend 50 Mbit/s ab dem Jahr 2018) wird ohne ein entsprechendes Förder- oder Finanzierungsprogramm des Bundes nicht erreicht werden können. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Bundesregierung vor diesem Hintergrund in Abstimmung mit den Ländern ihre Förder- und Finanzierungsinstrumente für den Breitbandausbau überprüfen und weiterentwickeln sollte.
- 13. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Bundesregierung, dass funktionsfähige, stabile und wettbewerbsfähige Finanzmärkte eine Grundbedingung für Wachstum in Europa sind und dass die realwirtschaftliche Dienstleistungsfunktion des Finanzsektors Vorrang vor spekulativen Geschäften haben muss. Er stimmt außerdem mit der Bundesregierung darin überein, dass kein Finanzmarkt, kein Finanzprodukt und kein Finanzmarktakteur ohne angemessene Aufsicht bleiben dürfen.
- 14. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass eine Abwicklung systemrelevanter Banken ohne Belastungen für den Steuerzahler möglich sein muss. Dies hat, anknüpfend an den Vorschlag der Liikanen-Gruppe, die Ausgliederung risikoreicher Bankgeschäfte in rechtlich selbständige Einheiten zur Voraussetzung.
- 15. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei der Weiterentwicklung der Basel III Regeln die Besonderheiten kleiner und mittlerer Banken im Auge zu haben. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Erhaltung der bewährten Langfristkultur bei der Finanzierung von Industrie, Mittelstand und Privaten. Nicht zuletzt dieser Langfristkultur ist es zu verdanken, dass die Krise in Deutschland nicht im gleichen Umfang wie in anderen Ländern auf die Realwirtschaft übergriff. Vor diesem Hintergrund sind die langfristigen Liquiditätsstandards ("net stable funding ratio") so auszugestalten, dass auch in Zukunft Unternehmen und Verbraucher im bisherigen Umfang Darlehen mit langfristigen Zinsbindungen erhalten können.
- 16. Der Bundesrat begrüßt ausdrücklich die von der Bundesregierung vorgesehene Allianz für Fachkräfte. Damit soll dem Fachkräftemangel, der bereits in bestimmten Berufsfeldern akut ist und der sich auf Grund der demografischen Entwicklung ausweiten könnte, entgegengewirkt werden. Fachkräfte sind entscheidend für die Innovations- und Wachstumsfähigkeit der Wirtschaft. Mit der Fachkräfteallianz sollten deshalb alle verantwortlichen Akteure in Deutschland zusammengeführt werden, um Ziele zur verstärkten Ausschöpfung des inländischen Beschäftigungspotenzials und zur Gewinnung internationaler Fachkräfte zu vereinbaren. Die Allianzpartner sollten zusagen, die Ziele im Rahmen eines regelmäßig festzuschreibenden, gemeinsamen Fachkräfteprogramms umzusetzen. Die Zielerreichung sollte jährlich von einer Forschungseinrichtung evaluiert werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, einen kontinuierlichen Erfahrungsaustausch zwischen dem Bund und den Ländern zum Thema Fachkräftesicherung durchzuführen.
- 17. Der Bundesrat begrüßt ferner, dass sich die Bundesregierung weiterhin zur Haushaltskonsolidierung bekennt und bereits im kommenden Jahr ohne Nettokreditaufnahme auskommen will. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Generationengerechtigkeit.
- 18. Der Bundesrat unterstützt die Anstrengungen der Bundesregierung uneingeschränkt, weitere Mittel zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf in die Steigerung von Qualität und Quantität der Kindertagesbetreuung zu investieren. Diese finanzielle Kraftanstrengung erhöht die Chancengleichheit der Kinder und erleichtert die erfolgreiche Wiedereingliederung insbesondere von Frauen in den Arbeitsmarkt.
- 19. Die industrielle Entwicklung ist eng mit der Energiepolitik verwoben. Eine zuverlässige, umweltverträgliche, sichere und bezahlbare Energieversorgung ist für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie unverzichtbar. Daher ist für den Bundesrat eine enge Abstimmung zwischen Energie- und Industriepolitik eine wesentliche Voraussetzung für eine Stärkung der Industrie.
- 20. Der ökologische Zukunftsausbau des Wirtschaftsstandortes Deutschland ist ein kraftvolles Innovations- und Investitionsprogramm, das weltweit neue Markt- und Exportpotentiale erschließt. Schrittmacher dieser Entwicklung sind vor allem ressourceneffiziente Technologien, regenerative Energien, intelligente Stromnetze, neue Werkstoffe, vernetzte Stromkreisläufe, Elektromobilität, Modernisierung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, Umbau der Städte, CO₂-Recycling, Biolandwirtschaft und auch neue Formen des Wirtschaftens wie solidarische oder "share"-Ökonomie.
- 21. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, den Eigenstrom von Unternehmen aus Bestandsanlagen nicht in die EEG-Umlage einzubeziehen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung ferner auf, dafür Sorge zu tragen, dass aus Erneuerbaren Energien oder von hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen von Unternehmen zum Eigenverbrauch gewonnene elektrische Energie (so genannter "Eigenstrom") auch zukünftig in Bezug auf die EEG-Umlage privilegiert wird, um die Wirtschaftlichkeit von solchen Neueigenstromanlagen sicherzustellen. Es darf sowohl aus umwelt- als auch aus wirtschaftspolitischer Sicht nicht sein, dass eine zukünftige Belastung des Eigenstromverbrauchs die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen, teilweise ganzer Branchen, und damit Arbeitsplätze in hoher Zahl sowie die Stabilität der Netze gefährdet oder ökologisch sinnvolle Eigenstromerzeugung unwirtschaftlich macht.
- 22. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Bundesregierung, dass die Energiekosten nicht auf Grund von Steuern, Abgaben und anderen Maßnahmen unverhältnismäßig ansteigen dürfen und deshalb auf größtmögliche Kosteneffizienz bei der künftigen Energieversorgung zu achten ist. Der Bundesrat unterstützt die Bundesregierung ausdrücklich in ihrem Bestreben, weiterhin auch nationale Regelungen für besonders energie- bzw. strompreissensible Unternehmen vorsehen zu können, mit denen ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit abgesichert wird.
- 23. Intelligente Netze werden künftig dazu beitragen, dass ein Wandel vom privaten Stromverbraucher (Konsumenten) hin zum "Prosument" (Verbraucher bzw. Kunden und gleichzeitig Produzenten) erwartet werden kann. Diese Entwicklung wird eine wichtige Basis für die anstehende Energiewende legen. Hier gilt es, entsprechende Vorarbeiten und Sensibilisierungen zu leisten. Damit derartige Technologien sich in den Märkten etablieren können, werden zusätzliche Standardisierungs- und Normierungsbemühungen erforderlich sein, die insbesondere auch den IKT-Bereich betreffen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, in Abstimmung und gemeinsam mit den Ländern die notwendigen Maßnahmenpakete zur Entwicklung intelligenter Netze voranzutreiben.
- 24. Der Bundesrat nimmt die von der Bundesregierung eingeräumte Möglichkeit, Mietpreisbremsen in bestimmten Ballungsgebieten einzusetzen, zustimmend zur Kenntnis. Hiermit kann punktuell und zielgenau in angespannte Teilmärkte des Wohnungsmarktes eingegriffen werden. Weiterhin ist die Anhebung des Wohngelds - orientiert an Bestandsmieten- und Einkommensentwicklung - zu begrüßen.
- 25. Der Bundesrat betont die Bedeutung eines fairen und transparenten Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA, das sich in die Tradition der transatlantischen politischen Partnerschaft einfügt und ein bedeutendes wirtschaftliches Potential und wichtige Handelsanreize bietet.
Voraussetzung dazu muss sein, dass europäische Errungenschaften in den Feldern Gesundheit, Umwelt- und Verbraucherschutz nicht aufgeweicht werden. Insbesondere auch bei Arbeitnehmerrechten, in Fragen des Datenschutzes und der Rechte an geistigem Eigentum dürfen in den Verhandlungen keine Abstriche gemacht werden.
Ebenso darf die Möglichkeit, Monopole für die öffentliche Daseinsvorsorge auf allen Verwaltungsebenen einschließlich der Gemeinden zu wahren, nicht eingeschränkt werden. Eine Verpflichtung zur Liberalisierung oder Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge insbesondere im Bereich der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung muss ausgeschlossen sein.