Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 3509 - vom 10. Juli 2007.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 21. Juni 2007 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - in Kenntnis des von Martine Roure im Namen der PSE-Fraktion vorgelegten Vorschlags für eine Empfehlung an den Rat zu den Entwicklungen in den Verhandlungen über den Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (B6-0076/2007),
- - unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 4. Juli 2002 zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit1,
- - gestützt auf die Gemeinsame Maßnahme 96/443/JI vom 15. Juli 1996 - vom Rat aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union angenommen - betreffend die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit2 ("Gemeinsame Maßnahme"),
- - in Kenntnis des Vorschlags der Kommission für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (KOM (2001) 0664)3,
- - in Kenntnis des Entwurfs eines Rahmenbeschlusses des Rates aus dem Jahr 2005 ("Luxemburger Kompromiss")4,
- - in Kenntnis des Entwurfs eines Rahmenbeschlusses des Rates vom Januar 20075,
- - unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966, insbesondere dessen Artikel 20 Absatz 2,
- - unter Hinweis auf das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 21. Dezember 1965,
- - unter Hinweis auf das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über Computerkriminalität vom 28. Januar 2003 betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art6,
- - gestützt auf Artikel 114 Absatz 3 und Artikel 94 seiner Geschäftsordnung,
- - in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A6-0151/2007),
A. in der Erwägung, dass die Jahresberichte der Europäischen Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, ihre Vergleichsberichte über rassistisch motivierte Straftaten sowie ihre beiden jüngsten Berichte über Antisemitismus und Islamfeindlichkeit gezeigt haben, dass rassistisch motivierte Straftaten ein anhaltendes, dauerhaftes Problem in allen Mitgliedstaaten darstellen; Schätzungen zufolge wurden im Jahr 2004 über 9 Millionen Menschen Opfer rassistisch motivierter Straftaten,
B. in der Erwägung, dass das Jahr 2007 zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle erklärt wurde und dass es in diesem Jahr angebracht ist, besondere Anstrengungen bei der Bekämpfung jeder Form von Diskriminierung zu unternehmen,
C. in der Erwägung, dass ein Gleichgewicht zwischen der Achtung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung und der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gewahrt werden muss,
D. in der Erwägung, dass eine Strafrechtspolitik in diesem Bereich zwar wünschenswert ist, das Strafrecht in einer auf Rechten und Freiheiten gegründeten Kultur jedoch immer nur das äußerste und letzte Mittel ist; in der Überzeugung, dass die Gesetzgebung in diesem Bereich allen auf dem Spiel stehenden Werten und besonders dem Konflikt zwischen freier Meinungsäußerung und dem Recht jedes Einzelnen auf Gleichberechtigung und Achtung gebührend Rechnung tragen muss,
E. in der Erwägung, dass die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit geschützt werden sollte, sofern nicht von ihr Gebrauch gemacht wird, um zu Gewalttaten und Hass aufzurufen, zu gesetzwidrigen Handlungen anzustiften oder solche zu verursachen oder wahrscheinlich zu verursachen,
F. in der Erwägung, dass zwar alle Mitgliedstaaten über Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verfügen, dass diese aber große Unterschiede aufweisen, die deutlich machen, dass ein gewisses Maß an Harmonisierung auf europäischer Ebene notwendig ist, um sicherzustellen, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit über die Grenzen hinweg und in Europa im Allgemeinen wirksam bekämpft werden,
G. in der Erwägung, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der gesamten Europäischen Union entschlossen bekämpft werden müssen, in erster Linie durch Erziehungs- und Bildungsmaßnahmen und einen unermüdlichen sozialen und politischen Diskurs, in dem die Argumente, die zu ihren Gunsten vorgebracht werden, entlarvt und ihre Befürworter isoliert werden,
H. in der Erwägung, dass der Rat "Justiz und Inneres" nach sechsjährigen Verhandlungen auf seiner Tagung vom 19. April 2007 zu einer politischen Einigung über den Entwurf eines Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gelangt ist,
I. in der Erwägung, dass diese politische Einigung das Ergebnis mehrjähriger Verhandlungen ist und den Ausgangspunkt für die Schaffung weitergehender europäischer Rechtsvorschriften in diesem Bereich darstellen muss,
J. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament seinen oben genannten Standpunkt am 4. Juli 2002 angenommen hat, dass dieser jedoch auf dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission aus dem Jahre 2001 beruhte und dass die politische Einigung vom 19. April 2007 das Ergebnis mühsamer Verhandlungen ist und sich deshalb der ursprüngliche Text der Kommission grundlegend geändert hat, weshalb das Europäische Parlament auf der Grundlage dieses neuen Textes erneut konsultiert werden muss,
K. unter erneutem Hinweis darauf, dass die Annahme dieses Rahmenbeschlusses die Aufhebung der Gemeinsamen Maßnahme zur Folge haben wird und er deshalb nicht weniger als die bisherige Maßnahme beinhalten sollte,
- 1. empfiehlt dem Rat angesichts des Vorschlags für einen Rahmenbeschluss, über den auf der Tagung des Rates "Justiz und Inneres" vom 19. April 2007 eine politische Einigung erzielt wurde:
- a) eine starke politische Botschaft zugunsten eines Europas der Bürger zu senden und einen hohen Schutz der Grundrechte zu gewährleisten, indem er so bald wie möglich den endgültigen Text erstellt und dessen Veröffentlichung gewährleistet,
- b) sicherzustellen, dass bei den Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit die Erziehung zu Frieden und Gewaltverzicht und zur Achtung der Grundrechte sowie ein interkonfessioneller und interkultureller Dialog auf EU-Ebene an erster Stelle stehen,
- c) dafür zu sorgen, dass der Rahmenbeschluss einen zusätzlichen europäischen Nutzen gegenüber der Gemeinsamen Maßnahme bringt,
- d) in Zusammenarbeit mit der Kommission die bestehenden Rechtsvorschriften und Vertragsbestimmungen gegen Rassismus und Diskriminierung gezielter anzuwenden und die Umsetzung und Anwendung des Rahmenbeschlusses in den einzelnen Mitgliedstaaten aufmerksam zu verfolgen und dem Europäischen Parlament darüber Bericht zu erstatten; sicherzustellen, dass die Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen diejenigen Mitgliedstaaten einleitet, die es versäumen, diese Rechtsvorschriften umzusetzen,
- e) anzuerkennen, dass einige Mitgliedstaaten die Leugnung oder notorische Verharmlosung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen zum Straftatbestand erhoben haben,
- f) zu gewährleisten, dass in dem endgültigen Text des Rahmenbeschlusses bestimmt wird, was unter Straftaten mit rassistischem und fremdenfeindlichem Hintergrund zu verstehen ist, wie dies bereits in dem oben genannten Vorschlag der Kommission vorgesehen ist, wodurch die "Leitung oder Unterstützung der Aktivitäten einer rassistischen oder fremdenfeindlichen Gruppe beziehungsweise Beteiligung an solchen Aktivitäten in der Absicht, zu den kriminellen Machenschaften der Organisation beizutragen" verfolgt werden könnte,
- g) den Begriff der Störung der öffentlichen Ordnung auszunehmen, da er nicht genau definiert ist, und bedrohliches Verhalten, Beschimpfungen und beleidigendes Verhalten zu definieren, wobei es den Mitgliedstaaten obliegt, zu entscheiden, ob solche Verhaltensweisen strafbar sind oder nicht,
- h) ein Regressionsverbot wie in Artikel 6 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft7 einzufügen, um sicherzustellen, dass die Umsetzung des Rahmenbeschlusses nicht zu einer Minderung des bestehenden Schutzes führt,
- i) vorzusehen, dass sich die Umsetzung des Rahmenbeschlusses auf keine der Verpflichtungen, die sich aus dem oben genannten Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung ergeben, nachteilig auswirkt,
- j) unter der Zuständigkeit der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte ein Referat zur Überwachung solcher Straftaten in den Mitgliedstaaten zu schaffen, dessen Aufgabe in der Sammlung, Speicherung und Klassifizierung von Daten bestehen sollte,
- k) eine reibungslose Umsetzung des Rahmenbeschlusses zu gewährleisten, indem er es ermöglicht, dass die Stellungnahmen der Agentur für Grundrechte und der betroffenen nichtstaatlichen Organisationen nach dem Modell der Richtlinie 2000/43/EG in den Bericht der Kommission einbezogen werden,
- l) einen vollständigen rechtlichen Rahmen für die Bekämpfung aller Formen von Diskriminierung zu schaffen, indem er die rasche Annahme einer umfassenden Richtlinie zur Bekämpfung von Diskriminierungen gemäß Artikel 13 des Vertrags ermöglicht, die wirksame, angemessene und abschreckende strafrechtliche Sanktionen für alle Formen von Diskriminierung sowie verwaltungsrechtliche Sanktionen, der Rehabilitierung dienende Sanktionen, wie die Verpflichtung zur Teilnahme an Erziehungs- und Bildungsmaßnahmen und gemeinnützige Tätigkeit, oder Geldbußen vorsehen sollte, wobei es als erschwerender Umstand gewertet werden sollte, wenn es sich bei den Urhebern der Diskriminierung um öffentliche Persönlichkeiten oder Behördenvertreter handelt,
- m) zu berücksichtigen, dass keine hierarchische Abstufung der in Artikel 13 des Vertrags genannten Diskriminierungsgründe vorgenommen werden sollte und dass deshalb alle Formen von Diskriminierung die gleiche Aufmerksamkeit seitens des Rates verdienen; durch Hass motivierte Verbrechen und Gewaltverbrechen, die aus einem dieser Gründe oder aus mehreren dieser Gründe (Mehrfachdiskriminierung) verübt werden, in die Liste der Straftatbestände aufzunehmen,
- n) sich zu verpflichten, innerhalb eines Zeitraums von höchstens drei Jahren nach Ablauf der Frist für die Umsetzung des Rahmenbeschlusses auf der Grundlage eines Evaluierungsberichts, der ihm von den einzelnen Mitgliedstaaten übermittelt wird und der die Durchführung insbesondere von Artikel 1 zum Inhalt hat, eine Überarbeitung der Bestimmungen des Rahmenbeschlusses vorzunehmen mit dem Ziel, den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelungen einzuschränken,
- 2. beauftragt seinen Präsidenten, diese Empfehlung dem Rat und, zur Information, der Kommission sowie den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
- 1 ABl. C 271 E vom 12.11.2003, S. 558.
- 2 ABl. L 185 vom 24.7.1996, S. 5.
- 3 ABl. C 75 E vom 26.3.2002, S. 269.
- 4 Dokumente 8994/1/05 REV 1 DROIPEN 24; 8994/1/05 REV ADD 1 DROIPEN 24.
- 5 Dokument 5118/07 DROIPEN 1.
- 6 Sammlung der Europaratsverträge, SEV Nr. 189.
- 7 ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.