Der Bundesrat hat in seiner 961. Sitzung am 3. November 2017 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Artikel 83 AEUV ermächtigt das Europäische Parlament und den Rat, durch Richtlinien Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen in Bereichen besonders schwerer Kriminalität und zur Angleichung der strafrechtlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten festzulegen, sofern sich diese Angleichung als unerlässlich für die wirksame Durchführung der Politik der EU auf einem Gebiet erweist, auf dem Harmonisierungsmaßnahmen erfolgt sind. Das Strafrecht ist ein für die Souveränität der Mitgliedstaaten besonders sensibler Bereich. Rechtsetzungsinitiativen müssen vor diesem Hintergrund sorgfältig abgewogen werden. Von den eng umgrenzten Kompetenzen in diesem Bereich sollte daher äußerst behutsam Gebrauch gemacht werden. Grenzüberschreitende Aspekte alleine können keine weitreichende Harmonisierung der Strafrechtsordnungen der Mitgliedstaaten durch die EU rechtfertigen.
- 2. Der Bundesrat hat Bedenken gegen die pauschale Einbeziehung von "virtuellen Währungen" in den strafrechtlichen Schutz. Der Richtlinienvorschlag lässt eine substantiierte Darlegung eines praktischen Bedürfnisses vermissen, weshalb die "virtuellen Währungen" eine vermögenswerte Rechtsposition sein sollten, die zum jetzigen Zeitpunkt - trotz der ihnen innewohnenden Innovationspotentiale - besondere strafrechtliche Vorschriften und Ermittlungsbefugnisse bedingen. In der Praxis der Strafverfolgungsbehörden konnten bisher keine Fälle festgestellt werden, die konkrete Strafbarkeitslücken aufzeigen würden. Es fehlt bei "virtuellen Währungen" zudem an einer Echtheits- und Wertstabilitätsgarantie des Staates. Zudem ist eine "Fälschung" virtueller Währungseinheiten - zumindest bei den derzeit gebräuchlichen Systemen - technisch nur sehr schwierig zu bewerkstelligen und daher derart unwahrscheinlich, dass ein jetziges legislatives Tätigwerden nicht angezeigt ist. Schließlich können "virtuelle Währungen" von Straftätern zur Verschleierung ihrer Identität genutzt werden, was gegen eine besondere strafrechtliche Schutzbedürftigkeit spricht.
- 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die in Artikel 3 bis 6 des Richtlinienvorschlags geregelten Straftaten bislang rechtsstaatliche Konturen vermissen lassen. Artikel 4 des Richtlinienvorschlags erstreckt die Strafbarkeit teilweise weit in das Vorfeld des Eintritts eines (Vermögens-)Schadens. Insoweit fehlt es auch an einer Harmonisierung der Unrechtstatbestände mit der Richtlinie 2013/40/EU vom 12. August 2013 über Angriffe auf Informationssysteme. Auch die pauschale Anordnung der Versuchsstrafbarkeit in Artikel 7 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags begegnet Bedenken.
- 4. Der Bundesrat hält die in Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe c des Richtlinienvorschlags statuierte Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Strafrechts für problematisch. Das gilt insbesondere, weil und soweit sich die damit gewählte Begründung der gerichtlichen Zuständigkeit von den tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen Strafvorschrift löst und sich auch nicht auf völkerrechtlich anerkannte Anknüpfungspunkte stützen können dürfte.
- 5. Er gibt ferner zu bedenken, dass die in Artikel 17 des Richtlinienvorschlags geregelten Statistikpflichten zu einer erheblichen Mehrbelastung der Strafverfolgungsbehörden führen würden, nachdem die in Artikel 3 bis 6 des Richtlinienvorschlags geregelten Straftaten in Deutschland absehbar durch diverse und zugleich nicht auf den Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlags begrenzte Strafnormen umgesetzt würden. Die möglichen Erkenntnisinteressen stehen in keinem vertretbaren Verhältnis zu diesem Mehraufwand und der damit einhergehenden Zurückstellung der Belange der Strafverfolgung. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, im Rahmen der weiteren Verhandlungen darauf hinzuwirken, dass die Pflichten mit den bestehenden nationalen Statistikinstrumenten erfüllt werden können.
- 6. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.