Punkt 16 der 899. Sitzung des Bundesrates am 6. Juli 2012
Der Bundesrat möge beschließen, wie folgt Stellung zu nehmen:
Zu Artikel 19a - neu - (§ 4 GrEStG)
Nach Artikel 19 ist folgender Artikel 19a einzufügen:
"Artikel 19a
Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes
§ 4 des Grunderwerbsteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Februar 1997 (BGBl. I S. 418, 1804), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 1. November 2011 (BGBl. I S. 2131) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
- 1. Die Nummern 4 bis 8 werden aufgehoben.
- 2. Nach Nummer 3 wird folgende Nummer 4 eingefügt:
"4. der Übergang von Grundstücken gemäß § 1 Absatz 1 Nummer 3 und von Gesellschaftsanteilen gemäß § 1 Absatz 3 Nummer 2 und 4 als unmittelbare Rechtsfolge eines Zusammenschlusses kommunaler Gebietskörperschaften, der durch Vereinbarung der beteiligten Gebietskörperschaften mit Zustimmung der nach Landesrecht zuständigen Stelle oder durch Gesetz zustande kommt, sowie Rechtsgeschäfte über Grundstücke gemäß § 1 Absatz 1 Nummer 1 und über Gesellschaftsanteile gemäß § 1 Absatz 3 Nummer 1 und 3 aus Anlass der Aufhebung der Kreisfreiheit einer Gemeinde;"
- 3. Die bisherige Nummer 9 wird Nummer 5."
Begründung:
Der Antrag entspricht vollinhaltlich dem Beschluss des Bundesrates in seiner 895. Sitzung vom 30. März 2012 (BR-Drs. 737/11 (PDF) ).
In zahlreichen Landesteilen Deutschlands sind kommunale Zusammenschlüsse und Aufhebungen der Kreisfreiheit von Gemeinden notwendig, um bei zurückgehender Bevölkerung die Leistungsfähigkeit der Verwaltung zu erhalten. Bei Zusammenschlüssen von Kommunen und bei Einkreisungen gehen typischerweise kommunale Grundstücke oder kommunale Gesellschaftsanteile an Unternehmen, die ihrerseits über Grundeigentum verfügen, auf eine andere oder eine neu gebildete Kommune über. In zahlreichen dieser Fallkonstellationen kommt es dabei zu einem nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 und 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) bzw. nach § 1 Absatz 3 GrEStG steuerbaren Vorgang.
§ 4 Nummer 1 GrEStG hatte ursprünglich den Erwerb eines Grundstücks durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts aus Anlass des Übergangs von Aufgaben oder von Grenzänderungen von der Besteuerung ausgenommen. Durch Artikel 15 Nummer 2 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 402) wurde diese Freistellung einerseits auf juristische Personen des öffentlichen Rechts erweitert, andererseits aber davon abhängig gemacht, dass das Grundstück "nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dient".
Bei kommunalen Zusammenschlüssen und Grundstücksübertragungen infolge von Einkreisungen fällt daher seither immer dann Grunderwerbsteuer an, wenn von dem Rechtsträgerwechsel Grundstücke betroffen sind, die dem gewerblich genutzten kommunalen Vermögen zugeordnet sind. Außerdem kann bei einem kommunalen Zusammenschluss oder einer Einkreisung der Übergang bzw. die Vereinigung von Anteilen, die die beteiligten Kommunen an Unternehmen in Privatrechtsform haben, gem. § 1 Absatz 3 GrEStG einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang darstellen, wenn diese Unternehmen über Grundeigentum verfügen. Auch diese Fallkonstellation ist von der Befreiung in § 4 Nummer 1 GrEStG nicht erfasst. Insbesondere bei Kommunen mit Wohnungsunternehmen kann die bei der neuen oder aufnehmenden Kommune anfallende Grunderwerbsteuer daher die mittel- bis langfristig zu erzielenden Einsparungen übersteigen. Diese steuerrechtlichen Rahmenbedingungen stellen demzufolge ein spürbares Hemmnis für notwendige und an und für sich wirtschaftlich sinnvolle Gemeindezusammenschlüsse sowie Einkreisungen dar.
Es ist daher erforderlich, für Zusammenschlüsse von kommunalen Gebietskörperschaften, wozu Gemeinden und Kreise/Landkreise sowie einzelne Formen höherer Kommunalverbände (z.B. in Bayern die Bezirke) gehören, in § 4 GrEStG eine Ausnahme von der Besteuerung zu regeln. Gleiches gilt für Gemeinden, die von der Aufhebung der Kreisfreiheit betroffen sind.
Die Ausnahme soll nicht nur für gesetzliche Zusammenschlüsse, sondern auch für solche, die durch Vertrag vollzogen werden, gelten. Eine Beschränkung auf gesetzliche Zusammenschlüsse wäre nicht sachgerecht, weil diesen in der Praxis regelmäßig eine Freiwilligkeitsphase vorausgeht, um den Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung so gering wie möglich zu halten. Im Übrigen können nach den insofern übereinstimmenden Regelungen aller Länder freiwillige Zusammenschlüsse nur aus Gründen des öffentlichen Wohls und mit Genehmigung der Rechtsaufsicht vollzogen werden. Deshalb kommen auch bei freiwilligen Zusammenschlüssen die durch die demographische Entwicklung bedingten landesplanerischen Überlegungen zum Tragen.