Der Bundesrat hat in seiner 884. Sitzung am 17. Juni 2011 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Ziele des Richtlinienvorschlags für eine stärkere Harmonisierung der Energiebesteuerung zwischen den Mitgliedstaaten sowie die Schaffung einheitlicher Anreize für energiebezogene Klimaschutzanstrengungen außerhalb des Emissionshandels.
- 2. Der Bundesrat begrüßt insbesondere die Bemühungen der EU, eine einheitliche steuerliche Behandlung von Energiequellen und einen passenden Rahmen für die Besteuerung erneuerbarer Energien zu schaffen.
- 3. Der Bundesrat hält den Vorschlag nach einer ersten Prüfung für problematisch, weil er in der vorliegenden Fassung mittelfristig eine Änderung des derzeit in Deutschland bestehenden Steuersatzverhältnisses zwischen Diesel und Benzin erforderlich machen würde. Dies hätte einen Attraktivitätsverlust der im Vergleich zu solchen mit Benzinmotor weniger Treibhausgas emittierenden Dieselfahrzeuge zur Folge und wäre deshalb im Hinblick auf das mit dem Vorschlag verbundene Ziel einer Reduktion der CO₂-Emissionen kontraproduktiv.
- 4. Der Bundesrat weist ferner darauf hin, dass die spätestens ab 2023 umzusetzende energieträgerneutrale Besteuerung entsprechend des Energiegehaltes mit einer steigenden Steuerbelastung von Dieselkraftstoff verbunden wäre. Damit würden Anreize für die Anschaffung energieeffizienter Diesel-Kraftfahrzeuge reduziert sowie Mehrbelastungen insbesondere im straßengebundenen Transportsektor verursacht.
- 5. Der Bundesrat weist außerdem darauf hin, dass mit der Umstellung der Energiebesteuerung gemäß des Richtlinienvorschlags nachteilige Auswirkungen verbunden sein können, die Mehrbelastungen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen des Produzierenden Gewerbes sowie für die Stromerzeugung in nichtemissionshandelspflichtigen Anlagen einschließlich Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen zur Folge haben können. Der Richtlinienvorschlag sieht eine grundsätzliche Beschränkung steuerlicher Entlastungs-/Befreiungsmöglichkeiten auf den allgemeinen Energieverbrauchssteueranteil der Energiesteuer vor.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung sicherzustellen, dass in den genannten Fällen die in Deutschland geltenden steuerlichen Entlastungs-/Befreiungsmöglichkeiten bei der Energie- und Stromsteuer auch zukünftig fortgeführt werden können.
- 6. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, die sich aus einer Umsetzung des Richtlinienvorschlags ergebenden Auswirkungen auf Verbraucher und Wirtschaft vor einer Zustimmung zu dem Richtlinienvorschlag zunächst genauer zu untersuchen. Dabei sollte besonders darauf geachtet werden, dass Änderungen gegenüber den bisherigen Besteuerungsstrukturen in Deutschland nicht zu unzumutbaren Folgen für Verbraucher und Wirtschaft - insbesondere kleine und mittlere Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, die Stromerzeugung, den Transportsektor sowie die Automobilindustrie - führen.
- 7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung insbesondere auch um detaillierte Prüfung, welche Folgen sich aus den Vorschlägen für die Land- und Forstwirtschaft, den Gartenbau und die Fischzucht ergeben. Änderungen der bisherigen Besteuerungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht zu unzumutbaren Folgen führen.
- 8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung um eine detaillierte Aufzeichnung zu den sich aus dem Vorschlag ergebenden Folgen für Wirtschaft sowie Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland. Darin sollte auch auf etwaige daraus folgende Änderungen der bisherigen Besteuerungsstrukturen in Deutschland eingegangen werden. Weiterhin sind insbesondere die möglichen Auswirkungen auf die Automobilindustrie und den gewerblichen Kraftverkehr sowie die erforderlichen Maßnahmen zum geplanten Ausstieg aus der Atomenergie zu prüfen.
- 9. Mit Blick auf die erheblichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei der Besteuerung von Kraftstoff, der in der Land- und Forstwirtschaft, im Gartenbau und in der Fischzucht Verwendung findet, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene auch auf eine Harmonisierung der Agrardieselbesteuerung zwischen den Mitgliedstaaten hinzuwirken. Er verweist in diesem Zusammenhang auf seine diesbezüglichen Beschlüsse vom 11. Mai 2007 (BR-Drucksache 196/07(B) , Ziffer 5) und 10. Juli 2009 (BR-Drucksache 570/09(B) ).
- 10. Die Verwendung reiner Biokraftstoffe (z.B. Pflanzenöl) in der Land- und Forstwirtschaft stärkt die ländlichen Räume, schafft regionale Kreisläufe und kann einen nicht unerheblichen Beitrag zum Reduktionsziel der Treibhausgasemissionen bis 2020 leisten. Die mit der Erzeugung von heimischen Biokraftstoffen einhergehenden eiweißreichen Nebenerzeugnisse helfen zudem, die Abhängigkeit von Importen von Futtermitteln zu verringern. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass in der Landwirtschaft eingesetzte Biokraftstoffe weiterhin steuerfrei bleiben können.
- 11. Der Bundesrat behält sich eine weitergehende Stellungnahme vor.