Das Europäische Parlament,
- - in Kenntnis der Mitteilung der Kommission über die öffentlichen Finanzen in der WWU - 2005 (KOM (2005) 0231),
- - in Kenntnis der Integrierten Leitlinien der Kommission für Wachstum und Beschäftigung (2005-2008) (KOM (2005) 0141),
- - in Kenntnis der Wirtschaftsprognose der Kommission vom Herbst 20051,
- - unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1056/2005 des Rates vom 27. Juni 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit2,
- - in Kenntnis der Empfehlung des Rates vom 12. Juli 2005 an Italien mit dem Ziel, das übermäßige öffentliche Defizit zu beenden3,
- - in Kenntnis der Entscheidung des Rates vom 22. September 2005 zur Aufhebung der Entscheidung 2005/136/EG vom 2. Juni 2004 über das Bestehen eines übermäßigen Defizits in den Niederlanden4,
- - in Kenntnis der Empfehlung des Rates vom 7. Oktober 2005 mit dem Ziel, das übermäßige öffentliche Defizit in Portugal zu beenden5,
- - in Kenntnis der Entscheidung des Rates vom 8. November 2005 zur Feststellung gemäß Artikel 104 Absatz 8 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, dass sich die Maßnahmen, die Ungarn aufgrund der nach Artikel 104 Absatz 7 des Vertrags angenommenen Empfehlung des Rates vom 8. März 2005 getroffen hat, als unzureichend erweisen6,
- - in Kenntnis der Entscheidung des Rates vom 24. Januar 2006 über das Bestehen eines übermäßigen Defizits im Vereinigten Königreich7,
- - in Kenntnis des Jahresberichts 2005 des Europäischen Gewerkschaftsinstituts über die Koordinierung der Tarifverhandlungen in Europa,
- - in Kenntnis des World Economic Outlook des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom April 2005 über Globalisierung und externe Ungleichgewichte,< /li>
- - gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
- - in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A6-0162/2006),
- 1. sorgt sich erstens wegen des anhaltend langsamen Wachstums in Europa seit dem Jahr 2002, das sich im Euro-Währungsgebiet nur allmählich, von 0,6 % im Jahr 2003 auf 1,3 % im Jahr 2005, beschleunigt hat - im Gegensatz zu einer Wachstumsrate in den USA im Jahr 2005 von 3,5 % und einem von der privaten Binnennachfrage gesteuerten Wiederaufschwung der japanischen Wirtschaft -, zweitens wegen der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit von 9 % in der EU-25 und 8,1 % in der EU-15 und drittens wegen der Produktionslücke, die sich derzeit auf -1 % des BIP beläuft, was zeigt, dass das Wirtschaftswachstum der Europäischen Union aufgrund struktureller Verkrustungen, einer schwachen Binnennachfrage und dem Fehlen einer wirklichen Ausgewogenheit des makroökonomischen Policy-Mix deutlich unter dem langfristigen Potenzial bleibt; betont, dass das Wachstumspotenzial der europäischen Wirtschaft weiterhin zu gering ist und etwa 2 % beträgt, was deutlich unter dem entsprechenden Satz in anderen Regionen der Welt liegt; ist der Ansicht, dass dieses Wachstumspotenzial für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Verringerung der Arbeitslosenquoten oder die Weiterentwicklung der Europäischen Union mit 25 Mitgliedstaaten nicht ausreicht;
- 2. unterstreicht die Gefahr rascher Korrekturen der globalen Ungleichgewichte, die zu einem Rückgang der Nachfrage in den USA und damit zu einem Exportrückgang und einem Wachstumsrückgang in der Europäischen Union führen könnten, und betont, dass diese Auswirkungen durch Schwankungen des Wechselkurses des Euro gegenüber dem US-Dollar noch verstärkt werden könnten;
- 3. verweist auf die negativen Auswirkungen der schwankenden und steigenden Ölpreise auf die Binnennachfrage und das Wachstum in der Europäischen Union und die Gefahr ihrer Nachwirkungen; begrüßt das verantwortungsbewusste Verhalten der sozialen und wirtschaftlichen Akteure, um diese Auswirkungen trotz des geringen Verbrauchs der privaten Haushalte zu vermeiden; verweist darauf, dass eine stabile, nach außen gerichtete und wettbewerbsfähige makroökonomische Politik notwendige Vorbedingung für eine Politik tragfähiger öffentlicher Finanzen ist;
- 4. zeigt sich besorgt über den schwachen privaten Verbrauch, insbesondere in einigen Mitgliedstaaten, der zu den niedrigen Wachstumsraten in der Europäischen Union und damit zu den derzeitigen globalen Ungleichgewichten beigetragen hat und der auf das vorherrschende Klima der Ungewissheit in Bezug auf Arbeitsplätze und Renten, die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und das langsame Wachstum der Reallöhne zurückzuführen ist; erinnert an die mit der Integrierten Leitlinie 4 eingegangene Verpflichtung, bei den Nominallöhnen und den Arbeitskosten mit der Preisstabilität und dem mittelfristigen Produktivitätstrend in Einklang stehende Entwicklungen zu fördern;
- 5. begrüßt den Aufschwung bei den Investitionsausgaben aufgrund des wiedergewonnenen Vertrauens der Unternehmer und der gegenwärtig stabilisierten Gewinnspannen, worauf in den Wirtschaftsprognosen vom Herbst 2005 sowohl des IWF als auch der Kommission verwiesen wird; ist der Ansicht, dass es weiterhin Raum und Bedarf für eine weitere Beschleunigung der Investitionstätigkeit gibt, und fordert daher strukturelle Reformen und zusätzliche Maßnahmen, die das Investitionsklima dauerhaft verbessern und die Investitionen ankurbeln würden;< /li>
- 6. tritt für eine Neuausrichtung der öffentlichen Politiken und Ausgaben auf Innovation, erneuerbare Energien, allgemeine und berufliche Bildung, Forschung, Informationstechnologien, Telekommunikation, Verkehrsnetze usw. ein;
- 7. bedauert, dass der Finanzrahmen der Europäischen Union für 2007-2013 den Prioritäten, die den Ausgaben im Rahmen der Ziele der Lissabon-Strategie zuerkannt wurden, nicht hinreichend Rechnung trägt; unterstreicht, dass die Beiträge zum EU-Haushalt unter dem Aspekt des künftigen Nutzens unter Berücksichtigung ihrer positiven Ausstrahlungs- und Hebelwirkung gesehen werden sollten, sofern der EU-Haushalt hinreichend auf Ausgaben ausgerichtet ist, die einen eindeutigen Mehrwert erbringen;
- 8. stellt fest, dass gesunde öffentliche Finanzen kein Selbstzweck, sondern ein Mittel sind, mit dem die Mitgliedstaaten ihre öffentlichen Aufgaben erfüllen; unterstreicht die Bedeutung soliderer Haushaltslagen für qualitatives Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Verwirklichung der Lissabon-Strategie, stellt aber fest, dass wegen der fehlerhaften Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspakts ungeachtet des finanzrechtlichen Rahmens seit dem vergangenen Jahr keine signifikante Verbesserung hinsichtlich der Haushaltslagen der Mitgliedstaaten erzielt wurde; stellt fest, dass die meisten Mitgliedstaaten das mittelfristige Ziel bezüglich ihrer Zahlungsbilanz noch nicht erreicht haben; stellt fest, dass das Defizit 2005 im Euro-Währungsgebiet 2, 9% und EU-weit 2, 7% des BIP betragen hat und elf Mitgliedstaaten Defizite über 3 % des BIP aufweisen, darunter die vier größten Volkswirtschaften der Europäischen Union, nämlich Frankreich, Deutschland, Italien und das Vereinigte Königreich, und dass seit Sommer 2004 gegen zehn Mitgliedstaaten Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits laufen;
- 9. unterstreicht die Bedeutung von Maßnahmen, mit denen dem anhaltenden Druck auf die Staatshaushalte begegnet wird; begrüßt die von den Behörden der Mitgliedstaaten formulierten Politiken und ihre öffentlichen Bekenntnisse zum Abbau der Haushaltsdefizite;
- 10. äußert sich besorgt über die Aussichten einer langfristigen haushaltspolitischen Nachhaltigkeit angesichts des Anstiegs der öffentlichen Schuldenquote von 69,2 % im Jahr 2002 auf 71,7 % im Jahr 2005 im Eurowährungsgebiet und von 61,4 % im Jahr 2002 auf 64,1 % im Jahr 2005 in der EU-25 aufgrund des schwachen Wachstums des BIP, der kurzfristigen Politiken der Defizitkontrolle und des Fehlens entschlossener Bemühungen zur Verringerung von Haushaltsungleichgewichten durch strukturelle Reformen;
- 11. weist darauf hin, dass in einer Europäischen Union, in der das Vertrauen bei Verbrauchern und Investoren schwach ausgeprägt ist, der Abbau der öffentlichen Defizite von grundlegender Bedeutung ist; ist enttäuscht über die jüngste Entwicklung der öffentlichen Finanzen, da die Defizite der Mitgliedstaaten weiterhin viel höher sind, als es für die europäische Wirtschaft erforderlich wäre; stellt fest, dass die Regierungen zur Rechtfertigung der Defizite das Argument des niedrigen Wachstums anführen, obwohl die Defizite den Konjunkturaufschwung behindern und den Zyklus verschärfen; fordert für 2006 einen Abbau der öffentlichen Defizite, der weitaus ehrgeiziger ist als eine bloße wirtschaftliche Anpassung, die in Erwartung eines stärkeren europäischen Wachstum vorgenommen wird;
- 12. fordert mehr Transparenz bei den öffentlichen Finanzen der einzelnen Mitgliedstaaten, auch bezüglich der impliziten Verbindlichkeiten, wie z.B. Verpflichtungen des öffentlichen Sektors im Bereich der Altersversorgung, durch die sich die Schuldenbelastung des öffentlichen Sektors in den kommenden Jahren deutlich erhöhen wird;
- 13. erinnert an seine Forderung nach Vermeidung prozyklischer Strategien; unterstreicht die Bedeutung der Vornahme struktureller und steuerlicher Reformen und betont gleichzeitig, dass der Wahl des richtigen Zeitpunkts hierfür gebührende Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte;
- 14. ermutigt zu weiteren Untersuchungen über die verschiedenen Arten und Maßnahmen struktureller und makroökonomischer Reformen und deren Interaktion und wechselseitigen Auswirkungen in verschiedenen Phasen des Konjunkturzyklus, um den bestmöglichen Weg zur Stärkung der öffentlichen Finanzen bei gleichzeitiger Verwirklichung der Lissabon-Strategie zu ermitteln;
- 15. unterstreicht, dass der Mangel an politischem Willen zur Eindämmung der Staatsausgaben, überoptimistische Einnahmenprognosen, eine kreative Buchführung und eine hauptsächlich auf punktuellen Maßnahmen basierende finanzpolitische Konsolidierung in hohem Maße zum Ausbrechen aus dem festgelegten Haushaltsrahmen und zur Schwäche des finanzrechtlichen Rahmens beigetragen haben;
- 16. empfiehlt, die Möglichkeit der Festlegung eines einheitlichen Zeitplans für die Haushaltsverfahren in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, eventuell auf halbjährlicher Basis, zu untersuchen; ist der Ansicht, dass die Haushaltsplanung der Mitgliedstaaten auf einheitlichen Annahmen bezüglich wichtiger wirtschaftlicher Größen beruhen muss, wie z.B. der Entwicklung des Ölpreises oder der Wechselkurse; fordert daher die EU-weit einheitliche Bewertung und Festlegung wichtiger wirtschaftlicher Größen;
- 17. fordert die Mitgliedstaaten auf, sich dringend der Herausforderung einer alternden Gesellschaft zu stellen und die Schuldendynamik zu begrenzen, vor allem in den Mitgliedstaaten, die erheblichen Risiken in Bezug auf die langfristige Tragfähigkeit der Verschuldung ausgesetzt sind;
- 18. empfiehlt, bei den Haushaltsreformen das Schwergewicht stärker auf die Nachhaltigkeit zu legen, und zwar sowohl bei den die Ausgaben als auch bei den die Einnahmen betreffenden Maßnahmen, und dabei eine auf Dauer tragfähige Finanzlage der öffentlichen Hand zu erhalten und weiterhin ein angemessenes Angebot an öffentlichen Dienstleistungen zu gewährleisten sowie auch die Haushaltsdisziplin und die Gefahren expliziter und impliziter Eventualverbindlichkeiten zu berücksichtigen;
- 19. unterstreicht die Bedeutung der Anstrengungen der Kommission und des Rates zur Verbesserung der Statistical Governance, wobei die Mitteilung der Finanzdaten durch eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten über EU-weite Normen für statistische Institute verbessert wurde, die folgende Grundsätze vorsieht: Unabhängigkeit in der Ausübung des Amtes, Vertraulichkeit, Verlässlichkeit und Aktualität der Daten, angemessene Mittelausstattung der statistischen Institute und verbesserte Kontrolle durch die Kommission;
- 20. ist der Ansicht, dass sich die Buchführung über öffentliche Vermögenswerte und implizite Verbindlichkeiten verbessern lässt und dass auf diese Weise Transparenz und Vergleichbarkeit erhöht und eine solidere Basis für Entscheidungen geschaffen würde; vertritt die Auffassung, dass die Kommission auf diesem Gebiet eine Initiative einleiten sollte;
- 21. empfiehlt, dass die Kommission eine Studie über bewährte Verfahren der Statistical Governance im Bereich der Mitteilung von Finanzdaten und der Buchführung über öffentliche Vermögenswerte und Verbindlichkeiten in den Mitgliedstaaten erstellt;
- 22. empfiehlt die Ausarbeitung nationaler Berichte über die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, um das Wissen um die von den Mitgliedstaaten eingegangenen Verpflichtungen und die Glaubwürdigkeit dieser Verpflichtungen zu erhöhen, und ist der Ansicht, dass die nationalen Parlamente an dieser Aufgabe beteiligt werden sollten;
- 23. unterstreicht, dass es wichtig ist, dass die Finanzpolitiken der neuen Mitgliedstaaten dazu führen, dass diese mit dem EU-Durchschnitt im Bereich Einkommen und Finanzentwicklung gleichziehen, und zwar dadurch, dass eine Steuer- und Ausgabenpolitik verfolgt wird, die durch Effizienz, Transparenz und Zuverlässigkeit gekennzeichnet und auf verstärktes Wachstum, Nachhaltigkeit und sowohl eine Modernisierung als auch eine Stabilisierung der Wirtschaft ausgerichtet ist;
- 24. bedauert den Mangel an politischer Koordinierung im Euro-Währungsgebiet und verweist auf die Unterschiede zwischen den Finanzpolitiken der dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten und sorgt sich wegen der die Gegensätze möglicherweise fördernden Auswirkungen eines derartigen Koordinierungsmangels;
- 25. bedauert die Unzulänglichkeiten des derzeitigen Rechtsrahmens für die makroökonomische Koordinierung innerhalb des ECOFIN-Rates sowie die fehlende Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten; fordert die Kommission auf, eine Studie über die wirtschaftlichen Vorteile und Grenzen einer verstärkten Koordinierung der Wirtschaftspolitik durchzuführen; fordert einen aktiveren makroökonomischen Dialog im Rahmen des Köln- Prozesses zwischen dem ECOFIN-Rat, der Europäischen Zentralbank und den europäischen Sozialpartnern;
- 26. fordert den Rat auf, den Zeitplan für die makroökonomische Koordinierung anzupassen, um dem Parlament genügend Zeit zu geben, seinen Beitrag zu liefern;
- 27. fordert den Vorsitzenden der Eurogruppe auf, für die Dauer seiner Amtszeit einen detaillierten Aktionsplan vorzulegen, in welchem er seine Zielsetzungen und geplanten Maßnahmen klar definiert; erwartet in regelmäßigen Abständen eine Berichterstattung über den erreichten Umsetzungsgrad;
- 28. fordert die Mitgliedstaaten auf, der ihnen nach Artikel 99 des Vertrags obliegenden Verpflichtung nachzukommen, ihre Wirtschaftspolitik als eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse zu betrachten und sie zu koordinieren; erinnert die Mitgliedstaaten daran, dass eine besser koordinierte Politik und ein besserer Policy-Mix das Gesamtergebnis ihrer Politik verbessert könnten; fordert eine stärkere Sensibilität gegenüber den Auswirkungen auf EU-Ebene der nationalen Wirtschaftspolitik und gegenüber der Verpflichtung, die Wirtschaftspolitik als Angelegenheit von gemeinsamem Interesse zu betrachten und sie zu koordinieren;
- 29. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie den europäischen Sozialpartnern zu übermitteln.
1 European Economy, Nr. 5/2005.
2 ABl. L 174 vom 7.7.2005, S. 5.
3 11124/05, ECOFIN 242.
4 11898/05, ECOFIN 269.
5 12401/05, ECOFIN 289.
6 14101/05, ECOFIN 337.
7 5366/06, ECOFIN 11.