Der Bundesrat hat in seiner 829. Sitzung am 15. Dezember 2006 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat weist auf seine vorangegangenen Stellungnahmen zum Europäischen Technologieinstitut (ETI) vom 10. März 2006,
BR-Drucksache 093/06(B) , vom 7. April 2006,
BR-Drucksache 172/06(B) und vom 22. September 2006,
BR-Drucksache 537/06(B) hin. - 2. Der Bundesrat sieht auch in dem obigen Verordnungsvorschlag der Kommission nach wie vor zahlreiche offene und unbeantwortete Fragen, die insbesondere die Finanzierung, den Aufgabenbereich und die genaue Rechtsform eines ETI betreffen.
- 3. Der Bundesrat kann nicht nachvollziehen, aus welchen Gründen die Kommission Artikel 157 EGV als Rechtsgrundlage vorgeschlagen hat. Er stellt ferner fest, dass Artikel 157 EGV keine Rechtsgrundlage für die Verleihung eigener Abschlüsse durch das ETI darstellt. Die Kompetenz, Abschlüsse im Bildungsbereich zu verleihen, steht alleine den Mitgliedstaaten zu. Auch fehlt eine Begründung dafür, warum die Kommission die Errichtung eines ETI durch eine Rechtsverordnung regeln will.
- 4. Der Bundesrat stimmt mit dem Ausschuss der Regionen darin überein, dass sich erfolgreiche Forschungs- und Innovationsmodelle wie das US-amerikanische MIT nicht beliebig kopieren lassen. Die EU muss stattdessen auf der Grundlage wissenschaftlich anerkannter Methoden und aufbauend auf den Erfahrungen mit den neuen Instrumenten der europäischen Forschungs- und Innovationsförderung einen eigenständigen Lösungsansatz umsetzen.
- 5. Das von der Kommission am 18. Oktober 2006 vorgelegte Arbeitsdokument zur Folgenabschätzung mit Exante-Bewertungsanforderungen zur Einrichtung des ETI ist nach Auffassung des Bundesrates nicht geeignet, die Auswahl aus den dargelegten Politikoptionen angemessen zu begründen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, sich gegenüber der Kommission für die unter Ziffer 6 geschilderte Vorgehensweise einzusetzen, die die Bekämpfung und den Abbau des Innovationsdefizits in Europa im zentralen Fokus hat.
- 6. Der Bundesrat ist weiter der Auffassung, dass jeder Lösungsansatz auf europäischer Ebene ohne die intensive Einbindung und dauerhafte Beteiligung der Industrie und der Unternehmen nicht Erfolg versprechend ist. Dies betrifft sowohl die inhaltliche als auch die finanzielle Einbindung.
- 7. Der Bundesrat hält insbesondere auch eine enge Einbindung des Europäischen Forschungsrats für unverzichtbar. Die in dem Kommissionsvorschlag angeführten Wissens- und Innovationsgemeinschaften können sich nach Auffassung des Bundesrates aus den thematischen und strategischen Prioritäten des Europäischen Forschungsrates entwickeln. Aus Sicht des Bundesrates gewährleistet eine solche Struktur insbesondere eine aufeinander aufbauende Kette aus der europäischen Grundlagenforschung in die praktische Umsetzung in neue Produkte, Verfahren und Technologien. Daneben bietet sich an, die im 7. Forschungsrahmenprogramm (FRP 7) geplanten Gemeinsamen Technologieinitiativen unter verstärkter Einbeziehung des Bildungsaspekts zu nutzen.
- 8. Der Bundesrat hält darüber hinaus eine enge Abstimmung der Aktivitäten der Wissens- und Innovationsgemeinschaften mit den Europäischen Technologieplattformen und den daraus entwickelten Europäischen Technologieinitiativen für dringend erforderlich. Leitlinie muss sein, die von verschiedenen Seiten unternommenen Anstrengungen zur Steigerung der Innovationsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu bündeln und Divergenzen in den Zielsetzungen zu vermeiden.
- 9. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass es nur dann der Schaffung neuer Verwaltungsstrukturen bedarf, wenn diese auf den oben genannten Inhalten aufbauen und einen durch die Aufgabenstellung definierten, notwendigen Charakter aufweisen.
- 10. Der Bundesrat hält es für unverzichtbar, dass der Rechtsakt zur Errichtung des ETI vorgibt, auf welcher Grundlage und anhand welcher Kriterien die Auswahl der strategischen Prioritäten und der thematischen Schwerpunkte des ETI sowie der Wissens- und Innovationsgemeinschaften erfolgen soll.
- 11. Der Bundesrat stimmt mit der Bundesregierung darin überein, dass es einer regelmäßigen unabhängigen Evaluation des ETI unter Beteiligung der Mitgliedstaaten bedarf. Eine unabhängige Gesamtevaluierung des ETI unter Beteiligung der Mitgliedstaaten ist ebenso über den Rechtsakt zu bestimmen.
- 12. Der Bundesrat hält einen neu zu schaffenden Verwaltungsrat für entbehrlich, der - unabhängig von bereits bestehenden Einrichtungen und Instrumenten - für die europäische Forschung strategische Prioritäten festlegen und entscheiden soll, welche Wissens- und Innovationsgemeinschaften diese Prioritäten verwirklichen können, und diese bei der Zielerreichung kontrollieren soll.
- 13. Der Bundesrat ist insbesondere auch aufgrund der Notwendigkeit rasch anwendbarer Lösungsansätze der Auffassung, dass das von der Kommission vorgeschlagene Modell, bis 2013 sechs "Wissens- und Innovationsgemeinschaften" aufzubauen, die im günstigen Fall bis 2016/2017 effizient arbeiten (könnten) und daran anschließend europaweit ihre "Leuchtturmfunktion" verbreiten, auch auf der Zeitachse nicht Erfolg versprechend ist.
- 14. Der Bundesrat präferiert daher auch aus diesem Grund die Entwicklung eines Modells, das bereits ab 2010/2011 die Spitzenakteure der europäischen Forschung möglichst umfassend einbindet. Gerade in diesem Kontext fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, sich für einen dezentralen Lösungsansatz zur Entwicklung von herausragenden Best-Practice-Vorschlägen und -modellen unter Verzicht auf neue Verwaltungsstrukturen einzusetzen. Dies könnte insbesondere durch die regelmäßige Ausschreibung entsprechender Wettbewerbe für die europäischen Forschungseinrichtungen erfolgen.
- 15. Der Vorschlag der Kommission basiert bislang lediglich auf der Annahme nachhaltiger, das Konzept eines ETI tragender Investitionen aus dem privaten Sektor. Der Bundesrat ist jedoch der Auffassung, dass diese Investitionen nur dann kommen werden, wenn im Zusammenwirken mit der Industrie ausgereifte und überzeugende Konzepte entwickelt werden. Ein solches inhaltlich stringent ausgearbeitetes, mit klar definierten Zielen und Meilensteinen ausgestattetes Konzept sieht der Bundesrat in dem Vorschlag der Kommission nicht. Der Bundesrat bezweifelt deshalb, dass die privaten wie auch die weiterhin benötigten öffentlichen Investitionen zur Verwirklichung des ETI, ohne die das von der Kommission vorgeschlagene ETI nicht umsetzbar ist, in dem von der Kommission erwarteten Umfang fließen werden. Er regt daher an, nochmals in einen intensiven Dialog sowohl mit den Vertretungen der europäischen Forschungseinrichtungen wie EUROHORC als auch mit den europäischen Unternehmensverbänden einzutreten, um die für Europa besten und an konkret identifizierten Defiziten zielgerichtet und nachhaltig ansetzenden Lösungen zu erarbeiten.
- 16. Der Bundesrat stellt fest, dass die Finanzierung des ETI nach wie vor nicht transparent ist. Die finanziellen Mittel für das ETI können nur innerhalb des Rahmens der Finanziellen Vorausschau 2007 bis 2013 bereitgestellt werden. Insofern bekräftigt der Bundesrat seine Haltung gemäß Ziffer 5 seiner Stellungnahme vom 22. September 2006, BR-Drucksache 537/06(B) . Darüber hinaus ist er der Auffassung, dass keinesfalls im FRP7 zugesagte Mittel für administrative Ausgaben des ETI genutzt werden dürfen.
- 17. Der Bundesrat lehnt eine Verschuldungsmöglichkeit des ETI am Kreditmarkt ab.
- 18. Der Bundesrat lehnt insbesondere eine eventuelle Finanzierung des ETI aus den bereits auf die Mitgliedstaaten und die Fördergebiete aufgeteilten Mitteln der europäischen Strukturfonds sowie Vorfestlegungen zur Verwendung dieser Mittel für eventuelle Partnerorganisationen des Instituts ab.