960. Sitzung des Bundesrates am 22. September 2017
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass die Innovationsstrategien der europäischen Regionen wichtige Schritte zur Stärkung der regionalen Innovationsprozesse darstellen, einen positiven Beitrag zu Aufbau und Stärkung der Zusammenarbeit auf allen Ebenen leisten konnten und dazu beigetragen haben, die Qualität der kohäsionspolitischen Investitionen in Innovation und Forschung zu verbessern.
- 2. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission den Ansatz der intelligenten Spezialisierung zur Verbesserung des Innovationspotenzials aller Regionen auch in Zukunft weiterverfolgen will, um damit positive wirtschaftliche Effekte und eine verstärkte wirtschaftliche Kooperation in der EU zu unterstützen. Zugleich erachtet er die Aktivitäten der Kommission zur Unterstützung der weniger entwickelten Regionen bei der Umsetzung dieses Ansatzes als sinnvoll.
- 3. Der Bundesrat sieht im Zusammenhang mit den Strukturfonds die Gefahr einer Zielüberfrachtung für die regionalen Strategien zur intelligenten Spezialisierung. Zwar können die regionalen Strategien zur intelligenten Spezialisierung für die Regionen als eine gute Ausgangsbasis zur Identifikation von interregional bedeutsamen Innovationsinvestitionen oder für die synergetische und komplementäre Erschließung verschiedener EU-Maßnahmen und Instrumente dienen, die Entscheidung über das "Wie" und "Was" muss aber in der Hoheit der Regionen verbleiben und darf nicht über formale Vorgaben seitens der Kommission erzwungen werden. Im Übrigen können diese Strategien zur intelligenten Spezialisierung ihre positive Wirkung nur dann entfalten, wenn die Kräfte in den Regionen nicht durch zusätzliche bürokratische Belastungen gebunden werden.
- 4. Der Bundesrat steht den Überlegungen der Kommission, die Strategien zur intelligenten Spezialisierung über den aktuellen Anwendungsbereich (Innovation, Forschung, Technologische Entwicklung) hinaus in einem breiteren Kontext zur Basis für ihre Förderpolitik zu machen, kritisch gegenüber. Ohne Zweifel hat die Ex-Ante-Konditionalisierung der Strategien zur intelligenten Spezialisierung in vielen Regionen einen wichtigen Impuls für die Reform der Forschungs- und Innovationssysteme gegeben. Jedoch hat sie der Kommission über die Genehmigungsprozesse der Operationellen Programme auch Durchgriffsmöglichkeiten auf Entscheidungsprozesse und Schwerpunktsetzungen in den Regionen eröffnet, die geeignet sein können, in den subsidiären Politikgestaltungs- und Entscheidungsrahmen der Regionen einzugreifen, ohne dass damit ein Mehrwert zugunsten der Umsetzung einer intelligenten Spezialisierung verbunden wäre.
- 5. Der Bundesrat befürchtet zudem, dass von einer einseitigen Betonung der Konzentration durch die Kommission auf regionale Spezialisierungsfelder innerhalb der Strategien zur intelligenten Spezialisierung die Gefahr eines "Lock-In-Effekts" ausgeht, wenn dadurch die Möglichkeiten der Regionen zu einer intelligenten Diversifizierung beschnitten werden. Um die wirtschaftliche Dynamik zu steigern, muss es möglich sein, das jeweilige regionale Spezialisierungsmuster kontinuierlich weiterzuentwickeln, ohne dass daraus bürokratische Belastungen entstehen.
- 6. Der Bundesrat befürchtet ferner, dass die aus den Strategien zur intelligenten Spezialisierung abgeleiteten regionalen Spezialisierungsfelder zunehmend eine Rolle bei der Auswahl von Projekten in den horizontalen, von der EU direkt verwalteten Förderinstrumenten spielen werden. Es muss weiterhin zwischen regionalspezifischen und horizontal wirksamen Förderinstrumenten mit ihren jeweils unterschiedlichen Aufgaben differenziert werden. Eine Regionalisierung steht beispielsweise dem Charakter der direkt von der EU verwalteten Instrumente mit Fokus auf die Exzellenzförderung entgegen. Das jeweilige Zielprimat der verschiedenen Instrumente darf nicht gefährdet werden. Nach Auffassung des Bundesrates muss mit Blick auf den Ansatz der intelligenten Spezialisierung auch berücksichtigt werden, dass Innovationen vor allem von den Unternehmen vorangetrieben werden. Die Innovationsanstrengungen von Unternehmen müssen auch dann unterstützt werden, wenn sie nicht oder nicht vollständig dem Spezialisierungsmuster der jeweiligen Regionen entsprechen.
- 7. Der Bundesrat hält es hingegen für wünschenswert, bessere Instrumente zur Unterstützung von interregionalen europäischen Initiativen zur Stärkung europäischer länder- und regionenübergreifender Wertschöpfungsketten und von Innovationskooperationen zu entwickeln und im Rahmen der transnationalen Kooperationsprogramme Zusammenarbeit auch über Kooperationsraumgrenzen hinweg in der kommenden Förderperiode zu erleichtern und zu verstärken. Die Strategien zur intelligenten Spezialisierung der einzelnen Regionen dürfen hierbei kein limitierender Faktor sein.
- 8. Der Bundesrat weist auf die in Artikel 4 Absatz 2 EUV verankerte Achtung der regionalen und lokalen Selbstverwaltung hin. Er hält die Einbeziehung der lokalen und regionalen Ebene in die politische Entscheidungsfindung, wie sie beispielsweise in der föderalen Verfassung der Bundesrepublik Deutschland niedergelegt ist, für einen wesentlichen Erfolgsfaktor für wirtschaftliche Prosperität. Deshalb müssen seitens der Kommission vorgegebene Strategiekonzepte mit der Verfasstheit der Regionen vereinbar und dürfen nicht Anlass zum Aufbau von Parallelstrukturen sein.
- 9. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, im Zuge der Verhandlungen über die Zukunft der Kohäsionspolitik darauf hinzuwirken, dass die mit den Strategien zur intelligenten Spezialisierung verknüpften Bedingungen auf das notwendige Minimum begrenzt werden und die Entscheidungsfreiheit der Regionen über Schwerpunktsetzung und instrumentelle Ausgestaltung ihrer Innovationspolitik erhalten bleibt.
- 10. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
B
- 11. Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz, der Ausschuss für Kulturfragen und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.