992. Sitzung des Bundesrates am 3. Juli 2020
A
Der federführende Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe der folgenden Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 1a - neu - (§ 18 Absatz 2 - neu - OWiG)
Nach Artikel 1 Nummer 1 ist folgende Nummer 1a einzufügen:
"1a. § 18 wird wie folgt geändert:
- a) Dem bisherigen Wortlaut wird die Absatzbezeichnung "(1)" vorangestellt.
- b) Folgender Absatz wird angefügt:
(2) Dem Betroffenen kann die Zahlung eines Teilbetrags der Geldbuße erlassen werden, wenn er die Frist des § 67 Absatz 1 Satz 1 verstreichen lässt und die Zahlung binnen zwei Wochen nach Rechtskraft erfolgt." '
Folgeänderungen:
- a) Im Vorblatt ist dem Abschnitt B folgender Satz anzufügen:
"Durch die Einführung der Möglichkeit eines Teilerlasses der Geldbuße im Falle unverzüglicher Zahlung nach Rechtskraft wird zudem ein Anreiz geschaffen, auf wenig aussichtsreiche Einsprüche zu verzichten, die erhebliche gerichtliche Ressourcen binden."
- b) Die Begründung ist wie folgt zu ändern:
- aa) In Teil A Abschnitt I Absatz 4 ist nach Satz 1 folgender Satz einzufügen:
"Daher soll den Bußgeldbehörden die Möglichkeit eröffnet werden, dem Betroffenen bereits im Bußgeldbescheid nach pflichtgemäßem Ermessen einen finanziellen Anreiz im Interesse einer zügigen Erledigung des Bußgeldverfahrens einschließlich der Vollstreckung zu gewähren."
- bb) In Teil B ist nach dem Abschnitt zu Artikel 1 Nummer 1 folgender Text einzufügen:
,Zu Nummer 1a (§ 18)
Der Vorschlag greift eine in Spanien und Frankreich seit langem mit Erfolg praktizierte Regelung auf, nach der ein Bußgeld reduziert werden kann, wenn der Betroffene auf ein Rechtsmittel verzichtet und das Bußgeld sogleich bezahlt. Der Betroffene erhält damit einen Anreiz, auf wenig aussichtsreiche Einsprüche zu verzichten, die erhebliche gerichtliche Ressourcen binden. Die Intention, eine deutliche Straffung des Verfahrensablaufes zu erreichen, um so unter Beibehaltung hoher rechtsstaatlicher Standards eine zeitnahe rechtskräftige Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zu gewährleisten, wird dadurch zusätzlich unterstützt.
Ähnlich verfährt auch das Bundeskartellamt bei der Bußgeldbemessung im sogenannten Settlementverfahren (vergleiche Ziffer 18 der Leitlinien des Bundeskartellamtes für die Bußgeldbemessung in Kartellordnungswidrigkeitsverfahren).
Die Vorschrift ist als Ermessenregel ausgestaltet, damit mit dem Instrument Erfahrungen gesammelt werden können, ohne die bestehenden Bußgeldkataloge außer Kraft zu setzen. Zudem ist durch die systematische Einordnung als "Zahlungserleichterung" und die Klarstellung, dass nur die "Zahlung" des rechtskräftig verhängten Bußgeldes erlassen werden kann, sichergestellt, dass der Bußgeldbetrag selbst und die mit ihm etwa verbundenen Nebenfolgen von der Vergünstigung unberührt bleiben." "
- aa) In Teil A Abschnitt I Absatz 4 ist nach Satz 1 folgender Satz einzufügen:
2. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe d ( § 46 Absatz 8 OWiG)
In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe d sind die Wörter "und das Komma nach den Wörtern "Abteilungen für Bußgeldsachen" und die Wörter "beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen" werden gestrichen" zu streichen.
Als Folge sind in der Einzelbegründung Teil B zu Artikel 1 Nummer 2 die Absätze 3 und 4 zu streichen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die bisher in § 46 Absatz 7 (nach dem Entwurf künftig Absatz 8) OWiG vorgesehene Spezialzuständigkeit einer landgerichtlichen Kammer als Kammer für Bußgeldsachen sollte nicht gestrichen werden, da diese entgegen der Annahme im Gesetzentwurf keineswegs überflüssig, sondern für die Herausbildung einer Spezialisierung eines Spruchkörpers und in der Folge einer einheitlichen Rechtsprechung sinnvoll erscheint.
Die dem Gesetzentwurf insoweit zu Grunde liegende Annahme, eine Befassung der Landgerichte mit Bußgeldsachen komme allein unter dem Blickwinkel von Beschwerden gegen Entscheidungen des Amtsgerichts im Vorfeld der verfahrensabschließenden Entscheidung in Betracht und es bedürfe keiner Sonderzuständigkeit, weil "diese Sachen in der Praxis bisher durch die (allgemeinen) Beschwerdekammern bearbeitet" werden, gibt die Rechtslage wie auch die forensische Wirklichkeit im Bundesgebiet nicht in Gänze zutreffend wieder:
Die Zuständigkeit der Kammer für Bußgeldsachen erstreckt sich gerade nicht nur auf die im Entwurf aufgeführten "Beschwerden gegen Entscheidungen des Amtsgerichts im Vorfeld der verfahrensabschließenden Entscheidung", sondern umfasst darüber hinaus relevante Fälle der sofortigen Beschwerde nach Rechtskraft der ursprünglichen Bußgeldentscheidung, etwa Beschwerden gegen die Versagung von Wiedereinsetzung und Wiederaufnahme, gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse und in bestimmten Fällen im Vollstreckungsverfahren (vgl. § 104 Absatz 3 OWiG), insbesondere bei Beschwerden gegen Erzwingungshaftanordnungen.
Zumindest bei den Beschwerden gegen die Anordnung der Erzwingungshaft - aber auch je nach Fallkonstellation in denjenigen Fällen, die verfahrensmäßig parallel zu den strafverfahrensrechtlichen Regelungen gestaltet sind (Kostenfestsetzungsverfahren, Wiedereinsetzung und Wiederaufnahme) - sind regelmäßig auch die entscheidungserheblichen Rechtsfragen solche spezifisch ordnungswidrikeitenrechtlicher Art, so dass auch bei den Landgerichten die Herausbildung spezieller Expertise in diesem Bereich durch Bildung spezialisierter Spruchkörper sinnhaft ist.
Vor diesem Hintergrund erscheint es folgerichtig, dass auch empirisch betrachtet jedenfalls einige Landgerichte bundesweit von der Möglichkeit zur Konzentration der Verfahren bei einzelnen Kammern Gebrauch gemacht haben (beispielsweise etwa die Landgerichte Bochum, Bremen, Dortmund, Itzehoe oder Saarbrücken).
Die Verfahrenseingänge dürften sich jedenfalls bei größeren Landgerichten in einem Bereich bewegen, der zwar sicher keine Kammer in ihrer Funktion als Kammer für Bußgeldsachen auslastet, aber durchaus in einem nennenswerten Bereich liegt.
Letztlich wird durch die Spezialisierung der zuständigen Spruchkörper die effiziente Verfahrensbearbeitung gerade in einem Bereich mit wenigen Verfahren, die aber nicht selten spezielle Rechtsfragen aufwerfen, gefördert.
B
3. Der Verkehrsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag unverändert einzubringen.
C
4. Der Rechtsausschuss schlägt dem Bundesrat ferner vor, Staatsministerin Eva Kühne-Hörmann (Hessen) gemäß § 33 der Geschäftsordnung des Bundesrates zur Beauftragten für die Beratungen des Gesetzentwurfs des Bundesrates im Deutschen Bundestag und in seinen Ausschüssen zu bestellen.