Der Bundesrat hat in seiner 892. Sitzung am 10. Februar 2012 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat bekräftigt seine Haltung zum vorliegenden Verordnungsvorschlag in seiner Stellungnahme zur BR-Drucksache 424/11 (PDF) . Insbesondere vertritt er die Auffassung, dass die Umsetzung von Basel III im Verordnungswege keinen ausreichenden Spielraum für eine sachgerechte nationale Umsetzung lässt. Vor diesem Hintergrund hält er die Umsetzung von Basel III durch eine Richtlinie weiterhin für vorzugswürdig.
- 2. Die EU-weit einheitlichen Regelungen dürfen zudem nicht so weit gehen, dass aus unterschiedlichen Strukturen der Kreditwirtschaft in den Mitgliedstaaten Wettbewerbsnachteile resultieren. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, sich weiterhin dafür einzusetzen, dass den Besonderheiten der deutschen Bankenlandschaft mit dem Ziel gleicher Marktbedingungen ausreichend Rechnung getragen wird.
- 3. Für den Fall, dass die Umsetzung von Basel III entgegen dem Votum zu 1. teilweise im Verordnungswege erfolgt, fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, in den weiteren Verhandlungen auf differenzierte Regelungen für kleine und mittlere Banken hinzuwirken.
- 4. Diese kleinen und mittleren Banken werden wie folgt definiert: Kreditinstitute, die entweder überwiegend einem Förderauftrag unterliegen oder regional tätig und retailorientiert überwiegend klassisches Bankgeschäft betreiben und deren Bilanzsumme 70 Milliarden Euro nicht übersteigt. Hauptziel der Verhandlungen sollte sein, den Anwendungsbereich der Verordnung auf die von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) identifizierten systemrelevanten Institute zu beschränken.
- 5. Nicht die zahlreichen kleinen und mittleren Banken mit einer überwiegend regionalen Geschäftsfeldorientierung haben die Finanzmarktkrise ausgelöst, sondern komplizierte Verbriefungen von teilweise nicht werthaltigen Forderungen mit besten Ratings durch große, international tätige Institute. Die neuen Regeln sollten deshalb punktgenau bei diesen Instituten ansetzen und nicht bei den kleinen und mittleren Banken, die als Hausbanken vieler kleiner und mittlerer Unternehmen das Rückgrat unserer Wirtschaft stützen. Auch schützt es den Steuerzahler vor weiteren Ausfallzahlungen, wenn nicht einige große Banken nach dem Grundsatz "too big to fail" gerettet werden müssen, sondern eine Vielzahl kleiner und mittlerer Institute nach dem Grundsatz "small is beautiful" den Markt abdecken und eventuelle Fehler entweder über Haftungsverbünde geregelt werden oder in einer Marktbereinigung ohne Einsatz von Steuergeld enden.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung ferner, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass Artikel 111 Absatz 4 des Verordnungsvorschlags insofern ergänzt wird, dass auch von den Ländern garantierte Forderungen an öffentliche Stellen wie Forderung an den Garantiegeber selbst behandelt werden können. Nach der im Verordnungsvorschlag enthaltenen Regelung dürfen nur Forderungen an öffentliche Stellen wie Forderungen an den Zentralstaat gewichtet werden, die vom Zentralstaat garantiert werden. Bislang erhalten Forderungen gegen Landesförderinstitute, die durch ihre jeweiligen Träger garantiert sind, nach § 31 Nummer 1 Solvabilitätsverordnung eine Risikogewichtung von Null. Nach dem Verordnungsvorschlag wäre nur noch eine direkte Nullgewichtung der Förderinstitute des Bundes, nicht jedoch der Landesförderinstitute möglich. Auch für Landesförderbanken muss wie bisher eine direkte Nullgewichtung gelten, ansonsten wäre die Refinanzierung dieser Institute beeinträchtigt. Die Beschränkung auf die Garantie des Zentralstaats steht zudem dem föderalstaatlichen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland und dem darauf aufbauenden Förderbankensystem entgegen. Das Erreichen einer indirekten Nullgewichtung der Landesförderinstitute mit Garantien ihrer Träger über die Regularien zu den so genannten Kreditrisikominderungstechniken ist vor dem Hintergrund der Formulierung in Artikel 111 Absatz 4 des Verordnungsvorschlags schwierig, risikobehaftet und im Ergebnis nicht akzeptabel.
- 7. Im Übrigen fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, in den weiteren Verhandlungen mit Blick auf die EBA auf Folgendes hinzuwirken:
- - Die zahlreichen Ermächtigungen an die EU-Bankaufsichtsbehörde EBA sind kritisch auf ihre Notwendigkeit hin zu überprüfen. Zwingend erforderliche Regelungen sind in den Richtlinienvorschlag oder den Verordnungsvorschlag aufzunehmen und, falls erforderlich, im Mitentscheidungsverfahren unter Beteiligung von Rat und Parlament zu ändern. Bei diesen Ermächtigungen handelt es sich um grundlegende, das Verhalten der Kreditinstitute regelnde Eingriffe. Sie müssen entweder eine rechtstaatlich tragfähige Ermächtigungsgrundlage besitzen oder in der Richtlinie oder der Verordnung selbst geregelt werden. Änderungen von Richtlinie oder Verordnung würden demokratischen Verfahren unterliegen.
- - Die von der EBA erarbeiteten Standards dürfen für regional tätige Institute sowie für Förderinstitute keine unmittelbare Bindungswirkung haben. Zwar sollten die Aufsichtsstandards in angemessener Weise auch auf regional tätige Institute und Förderinstitute übertragen werden. Dies soll jedoch, wie bisher durch die nationalen Aufseher auf der Grundlage der technischen Standards der EBA national unter Beachtung der doppelten Proportionalität geschehen. Die unmittelbare Anwendung der EBA-Standards auf diese Institute ist zu vermeiden.
Die Zielsetzung der EBA hat stabile Finanzmärkte auf europäischer Ebene im Auge. Die Regulierung großer Institute erfordert Standards, die für Förderinstitute und Regionalinstitute weder erforderlich noch von ihnen mit einem vertretbaren Aufwand zu bewältigen sind. Die angemessene und rechtsstaatlich bedenkenfreie Lösung wäre es, die von der EBA ausgearbeiteten Standards nicht lediglich durch einen Umsetzungsakt der Kommission, sondern auch jeweils bei Änderungen durch eine Ergänzung der Verordnung vorzugeben. Falls dieses Ziel nicht erreichbar ist, ist aber zumindest für Förderbanken und regional tätige Institute eine unmittelbare Bindungswirkung zu vermeiden und eine Anpassung durch die nationale Aufsicht unter Beachtung der doppelten Proportionalität dringend erforderlich.
Es würde für das Ziel der Richtlinie genügen, wenn diese Regeln der EBA, soweit sie kleine und mittlere Banken betreffen, durch einen Rechtsakt der nationalen Aufsichtsbehörden wie bei einer Richtlinie umgesetzt werden. Die nationale Aufsichtsbehörde sollte insoweit auch berechtigt sein, Modifikationen an Standards vorzunehmen um dafür zu sorgen, dass Besonderheiten der von ihr beaufsichtigten kleinen und mittleren Institute angemessen und verhältnismäßig berücksichtigt werden. Die Ausweitung der Anwendbarkeit auf kleine und mittlere Banken müsste in jedem Einzelfall begründet und die Notwendigkeit der Ausdehnung für das Funktionieren der Finanzmärkte nachgewiesen werden. Den kleinen und mittleren Banken bzw. ihren Verbänden wie z.B. den Sparkassen- und Giroverbänden und den Verbänden der Genossenschaftsbanken sollte für diese Fälle eine angemessene Mitwirkungsmöglichkeit eingeräumt werden.
Die Aufsicht über kleine und mittlere Banken muss - auch in Grundsatzfragen - bei den nationalen Aufsichtsbehörden verbleiben. Die Unzumutbarkeit einer unmittelbaren Anwendung der Standards der EBA macht sich auch daran fest, dass eine Vielzahl von Texten ausschließlich in englischer Sprache zur Verfügung steht. Trotz des in den europäischen Verträgen festgelegten Grundsatzes der Sprachenvielfalt mag es international tätigen Großbanken zuzumuten sein, in der Sprache der internationalen Finanzmärkte zu kommunizieren, nicht aber der Vielzahl kleiner und mittlerer Institute mit regional begrenztem Geschäftsfeld. Dies gilt auch nicht nur für die endgültigen Regulierungstexte, sondern bereits für das Konsultationsstadium.
- 8. Die Ermächtigung der EBA für technische Regulierungsstandards in Artikel 25 Nummer 2 des Verordnungsentwurfs ist zu streichen. Nach Artikel 25 Nummer 2 soll die EBA unter anderem Kriterien dafür festlegen, wann ein Institut, das in einer innerstaatlich zulässigen Rechtsform firmiert, als eine Genossenschaft oder ähnliche Einrichtung anzusehen ist. Damit erhält die EBA "durch die Hintertür" die Befugnis, das Gesellschafts- und insbesondere Sparkassen- und Genossenschaftsrecht der Mitgliedstaaten einzuschränken. Es handelt sich damit offensichtlich um mehr als reine technische Regulierungsstandards. Diese materielle Regelung darf nicht von der EBA ausgefüllt werden, sondern muss bei den nationalen Gesetzgebern verbleiben.
- 9. Des Weiteren fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, in den weiteren Verhandlungen mit Blick auf die Eigenkapitalanforderungen auf Folgendes hinzuwirken:
- - Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die angestrebte Anhebung der qualitativen und quantitativen Eigenkapitalanforderungen, insbesondere der Quote für das harte Kernkapital, die Fähigkeit der Institute stärkt, Verluste selbst zu tragen, und damit die Wahrscheinlichkeit für notwendige staatliche Rekapitalisierungen reduziert. - Für kleine Institute müssen die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kapitalinstrumenten prinzipienorientiert definiert werden, um ihre unterschiedlichen Rechtsformen berücksichtigen zu können. Dies gilt insbesondere für die Definitionskriterien für das Eigenkapital und die Regeln für Abzüge vom harten Kernkapital. Bei der Definition von hartem Kernkapital ist insbesondere darauf zu achten, dass im Finanzverbund organisierte Institute nicht auf Grund dieser Struktur gegenüber Bankengruppen benachteiligt werden. Die "sinngemäße" Erfüllung der Kernkapitalprinzipien für Sparkassen und Genossenschaftsbanken (Fußnote 12 in Basel III) muss für alle Merkmale gelten.
- - Basel III definiert die Voraussetzung für die Anerkennung von Kapitalinstrumenten prinzipienorientiert. Die Prinzipien bilden das Kapitalinstrument der Aktie nach. Europaweit sind kleine Institute vielfach nicht als Aktiengesellschaft, sondern in sehr unterschiedlichen Rechtsformen aufgestellt. In Deutschland finden sich beispielsweise die Rechtsformen der Anstalt des öffentlichen Rechts (z.B. Förderinstitute und Sparkassen) und der Genossenschaft (genossenschaftliche Kreditinstitute). Diese Rechtsformen lassen es nicht zu, dass die Institute am Kapitalmarkt Eigenkapital durch die Emission von Aktien aufnehmen. Eine Genossenschaft ist zudem darauf festgelegt, jedem Genossen nur einen limitierten Anteil einzuräumen. Bei Sparkassen kommt als Eigenkapitalgeber regelmäßig nur der Träger in Betracht. Für Förderbanken gilt Gleiches für deren Träger, die Länder. Die Kommission verschärft hingegen die Vorschläge aus Basel III durch eine lediglich partielle Erleichterung für diese Institute. Hier sollte der Baseler Vorschlag für eine generelle entsprechende Anwendung der Kriterien bei anderen Rechtsformen umgesetzt werden.
- - Die in Artikel 46 Absatz 3 des Verordnungsvorschlags angelegte Ausnahmeregelung für Kapitalabzüge im Hinblick auf Beteiligungen an Instituten im Verbund muss auch auf Sparkassen und Genossenschaften Anwendung finden, sofern die Voraussetzungen des Artikels 108 Absatz 7 des Vorschlags erfüllt sind.
Zukünftig müssen sowohl unmittelbare als auch mittelbare Beteiligungen an Instituten und Versicherungen grundsätzlich bei den Kapitalabzugsposten berücksichtigt werden, es sei denn, die unmittelbaren und mittelbaren Finanzbeteiligungen werden über ein Institut vermittelt, welches dem gleichen Institutssicherungssystem angehört, Artikel 46 Absatz 3. Als Institutssicherungssysteme werden explizit sowohl Zentral- als auch Regionalinstitute erwähnt.
Die aufsichtsrechtliche Anerkennung eines Haftungsverbundes gemäß Artikel 108 Absatz 7 des Verordnungsvorschlags ist eine grundlegende Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmevorschriften. Darin werden die Kriterien für eine Nullanrechnung verbundinterner Forderungen bei der Eigenkapitalunterlegung festgelegt. Diese Regelungen, die einen zentralen Erfolg der deutschen Verhandlungsseite im Rahmen der Umsetzung der Basel-II-Regelungen auf europäischer Ebene dargestellt haben, würden nunmehr bei der Behandlung von Verbundbeteiligungen in erheblichem und in einem materiell nicht zu rechtfertigenden Maße verschärft; exemplarisch ist in diesem Zusammenhang auf die Anforderungen bzgl. des zentralen Liquiditätsausgleichs hinzuweisen. Ebenso kritisch sind die Anforderungen bezüglich der Aufstellung einer konsolidierten Bilanz zu bewerten. Die nun ins Auge gefassten Verschärfungen lassen keinen bankaufsichtlichen Mehrwert erkennen, sondern führen lediglich zu ungerechtfertigten Belastungen für Verbundkonstruktionen bzw. -strukturen. Vor dem Hintergrund der bewährten Drei-Säulen-Struktur des Bankensystems in Deutschland sind diese Verschärfungen daher dezidiert abzulehnen. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene um eine Erweiterung der Ausnahmeregelung auf Sparkassen und Genossenschaften einzusetzen.
- - Des Weiteren muss das in Artikel 118 des Vorschlags genannte Risikogewicht von 75 Prozent für Retailforderungen (Kredite an natürliche Personen und KMU) auf 50 Prozent abgesenkt werden. Außerdem sollte die in Artikel 118 Buchstabe c angegebene Betragsgrenze von 1 Millionen Euro auf 2 Millionen Euro angehoben werden. Das Mittelstandskreditgeschäft hat auch während der Finanzkrise zu keinen substanziellen Risiken für Kreditinstitute geführt. Angesichts der tatsächlich eingetretenen Verluste in diesem Geschäftsbereich führt die für Mittelstandskredite aufsichtsrechtlich vorgegebene Eigenkapitalunterlegung zu einer Überzeichnung der Risiken. Im Hinblick auf eine risikoadäquate Eigenkapitalunterlegung sind eine Anhebung der Retailkreditgrenze sowie eine Absenkung des Risikoanrechnungssatzes von 75 Prozent auf 50 Prozent gerechtfertigt. Durch die Verdoppelung der Retailkreditgrenze würde dem Aspekt Rechnung getragen, dass sich die 1 Millionen-Euro-Begrenzung in der Vergangenheit als vergleichsweise knapp bemessen erwiesen hat und auf eine unter bank- und realwirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvolle Größe angehoben werden muss. Durch die vorgenannten Maßnahmen könnten die in Folge der verschärften Eigenkapitalanforderungen resultierenden zusätzlichen Belastungen des Mittelstandskreditgeschäfts durch Basel III vermieden werden.
- - Förderbanken geben Förderkredite regelmäßig nicht direkt an Endkunden aus, sondern nutzen dazu andere Kreditinstitute (sogenanntes Hausbankprinzip). Für die Unterlegung dieser Kredite mit Eigenkapital darf es auch in Zukunft keine Rolle spielen, welche Kreditinstitute zwischengeschaltet sind, zumal die Kredite nur "durchlaufende Posten" sind und die Forderungen gegen die Endkunden an die Förderbank abgetreten werden. Die bisherige Praxis - wonach allein der Sitzstaat des zwischengeschalteten Kreditinstituts für die Eigenkapitalunterlegung entscheidend ist - sollte beibehalten werden. Fällt die Sitzstaat-Regelung weg, dann wirkt sich die Eigenkapitalunterlegung für die "Hausbank" direkt auf die Kreditvergabefähigkeit der Förderbanken aus. Das kann nicht gewollt sein.
- - Die Verschuldungsobergrenze (Leverage-Ratio) soll verhindern, dass sich Institute übermäßig verschulden, mit der Folge, dass sie in einer Krise durch das dann einsetzende "Deleveraging" in erheblichem Umfang Kredite abbauen müssen. Allerdings berücksichtigt diese Kennziffer nicht das sich aus den Geschäften ergebende Risiko; hochriskantes und risikoarmes Geschäft werden somit gleichgewichtet und letzteres wird dadurch benachteiligt. Um unerwünschte Effekte zu vermeiden, sollte die Leverage-Ratio auf Dauer ein Instrument der Säule 2 bleiben. Vor allem Großinstitute verschulden sich in großem Umfang durch Geldaufnahme am Interbankenmarkt. Demgegenüber refinanzieren sich retailorientierte, regional tätige Institute zu etwa 80 Prozent und mehr aus Spareinlagen ihrer Kunden. Neben der unterschiedlichen Refinanzierung dieser regionaltätigen Institute ist ferner zu berücksichtigen, dass diese auf ihrer Aktivseite in Deutschland die größten Kommunalfinanzierer sind. Deren risikoarmes Geschäft bleibt bei der Berechnung der Leverage-Ratio ohne Abzug, führt jedoch zu vergleichsweise hohen Bilanzsummen. Dies hat zur Folge, dass risikoarme Kredite wie Kommunalkredite eine unerwünschte wie auch nicht gerechtfertigte Verteuerung erfahren.
- - In jedem Fall sollten kleine und mittlere Banken von der Verschuldungsobergrenze ausgenommen werden. Sie birgt die Gefahr, dass Banken auf risikoreicheres weil gewinnträchtigeres Geschäft ausweichen, um bei gleichem Geschäftsvolumen eine höhere Eigenkapitalrendite zu erwirtschaften. Dies mag bei großen systemrelevanten Instituten, die auf den internationalen Finanzmärkten zu Hause sind, vertretbar sein. Kleine und mittlere Banken mit regional begrenztem Geschäftsfeld dagegen sollten sich gerade nicht in solche riskanten Geschäfte wagen. Ihr Mittelstands- und Privatkundengeschäft ist oftmals mit geringeren Gewinnspannen verbunden. Dies gilt es zu erhalten, korrespondiert doch ein geringerer Gewinn bei der Bank in aller Regel mit niedrigeren Zinsen für kleine und mittlere Unternehmen sowie Privatkunden. Eine Verknappung des Geldes durch eine zu niedrige Verschuldungsobergrenze würde Verbraucherinnen und Verbraucher, den Mittelstand und die Kommunen als typische Schuldner kleiner und mittlerer Banken ungebührlich hart treffen.
- 10. Schließlich fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, in den weiteren Verhandlungen mit Blick auf die Liquiditätsstandards auf Folgendes hinzuwirken:
- - Die endgültige Ausgestaltung der Liquiditätskennziffern soll nicht durch EBA-Standards erfolgen. Für sie ist das Mitentscheidungsverfahren unter Beteiligung von Rat und Parlament vorzusehen. Dabei ist eine angemessene Berücksichtigung von Pfandbriefen, Unternehmensanleihen und Bankschuldverschreibungen vorzusehen. Die Regelungen haben ein so großes Gewicht, dass eine hohe demokratische Legitimation erforderlich ist.
- - Es muss auf eine sachgerechte Ausgestaltung der Liquiditätsregeln hingewirkt werden. Bei einer künftigen Liquiditätsdeckungskennzahl müssen neben der Anrechnung von Barmitteln, Zentralbankeinlagen, ausgewählten Staatsanleihen sowie Pfandbriefen weitere liquide Mittel anerkannt werden.
Die vorgesehenen Liquiditätsdeckungskennzahlen fordern von den Instituten den Nachweis eines aufsichtlich vorgegebenen Liquiditätsstresses unter Zugrundelegung eines Liquiditätspuffers. Der in der Verordnung vorgesehene Liquiditätspuffer ist zu restriktiv definiert.
Die Erfahrung zeigt nämlich, dass fast alle Anlage-Klassen in einem bestimmten wirtschaftlichen Umfeld unter bestimmten Voraussetzungen illiquide werden können. Das Ziel, die Liquidität der Institute sicherzustellen, kann daher besser mit Hilfe eines breit diversifizierten Portfolios erreicht werden, als mit der Fokussierung auf wenige Anlage-Klassen. Daher ist es erforderlich, die zulässigen Anlagen des Liquiditätspuffers zu erweitern.
- - Schließlich sollten kleine und mittlere Banken von den langfristigen Liquiditätsstandards (net stable funding ratio) ausgenommen werden. Diese Standards bergen die Gefahr, dass ein zentraler Nutzen der Banken für die Realwirtschaft, die Fristentransformation, in Frage gestellt wird. Eine Kernfunktion der Banken liegt in der Umwandlung kurzfristiger Anlagen (z.B. Sparbuch) in langfristige Kredite (z.B. Immobilienfinanzierung). Die Auswirkungen auf Verbraucher und Verbraucherinnen, Kommunen und vor allem kleine und mittlere Unternehmen dürften erheblich sein. Sie würden anders als im gegenwärtigen System gezwungen, sich kurzfristiger zu refinanzieren, und wären damit den Entwicklungen auf dem Finanzmarkt ausgeliefert. Wenn Verbraucher und Verbraucherinnen nicht mehr langfristig die Belastung z.B. durch einen Immobilienkauf kalkulieren können, würde sich dies negativ auf die entsprechenden Märkte auswirken. Bei kleinen und mittleren Unternehmen wären die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft gravierend, wenn Investitionen zurückgestellt und dadurch letztlich Arbeitsplätze nicht geschaffen oder sogar abgebaut würden. Und auch Kommunen müssten langfristige Investitionen in die für Wirtschaft und Gesellschaft lebensnotwendige Infrastruktur zurückstellen.
- 11. Der Verordnungsvorschlag enthält keine dem § 64h Absatz 4 KWG vergleichbare Übergangsvorschrift. Diese Vorschrift regelt, dass übergeordnete Institute noch bis zum 31. Dezember 2015 für die Erstellung der Institutsgruppenmeldung ein Wahlrecht zur Weiterführung des bisherigen bankaufsichtlichen Aggregationsverfahrens auf Basis der HGB-Einzelabschlüsse nach § 10a Absatz 6 KWG haben. Erst ab 1. Januar 2016 greift nach dem heutigen KWG-Stand die Pflicht, die Institutsgruppenmeldung auf Basis des IFRS-Konzernabschlusses (§ 10a Absatz 7 KWG) zu erstellen.
In Deutschland vertrauen bislang über 20 Institutsgruppen auf die Übergangsvorschrift des § 64h Absatz 4 KWG und haben demnach die internen Planungen für den mehrjährigen Umstellungsprozess auf den 31. Dezember 2015 ausgerichtet. Mit Blick auf die derzeit schon laufenden Projekte zur Umsetzung von Basel III bzw. des CRD IV ist eine bisher nicht absehbare parallele Umstellung der Institutsgruppenmeldung in dem äußerst knappen Zeitrahmen bis Anfang 2013 wegen der hohen technischen und prozessualen Anforderungen praktisch unmöglich. Zudem wurde die Ablösung von IAS 39 auf IFRS 9 auf den 1. Januar 2015 hinausgeschoben, wodurch derzeit noch hohe Unsicherheit hinsichtlich der diesbezüglichen Detailregelungen besteht. Zur Sicherstellung einer hohen Meldequalität ist es unabdingbar, dass vor der Umstellung der Institutsgruppenmeldung auf den IFRS-Konzernabschluss zuvor Basel III/CRD IV sowie IFRS 9 komplett in den Rechenwerken der Institute umgesetzt sind.
Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, sich für eine Klarstellung einzusetzen, dass die Fortführung des nationalen Wahlrechts gemäß § 64h Absatz 4 KWG bis Ende 2015 mit dem EU-Recht vereinbar ist und nicht vorzeitig durch die Verordnung ausgehebelt wird.
- 12. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.