Der Wirtschaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß Artikel 12 Buchstabe b EUV wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat erhebt die Subsidiaritätsrüge aus folgenden Gründen:
- 2. Die Kommission hat Ende November 2011 zwei zusammenhängende Vorschläge vorgelegt, die auf die weitere Verbesserung der Qualität der Abschlussprüfung abzielen: Neben einer Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen (Abschlussprüferrichtlinie) hat sie eine Verordnung über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse vorgeschlagen.
- 3. Der Verordnungsvorschlag sieht unter anderem die Benennung nur einer zuständigen Behörde pro Mitgliedstaat vor, die mit der Wahrnehmung der in der Verordnung beschriebenen Aufgaben betraut sein und die Anwendung der Verordnungsbestimmungen gewährleisten soll. Hiervon abweichend soll es den Mitgliedstaaten möglich sein, für die Anwendung der Gesamtheit oder eines Teils der in Titel III der Verordnung enthalten Vorgaben über die Bestellung von Abschlussprüfern oder Prüfungsgesellschaften gegebenenfalls weitere Behörden zu benennen.
Diese Vorgaben sind ein Verstoß gegen die in der föderalen Struktur wurzelnde und damit verfassungsrechtlich verankerte Zuständigkeitsverteilung zwischen dem Bund und den Ländern bei der Aufsicht über Abschlussprüfer. In Deutschland unterstehen die Prüfungsstellen der Sparkassen- und Giroverbände sowie die genossenschaftlichen Prüfungsverbände der Aufsicht der zuständigen Fachministerien der Länder. Die Beaufsichtigung der Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erfolgt durch die Wirtschaftsprüferkammer, die der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sowie seit dem Jahr 2005 zusätzlich der Fachaufsicht durch die Abschlussprüferaufsichtskommission unterliegt. Die vorgeschlagene Zentralisierung der Aufsicht über Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften bei nur einer zuständigen Behörde pro Mitgliedstaat wäre ein ungerechtfertigter Eingriff in diese verfassungsmäßig gebotene und entsprechend praktizierte Aufsichtsstruktur. Das bislang praktizierte und bewährte System der öffentlichen Aufsicht über Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften wäre bei der Abschlussprüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse nicht mehr möglich.
Die Vorgabe nur einer öffentlichen Aufsichtsbehörde für Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften pro Mitgliedstaat bei Abschlussprüfungen von Unternehmen von öffentlichem Interesse geht außerdem weit über das mit dem Verordnungsvorschlag verfolgte Ziel hinaus und trägt dem Umstand nicht Rechnung, dass in Deutschland bereits ein bewährtes System zur Beaufsichtigung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften entsprechend der gegenwärtig geltenden Vorgaben des Artikels 32 der Abschlussprüferrichtlinie praktiziert wird. Durch die vorgeschlagene Zentralisierung der öffentlichen
Aufsicht über Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften bei einer Behörde ließe sich kein deutlicher Mehrwert zur Verbesserung der Qualität der Abschlussprüfung im Vergleich zur bisherigen Aufsichtsstruktur feststellen. Zwar dürfte ein Vorteil bei einer solchen Zentralisierung darin liegen, dass lediglich eine nationale Behörde pro Mitgliedstaat als Ansprechpartnerin für die EU-Ebene oder andere Mitgliedstaaten fungieren könnte. Ein solcher Vorteil rechtfertigt es aber nicht, nur eine zuständige Behörde für die Aufsicht über Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaft pro Mitgliedstaat vorzuschreiben, so dass auf mitgliedstaatlicher Ebene bislang praktizierte und bewährte Aufsichtsstrukturen geändert werden müssen. Allerdings könnte eine Harmonisierung dann sinnvoll sein, wenn eine öffentliche Behörde als Ansprechpartnerin in dem zuvor genannten Sinn mit der Möglichkeit der Beibehaltung bisher gewachsener und bewährter Aufsichtsstrukturen auf mitgliedstaatlicher Ebene installiert wird.
Vor diesem Hintergrund sind die vorgeschlagenen Vorgaben derart abzuändern, dass die Aufsicht über Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften bei Unternehmen von öffentlichem Interesse weiterhin auch bei mehreren öffentlichen Behörden oder Stellen liegen kann, so dass ein Fortbestehen langjährig bewährter Aufsichtsstrukturen auf mitgliedstaatlicher Ebene möglich ist.
- 4. Der Verordnungsvorschlag sieht auch Bestimmungen zum Wechsel des Abschlussprüfers und zur Ausschreibung des Prüfungsmandats vor. Die Laufzeit des Prüfungsmandats soll eine Dauer von maximal sechs Jahren grundsätzlich nicht überschreiten dürfen, so dass die Abschlussprüfer oder die Prüfungsgesellschaften nach dieser Zeit extern rotieren müssen. Der Vergabe des Prüfungsmandats soll ein ordnungsgemäßes und insbesondere transparentes Ausschreibungsverfahren vorausgehen.
Auch diese Vorgaben nebst der insoweit vorgeschlagenen Befreiungsmöglichkeit gehen weit über das mit dem Verordnungsvorschlag verfolgte Ziel hinaus und berücksichtigen die in Deutschland bestehenden und bewährten Gegebenheiten der Abschlussprüfung im Sparkassen- und Genossenschaftswesen nicht. Danach ist den Prüfungsstellen der Sparkassen- und Giroverbände und den genossenschaftlichen Prüfungsverbänden gesetzlich ein dauerhaftes Mandat zur Prüfung ihrer Mitgliederinstitute in Kombination mit einer direkten staatlichen Beaufsichtigung dieser Prüfungseinrichtungen zugewiesen. Sie nehmen ihre Prüfungstätigkeit kraft gesetzlicher Zuweisung und hoheitlich als öffentlichrechtlichen Auftrag wahr. Dabei haben sie nicht nur das Recht zur Prüfung, sondern auch die Pflicht zur Prüfung. Diese gesetzlichen Vorgaben stellen eine sehr hohe Prüfungsqualität sicher. Sowohl die Prüfungsstellen der Sparkassen- und Giroverbände als auch die genossenschaftlichen Prüfungsverbände sind bei der Durchführung der Prüfungen unabhängig und eigenverantwortlich. Sie sind weisungsunabhängig in Bezug auf die Art und Weise oder das Ergebnis der Prüfungen. Auf Grund der gesetzlichen Zuweisung eines dauerhaften Prüfungsmandats an diese Einrichtungen sind - etwa bei einem nachteiligen Prüfungsergebnis - ein Auswechseln des Abschlussprüfers durch die Bestellung eines anderen Abschlussprüfers zur Erzielung des gewünschten Prüfungsergebnisses sowie ein die Prüfung möglicherweise beeinflussendes Wiederbestellungsinteresse des Abschlussprüfers ausgeschlossen. Dem aus dem Dauermandat eventuell entstehenden Risiko von Prüfungsroutine wird wirksam durch einen regelmäßigen Wechsel des Prüfungsteams und des für die Prüfung verantwortlichen Wirtschaftsprüfers entgegengewirkt (interne Rotation). Indem das Dauermandat im Fortgang keine Einarbeitungszeit mehr erfordert und zu einem sehr hohen Wissensstand über die Situation der zu prüfenden Unternehmung führt, fördert es eher die Qualität der Prüfung. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die unter staatlicher Beaufsichtigung stehenden Prüfungsstellen der Sparkassen- und Giroverbände und genossenschaftlichen Prüfungsverbände mit Dauermandat weisungsunabhängige und eigenverantwortlich arbeitende Prüfungseinrichtungen sind, die sich in Deutschland bereits über einen langen Zeitraum hinweg bewährt haben.
Vor diesem Hintergrund bedarf es der Aufnahme von Regelungen in die Verordnung, die das gesetzliche Dauerprüfungsmandat der Prüfungsstellen der Sparkassen- und Giroverbände und genossenschaftlichen Prüfungsverbände in Kombination mit der staatlichen Beaufsichtigung dieser Prüfungseinrichtungen von den vorgeschlagenen Vorgaben zum Wechsel des Abschlussprüfers und zur Ausschreibung des Prüfungsmandats ausnehmen, so dass die in Deutschland bewährten Bestimmungen unverändert fortbestehen können.
- *. Die Ausschussberatungen über eine Stellungnahme gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG sind noch nicht abgeschlossen.