- Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU),
- der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und
- der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U)
- empfehlen dem Bundesrat,
zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Vorschlag der Kommission in der vorgelegten Fassung nicht akzeptiert werden kann. Insbesondere die beabsichtigte Rechtsform einer Verordnung begegnet durchgreifenden Bedenken.
- - Nach Artikel 15 des Verordnungsentwurfs ist diese in allen Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass das Ziel des Vorschlags, ein Finanzinstrument zu schaffen, anstelle einer Verordnung auch durch eine Entscheidung des Rates erreicht werden kann. Dies ergibt sich aus Nummer 6 des "Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit". Dort heißt es u. a.: "Für Maßnahmen ist eine möglichst einfache Form zu finden, wobei darauf geachtet werden muss, dass das Ziel der Maßnahme in zufriedenstellender Weise erreicht wird und die Maßnahme tatsächlich zur Anwendung gelangt. Die Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinschaft sollte über das erforderliche Maß nicht hinausgehen."
Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Bundesregierung, dass erhebliche Zweifel bestehen, ob andere Mittel als die Verordnung nicht doch angemessen sind. Das Argument der Kommission, Art und Inhalt einiger im Vorschlag vorgesehenen Verpflichtungen könnten nur durch ein unmittelbar geltendes Rechtsinstrument verwirklicht werden, überzeugt nicht. Die Kommission hat ihre Auffassung in den Beratungen letztlich nur noch auf Artikel 12 Abs. 3 gestützt, der vorsieht, dass die Kommission die für eine Aktion gewährte Finanzunterstützung kürzen, aussetzen und zurückfordern könne, wenn sie Unregelmäßigkeiten feststellt. Dieser Anspruch sei nur durchsetzbar, wenn insgesamt eine Verordnung erlassen werde.
Der Bundesrat teilt demgegenüber die Auffassung des Juristischen Dienstes des Rates, der insoweit dem Juristischen Dienst der Kommission widersprochen hat. Der Ratsdienst hat dargelegt, dass zwar die Beurteilung der Kommission zu Artikel 12 Abs. 3 richtig sei, aber deshalb nicht alle anderen Bestimmungen durch eine Verordnung geregelt werden müssten. Dies sei auch in Form einer Entscheidung des Rates möglich. Die Rückforderungsansprüche könnten auch in dieser Entscheidung verordnungsmäßig festgelegt werden. Der Bundesrat schließt sich im Übrigen der Auffassung des Juristischen Dienstes des Rates an, dass dieses Problem unter der am 1. Juli 2005 beginnenden britischen Präsidentschaft erneut aufgegriffen werden sollte.
- - Der Bundesrat teilt die Beurteilung der Bundesregierung, dass die im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip genannten Gründe in der Begründung des Vorschlags fragwürdig sind. Die Notwendigkeit des Gemeinschaftshandelns ergibt sich daraus nicht zwingend. Das Argument, Mittel auf mitgliedstaatlicher Ebene stünden nicht ausreichend zur Verfügung, kann auch dahin gehend ausgelegt werden, dass auf der Ebene der Mitgliedstaaten eine "Aufstockung" erfolgen sollte. Dem Argument, Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch würden die nationalen Maßnahmen wirksamer und sicherer machen, ist entgegenzuhalten, dass bereits eine gemeinsame Übung und ein Austausch auch auf der Grundlage der Entscheidungen des Rates vom 9. Dezember 1999 über ein Aktionsprogramm und vom 23. Oktober 2001 über ein Gemeinschaftsverfahren stattfindet.
- 2. Der Bundesrat bekräftigt die unter Ziffer 3 seines Beschlusses vom 14. Mai 2004 (BR-Drucksache 280/04(B) ) dargelegte Auffassung, ein verstärktes Vordringen der EU in den operativen Bereich lasse unter anderem befürchten, dass einige Mitgliedstaaten in der Erwartung der Hilfsmaßnahmen seitens der EU auf hinreichende eigene Katastrophenschutzvorkehrungen verzichten könnten. Gerade dieser Punkt wird in Artikel 1 hervorgehoben, in dem die Kommission fordert, die eigenen Mittel der Mitgliedstaaten zu ergänzen. Im Extremfall könnte dies auch bedeuten, dass die Mittel zu ersetzen wären, falls Ressourcen für bestimmte Lagen überhaupt nicht vorhanden sind. Kritisch zu sehen ist in diesem Zusammenhang auch die in Artikel 4 Buchstabe b erwähnte "Unterstützung des Aufbaus von Kapazitäten", weil unklar ist, ob hier eine Finanzierung EU-eigener Katastrophenschutzkapazitäten oder derjenigen der Mitgliedstaaten gemeint ist. Hier ist eine Klarstellung durch die Kommission erforderlich.
- 3. Der Bundesrat lehnt eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Bestimmungen auf Maßnahmen der Volksgesundheit (Artikel 2 und Artikel 5 Buchstabe h) ab, weil diese Vorschläge nicht zum Bereich des Katastrophenschutzes gehören.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren dafür zu sorgen, dass die Ernährungsnotfallvorsorge und die Ernährungssicherstellung als Krisenreaktions- und Vorbereitungsinstrumente in Katastrophenfällen, insbesondere bei Katastrophenschutzszenarien, bei der Schaffung gemeinsamer Kommunikations- und Informationssysteme (insbesondere im Rahmen des Artikels 5 Buchstabe f des Verordnungsvorschlags) oder bei sonstigen Aktionen hinreichend berücksichtigt werden.
Die Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass seitens des Katastrophenschutzes der Ernährungsnotfallvorsorge und der Ernährungssicherstellung nicht der Stellenwert eingeräumt worden ist, der ihnen gebührt. Im Katastrophenfall kann es dazu kommen, dass Handels- und Versorgungswege unterbrochen werden oder zumindest vorübergehend Engpässe entstehen. Dies kann zur Verknappung bestimmter Lebensmittel, vor allem aber von Trinkwasser führen. Insbesondere durch die Sicherstellung von Kommunikation und
Information sowie durch Hinzuziehung von Fachwissen aus dem Bereich der Ernährungswirtschaft könnten Versorgungsengpässe vermieden oder zumindest abgemildert werden.
- 5. Nach Auffassung des Bundesrates ist die Kommission verpflichtet, inhaltlich eine Verbindung zwischen dem Vorschlag und ihrem Vorhaben zu schaffen, die derzeit bestehenden Rechtsinstrumente (Entscheidung des Rates über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft für den Katastrophenschutz vom 9. Dezember 1999 in Verbindung mit der Entscheidung des Rates vom 20. Dezember 2004 zur Verlängerung dieses Programms bis Ende 2006 sowie Entscheidung des Rates über ein Gemeinschaftsverfahren zur Förderung einer verstärkten Zusammenarbeit bei Katastrophenschutzeinsätzen vom 23. Oktober 2001) zu einem neuen Rechtsinstrument für den Bereich des Katastrophenschutzes auf europäischer Ebene im Rahmen der "Finanziellen Vorausschau 2007 bis 2013" zusammenzufassen.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, diese Stellungnahme bei der Festlegung der Verhandlungsposition gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 EUZBLG maßgeblich zu berücksichtigen, da die vorgeschlagenen Maßnahmen im Schwerpunkt die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betreffen.
- 7. Die Bundesregierung wird gebeten, rechtzeitig vor der Zustimmung zu diesem Vorhaben das Einvernehmen mit dem Bundesrat nach § 5 Abs. 3 EUZBLG herzustellen.