Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen

A. Problem und Ziel

§ 238 des Strafgesetzbuches (StGB) wurde durch das Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen vom 22. März 2007 (BGBl. I S. 354) zum 31. März 2007 in das Strafgesetzbuch eingefügt. Ziel des Gesetzgebers war es, einen besseren Opferschutz zu gewährleisten; ein Anspruch, dem die Norm in ihrer aktuellen Fassung jedoch nur eingeschränkt gerecht wird. Der Tatbestand ist nur dann erfüllt, wenn die Tat eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers verursacht hat. Damit wird die Strafbarkeit weder von der Handlung des Täters noch von deren Qualität abhängig gemacht, sondern allein davon, ob und wie das Opfer auf diese Handlung reagiert. Strafrechtlicher Schutz ist daher bislang allenfalls dann zu erlangen, wenn das Opfer sein gewöhnliches Verhalten ändert und sich damit dem Druck des Täters unterwirft. Tritt das Opfer in besonnener Selbstbehauptung auf, kann die Handlung - sei sie auch noch so invasiv - strafrechtlich nicht als Nachstellung sanktioniert werden. Auch die Einordnung als Privatklagedelikt kann dazu beitragen, dass strafwürdiges Verhalten nicht im gebotenen Maß zur Aburteilung gelangt. Ziel des Entwurfs ist die Änderung des insoweit geltenden Rechts, um den strafrechtlichen Schutz gegen Nachstellungen auszubauen.

Außerdem besteht Handlungsbedarf im Bereich des Gewaltschutzes. Für den Fall, dass ein Verfahren in Gewaltschutzsachen durch einen Vergleich der Beteiligten erledigt wird, zeigt sich eine Schutzlücke. Denn nach § 4 des Gewaltschutzgesetzes (GewSchG) ist nur der Verstoß gegen eine gerichtliche Gewaltschutzanordnung strafbewehrt, nicht aber der Verstoß gegen eine in einem Vergleich übernommene Verpflichtung, auch wenn das Gericht sie nach § 1 GewSchG hätte anordnen können.

B. Lösung

Der Entwurf greift Anregungen der Gesetzesanträge der Länder Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen (Bundesratsdrucksache 193/14 (PDF) und 193/1/14) nach einer Erweiterung des § 238 StGB auf, geht aber aufgrund weiter gehenden gesetzgeberischen Handlungsbedarfs darüber hinaus.

Fristablauf: 23.09.16

Der Entwurf gestaltet den Tatbestand des § 238 Absatz 1 StGB in ein potentielles Gefährdungsdelikt um, für dessen Verwirklichung es nunmehr ausreicht, dass die Handlung des Täters objektiv dazu geeignet ist, beim Betroffenen eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung herbeizuführen. Ein tatsächlicher Erfolgseintritt ist zur Ahndung nicht länger notwendig. Maßgeblich ist jetzt eine Einschätzung der objektiven Geeignetheit der Tat zur Herbeiführung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensumstände beim Opfer. Dieser objektivierbare Maßstab gewährleistet auch in Zukunft die gebotene Bestimmtheit und Begrenzung des Tatbestandes. Um einer zu weit gehenden Strafbarkeit vorzubeugen, wird die Generalklausel des § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB gestrichen.

Flankierend ist zur Stärkung des Opferschutzes die Streichung der Nachstellung aus dem Katalog der Privatklagedelikte (§ 374 Absatz 1 Nummer 5 Alternative 1 der Strafprozessordnung (StPO)), die Einführung der gerichtlichen Bestätigung von in Gewaltschutzverfahren geschlossenen Vergleichen sowie die Erweiterung des § 4 GewSchG auf Verstöße gegen Verpflichtungen aus einem gerichtlich bestätigten Vergleich vorgesehen.

C. Alternativen

Beibehaltung des bisherigen unbefriedigenden Rechtszustandes oder Annahme der bereits erwähnten Gesetzesanträge der Länder Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen (Bundesratsdrucksache 193/14 (PDF) und 193/1/14), die allerdings in einigen Punkten hinter den Regelungsvorschlägen dieses Entwurfs zurückbleiben.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Keiner.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Keine.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Keiner.

F. Weitere Kosten

Durch die Erweiterung bestehender Strafvorschriften können den Länderhaushalten zusätzliche Kosten entstehen, deren genaue Höhe sich mangels konkreter Zahlen derzeit nicht näher beziffern lässt, die sich aber wegen des insgesamt moderaten Umfangs der Erweiterungen unter 100 000 Euro jährlich bewegen dürften. Dies entspricht in etwa den Mehrkosten für eine zusätzliche Staatsanwalts-/Richterstelle. Bei 1 760 Arbeitsstunden (220 Tage à 8 Stunden) und Lohnkosten je Stunde von 58,10 Euro für den höheren

Dienst würden sich die Gesamtkosten auf 102 256 Euro belaufen. Würden die Änderungen z.B. eine halbe Stunde zusätzlichen Aufwand pro Verfahren verursachen, so würde dieser Aufwand mehr als 3 500 Verfahren jährlich abdecken.

In Gewaltschutzverfahren entsteht durch die Einführung der gerichtlichen Bestätigung eines Vergleichs zwar ein zusätzlicher Aufwand für das Gericht; dem steht jedoch eine erhöhte Vergleichsbereitschaft der geschädigten Person gegenüber, die infolge der Schließung der Lücke im Strafrechtsschutz zu erwarten ist.

Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf die Verbraucherpreise, sind nicht zu erwarten.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 12. August 2016
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stanislaw Tillich

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 23.09.16

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

§ 238 Absatz 1 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Mai 2016 (BGBl. I S. 1254) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung schwerwiegend zu beeinträchtigen, indem er beharrlich

Artikel 2
Änderung der Strafprozessordnung

In § 374 Absatz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2525) geändert worden ist, werden die Wörter "eine Nachstellung ( § 238 Abs. 1 des Strafgesetzbuches) oder" gestrichen.

Artikel 3
Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2018) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 214 folgende Angabe eingefügt:

" § 214a Bestätigung des Vergleichs".

2. Nach § 214 wird folgender § 214a eingefügt:

" § 214a Bestätigung des Vergleichs

Schließen die Beteiligten einen Vergleich, hat das Gericht diesen zu bestätigen, soweit es selbst eine entsprechende Maßnahme nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder 3 des Gewaltschutzgesetzes, jeweils auch in Verbindung mit § 1 Absatz 2 Satz 1 des Gewaltschutzgesetzes, hätte anordnen können. Die Bestätigung des Gerichts ist nicht anfechtbar."

3. Dem § 216a wird folgender Satz angefügt:

"Für den bestätigten Vergleich nach § 214a gelten die vorstehenden Bestimmungen entsprechend."

Artikel 4
Änderung des Gewaltschutzgesetzes

§ 4 Satz 1 des Gewaltschutzgesetzes vom 11. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3513) wird wie folgt gefasst:

"Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer bestimmten vollstreckbaren

Artikel 5
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Die Opfer von Stalking haben Anspruch auf Schutz durch die Rechtsordnung, nicht zuletzt durch eine strafrechtliche Regelung, die diesen Schutz effektiv ausgestaltet. Die gegenwärtige Fassung des § 238 StGB genügt diesem Anspruch nicht. Sie berücksichtigt insbesondere nicht hinreichend den strafwürdigen Unwertgehalt des Stalkings, der weniger durch einen eingetretenen tatbestandlichen Erfolg als vielmehr durch intensivinvasives Täterverhalten gekennzeichnet ist (vgl. 1316 der Beilagen XXII. GP - Regierungsvorlage - Materialien; S. 2 und 4 zu § 107a des österreichischen Strafgesetzbuchs, http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXII/I/I_01316/fname_057436.pdf ).

Effektiver Schutz bedeutet auch, dass Betroffene Ruhe finden können. Die gegenwärtige Rechtslage erfordert mitunter aber im Gegenteil, dass sich Opfer von Stalking immer wieder und über längere Zeit mit der Tat und der Person des Täters beschäftigen müssen. Das gilt für den § 238 des Strafgesetzbuches (StGB) in der gegenwärtigen Fassung, der gerade dem anfangs besonnen standhaltenden Stalking-Opfer keinen Schutz gewährt, weil die Erfüllung des Tatbestands davon abhängt, dass die Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt ist. Der strafrechtliche Schutz des Opfers greift erst ein, wenn die Nachstellung bereits zu einer Verhaltensänderung beim Opfer geführt hat, was das Opfer aus eigener Entscheidung eigentlich vermeiden wollte und wovor es geschützt werden sollte.

Auch die Regelungen zur strafrechtlichen Verfolgung von Stalking sind für die Opfer von Stalking derzeit nicht immer befriedigend. So ist die Nachstellung als Privatklagedelikt ausgestaltet. Dies kann dazu führen, dass das Opfer den Strafanspruch gegenüber dem Täter selbst und aus eigener Initiative durchsetzen muss.

Der Entwurf sieht daher vor, § 238 Absatz 1 StGB von einem Erfolgs- in ein Eignungsdelikt umzuwandeln bei gleichzeitiger Streichung der Handlungsgeneralklausel des § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB und die Nachstellung aus dem Katalog der Privatklagedelikte der Strafprozessordnung zu streichen. In das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) wird § 214a eingeführt, der vorsieht, dass das Gericht Vergleiche bestätigt, die in Verfahren in Gewaltschutzsachen geschlossen wurden, wenn es die Regelungen des Vergleichs auch als gerichtliche Gewaltschutzanordnung hätte erlassen können. Verstöße gegen Verpflichtungen aus einem gerichtlich bestätigten Vergleich werden durch eine Anpassung der Strafvorschrift des § 4 des Gewaltschutzgesetzes (GewSchG) zukünftig strafbewehrt. Hierdurch wird eine Schutzlücke geschlossen.

1. Nachstellung (§ 238 StGB)

§ 238 StGB wurde durch das Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen vom 22. März 2007 (BGBl. I 354) zum 31. März 2007 in das Strafgesetzbuch eingefügt.

Nachstellungshandlungen umfassen charakteristischerweise zahlreiche einzelne und hartnäckige Belästigungen einer anderen Person. Die Einzelhandlungen sind isoliert betrachtet häufig nicht als schwerwiegend und einschneidend einzustufen. Sie zu ahnden, war vor Einführung des § 238 StGB nur möglich, wenn die Einzelhandlung selbst einen Straftatbestand erfüllte. Diese Einzelbetrachtung wurde und wird dem besonderen Unrechtsgehalt typischer Nachstellungskomplexe jedoch nicht gerecht, der gerade "in einer sich ständig intensivierenden Bedrängungssituation" (so die Begründung des Gesetzesantrags der Länder Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, Allgemeiner Teil, Bundesratsdrucksache 193/1/14) besteht. Diese Bedrängnis des Opfers speist sich vornehmlich daraus, dass es unausweichlich mit einer beharrlichen Wiederholung oder gar Intensivierung gezielter Handlungen des Täters rechnen muss und nach den Vorstellungen des Täters auch rechnen soll, die - auch im Planungshorizont des Täters - für sich allein genommen die Schwelle strafbaren Unrechts noch nicht überschreiten. Die Summe der Einzelakte wiederum zeitigt eine solche psychische Wirkung auf das Opfer, dass ein Handeln des Strafgesetzgebers erforderlich war und - aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen - immer noch ist.

Der Gesetzgeber ging zunächst davon aus, dass es notwendig sei, den Tatbestand dahingehend einzuschränken, dass er nur dann erfüllt ist, wenn die Tat eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers verursacht hat, um die Strafbarkeit auf Taten zu beschränken, die beim Opfer zu objektivierbaren Beeinträchtigungen geführt haben (Bundestagsdrucksache 16/575, S. 8). Dies setzt nach dem Willen des Gesetzgebers und entsprechend auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Veränderung der äußeren Lebensumstände des Opfers voraus. Stets festzustellen sei demnach eine erzwungene Veränderung der Lebensumstände. Danach schütze der Tatbestand weder "Überängstliche noch besonders Hartgesottene, die sich durch das Nachstellen nicht beeindrucken lassen" (vgl. BGH, NStZ 2010, 277, 279). Wie sich jedoch gezeigt hat, führt dieses Erfordernis dazu, dass sich der Tatbestand nicht mehr unmittelbar am begangenen Tatunrecht orientiert, sondern allein an der Art und Weise, in der das Opfer versucht, der bewirkten Beeinträchtigung zu entgehen (vgl. Bundesratsdrucksache 193/1/14). Die Auffassung, auch die durch die Tat erlittene erhebliche psychische Belastung, wenn das Opfer ansonsten dem psychischen Druck noch nicht nachgegeben und seine Lebensumstände zumindest nicht äußerlich erkennbar geändert hat, seien als ausreichender Taterfolg anzusehen, hat sich weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung durchsetzen können.

Unter anderem auf diese Einschränkung des Tatbestandes wird die erhebliche Diskrepanz zwischen der Anzahl der in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Tatverdächtigen und der Anzahl der in der Strafverfolgungsstatistik registrierten Verurteilungen zurückgeführt. Laut Strafverfolgungsstatistik wurden im Jahr 2008 bundesweit 505 Personen gemäß § 238 StGB verurteilt, im Jahr 2009 561 Personen, im Jahr 2010 414 Personen, im Jahr 2011 378 Personen, im Jahr 2012 313 Personen, im Jahr 2013 236 Personen und im Jahr 2014 205 Personen (Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 Reihe 3). Die PKS (Tabellenanhang, Tabelle 01 Schlüsselzahl 232 400) weist als ermittelte Tatverdächtige für das Jahr 2008 23 296, für das Jahr 2009 23 247, für das Jahr 2010 21 698, für das Jahr 2011 20 492, für das Jahr 2012 20 079, für das Jahr 2013 19 775 Personen und für das Jahr 2014 18 245 Personen aus. Nachdem die Quote der Verurteilungen im Verhältnis zu den polizeilich ermittelten Tatverdächtigen in den Anfangsjahren 2008 und 2009 noch knapp über 2 Prozent lag, sank sie zuletzt(2013) auf knapp über 1 Prozent.

Hinsichtlich dieses Vergleiches ist allerdings zum einen zu berücksichtigen, dass es sich bei der PKS um eine sogenannte Ausgangsstatistik handelt, deren Aussagekraft beschränkt ist. Zum anderen ist zu beachten, dass in der Strafverfolgungsstatistik die Angeklagten, die in Tateinheit (§ 52 StGB) oder Tatmehrheit (§ 53 StGB) mehrere Strafvorschriften verletzt haben, nur hinsichtlich des Straftatbestandes statistisch erfasst werden, der nach dem Gesetz mit der schwersten Strafe bedroht ist, häufig also gerade nur die typischen Begleitdelikte bei Nachstellung wie Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Diebstahl (vgl. Kaufmann, DRiZ 2014, S. 50 f.). Gleichwohl besteht angesichts der erheblichen Differenz zwischen den Daten der PKS und denen der Strafverfolgungsstatistik Grund zu der Vermutung, dass dieser Unterschied in einem gewissen Umfang auch darauf zurückzuführen ist, dass strafwürdige Fälle nicht zu einer Anklage bzw. Verurteilung führen, weil entweder eine tatsächlich eingetretene schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensführung nicht nachgewiesen werden kann oder nach den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen nicht vorliegt oder/und die Opfer in einer Vielzahl von Fällen auf den Privatklageweg verwiesen werden, wenngleich Daten zu Privatklagen von Verletzten in der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen "Staatsanwaltschaftsstatistik" (Fachserie 10 Reihe 2.6) nicht und in der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen "Statistik über Straf- und Bußgeldverfahren" (Fachserie 10 Reihe 2.3) nicht nach Straftatbeständen differenziert sowie im Übrigen wohl nicht systematisch erhoben werden (vgl. aber Bericht der Landesregierung zu Initiativen und Aktivitäten zur Stärkung der Rückfallprävention von Stalking in Rheinland-Pfalz, Landtags-Drucksache 16/ 3549). Einer hessischen Untersuchung aus dem Jahr 2008 zufolge wurden ca. 34 Prozent der Verfahren gemäß § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Zum großen Teil konnte die schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung nicht nachgewiesen werden, zum geringeren Teil auch weil die Beharrlichkeit der Nachstellungen nicht ausreichend dokumentiert werden konnte. Ca. 22 Prozent der Verfahren wurden eingestellt und auf den Privatklageweg gemäß § 374 Absatz 1 Nummer 5 StPO verwiesen (vgl. Fünfsinn, Rechtliche Gestaltung des Stalking-Tatbestandes, praktische Erfahrungen und Probleme, in: Weisser Ring e.V. (Hrsg.), 2010, S. 108, 116).

Der Tatbestand wird in seiner aktuellen Fassung dem angestrebten Ziel effektiven Opferschutzes vor Nachstellungshandlungen daher nur eingeschränkt gerecht. Dabei ist das Erfordernis der Verursachung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung strukturell mit der Ausgestaltung des Nachstellungstatbestandes als Erfolgsdelikt verknüpft. Strafrechtlicher Schutz ist demnach allenfalls dann zu erlangen, wenn das Opfer sein Alltagsverhalten ändert. Damit ist gleichzeitig eine Unterwerfung unter den Druck des Täters erforderlich, der geeignet ist, zu einer (weiteren) Traumatisierung des Opfers beizutragen. Tritt das Opfer dagegen in besonnener Selbstbehauptung auf, kann die Handlung - sei sie auch noch so gravierend und objektiv belastend - strafrechtlich nicht als Nachstellung sanktioniert werden. Die Fälle strafwürdiger, jedoch nach aktueller Rechtslage nicht strafbarer Handlungen können nur durch eine Umgestaltung des Nachstellungstatbestandes von einem Erfolgs- zu einem Eignungsdelikt effektiv erfasst werden. Um zu verhindern, dass sich die hierdurch erweiterte Strafbarkeit zu weit ausdehnt, ist zugleich eine Streichung der Handlungsgeneralklausel - § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB - geboten.

2. Privatklage ( § 374 StPO)

Nach geltender Rechtslage kann die Staatsanwaltschaft ein Verfahren nach § 238 Absatz 1 StGB unter Verweis auf den Privatklageweg einstellen. Um den Opferschutz für die Betroffenen zu verbessern, soll § 238 Absatz 1 StGB aus dem Katalog der Privatklagedelikte gestrichen werden, damit eine solche Einstellung künftig nicht mehr möglich ist.

3. Gewaltschutzverfahren (Einführung des § 214a FamFG und Änderung des § 4 GewSchG)

Wird ein Verfahren in Gewaltschutzsachen durch einen Vergleich der Beteiligten erledigt, besteht derzeit eine Schutzlücke. Diese ergibt sich daraus, dass nach § 4 GewSchG zwar der Verstoß gegen eine gerichtliche Gewaltschutzanordnung strafbewehrt ist, nicht aber der Verstoß gegen eine (inhaltlich entsprechende) Verpflichtung, die im Wege eines Vergleichs übernommen wurde. Diese Rechtslage ist unbefriedigend, da sie die geschädigte Person vom Abschluss eines Vergleichs abhalten kann, der aber auch in Gewaltschutzsachen durchaus sinnvoll sein kann. Die Schutzlücke soll daher geschlossen werden.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Der Entwurf sieht die Umwandlung des Tatbestandes der Nachstellung (§ 238 Absatz 1 StGB) von einem Erfolgs- in ein Eignungsdelikt unter gleichzeitiger Streichung der Handlungsgeneralklausel - § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB - vor. Danach wäre nicht länger entscheidend, ob die Tat eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers verursacht hat, sondern lediglich, ob sie geeignet ist, eine solche Beeinträchtigung herbeizuführen. Darüber hinaus ist eine Streichung der Nachstellung (§ 238 Absatz 1 StGB) aus dem Katalog der Privatklagedelikte (§ 374 Absatz 1 Nummer 5 StPO) vorgesehen.

In Gewaltschutzverfahren wird in § 4 GewSchG eine Strafandrohung für den Fall eingeführt, dass der Täter gegen eine in einem Vergleich übernommene Verpflichtung verstößt, die vom Gericht bestätigt worden ist. Eine solche Bestätigung soll vom Gericht künftig nach § 214a des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) insoweit erteilt werden, wie die Regelungen des Vergleichs im Einzelfall auch als gerichtliche Gewaltschutzanordnung hätten erlassen werden können.

III. Alternativen

Beibehaltung des bisherigen unbefriedigenden Rechtszustandes oder Annahme der bereits erwähnten Gesetzesanträge der Länder Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen (Bundesratsdrucksache 193/14 (PDF) und 193/1/14), die hinter den Regelungsvorschlägen dieses Entwurfs zurückbleiben.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (GG - Strafrecht; gerichtliches Verfahren).

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Der Entwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

VI. Gesetzesfolgen

Der Entwurf führt zu einer moderaten Ausweitung des deutschen Strafrechts.

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvereinfachung sind von dem Entwurf, der eine Änderung des materiellen Strafrechts, des Strafprozessrechts sowie des Verfahrens in Gewaltschutzsachen vorschlägt, nicht betroffen.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Der Entwurf berührt keine Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand sind für Bund, Länder und Gemeinden durch den Entwurf nicht zu erwarten.

4. Erfüllungsaufwand

Erfüllungsaufwand ist für die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und die Verwaltung nicht zu erwarten.

5. Weitere Kosten

Durch die Erweiterung bestehender Strafvorschriften können den Länderhaushalten zusätzliche Kosten entstehen, deren genaue Höhe sich mangels konkreter Zahlen derzeit nicht näher beziffern lässt, die sich aber wegen des insgesamt moderaten Umfangs der Erweiterungen unter 100 000 Euro jährlich bewegen dürften.

In Gewaltschutzverfahren entsteht durch die Einführung der gerichtlichen Bestätigung eines Vergleichs zwar ein zusätzlicher Aufwand für das Gericht, dem steht jedoch eine erhöhte Vergleichsbereitschaft gegenüber, die infolge der Schließung der Schutzlücke im Strafrechtsschutz der geschädigten Person zu erwarten ist.

Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Die Regelungen werden keine Auswirkungen für Verbraucherinnen und Verbraucher haben. Sie sind inhaltlich geschlechtsneutral und betreffen Frauen und Männer in gleicher Weise. Auch demografische Auswirkungen sind nicht ersichtlich.

VII. Befristung; Evaluierung

Eine Befristung erscheint nicht erforderlich und ist nicht vorgesehen. Aufgrund der geringen Zahl wissenschaftlicher Forschungsergebnisse ist eine Evaluierung des geänderten § 238 StGB-E nach Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes vorgesehen.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)

Die bisherige Ausgestaltung des Tatbestands des § 238 StGB als Erfolgsdelikt verlangt vom Opfer genau das Verhalten ab, das eigentlich vermieden werden sollte, nämlich eine aufgezwungene Änderung seiner Lebensumstände, die das Gesetz ausschließlich als schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung bewertet. Damit hängt die Strafbarkeit von Nachstellungshandlungen nicht allein von der Handlung des Täters und von deren Intensität, sondern zusätzlich davon ab, ob und wie das Opfer hierauf reagiert. Die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen enthält als Beispiele für schwerwiegende Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung, dass das Opfer die Wohnung nur noch unter Schutzvorkehrungen und schließlich nur noch selten verlässt, bestimmte Orte meidet, seine sozialen Kontakte einschränkt und sich im Extremfall zu einem Wohnungs- und/oder Arbeitsplatzwechsel gezwungen sieht (Bundestagsdrucksache 16/575, S. 8).

Opfer, die in prekären finanziellen oder sozialen Umständen leben, können aber einen kostenintensiven Umzug häufig wirtschaftlich nicht schultern, so dass eine Entscheidung des Opfers für oder gegen einen Umzug mangels Liquidität erst gar nicht getroffen werden kann. Auch ein Arbeitsplatzwechsel ist in vielen Fällen nicht möglich. Unter diese Gruppe fällt ein Teil der Alleinerziehenden. Müssten sie im Extremfall in Betracht ziehen, mit ihren Kindern umzuziehen, um nach außen hin dokumentieren zu können, dass eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihrer Lebensgestaltung vorliegt und sich ihre Lebensumstände gravierend geändert haben, so würde dies dem Prinzip zuwiderlaufen, Trennungskinder mit Blick auf das Kindeswohl (soweit möglich) in ihrer vertrauten örtlichen Umgebung und damit möglichst im selben Umfeld zu belassen. Ein Umzug der Familie würde sowohl für das Opfer als auch für die Kinder weitere beträchtliche Herausforderungen im täglichen Leben mit sich bringen. Die Kinder müssten sich - sofern ein Umzug in eine andere Stadt anstünde - völlig neu in ihrem Umfeld orientieren. Somit impliziert das nach außen hin erkennbare Verhalten des Opfers - im Extremfall ein Umzug - eine starke Beeinträchtigung der Interessen der weiteren Familienangehörigen.

Opfer, die sich durch das Täterverhalten zumindest nach außen hin vermeintlich unbeeindruckt zeigen, stehen dennoch zumeist unter schweren psychischen Belastungen. Mehrere internationale Studien zu den Auswirkungen von Stalking belegen den negativen Effekt beharrlicher Nachstellung auf die Gesundheit der Opfer (vgl. Stadler/Heubrock/Rusch, Hilfesuchverhalten von Stalking-Opfern bei staatlichen Institutionen: Erfahrungen aus dem Hellfeld. Praxis der Rechtspsychologie, 2005, S. 235-252). Auch die Darmstädter und Mannheimer Stalking-Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Stalking "schwerwiegende psychologische und physiologische Beeinträchtigungen bei den Betroffenen verursachen kann" (Wondrak, Auswirkungen von Stalking aus Sicht der Betroffenen. J. Betermann & Feenders (Hrsg.), Stalking - Möglichkeiten und Grenzen der -Intervention, 2004, S. 21 - 35). Die Opfer hoffen darauf, durch ihre Strafanzeige und die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen den Nachstellungen ein Ende setzen zu können, ohne ihrerseits dem Druck des Täters nachgeben und ihre Lebensumstände ändern zu müssen. Wenn aber besonders standhaft und besonnen auftretenden Personen der strafrechtlicher Schutz verwehrt bleiben sollte, wird genau das Gegenteil dessen erreicht, was der Gesetzgeber mit der Einführung eines Nachstellungstatbestands erreichen wollte, nämlich einen effektiveren Schutz vor Nachstellungshandlungen und damit einhergehend einen besseren Opferschutz (Bundestagsdrucksache 16/575, S. 1). Stattdessen besteht die Gefahr, dass der Täter eine Einstellung des Verfahrens als besondere Genugtuung begreift und sich in seinem Tun vielmehr bestätigt fühlt.

Das an den Tag gelegte Verhalten des Betroffenen ist daher - für sich allein genommen - kein geeigneter und ausreichender Maßstab für die Art und Schwere der erlittenen psychischen Beeinträchtigung. Es beruht auf der autonomen Entscheidung des Betroffenen und ist damit zwingend mit seiner Persönlichkeit, seinen Möglichkeiten und seiner Einschätzung der Situation sowie deren weiterer Entwicklung verbunden. Die Strafwürdigkeit des Täterverhaltens kann hiervon nicht abhängen.

Eine strafwürdige Handlung des Täters liegt bereits dann vor, wenn sein Verhalten einen so hohen Druck auf das Opfer erzeugt, dass ein objektivierbarer Anlass für eine Verhaltensänderung besteht (so auch Bundesratsdrucksache 193/14 (PDF) , S. 8). Danach käme es nicht mehr darauf an, ob die Tat eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers verursacht hat, sondern nur noch darauf, ob sie objektiv dazu geeignet ist, eine solche Beeinträchtigung herbeizuführen.

Mit der vorgeschlagenen Änderung des Grundtatbestandes der Nachstellung nach § 238 Absatz 1 StGB-E wird aus dem Erfolgs- ein Eignungsdelikt. Die Tathandlung muss geeignet sein, eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers herbeizuführen, sie muss diese Verhaltensänderung des Opfers aber (noch) nicht herbeigeführt haben. Im Rahmen der Beurteilung kommt dabei in erster Linie dem Grad des psychischen Drucks, den der Täter mit seinem Verhalten erzeugt, Bedeutung zu. Als Indizien können unter anderem die Häufigkeit, Kontinuität und Intensität, ihr zeitlicher Zusammenhang und - auch weiterhin - die beim Opfer eventuell schon eingetretene Änderung der Lebensumstände sowie psychische und körperliche Folgen Berücksichtigung finden. Der objektivierende Beurteilungsmaßstab bleibt unverändert erhalten.

Bei der Umstellung des Tatbestandes auf ein Eignungsdelikt würde die Handlungsgeneralklausel des § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB zu einer zu weit gehenden Strafbarkeit führen. Deshalb und auch unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgebots des Artikels 103 Absatz 2 GG ist vorgesehen, die Generalklausel zu streichen.

Die Ersetzung des Begriffs des "Menschen" durch die Formulierung "Person" zieht entsprechende redaktionelle Anpassungen innerhalb der Beschreibung der Tathandlungen nach sich. Die Konkretisierung, dass es sich beim Opfer um eine "andere" Person handeln muss, sowie die Aufspaltung der Nummer 3 in die Handlungsalternativen Nummer 3 Buchstabe a und Nummer 3 Buchstabe b sind lediglich redaktionelle Klarstellungen bei Gelegenheit der Änderung des Tatbestandes.

Zu Artikel 2 (Änderung der Strafprozessordnung)

Die Belastungen für Verletzte einer Nachstellung sollen reduziert werden. Nach geltender Rechtslage kann die Staatsanwaltschaft ein Verfahren nach § 238 Absatz 1 StGB unter Verweis auf den Privatklageweg einstellen (§§ 170 Absatz 2, 374 StPO). Das bedeutet für Verletzte, dass sie, wenn sie an der Fortführung des Verfahrens interessiert sind, selbst ein Verfahren gegen den Beschuldigten anstrengen müssen. Entscheidet sich der Verletzte für diesen Weg, so muss er in einem Verfahren vor dem Amtsgericht als Strafgericht selbst als Ankläger an Stelle der Staatsanwaltschaft auftreten. Der Verletzte hat dabei das Kostenrisiko unter Einschluss der notwendigen Auslagen des Angeklagten wie die Anwaltskosten (§§ 379, 471 StPO) zu tragen.

Einer Nachstellung nach § 238 Absatz 1 StGB geht eine bewusste und wiederholte Verfolgung bzw. Belästigung des Verletzten voraus, der der Verletzte entgehen möchte. Aus diesem Grund wollen Opfer gerade keinen Kontakt mit dem Täter haben. Empfehlungen für Stalking Opfer raten dazu, jeden Kontaktversuch des Täters konsequent abzublocken (vgl. Empfehlungen der Arbeitsgruppe "Stalking" der Technischen Universität Darmstadt). Auch die polizeiliche Kriminalprävention des Bundes und der Länder rät auf ihrer Homepage (http://www.polizeiberatung.de/opferinformationen/stalking/tipps.html) Opfern einer Nachstellung dringend dazu, den Kontakt mit dem Täter zu vermeiden. Wenn der Verletzte im Wege der Privatklage als Ankläger auftritt, ist der Kontakt zum Täter unvermeidbar. Auch erhält der Täter eine unmittelbare Reaktion und unter Umständen gerade die Aufmerksamkeit durch das Opfer, die er mit seinem Verhalten bezweckt. Es ist somit kontraproduktiv und letztlich nicht zumutbar, Verletzte einer Nachstellung für das Strafverfahren auf den Privatklageweg zu verweisen.

Aus Nummer 86 Absatz 2 Satz 2 der für Staatsanwälte bindenden Richtlinien für das Strafverfahren und für das Bußgeldverfahren (RiStBV) ergibt sich, dass ein öffentliches Interesse zur Erhebung der öffentlichen Klage der in § 374 StPO bezeichneten Straftaten dann vorliegen kann, wenn zwar der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus nicht gestört worden ist, es jedoch dem Verletzten wegen seiner persönlichen Beziehung zum Täter nicht zugemutet werden kann, die Privatklage zu erheben, und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist.

Die Heranziehung dieser Richtlinien und gleichzeitige Wertung der besonderen TäterOpfer-Konstellation bei Stalking-Delikten, bei denen es dem Opfer regelmäßig gerade aufgrund der besonderen Belastungssituation nicht zuzumuten ist, Privatklage zu erheben, führt zu dem Ergebnis, dass im Interesse eines sinnvollen und effektiven Opferschutzes die Nachstellung nach § 238 Absatz 1 StGB nicht von den Verletzten selbst, sondern vom Staat verfolgt wird. Aus diesem Grund wird § 238 Absatz 1 StGB aus dem Katalog der Privatklagedelikte des § 374 Absatz 1 StPO gestrichen.

Zu Artikel 3 (Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu der unter Nummer 2 vorgesehenen Einfügung eines neuen § 214a FamFG in der Entwurfsfassung (FamFG-E).

Zu Nummer 2 (§ 214a FamFG-E)

Im Jahr 2014 wurden 21 Prozent (in 2013: 22 Prozent) der Verfahren in Gewaltschutzsachen vor den Amtsgerichten und 6 Prozent (in 2013: 5 Prozent) der Verfahren in Gewaltschutzsachen vor den Oberlandesgerichten durch Vergleich erledigt. Dennoch vermittelt ein Vergleich der geschädigten Person im Ergebnis einen geringeren Schutz als eine gerichtliche Gewaltschutzanordnung. Denn verstößt der Täter gegen eine in einem Vergleich übernommene Verpflichtung, so greifen zwar selbstverständlich die allgemeinen strafrechtlichen Bestimmungen, der Verstoß als solcher ist aber anders als ein Verstoß gegen eine gerichtliche Gewaltschutzanordnung nicht nach § 4 GewSchG strafbewehrt.

Dies ist insofern unbefriedigend, als auch in Gewaltschutzverfahren der Abschluss von Vergleichen häufig sachgerecht ist. So kann eine von den Beteiligten einvernehmlich getroffene Regelung teilweise besser als eine vom Gericht angeordnete Maßnahme dazu führen, dass sich der Täter an die Verpflichtungen hält und tatsächlich eine Befriedung des Konfliktes eintritt. Oftmals können die Beteiligten selbst den Inhalt der Schutzmaßnahmen auch besser ihren persönlichen Sicherheitsbedürfnissen und Verhältnissen anpassen, als dies dem Gericht möglich ist. Ein Vergleich ist häufig auch dann sinnvoll, wenn Fragen des Gewaltschutzes in einem größeren Zusammenhang zu regeln sind.

Zu denken ist an Fälle, in denen auch Regelungen über den Umgang gemeinschaftlicher Kinder oder über die Nutzung eines Hauses zu treffen sind, in dem weitere Angehörige derjenigen Person leben, die aufgrund einer Gewalttat zumindest vorläufig weichen muss.

Vor diesem Hintergrund soll die effektive Durchsetzung von Vergleichen in Gewaltschutzverfahren verbessert und ein Gleichlauf mit dem strafrechtlichen Schutz bei gerichtlichen Gewaltschutzanordnungen hergestellt werden (vgl. hierzu die unter Artikel 4 vorgesehene Änderung des § 4 GewSchG in der Entwurfsfassung (GewSchG-E)).

Hierzu ist es aber nicht möglich, allein den Verstoß des Täters gegen die in einem Vergleich übernommene Verpflichtung unter Strafandrohung zu stellen. Denn nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben darf ein Verhalten nur dann strafrechtlich geahndet werden, wenn dies zum Schutz der betroffenen Rechtsgüter notwendig und verhältnismäßig ist und dem Bestimmtheitsgebot genügt wird. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn die Beteiligten in Gewaltschutzverfahren durch einen Vergleich letztlich selbst abschließend festlegen könnten, welche Verhaltensweisen zum Schutz der betroffenen Rechtsgüter strafbewehrt würden.

Deshalb soll eine Bestätigung des Vergleichs durch das Familiengericht erforderlich sein, die verfahrensrechtlich in einem neuen § 214a FamFG verankert wird. Nach § 214a Satz 1 FamFG-E soll künftig ein Vergleich, den die Beteiligten in Gewaltschutzverfahren schließen, durch das Gericht insoweit bestätigt werden, wie die im Vergleich übernommenen Schutzmaßnahmen auch im Einzelfall vom Gericht nach § 1 GewSchG hätten angeordnet werden können. Das bedeutet, dass das Gericht vor der Bestätigung insbesondere prüfen muss, ob die verletzte Person einen Antrag gestellt hat, ob eine Tathandlung im Sinne von § 1 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 Satz 1 GewSchG vorlag und ob die vom Täter übernommene Verpflichtung hinreichend bestimmt und verhältnismäßig ist. Der Vergleich sollte dabei in der Regel auch eine Befristung der darin vorgesehenen Schutzmaßnahmen enthalten (vgl. § 1 Absatz 1 Satz 2 GewSchG). Das Gericht kann die im Vergleich vereinbarten Schutzmaßnahmen nur insoweit bestätigen, als diese Voraussetzungen erfüllt sind. Entspricht die Vereinbarung nicht diesen Voraussetzungen, kann das Gericht den Vergleich insoweit nicht bestätigen - dies ist z.B. dann der Fall, wenn in dem Vergleich auch der Antragsteller Verpflichtungen übernommen hat, dieser aber keine Tathandlungen im Sinne des § 1 GewSchG begangen oder der Antragsgegner keinen Antrag nach § 1 GewSchG gestellt hat, oder weil die Beteiligten sich auf Maßnahmen geeinigt haben, die das Gericht nicht nach § 1 GewSchG hätte anordnen können, etwa weil eine erforderliche Befristung fehlt. Auch wenn das Gericht mangels entsprechender Darlegung oder entsprechender Beweise eine Anordnung nicht hätte treffen können, kann es den Vergleich nicht bestätigen. Das Gericht ist nicht gehalten, weitere Ermittlungen zur Bestätigung des Vergleichs anzustellen. Die Bestätigung ergeht nur auf der Grundlage des Sach- und Streitstands zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses.

Es bedarf keiner förmlichen, die Bestätigung des Vergleichs ablehnenden Entscheidung. Daher ist mit Satz 2 gesetzlich vorgesehen, dass nur die gerichtliche Bestätigung nicht anfechtbar ist. Mit dieser Neuregelung im Gewaltschutzverfahren soll - auch terminologisch - nicht an den in § 156 Absatz 2 FamFG geregelten gerichtlich gebilligten Vergleich in Kindschaftssachen angeknüpft werden. Denn die gerichtliche Billigung eines solchen Vergleichs ist die Voraussetzung für seine Vollstreckbarkeit. Hingegen soll der Vergleich in einer Gewaltschutzsache auch weiterhin ohne gerichtliche Bestätigung Vollstreckungstitel nach § 86 Absatz 1 Nummer 3 FamFG bleiben. Die Bestätigung des Vergleichs in einer Gewaltschutzsache soll aber notwendige Voraussetzung für die Strafbewehrung eines Verstoßes gegen eine in dem Vergleich übernommene Verpflichtung sein.

Mit der in Artikel 4 vorgesehenen Erweiterung des strafrechtlichen Schutzes auf den neugeregelten gerichtlich bestätigten Vergleich in Gewaltschutzsachen ist auch eine Änderung der allgemeinen Vergleichsregelung in § 36 Absatz 1 Satz 2 FamFG nicht verbunden. Nach wie vor soll das Gericht in Gewaltschutzsachen auf eine gütliche Einigung nicht hinwirken. Nur dann, wenn die Beteiligten Vergleichsbereitschaft zeigen, kann das Gericht bereits nach geltendem Recht den Abschluss eines Vergleichs fördern, so dass insoweit keine Gesetzesänderung notwendig ist.

Zu Nummer 3 (§ 216a FamFG-E)

Durch die Ergänzung wird vorgesehen, dass künftig eine Mitteilungspflicht des Familiengerichts an die zuständige Polizeibehörde und andere öffentliche Stellen auch in den Fällen eines gerichtlich bestätigten Vergleichs nach § 214a FamFG-E besteht.

Zu Artikel 4 (Änderung des Gewaltschutzgesetzes)

Eine im Wege eines Vergleichs zustande gekommene und gerichtlich bestätigte Verpflichtung des Täters soll künftig nach § 4 Satz 1 Nummer 2 GewSchG-E ebenso wie eine gerichtliche Gewaltschutzanordnung (künftig § 4 Satz 1 Nummer 1 GewSchG-E) strafbewehrt sein. Auf diese Weise wird eine bestehende Lücke im Gewaltschutz geschlossen und der Schutz der verletzten oder bedrohten Person verbessert, die künftig nicht allein aufgrund eines verminderten strafrechtlichen Schutzes vor dem Abschluss eines inhaltlich sinnvollen Vergleichs zurückschrecken soll.

Dabei ist ein weitgehender Gleichlauf zum Fall der Verletzung einer gerichtlichen Gewaltschutzanordnung vorgesehen. So hat das Strafgericht auch bei Verletzung einer vom Täter in einem Vergleich übernommenen Verpflichtung zugleich zu überprüfen, ob die gerichtliche Bestätigung "nach § 214a Satz 1" FamFG-E "in Verbindung mit § 1 Absatz 1 Satz 1 oder 3, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1" GewSchG und damit zu Recht erteilt worden ist. Stellt sich im Strafverfahren heraus, dass die Bestätigung nicht hätte erteilt werden dürfen, weil die Verpflichtung nicht nach § 1 GewSchG hätte angeordnet werden können (beispielsweise weil der Täter die zugrunde gelegte Tat nicht begangen hat), ist auch hier wie beim bisherigen § 4 Satz 1 GewSchG der Straftatbestand nicht erfüllt. Zugleich wird durch das Erfordernis einer gerichtlichen Bestätigung verhindert, dass sich die verletzte oder bedrohte Person dadurch strafbar machen könnte, dass sie selbst gegen Verpflichtungen verstößt, die sie ihrerseits in dem Vergleich übernommen hat.

Nicht erforderlich ist es, auch im EU-Gewaltschutzverfahrensgesetz (EUGewSchVG) eine dem künftigen § 4 Satz 1 Nummer 2 GewSchG-E entsprechende Vorschrift über die Strafbarkeit von Verstößen gegen in einem Vergleich übernommene Schutzverpflichtungen zu ergänzen. Das EUGewSchVG enthält zwar in § 24 eine Strafvorschrift zu Verstößen gegen bestimmte vollstreckbare Anordnungen, die § 4 GewSchG nachgebildet ist. Für Anerkennungsverfahren nach dem EUGewSchVG sind aber anders als in Verfahren nach dem GewSchG Vergleiche nicht vorgesehen: Erkennt das Gericht eine Europäische Schutzanordnung an, erfolgt nach § 9 EUGewSchVG zwingend eine gerichtliche Anordnung.

Zu Artikel 5 (Inkrafttreten)

Artikel 5 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes am Tag nach der Verkündung.