Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Dezember 2008 mit Empfehlungen an die Kommission zur E-Justiz (2008/2125(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 0336 - vom 14. Januar 2009.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 18. Dezember 2008 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass der Rat im Jahr 2007 beschlossen hat, mit der Arbeit an der Entwicklung der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) im Bereich der Justiz auf europäischer Ebene, insbesondere durch die Einrichtung eines europäischen Portals, zu beginnen,

B. in der Erwägung, dass Schätzungen zufolge etwa zehn Millionen Menschen in Europa an Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug beteiligt sind und daher eine stärkere Nutzung von Informationstechnologien (IT) von wesentlicher Bedeutung ist, um einen besseren Zugang der Bürgerinnen und Bürger zur Justiz zu gewährleisten, die Gerichtsverfahren zu rationalisieren und zu vereinfachen, Verfahrensfristen zu verkürzen sowie die Betriebskosten für Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug zu senken,

C. in der Erwägung, dass der Begriff e-Justiz umfassend definiert wird, wobei unter ihm im Allgemeinen die Nutzung elektronischer Technologien im Bereich der Justiz verstanden wird; in der Erwägung, dass diese Definition einige Fragen einschließt, die nicht notwendigerweise mit dem Begriff e-Justiz in Verbindung gebracht werden, wie er von der Kommission in ihrer oben genannten Mitteilung vom 30. Mai 2008 und von der Gruppe "Rechtsinformatik" ("e-Justiz") des Rates ausgelegt wird,

D. in der Erwägung, dass IT, wenn sie richtig angewendet werden, einen beträchtlichen Beitrag zur Verbesserung der Zugänglichkeit und Effizienz der Gerichts- und Rechtssysteme in Europa leisten können; in der Erwägung, dass sich angesichts eines zunehmend integrierten Binnenmarktes und der wachsenden Mobilität innerhalb Europas Probleme, mit denen grenzüberschreitend tätige Justizsysteme automatisch konfrontiert sind, wie beispielsweise Probleme in Bezug auf Sprache, Entfernung und Unkenntnis der Rechtssysteme, immer häufiger stellen; in der Erwägung, dass diese Probleme jedoch durch die geeignete Anwendung von IKT bis zu einem gewissen Grad entschärft werden können, wodurch den europäischen Bürgerinnen und Bürgern nicht nur der Zugang zur Justiz erleichtert, sondern auch die Effizienz des Binnenmarkts gefördert wird,

E. in der Erwägung, dass die Anwendung elektronischer Technologien im Bereich der Justiz, wie im Bericht der CEPEJ über die Nutzung von IKT in europäischen Rechtssystemen betont wird, nicht immer positive Auswirkungen hat und dass die Maßnahmen in einem institutionellen und strategischen Rahmen durchgeführt werden müssen, um zu guten Ergebnissen zu führen,

F. in der Erwägung, dass die Nutzung von IT für die Streitbeilegung langfristig grundlegende Änderungen des Verfahrensrechts und der Art und Weise der Konzipierung und Ausarbeitung von Rechtsvorschriften notwendig machen und der effiziente Zugang zum Recht und zur Justiz die Vernetzung von Registern (Handels- und Unternehmensregistern, Grundbüchern und Testamentsregistern usw.) erfordern wird; in der Erwägung, dass sich das Parlament bereits dafür eingesetzt hat, den Zugang zur Justiz mit der Nutzung von IT besser vereinbar zu machen, als es Rechtsvorschriften für geringfügige Forderungen, den europäischen Vollstreckungstitel und die Schlichtung behandelt hat; in der Erwägung, dass die Nutzung von IT in allen Bereichen gefördert werden muss, einschließlich bei der Einreichung, Verteilung und Zustellung von Schriftstücken, bei Zeugenaussagen und der Bearbeitung von Anträgen auf Prozesskostenhilfe, und infolgedessen in allen künftigen Legislativvorschlägen Berücksichtigung finden sollte; in der Erwägung, dass in den Bereichen elektronische Schriftstücke, Transparenz des Schuldnervermögens und Beweismittel Maßnahmen bereits in Erwägung gezogen werden könnten,

G. in der Erwägung, dass die Idee für die Einrichtung eines e-Justizportals/-netzes begrüßt wird, dass jedoch darauf zu achten ist, dass den Bedürfnissen sowohl der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union als auch der Angehörigen der Rechtsberufe in der Europäischen Union Rechnung getragen wird und dass der Zugang zur Justiz erleichtert wird, indem transparente und leichte Zugangsmöglichkeiten zu Informationen geschaffen werden; in der Erwägung, dass dadurch die Beziehungen zwischen den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union und den nationalen Behörden erleichtert werden sollten und Opfer von Straftaten, Verdächtige und diejenigen, die die "Justiz in Anspruch" nehmen, im Allgemeinen in die Lage versetzt werden sollten, in ihrem täglichen Leben Nutzen aus den EU-Justiz-Werkzeugen zu ziehen; in der Erwägung, dass das Portal/Netz, um wirklich effektiv zu sein, gleichzeitig als ein Pilotprojekt in den Rahmen der transeuropäischen Netze aufgenommen werden sollte, die in Artikel 154 des EG-Vertrags genannt sind und die über Interoperabilitätslösungen für europäische öffentliche Verwaltungen (ISA), wie sie in der Mitteilung der Kommission vom 29. September 2008 (KOM (2008) 0583) genannt sind, entwickelt werden,

H. in der Erwägung, dass - da nur 50% der europäischen Bürgerinnen und Bürger Internetzugang haben - die Entwicklung und die Durchführung von Dienstleistungen im Bereich der e-Justiz unter strikter Einhaltung des Grundsatzes der Transparenz, der Gleichheit vor dem Gesetz und der Kontrolle durch die Öffentlichkeit erfolgen und zumindest während einer Übergangszeit einen ergänzenden und optionalen Charakter in Bezug auf die bislang von den Mitgliedstaaten geübte Praxis haben sollten,

I. in der Erwägung, dass die existierenden Portale primitiv, überladen und nicht nutzerfreundlich sind; in der Erwägung, dass die besten IT-Spezialisten damit betraut werden sollten, den Zugang zu Informationen, elektronischen Systemen und Registern zu verbessern; in der Erwägung, dass ein einziges europäisches Justizportal mit einem unterschiedlichen Zugang für Richter und Staatsanwälte und Beamte, Angehörige der Rechtsberufe und sonstiger Berufe sowie für die Bürgerinnen und Bürgern mit einem Identitätsmanagement-System ausgestattet sein sollte, um den für die Bürgerinnen und Bürger vorgesehenen Bereich von dem für Fachleute bestimmten Bereich zu trennen; in der Erwägung, dass es zwar wichtig ist, auf dem Europäischen Justiziellen Netz aufzubauen und es zu verbessern, dass der Schwerpunkt allerdings wie niemals zuvor auf dem Zugang der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen zur Justiz liegen sollte,

J. in der Erwägung, dass aufgrund der geringen Zahl von Justizbehörden, die Zugang zu juristischer Aus- und Fortbildung der Europäischen Union haben, bei der Erreichung des Ziels, einen europäischen Rechtsraum zu schaffen, keine nennenswerten Fortschritte zu verzeichnen sind, und dass elektronische Werkzeuge einen erheblichen Beitrag zur weiten Verbreitung einer europäischen Rechtskultur leisten könnten, die die Grundlage für den künftigen europäischen Rechtsraum bildet,

K. in der Erwägung, dass den beträchtlichen Unterschieden im Kenntnisstand nationaler Richter auf dem Gebiet des Gemeinschaftsrechts Rechnung getragen werden sollte, wie dies vom Parlament in seiner Entschließung vom 9. Juli 2008 zur Rolle des einzelstaatlichen Richters im europäischen Rechtsgefüge1 hervorgehoben wurde,

L. in der Erwägung, dass die Kernfragen auf dem Gebiet der e-Justiz, einschließlich der Fragen, die sich auf die Sprache beziehen, unverzüglich angegangen werden müssen,

M. in der Erwägung, dass die Justizminister einen dezentralisierten Ansatz für die Entwicklung der e-Justiz auf europäischer Ebene mit einer gewissen zentralen Koordinierung befürwortet haben, so dass Informationen europaweit ausgetauscht werden können, während gleichzeitig die nationalen Systeme unabhängig davon betrieben werden können und die Belastungen vermieden werden, die bei der Einrichtung eines neuen zentralisierten EU-e-Justizsystems automatisch entstehen; in der Erwägung, dass manche Mitgliedstaaten bilateral zusammenarbeiten; in der Erwägung, dass die Gruppe des Rates zu der Schlussfolgerung gelangt ist, dass Initiativen im Bereich der e-Justiz für die Mitgliedstaaten nicht obligatorisch sein sollten, sondern diese vielmehr dazu verpflichten sollten, neue nationale Systeme einzuführen oder die bestehenden grundlegend zu ändern,

N. in der Erwägung, dass sich die Informationstechnologien als ein effektives Werkzeug für die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität erwiesen haben, wie die Ergebnisse unterstreichen, die beispielsweise mit dem Schengener Informationssystem und seinen Weiterentwicklungen erzielt worden sind, und dass das Potenzial der Hochtechnologie bei der Verhütung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität in vollem Umfang ausgeschöpft werden und Projekten wie dem Europäischen Strafregisterinformationssystem weit reichende Unterstützung, auch in finanzieller Hinsicht, zukommen sollte,

O. in der Erwägung, dass das derzeitige System der Beweiserhebung in Strafsachen in anderen Mitgliedstaaten nach wie vor auf den langsamen und ineffektiven Instrumenten der gegenseitigen Rechtshilfe in Strafsachen beruht; in der Erwägung, dass die Nutzung von technologischen Werkzeugen wie Videokonferenzen in Fällen, in denen dies angemessen ist, und nur dann, wenn dies der Rechtsstellung der Person, die eine Aussage macht, nicht zum Nachteil gereichen würde, ein großer Fortschritt bei der Beweiserhebung aus der Ferne wäre,

P. in der Erwägung, dass die Schaffung eines europäischen Rechtsraums auch eine Stärkung der Grundrechte und der Verfahrensgarantien der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union mit sich bringt, und dass die Strategie in vollem Einklang mit den höchsten Datenschutzstandards umgesetzt werden sollte,

Q. in der Erwägung, dass die legislativen Maßnahmen zur Verbesserung der Kenntnisse der Strafrechtssysteme der anderen Mitgliedstaaten mit der Online-Bereitstellung entsprechender Informationen einhergehen sollten,

Anlage
Ausführliche Empfehlungen zum Inhalt des Geforderten Vorschlags

Empfehlung 1 (zur Form und zum Geltungsbereich des anzunehmenden Instruments)

Sollte der Rat keine Entschließung zu einem Aktionsplan annehmen, mit der die Kommission in seine Durchführung eingebunden wird, wird die Kommission ersucht, einen Aktionsplan über die e-Justiz auf europäischer Ebene auszuarbeiten. Dieser sollte, wie unten im Einzelnen dargelegt, eine Reihe von Einzelmaßnahmen enthalten, von denen einige in Legislativvorschläge münden könnten, beispielsweise für die Zusammenarbeit der Verwaltungen gemäß Artikel 66 des EG-Vertrags, andere in Empfehlungen und wieder andere in Verwaltungsrechtsakte und Beschlüsse. (Konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des europäischen Rechtsraums) Der erste Schritt in diese Richtung würde natürlich darin bestehen, alle Justizbehörden in der Europäischen Union mit Computern, E-Mail-Adressen und Internetanschlüssen auszurüsten. Dies mag selbstverständlich erscheinen, ist es aber leider nicht. Vielfach werden die Justizbehörden nicht mit diesem unverzichtbaren Rüstzeug ausgestattet oder, wenn doch, dann können oder wollen sie es nicht nutzen. Dies muss sich ändern. (Klare Festlegung des Geltungsbereichs der e-Justiz) Zur Vermeidung von Missverständnissen wäre es angezeigt, die durch EU-Maßnahmen abgedeckten Aspekte klar festzulegen, beispielsweise indem eine andere Definition verwendet oder dem Terminus e-Justiz das Präfix "EU" vorangestellt wird, woraus sich der Begriff EU-e-Justiz oder EU-Justiz ergibt.

Empfehlung 2 (zum Mindestinhalt des anzunehmenden Instruments)

Der Aktionsplan sollte mindestens aus folgenden Maßnahmen bestehen:

1. (Aktionsplan zur EU-Justiz)

Die Kommission sollte zur Vermeidung von Zersplitterung und zur besseren Koordinierung und Kohärenz gemeinsam mit dem Parlament einen auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger und die Angehörigen der Rechtsberufe abgestimmten Aktionsplan zur EU-Justiz erarbeiten, in dem eine Strategie für die bestmögliche Umsetzung des europäischen Rechtsraums vorgeschlagen wird. Diesbezüglich sollten die EU-Organe und die Mitgliedstaaten (gemäß Artikel 10 des EG-Vertrags) loyal zusammenarbeiten, indem sie sich dazu verpflichten, sich gegenseitig einschlägige Informationen zu übermitteln, auch über neu angenommene Rechtsvorschriften, wie dies im Binnenmarkt analog in Bezug auf den Informationsaustausch über einzelstaatliche technische Vorschriften bereits praktiziert wird. Gleichzeitig muss trotz der Tatsache, dass alle Maßnahmen zur Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses von Informationen begrüßt werden, darauf geachtet werden, die Nutzung automatischer Übersetzungssysteme klar zu definieren und einzugrenzen, da diese manchmal "Übersetzungen" hervorbringen, die sich als irreführend erweisen.

2. Maßnahmen im Hinblick auf zukunftssichere Rechtsvorschriften

Alle künftigen Vorschläge sollten eine begründete Erklärung der Kommission dazu enthalten, dass eine Überprüfung der e-Justiz-Freundlichkeit durchgeführt wurde.

Die Kommission sollte eine Überprüfung aller geltenden Rechtsvorschriften im Bereich der Ziviljustiz durchführen und erforderlichenfalls Änderungen vorschlagen, um die geltenden Rechtsvorschriften mit den Anforderungen der e-Justiz in Einklang zu bringen. Die Kommission wird in diesem Zusammenhang insbesondere gebeten, vorrangig das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen, den europäischen Vollstreckungstitel und die alternative Streitbeilegung zu prüfen, um es den Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen zu ermöglichen, zu ihnen direkten Online-Zugang zu haben. In gleicher Weise sollte die Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken1 und die Verordnung über die Beweisaufnahme in Zivilsachen2 einer Überprüfung unterzogen werden. Ziel sollte dabei sein, eine Reihe effektiver, einfacher Instrumente bereitzustellen, die für den Normalbürger und Kleinunternehmen nützlich und nutzbar sind, und nicht ein System, welches lediglich mit Forderungen großen Umfangs befasste Prozessparteien aus dem Handelssektor begünstigt.

3. Maßnahmen betreffend das Zivilverfahren

Die Kommission und der Rat sollten dem Europäischen Parlament Bericht über die Reform und die Harmonisierung des Verfahrens- und Beweisrechts in Fällen mit grenzüberschreitendem Bezug und in Fällen, die vor dem Gerichtshof verhandelt werden, erstatten und dabei den Entwicklungen auf dem Gebiet der IT Rechnung tragen. Das Ziel sollten einfachere, billigere und schnellere Zivilverfahren in Streitsachen mit grenzübergreifendem Bezug sein.

4. Maßnahmen betreffend das Vertrags- und Verbraucherrecht

Hier sollte der Schwerpunkt auf das vorbeugende Recht gelegt werden, indem für größere Klarheit und Einfachheit gesorgt wird und die Schwierigkeiten, Probleme und Kosten, die insbesondere mit dem internationalen Privatrecht verbunden sind, vermieden werden.

In diesem Zusammenhang wird die Kommission gebeten, standardisierte Betriebsbedingungen für den elektronischen Handel zu erarbeiten. Schließlich wären elektronische Händler dadurch in der Lage, einen "Blue Button" anzubieten, über den die Verbraucher (oder andere Händler) die Geltung des standardisierten europäischen Vertragsrechts für ihre Transaktionen akzeptieren könnten. Damit könnten ein Online-Beschwerdesystem und der Zugang zur angenommenen online verfügbaren alternativen Streitbeilegung verknüpft werden.

5. Maßnahmen betreffend die Aspekte Sprache, Mehrsprachigkeit und Interoperabilität

Es sollte ein Programm gestarted werden, mit dem geprüft wird, wie Online-Übersetzungsmöglichkeiten für die europäischen e-Justizportale bestmöglich bereitgestellt werden können. Gleichzeitig sollte eine Arbeitsgruppe für die Vereinfachung und Standardisierung der Terminologie eingesetzt werden. Jeder Mitgliedstaat sollte eine Datenbank von Gerichtsübersetzern und -dolmetschern zur Verfügung stellen.

6. Maßnahmen betreffend die europäischen e-Justizportale

Alle oben genannten Maßnahmen sollten in einer Koordinierungs- und Steuerungsstelle zusammenlaufen, welche auch für die Koordinierung der Beiträge der verschiedenen Mitgliedstaaten zuständig ist und gewährleistet, dass sie interoperabel sind.

Die Koordinierungs- und Steuerungsstelle sollte auch für den Aufbau und den Betrieb des europäischen e-Justizportals zuständig sein, das Bereiche für die Bürgerinnen und Bürger, Angehörige der Rechtsberufe, Richter und Staatsanwälte sowie Beamte vorsehen sollte, und dem für Justiz, Freiheit und Sicherheit zuständigen Kommissionsmitglied, dem Europäischen Parlament und dem Rat Bericht erstatten. Machbarkeitsstudien über die Nutzung von elektronischen Signaturen in einem Rechtsrahmen, den Fernzugang zu nationalen Registern (Insolvenzregistern, Grundbüchern, Handelsregistern usw.) und die Schaffung eines sicheren Netzes sollten so schnell wie möglich (nicht später als 2009-2010) in Angriff genommen werden, wobei die vom Rat bereits erzielten Ergebnisse (Vernetzung von Insolvenzregistern, mögliche Zusammenarbeit mit dem Europäischen Grundbuchportal EULIS und dem Europäischen Handelsregister EBR) zu berücksichtigen sind. Die Machbarkeitsstudie für den virtuellen Raum für den Informationsaustausch sollte im Jahr 2011 beginnen. Die Machbarkeitsstudien sollten die in jedem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften für die Bekanntmachung und den Zugang zu Informationen einhalten, damit der Datenschutz und die Rechtssicherheit der Informationen garantiert sind.

Bei der Durchführung dieser Studien, sollte der in diesem Bereich von Notaren bereits geleisteten Arbeit (Anerkennung von Signaturen, elektronischer Notar ("e-Notary"), Testamentsregister usw.) Rechnung getragen werden. Ziel ist es, den Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen, Angehörigen der Rechtsberufe, Richtern und Staatsanwälten und Beamten, die mit der Rechtspflege befasst sind, nutzerfreundliche Werkzeuge bereitzustellen.

a) Das europäische e-Justizportal für die Bürgerinnen und Bürger

Dieses mehrsprachige Portal sollte so konzipiert werden, dass Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen, die Rechtsbeistand und eine erste Rechtsberatung im Zusammenhang mit rechtlichen Problemen mit grenzüberschreitendem Bezug nachsuchen, jedwede Hilfe zuteil wird.

Abgesehen vom Zugang zu Rechtsdatenbanken und elektronischen Rechtsmitteln (geringfügige Forderungen, Zahlungsbefehl), online verfügbaren alternativen Streitbeilegungsverfahren (einschließlich SOLVIT) und Bürgerbeauftragten sollte das Portal intelligente Systeme beinhalten, welche die Bürgerinnen und Bürger dabei unterstützen herauszufinden, wie sie mit rechtlichen Problemen umgehen sollen. Solche Systeme sollten den Menschen praktische Hinweise dafür geben, wie sie

Wo dies möglich ist, sollte eine kostenlose erste Rechtsberatung per E-Mail durch und unter der Aufsicht nationaler Berufsorganisationen erfolgen. Wenigstens Verzeichnisse von Rechtsanwälten, Notaren, Gerichtsvollziehern und Zustellungsbeamten, Abschlussprüfern, national zugelassenen Sachverständigen und Gerichtsübersetzern und -dolmetschern in jedem Mitgliedstaat sollten zusammen mit Links zu der zuständigen Berufsorganisation zur Verfügung stehen. Ferner sollten auch leicht verständliche Leitfäden für das Rechtssystem jedes Mitgliedstaats bereitgestellt werden.

Ein schneller Zugang zu Rechtsbeistand in Notfällen und zur Polizei sollte ebenfalls möglich sein.

Ferner sollte das Portal auch den Zugang zu verschiedenen Registern und die Veröffentlichung nationaler Amtsblätter ermöglichen.

b) Das sichere europäische e-Justizportal

Das Portal sollte als ein Werkzeug konzipiert werden, welches von Richtern, Justizbeamten, Beamten der nationalen Justizministerien und praktizierenden Rechtsanwälten genutzt wird und mit einer Sicherheit ausgestattet ist, die durch unterschiedliche Zugangsrechte gewährleistet wird.

Abgesehen vom Zugang zu Rechts- und Gesetzesdatenbanken und einer möglichst vollständigen Bandbreite nationaler Register sollte das Portal auch die Sicherheit der Kommunikation, von Videokonferenzen und des Austauschs von Schriftstücken zwischen den Gerichten und zwischen den Gerichten und den Verfahrensparteien (Dematerialisierung von Verfahren) gewährleisten. Das Portal sollte zu diesem Zweck auch die Überprüfung elektronischer Signaturen ermöglichen und angemessene Überprüfungssysteme bereitstellen.

Das Portal sollte ebenfalls ein Instrument für den Austausch von Informationen darstellen, beispielsweise über Personen, die nicht mit Kindern arbeiten oder als Direktor eines Unternehmens tätig sein dürfen.

Schließlich sollten die Kontaktstellen des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten ermutigt werden, eine aktive Rolle bei der Entwicklung der europäischen e-Justiz zu spielen, indem sie einen Beitrag zur Konzeption und Gestaltung der künftigen Portale leisten, auch des e-Justizportals für die Bürgerinnen und Bürger, welches Teil der Gemeinschaftspolitik für die e-Justiz ist, die insbesondere darauf ausgerichtet ist, den direkten Zugang der Bürgerinnen und Bürger zur Justiz herzustellen. Als einen ersten Schritt hierzu sollten die Websites der nationalen Ministerien für Justiz einen Link zu der Website des Europäischen Justiziellen Netzes aufweisen.

Das Portal sollte den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union Informationen über das Strafjustizsystem der Mitgliedstaaten bereitstellen, insbesondere Informationen über ihre Rechte, und praktische Informationen darüber enthalten, welche Behörde wie anzusprechen ist, wie Formulare erlangt werden können, über Rechtsbeistand sowie Listen von Rechtsanwälten, die sich mit Rechtsproblemen ausländischer Mandanten befassen. Das Portal sollte Angehörigen der Rechtsberufe ferner Informationen über das EU-Recht und die einschlägigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen. Die Websites der Europäischen Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten (EJT), des Europäischen Justiziellen Netzes in Zivil- und Handelssachen (EJN), des Europäischen Netzwerks zur Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten (EJTN) und anderer Einrichtungen bieten bereits viele nützliche Informationen. Diese Informationen sind allerdings lückenhaft und nicht leicht zu finden. Die einschlägigen Gerichtsentscheidungen sollten auch zur Verfügung gestellt werden. Alle diese Informationen sollten online und offline verfügbar sein, wobei besonders darauf zu achten ist, dass Synchronisierungsmechanismen eingebaut werden, die aktualisierte Informationen anbieten (RSS-feed).

7. Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten

Um die europäische Rechtskultur zu verbreiten und so viele Mitglieder des Justizwesens wie möglich unmittelbar bei ihrem Eintritt ins Justizwesen zu erreichen, sollte jedem neu ernannten Mitglied des Justizwesens eine Art "Notausrüstung" in Form einer CD oder eines USB-Key mit dem EU-Vertrag, dem EG-Vertrag sowie den grundlegenden Texten über die justizielle Zusammenarbeit und Informationen über das Justizsystem der anderen Mitgliedstaaten bereitgestellt werden. Ferner sollte über EU-Publikationen für die Bürgerinnen und Bürger nachgedacht werden, die praktische Informationen über die justizielle Zusammenarbeit der Europäischen Union und die Strafjustizsysteme anderer Mitgliedstaaten enthalten. Außerdem sollten die elektronischen Aus- und Fortbildungswerkzeuge des EJTN, in dem Einrichtungen für justizielle Aus- und Fortbildung in der gesamten Europäischen Union gebündelt sind, angemessene Beachtung und Unterstützung vom Rat und von der Kommission finden.

8. Verhütung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität

Die bislang wichtigste Anwendung der e-Justiz im Bereich der Strafjustiz ist die Einrichtung des Europäischen Strafregisterinformationssystems. Um effektiv arbeiten zu können, muss dieses System durch eine elektronische Struktur unterstützt werden, die in der Lage ist, alle nationalen Strafregister1 miteinander zu vernetzen. Diese Struktur sollte unverzüglich eingerichtet werden. Eine weitere wichtige IT-Anwendung für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist das Schengener Informationssystem (SIS), eine groß angelegte Datenbank, die die einschlägigen Behörden in den Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, Informationen auszutauschen und auf vielerlei Art zusammenzuarbeiten, auch durch sichere und äußerst schnelle Übermittlung Europäischer Haftbefehle. Wie aus der Entschließung des Parlaments vom 2. September 20082 hervorgeht, ist Eurojust ein Hauptakteur bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität auf EU-Ebene. Die Koordinierungstätigkeit von Eurojust ist von grundlegender Bedeutung für die Bekämpfung von Erscheinungsformen der Schwerkriminalität, die sich zunehmend technologischer Mittel bedient. Auch Dank des innovativen Datenverarbeitungssystems (des E-POC-Systems) von Eurojust ist die Zahl der von Eurojust im Jahr 2008 bearbeiteten Fälle auf über 1 000 Fälle gestiegen. Diese Beispiele müssen zahlreicher werden und aus EU-Mitteln finanziert werden.

9. Nutzung von Videokonferenzen

Die Nutzung von Videokonferenzen im Zusammenhang mit Strafverfahren ist in manchen Mitgliedstaaten relativ üblich. Sie ermöglicht die Beweisaufnahme, indem die Aussagen der Angeklagten, Zeugen oder Sachverständigen aufgenommen werden, ohne dass sie physisch anwesend sind, und gewährleistet gleichzeitig einen angemessenen Schutz der Schutzbedürftigen. Das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen aus dem Jahr 2000 regelt die Vernehmung von Zeugen, Angeklagten und Sachverständigen per Videokonferenz. Das Übereinkommen ist inzwischen von 24 Mitgliedstaaten ratifiziert worden. Das Europäische Parlament fordert die Mitgliedstaaten auf, den Ratifizierungsprozess so schnell wie möglich abzuschließen. Noch liegen keine Statistiken über die praktische Anwendung von Videokonferenzen vor. Allem Anschein nach wird das Potenzial von Videokonferenzen noch nicht völlig ausgeschöpft. Einer der Gründe hierfür ist der Mangel an der erforderlichen elektronischen Unterstützung. Die entsprechende Unterstützung und finanzielle Hilfe der Europäischen Union sollten so schnell wie möglich bereitgestellt werden.

10. Stärkung der Grundrechte und der Verfahrensgarantien

Jeder technologische Fortschritt ist zu begrüßen, vorausgesetzt, dass er nicht die Grundrechte beeinträchtigt. Bei der Konzipierung und Umsetzung der Strategie und des Aktionsplans sollte dies berücksichtigt und großes Augenmerk darauf gelegt werden, dass die Grundrechte und insbesondere die Verfahrensrechte und der Datenschutz gewahrt bleiben, indem die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union das Recht auf Zugang zu den gespeicherten und zwischen den zuständigen Behörden ausgetauschten Daten erhalten und sie über die verfügbaren Rechtsbehelfe unterrichtet werden. Eine echte Strategie für die e-Justiz kann nicht ohne eine Harmonisierung der Verfahrensgarantien und geeignete Datenschutzgarantien, die für die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen gelten, funktionieren.