Der Bundesrat hat in seiner 853. Sitzung am 19. Dezember 2008 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat lehnt den Vorschlag für eine Verordnung zur Verwendung antimikrobieller Stoffe zur Entfernung von Oberflächenverunreinigungen von Geflügelschlachtkörpern aus grundsätzlichen Erwägungen ab.
Die Zulassung von antimikrobiellen Stoffen zur Behandlung von Geflügelfleisch würde eine Abkehr vom Grundsatz der Einhaltung der Hygienevorschriften auf allen Stufen der Produktion ("vom Feld bis zum Teller") bedeuten. Durch eine entsprechende Behandlung von Geflügelfleisch am Ende der Produktionskette werden ggf. Hygienemängel während der Herstellung kaschiert. Die Gefahr der Vernachlässigung der Hygiene im Herkunftsbetrieb und während des Schlachtprozesses wird dadurch größer.
- 2. Die europäischen Lebensmittelunternehmer handeln nach den rechtlichen Vorgaben des sogenannten EU-Hygienepakets, um eine durchgängige Hygiene sicherzustellen. Die Zulassung einer nachträglichen antimikrobiellen Behandlung steht diesem Handeln entgegen. Das EU-Hygienepaket wäre in Frage gestellt und mit entsprechendem politischen Erklärungsbedarf gegenüber den betroffenen Lebensmittelunternehmern und Verbrauchern wäre zu rechnen.
- 3. Es ist zu befürchten, dass die Verwendung antimikrobieller Stoffe zur Entfernung von Oberflächenverunreinigungen von Geflügelschlachtkörpern Signalwirkung auf andere Bereiche der Lebensmittelproduktion haben könnte.
- 4. Der Bundesrat stellt fest, dass sich die im Geflügelfleischbereich etablierten Systeme zur Einhaltung der Hygiene während der gesamten Produktionskette bewährt haben. Es wird Geflügelfleisch produziert, das nicht erst am Ende des Produktionsprozesses durch chemische Dekontamination in einen hygienischen Zustand versetzt wird.
Der ganzheitliche Ansatz der konsequenten Kontaminationsvermeidung bereits beim Erzeuger, bei Transporten und schließlich im Schlachthof wird vom Verbraucher erwartet und von der Geflügelwirtschaft seit langem umgesetzt.
Auch ohne zusätzliche chemische Dekontamination ist das nach den europäischen Standards erzeugte Geflügelfleisch unter normalen Verwendungsbedingungen ein sicheres Lebensmittel.
Eine antimikrobielle Behandlung ist daher nicht nur unnötig, sondern gefährdet möglicherweise die bisher erreichten Hygienestandards. Die Beteiligten des Produktionsprozesses könnten in der Annahme, jeweilige Defizite in der Prozesshygiene durch eine Endbehandlung ausgleichen zu können, in ihrem Hygienebestreben nachlassen.
- 5. Das Fehlen von ausreichendem, belastungsfähigen Datenmaterial hinsichtlich möglicher Umweltauswirkungen und Resistenzen ist ein weiterer Grund, dem Vorschlag nicht zustimmen zu können. Aussagefähige Daten sollten bereits zum Zeitpunkt der Genehmigung der antimikrobiellen Stoffe vorliegen und nicht erst während deren Anwendung gesammelt werden.
- 6. Die Kontrolle der Kennzeichnung des behandelten Fleisches und der Produkte sowie entsprechende Maßnahmen bei Missachtung der rechtlichen Anforderungen würden einen vermehrten bürokratischen Aufwand nach sich ziehen, ohne dass Vorteile für Wirtschaftsbeteiligte und Verbraucher entstünden.
Die Behandlung von Geflügelfleisch mit antimikrobiellen Stoffen (u. a. Chlorverbindungen) ist auch aus fachlicher Sicht abzulehnen, da Rückstände von Chlorverbindungen auf dem Fleisch und Resistenzbildung von Keimen möglich sind. Auch wird keine vollständige "Dekontamination" des Fleisches erreicht, d. h. in der Tiefe der Muskulatur oder in oberflächlichen faltigen Bereichen des Fleisches können Keime (z.B. Salmonellen, Campylobacter) zurückbleiben.
- 7. Die vorgesehenen Grenzwerte bei Einleitung in Oberflächengewässer von 0,4 mg/l Gesamtchlor sind zudem weit höher als die in Deutschland üblichen Begrenzungen und damit angesichts der bekannt hohen Fischtoxizität von freiem Chlor unzureichend.
- 8. Im Übrigen sehen neben den Mitgliedstaaten, die diesen Vorschlag im Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit im Sommer 2008 abgelehnt haben, auch die europäischen Verbände der Landwirtschaft und der Geflügelwirtschaft diesen Vorschlag äußerst kritisch und befürchten erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber Geflügelfleischimporten aus den USA.
Zu Artikel 5
- 9. Ergänzend zu diesen allgemeinen Überlegungen weist der Bundesrat darauf hin, dass die in Artikel 5 des Verordnungsvorschlags genannten Qualitätsnormen für Abwasser in mindestens einzuhaltende Grenzwerte abgeändert werden sollten, die in einem Genehmigungsverfahren für die Zulassung der Ableitung zu Grunde zu legen sind.
Artikel 5 Abs. 1 verpflichtet die Lebensmittelunternehmer zur Einhaltung bestimmter Abwasserqualitäten, die für eine Einleitung in städtische Abwassersammel- und -aufbereitungssysteme und für eine Einleitung in Oberflächengewässer in der Verordnung einheitlich und abschließend festgelegt werden.
Eine solche Festlegung einheitlicher und abschließender Anforderungen an das Abwasser schließt eine Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde aus und ist deshalb mit den in Deutschland geltenden Bestimmungen über die Bewirtschaftung der Gewässer und über die Minimierung der Gewässerbelastungen nicht vereinbar.