Der Bundesrat hat in seiner 897. Sitzung am 15. Juni 2012 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat unterstützt die Zielsetzung, das sichere und umweltgerechte Abwracken von Schiffen weltweit sicherzustellen. Eine wesentliche Grundlage zur Erreichung dieser sozial-, umwelt- und gesundheitspolitischen Zielsetzung bildet das durch die Internationale Schifffahrtsorganisation (IMO) 2009 angenommene Übereinkommen von Hongkong über das sichere und umweltverträgliche Recycling von Schiffen.
- 2. Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass eine weltweit wirksame Lösung der Probleme umwelt- und gesundheitsgefährdender Abwrackpraktiken vor allem durch international verbindliche Regelungen zu erreichen ist. Das Hongkong-Übereinkommen wird zukünftig das Basler Übereinkommen zur Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung ergänzen und bestehende Regelungslücken schließen.
- 3. Der Bundesrat bedauert den langwierigen Ratifizierungsprozess, der ein zügiges Inkrafttreten des Hongkong-Übereinkommens verhindert, weist in diesem Zusammenhang aber auf die Selbstverpflichtung der internationalen Schifffahrtsverbände hin. Es wird begrüßt, dass die Schifffahrtsbranche mit den "Guidelines on Transitional Measures for Shipowners Selling Ships for Recycling" zu ihrer Verantwortung steht und bereits vor dem formellen Inkrafttreten des Übereinkommens freiwillige Maßnahmen zur Verbesserung des Schiffsrecyclings ergreift.
- 4. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission mit vorliegendem Verordnungsvorschlag eine europäische Vorreiterrolle übernehmen und Anforderungen des Hongkong-Übereinkommens vorwegnehmen möchte. Dabei wird in Teilbereichen über das Anforderungsniveau des Hongkong-Übereinkommens hinausgegangen. Im Ergebnis würde die Vorlage daher dazu führen, dass Eigner von Schiffen unter europäischer Flagge zumindest temporär oder durch zusätzliche Anforderungen Wettbewerbsbeeinträchtigungen hinzunehmen hätten, was in der Konsequenz hinreichende Anreize für verstärkte Ausflaggungen aus europäischen Registern setzen könnte.
- 5. Zudem bezweifelt der Bundesrat, dass den gefährlichen Abwrackpraktiken durch eine allein europäische Regelung wirksam begegnet werden kann. Es bestünde nach wie vor die Möglichkeit, abzuwrackende Schiffe vor dem Verbringen in eine nicht den EU-Anforderungen entsprechende Abwrackwerft auszuflaggen und somit die Verordnung zu umgehen.
- 6. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich in den anstehenden Beratungen auf EU-Ebene gegen einseitige Benachteiligungen europäischer Schiffseigner einzusetzen. Vielmehr sollte für eine zügige Ratifikation des Hongkong-Übereinkommens durch die Mitgliedstaaten geworben werden. Ein entsprechender Vorschlag für einen Beschluss des Rates wurde von der Kommission parallel eingebracht (COM (2012) 120 final vom 23. März 2012).
- 7. Darüber hinaus bittet der Bundesrat zumindest dafür Sorge zu tragen, dass europäische Sonderregelungen, die über das Hongkong-Übereinkommen hinausgehen - beispielsweise durch Erweiterung des Gefahrstoffkatalogs, durch zusätzliche Anforderungen an Abwrackwerften und deren Inspektion durch Organe der Kommission -, vermieden werden.
- 8. Ansatz für eine vorgezogene EU-Regelung bieten die Maßnahmen der Selbstverpflichtung der internationalen Schifffahrtsverbände, die "Guidelines on Transitional Measures for Shipowners Selling Ships for Recycling".
- 9. Ebenfalls sollte sichergestellt werden, dass eine EU-Regelung mit Inkrafttreten des Hongkong-Übereinkommens außer Kraft tritt.