844. Sitzung des Bundesrates am 23. Mai 2008
A.
- 1. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
B.
- 2. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat ferner, folgende Entschließung zu fassen:
"Der Bundesrat bedauert, dass wesentliche Änderungsvorschläge seiner Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 9. März 2007 - BR-Drs. 064/07(B) - nicht aufgegriffen wurden. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Regelungen zum Schadenersatz (vgl. z.B. § 97 Abs. 2 UrhG - neu, Ziffer 2 der Stellungnahme) sowie im Hinblick auf den Auskunftsanspruch gegenüber Dritten (vgl. z.B. § 101 Abs. 2 UrhG - neu, Ziffern 6, 7 und 16 der Stellungnahme).
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, insbesondere die Praktikabilität und Wirksamkeit des Drittauskunftsanspruchs zu beobachten und gegebenenfalls kurzfristig Vorschläge zur wirksamen Ausgestaltung vorzulegen sowie im Zusammenhang mit weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen im Bereich der Rechte des geistigen Eigentums die Regelung des Schadenersatzes erneut zu überprüfen."
Begründung
- a) Der Bundesrat hält daran fest, dass die bisherige Rechtslage bei Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums nicht befriedigend ist. Da der Nachweis des konkreten Schadens oftmals nur schwer möglich oder wegen der notwendigen Offenbarung der betriebswirtschaftlichen Fakten auch nicht gewollt und andererseits der Nachweis des konkreten Gewinns des Verletzers kaum möglich ist, verbleibt es meist bei einem Schadenersatz in Höhe der einfachen Lizenzgebühr. Der Verletzer muss damit im Ergebnis nicht mehr zahlen als es auch bei einer vertraglichen Nutzungsrechtseinräumung der Fall gewesen wäre, womit die Rechtsverletzung für den Verletzer relativ risikolos ist. Der Vorschlag des Bundesrates, eine widerlegbare Vermutung eines Verletzergewinns in Höhe der doppelten Lizenzgebühr zu schaffen, hätte hier Abhilfe geschaffen. Dennoch handelt es sich - entgegen der Auffassung der Bundesregierung (vgl. BT-Drs. 016/5048, S. 62) - gerade nicht um einen "Strafschadenersatz", den auch der Bundesrat ablehnt. Grundsatz muss sein, dass sich die Verletzung fremder Immaterialgüterrechte nicht lohnen darf. Andererseits darf sich der Verletzte auch nicht ungerechtfertigt bereichern.
Nach der Rechtsprechung ist die Berechnung des Schadenersatzes nach den Grundsätzen des Verletzergewinns anerkannt. Diese zielt in anderer Weise als der Ersatz des konkret entstandenen Schadens auf einen billigen Ausgleichs des Vermögensnachteils, den der Verletzte erlitten hat. Wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit soll der Verletzte auch schon bei fahrlässigem Verhalten wie der Geschäftsführer bei der angemaßten Geschäftsführung nach § 687 Abs. 2 BGB gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2006 - I ZR 6/04 -, WRP 2007, 533, "Steckverbindergehäuse"). Allerdings ist der Nachweis des Verletzergewinns in der Praxis aufwändig und schwierig. Hier würde die Kombination mit der ebenfalls anerkannten Berechnungsmethode auf der Basis der Lizenzgebühr sehr helfen.
Für die gesetzliche Vermutung eines Gewinns in Höhe der doppelten Lizenzgebühr spricht auch eine tatsächliche Vermutung. Wäre die Lizenzgebühr so hoch wie der Gewinn, würde niemand das Recht auf der Grundlage einer Lizenz nutzen, da er den gesamten Gewinn an den Lizenzgeber abgeben müsste. Es ist daher zulässig anzunehmen, dass derjenige, der ein Recht nutzt, daraus mindestens ebenso viel Gewinn erzielt wie er an den Lizenzgeber an Lizenzgebühren zu zahlen hat. Nach dem Vorschlag des Bundesrates sollte der Nachweis eines höheren oder geringeren Gewinns möglich bleiben. Da der logische Ansatz dieser Vermutung nicht auf der Seite des Verletzten (Minderung des Vermögens), sondern auf der Seite des Verletzers (Mehrung des Vermögens) ist, liegt hierin auch kein Verstoß gegen das Verbot des Strafschadenersatzes.
Eventuelle dogmatische Bedenken hätten durch eine entsprechende Formulierung ausgeräumt werden können, die aufbauend auf die Rechtsprechung des BGH klarstellt, dass neben der Geltendmachung von Schadenersatz auf der Basis der eigenen Vermögensminderung auch ein Anspruch auf Gewinnherausgabe auf der Basis der Vermögensmehrung entsprechend § 687 Abs. 2 BGB auch bei Fahrlässigkeit besteht und für diesen die genannte Vermutung spricht.
- b) Der Bundesrat befürchtet, das der Auskunftsanspruch gegenüber Dritten bei Rechtsverletzungen im Internet regelmäßig - und unabhängig von der umstrittenen Frage eines Richtervorbehalts, vgl. dazu BR-Drs. 064/07(B) , - ins Leere geht.
- aa) Der Auskunftsanspruch gegenüber dem Verletzer nach § 101 Abs. 1 UrhG - neu wurde im Gesetzgebungsverfahren dahin gehend geändert, dass das Tatbestandsmerkmal der Rechtsverletzung "im geschäftlichen Verkehr" durch das Tatbestandsmerkmal "im gewerblichen Ausmaß" ersetzt wurde. Dabei soll sich das gewerbliche Ausmaß sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzung als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben können (§ 101 Abs. 1 Satz 2 UrhG - neu). Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages (vgl. BT-Drs. 016/8783, S. 69) soll damit ein Gleichlauf mit der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums erreicht werden. Dies ist akzeptabel soweit es um den Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 1 UrhG - neu gegenüber dem Verletzer geht. Problematisch ist aber, wenn auch bei dem Auskunftsanspruch gegenüber Dritten nach § 101 Abs. 2 UrhG - neu eine im gewerblichen Ausmaß begangene Rechtsverletzung des Verletzers - nicht nur ein Handeln des Dritten im gewerblichen Ausmaß - erforderlich sein soll. Eine solche Auslegung legt die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (vgl. BT-Drs. 016/5048, S. 49) nahe, die sich allerdings noch auf das Tatbestandsmerkmal des "geschäftlichen Verkehrs" bezog. Abgesehen davon dass Artikel 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG (Recht auf Auskunft) ein gewerbliches Ausmaß im Hinblick auf die Rechtsverletzung gerade nicht voraussetzt, bleibt es damit bei den Schwierigkeiten, auf die der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme vom 9. März 2007 - BR-Drs. 064/07(B) - im Einzelnen hingewiesen hat. Zwar ist es zu begrüßen, dass nach § 101 Abs. 1 Satz 2 UrhG - neu das Merkmal "gewerbliches Ausmaß" nicht nur quantitative sondern auch qualitative Aspekte aufweisen soll; unklar ist aber, welche Fälle genau darunter fallen sollen. Das in der Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 016/8783, S. 69) genannte Beispiel eines Kinofilms, Musikalbums oder Hörbuchs, das vor oder unmittelbar nach seiner Veröffentlichung in Deutschland widerrechtlich im Internet öffentlich zugänglich gemacht wird - stellt nicht sicher, dass die "normale" Teilnahme an illegalen Internettauschbörsen dazugehört.
- bb) Mit dem Auskunftsanspruch gegenüber Dritten soll insbesondere ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch gegenüber Internetprovidern geschaffen werden. Ziel war es, dadurch den Rechteinhabern eine Ermittlung des Verletzers bei Rechtsverletzungen im Internet zu ermöglichen (vgl. Entwurfsbegründung, BT-Drs. 016/5048, S. 49). Es ist zu befürchten, dass dieses Anliegen nicht erreicht wird. Hierauf hat der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG ausführlich hingewiesen, vgl. BR-Drs. 275/07(B) . Die Auskunft des Internetproviders über den Namen und die Anschrift eines potenziellen Rechtsverletzers setzt voraus, dass auf Verkehrsdaten zurückgegriffen wird. Die Verwendung der nach § 113a Abs. 4 TKG gespeicherten Verkehrsdaten für eine zivilrechtliche Auskunft wird jedoch durch die §§ 113, 113b TKG ausgeschlossen. Andere als die nach § 113a Abs. 4 TKG gespeicherten Daten dürften kaum mehr zur Verfügung stehen. Dieser vom Bundesrat herausgearbeitete Widerspruch beider Gesetze wurde nicht gelöst. Es bleibt deshalb bei dem sachwidrigen - und dem Gesetzeszweck widersprechenden - Ergebnis, dass die Rechteinhaber zur Ermittlung der Verletzer strafrechtliche Ermittlungsverfahren einleiten müssen.
- a) Der Bundesrat hält daran fest, dass die bisherige Rechtslage bei Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums nicht befriedigend ist. Da der Nachweis des konkreten Schadens oftmals nur schwer möglich oder wegen der notwendigen Offenbarung der betriebswirtschaftlichen Fakten auch nicht gewollt und andererseits der Nachweis des konkreten Gewinns des Verletzers kaum möglich ist, verbleibt es meist bei einem Schadenersatz in Höhe der einfachen Lizenzgebühr. Der Verletzer muss damit im Ergebnis nicht mehr zahlen als es auch bei einer vertraglichen Nutzungsrechtseinräumung der Fall gewesen wäre, womit die Rechtsverletzung für den Verletzer relativ risikolos ist. Der Vorschlag des Bundesrates, eine widerlegbare Vermutung eines Verletzergewinns in Höhe der doppelten Lizenzgebühr zu schaffen, hätte hier Abhilfe geschaffen. Dennoch handelt es sich - entgegen der Auffassung der Bundesregierung (vgl. BT-Drs. 016/5048, S. 62) - gerade nicht um einen "Strafschadenersatz", den auch der Bundesrat ablehnt. Grundsatz muss sein, dass sich die Verletzung fremder Immaterialgüterrechte nicht lohnen darf. Andererseits darf sich der Verletzte auch nicht ungerechtfertigt bereichern.