Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 19. Februar 2009 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - gestützt auf Titel V des Vertrags über die Europäische Union,
- - unter Hinweis auf den Vertrag von Lissabon,
- - unter Hinweis auf die vom Europäischen Rat am 12. Dezember 2003 gebilligte Europäische Sicherheitsstrategie (ESS) mit dem Titel "Ein sicheres Europa in einer besseren Welt",
- - unter Hinweis auf die vom Europäischen Rat am 12. Dezember 2003 angenommene EU-Strategie gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen,
- - in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 11. und 12. Dezember 2008, in welchen er den Bericht des Generalsekretärs des Rates/Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) vom 11. Dezember 2008 über die Umsetzung der Europäischen Sicherheitsstrategie - Sicherheit schaffen in einer Welt im Wandel1 billigt;
- - in Kenntnis der am 12. Dezember 2008 angenommenen Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zur Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP),
- - unter Hinweis auf das Papier vom 14. März 2008 "Klimawandel und internationale Sicherheit"2 des Hohen Vertreters und der Kommission für den Europäischen Rat,
- - in Kenntnis der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates vom 10. November 2008 über die Militäroperation der Europäischen Union als Beitrag zur Abschreckung, Verhütung und Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen vor der Küste Somalias3 (die sogenannte "Militäroperation Atalanta"),
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. April 2005 zur Europäischen Sicherheitsstrategie4,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. November 2006 zur Umsetzung der Europäischen Sicherheitsstrategie im Kontext der ESVP5,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Juni 2008 zur Europäischen Sicherheitsstrategie und der ESVP6,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Juli 2008 über Weltraum und Sicherheit1,
- - gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
- - in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A6-0032/2009),
Allgemeine Überlegungen
- 1. weist darauf hin, dass die Europäische Union ihre strategische Autonomie durch eine starke und wirksame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik entwickeln muss, um den Frieden und die internationale Sicherheit zu fördern, ihre Interessen in der Welt zu vertreten, die Sicherheit ihrer eigenen Bürger zu schützen, zu einem wirksamen Multilateralismus beizutragen, die Achtung der Menschenrechte und demokratischen Werte weltweit voranzubringen und den weltweiten Frieden zu sichern;
- 2. erkennt die Notwendigkeit an, dass die Europäische Union diese Ziele durch multilaterale Kooperation in internationalen Organisationen, vor allem den Vereinten Nationen, und durch Partnerschaft mit anderen wichtigen Akteuren im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen, den Grundsätzen der Schlussakte von Helsinki und den Zielen der Charta von Paris verfolgt;
- 3. betont erneut, dass eine Reform der Organisation der Vereinten Nationen erforderlich ist, um sie in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben in vollem Umfang zu erfüllen und effektiv bei der Suche nach Lösungen für weltweite Herausforderungen und der Reaktion auf die wichtigsten Bedrohungen zu handeln;
- 4. unterstreicht die Bedeutung der transatlantischen Beziehungen und erkennt die Notwendigkeit der Koordinierung der Maßnahmen zwischen ESVP und NATO an, betont aber gleichzeitig die Notwendigkeit einer ausgewogeneren, konkurrenzfreien Partnerschaft, die geprägt ist vom Respekt für die Autonomie des jeweils Anderen und gegenseitigem Verständnis bei voneinander abweichenden strategischen Überlegungen;
- 5. ist der Überzeugung, dass viele der neuen Bedrohungen weder rein militärischer Art sind noch allein mit militärischen Mitteln abgewehrt werden können;
- 6. stellt fest, dass bei dieser Politik sowohl zivile als auch militärische Mittel und Kapazitäten zum Einsatz kommen müssen und eine enge und nahtlose Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten unerlässlich ist;
- 7. begrüßt das von den Vereinten Nationen im Jahr 2005 angenommene Konzept der "Verantwortung zum Schutz" und den Begriff der "menschlichen Sicherheit", der auf dem Primat des Individuums und nicht des Staates basiert; betont, dass aus diesen Konzepten sowohl praktische Folgen als auch eindeutige politische Leitlinien für die strategische Ausrichtung der europäischen Sicherheitspolitik und ihre Fähigkeit, im Krisenfall wirksam handeln zu können, resultieren; betont jedoch, dass für die Europäische Union weder eine automatische Verpflichtung besteht noch ausreichende Mittel verfügbar sind, in allen Krisensituationen ESVP-Missionen ziviler oder militärischer Art zu entsenden;
- 8. betont, dass die Bündelung der Bemühungen und der Fähigkeiten auf EU-Ebene für die Bewältigung der kombinierten Auswirkungen der steigenden Kosten von Verteidigungsausrüstungen und der bestehenden Beschränkungen der Verteidigungsausgaben von ausschlaggebender Bedeutung ist;
- 9. stellt fest, dass eine gemeinsame Verteidigungspolitik in Europa eine integrierte europäische Streitmacht erfordert, die folglich mit gemeinsamen Waffensystemen ausgerüstet werden muss, um Einheitlichkeit und Interoperabilität sicherzustellen;
- 10. betont, dass Transparenz und Kosteneffizienz sowie parlamentarische Rechenschaftspflicht und die Achtung des Völkerrechts und des humanitären Rechts unbedingt gewährleistet sein müssen, damit die europäische Verteidigung Rückhalt in der Öffentlichkeit findet; betont dabei die besondere Bedeutung einer wirksamen parlamentarischen Kontrolle der ESVP in Form einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und den Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten;
- 11. stellt fest, dass die aktualisierte ESS und das künftige neue Strategische Konzept der NATO aufeinander abgestimmt sein sollten, und dass dies seinen Ausdruck in der Erklärung finden sollte, die vom anlässlich des 60. Jahrestages der NATO in Straßburg und Kehl am 3. und 4. April 2009 stattfindenden Gipfels angenommen werden wird;
- 12. betont, dass die vollständige und frühzeitige Umsetzung der ESS von entscheidender Bedeutung ist;
- 13. begrüßt den Bericht des Rates über die Umsetzung der ESS; stellt allerdings fest, dass die Europäische Union - gestärkt durch den Vertrag von Lissabon - eine entscheidendere Rolle bei der Stärkung der Legitimität, Transparenz und Effizienz der Institutionen globaler Governance spielen sollte, da viele der Ziele der ESS von 2003 weiterhin größtenteils unerreicht sind;
- 14. begrüßt, dass die oben genannte ESVP-Militäroperation Atalanta gegen Piraterie vor der somalischen Küste auf den Weg gebracht wurde; erinnert den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten allerdings daran, dass die Gründe für das Problem der Piraterie in dieser Region tiefere Wurzeln haben, wie etwa Armut in einem gescheiterten Staat, und fordert tiefergreifende europäische Maßnahmen, die sich mit diesen Problemen befassen;
- 15. betont im Zusammenhang mit der Entführung und Ermordung von Geiseln durch islamische Terroristen die Notwendigkeit einer verbesserten Zusammenarbeit und Koordinierung der Anti-Terror-Politik zwischen den EU-Mitgliedstaaten, den USA und der NATO, besonders im Hinblick auf eine Verbesserung der Wirksamkeit von Befreiungsoperationen mit dem Ziel, das Leben der Geiseln zu retten;
- 16. fordert erneut nachdrücklich, dass durch die ESS und die ESVP alle Garantien zur Verfügung gestellt werden, um die erfolgreiche Umsetzung der Resolutionen zu Frauen, Frieden und Sicherheit, nämlich die Resolutionen 1325 vom 31. Oktober 2000 (S/RES/1325) und 1820 vom 19. Juni 2008 (S/RES/1820) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zur Förderung der gleichberechtigten Beteiligung von Frauen in allen Angelegenheiten und Entscheidungen in Bezug auf Frieden und Sicherheit bzw. zur Einstufung des systematischen Einsatzes sexueller Gewalt gegen Frauen in Konfliktsituationen als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sicherzustellen; bedauert, dass viel zu langsam Fortschritte bei der Gleichberechtigung von Männern und Frauen bei ESVP-Operationen stattfinden;
Europäische Sicherheitsinteressen
- 17. weist darauf hin, dass in den Mitgliedstaaten noch zu oft im Rahmen nationaler Sicherheitsinteressen gedacht und dabei die gemeinsame Verantwortung für den Schutz gemeinsamer Europäischer Interessen vernachlässigt wird; erachtet diese Denkweise als kontraproduktiv und fordert die Mitgliedstaaten auf, eine globalere Sichtweise zu übernehmen, um die Europäische Union zu einem wichtigen Akteur auf der internationalen Bühne zu machen, mit effektiveren europäischen Sicherheitsvorkehrungen;
- 18. hält es daher für erforderlich, die gemeinsamen Sicherheitsinteressen der Europäischen Union festzulegen; betont, dass die Europäische Union nur mit einer klaren Vorstellung von ihren gemeinsamen Interessen ihre gemeinsame Politik kohärenter und effektiver gestalten kann;
- 19. vertritt die Auffassung, dass die Sicherheitspolitischen Interessen der Union zusätzlich zu den in der ESS von 2003 anerkannten Herausforderungen den Schutz ihrer Bürger und ihrer Interessen innerhalb wie außerhalb der Europäischen Union, die Sicherheit ihrer Nachbarländer, den Schutz ihrer Außengrenzen und kritischer Infrastrukturen sowie die Verbesserung ihrer Computer- und Netzsicherheit, die Sicherheit der Energieversorgung und der Seewege, den Schutz ihrer Weltraumressourcen und den Schutz gegen die Folgen des Klimawandels umfassen;
Europäische Sicherheitsbestrebungen
- 20. stellt fest, dass die Europäische Union eine internationale Ordnung auf der Grundlage eines wirksamen Multilateralismus anerkennt, der sich auf das Völkerrecht stützt, und dass dies Ausdruck der Überzeugung der Europäer ist, dass keine Nation allein die neuen Bedrohungen bewältigen kann;
- 21. vertritt die Auffassung, dass die Europäische Union genauer definieren muss, welche Rolle sie in der Welt einzunehmen beabsichtigt; ist der Ansicht, dass die Europäische Union nicht versuchen sollte, eine Supermacht wie die Vereinigten Staaten zu werden, sondern dass sie ihre Sicherheit gewährleisten, auf Stabilität in ihrer Nachbarschaft hinarbeiten und im Rahmen der Vereinten Nationen zu einem multilateralen weltweiten Sicherheitssystem beitragen sollte, indem sie für die Achtung des Völkerrechts und wirksame Krisen- und Konfliktverhütung sowie für Nachkonfliktmanagement und Konfliktlösung sorgt;
- 22. betont, dass die Europäische Union im Rahmen der ESVP vorrangig auf Krisenprävention setzt; weist darauf hin, dass Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit unverzichtbare Voraussetzungen für Entwicklung und langfristige Stabilität darstellen;
Entwicklung der Sicherheitsstrategie Europas
- 23. stellt fest, dass die ESS aus dem Jahr 2003 die gravierendsten Bedrohungen aufzeigt, denen sich die Europäische Union gegenübersieht (Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, regionale Konflikte, Scheitern von Staaten und organisierte Kriminalität), und dass sie strategische Ziele festlegt, die die Grundlage für Teilstrategien gebildet haben;
- 24. begrüßt die vom gerade zu Ende gegangenen französischen EU-Ratsvorsitz ausgehenden Initiativen betreffend die ESVP; nimmt den oben genannten Bericht des Hohen Vertreters vom 11. Dezember 2008 zur Umsetzung der ESS zur Kenntnis, der vom Europäischen Rat unterstützt wurde, und begrüßt die Tatsache, dass viele Empfehlungen aus früheren Berichten des Parlaments zur ESS und ESVP aufgegriffen wurden, insbesondere betreffend:
- - Computer- und Netzsicherheit,
- - Energiesicherheit einschließlich der Energieversorgung Europas,
- - ungelöste regionale Streitigkeiten in der Nachbarschaft der Europäischen Union,
- - Herausforderungen auf dem afrikanischen Kontinent,
- - Auswirkungen des Klimawandels,
- - Wettbewerb um natürliche Ressourcen,
- - Vorhaben zur Stärkung der zivilen und militärischen Kapazitäten,
- - Bedeutung des Weltraums für unsere gemeinsame Sicherheit;
- - Sicherheit des Seeverkehrs,
- 25. begrüßt das Engagement des Rates dafür, dass Europa in den kommenden Jahren im Rahmen der festgelegten Zielvorgaben - unter anderem des Ziels, binnen 60 Tagen 60 000 Mann für eine größere Operation innerhalb des Spektrums der im Planziel 2010 und im Zivilen Planziel 2010 vorgesehenen Operationen verlegen zu können - effektiv in der Lage sein sollte zu einer gleichzeitigen Planung und Durchführung von
- - zwei umfangreichen Operationen zur Stabilisierung und zum Wiederaufbau mit einer entsprechenden zivilen Komponente, die mindestens zwei Jahre lang mit bis zu 10 000 Mann im Einsatz gehalten werden kann;
- - zwei zeitlich befristeten Krisenreaktionsoperationen u.a. unter Einsatz der Gefechtsverbände der Europäischen Union;
- - einer Operation zur Notevakuierung europäischer Staatsbürger (in weniger als zehn Tagen) unter Berücksichtigung der zentralen Rolle, die jedem Mitgliedstaat in Bezug auf seine Bürger zukommt, und unter Rückgriff auf das Konzept des federführenden Staates bei der konsularischen Zusammenarbeit;
- - einer Mission zur Überwachung/Abriegelung des See- oder Luftraums;
- - einer bis zu 90 Tage dauernden zivilmilitärischen Operation zur Leistung humanitärer Hilfe;
- - einem Dutzend ziviler ESVP-Missionen unterschiedlichen Formats (wie unter anderem für die Polizei, die Rechtsstaatlichkeit, die Zivilverwaltung, den Bevölkerungsschutz, zur Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors und Beobachtermissionen), die unter anderem im Rahmen der Krisenreaktion, einschließlich einer größeren Mission (mit eventuell bis zu 3000 Experten), die mehrere Jahre andauern könnte, tätig werden;
- 26. bedauert allerdings die unklare Art, in der die Schlussfolgerungen zu ESS und ESVP vorgelegt werden (vier Dokumente anstatt eines); bedauert die oft vagen Formulierungen, durch die keine echte Strategie beschrieben wird; kritisiert, dass der Rat der Forderung des Parlaments nach einem Weißbuch nicht nachgekommen ist, und dass es deshalb unwahrscheinlich ist, dass eine fruchtbare breite Debatte in der Öffentlichkeit in Gang kommt;
- 27. bedauert darüber hinaus, dass die Forderungen aus den früheren Berichten des Parlaments zu ESS und ESVP vom Rat nicht berücksichtigt wurden, insbesondere
- - die Bestimmung gemeinsamer europäischer Sicherheitsinteressen,
- - die Bestimmung der Kriterien für die Entsendung von ESVP-Missionen,
- - Vorschläge für eine neue EU-NATO-Partnerschaft,
- - Auseinandersetzung mit dem Thema der nationalen Einsatzvorbehalte;
- 28. schlägt vor, die ESS alle fünf Jahre, und zwar jeweils zu Beginn einer neuen Wahlperiode der Europäischen Union, einer Überprüfung zu unterziehen;
- 29. bedauert den relativen Mangel an Fortschritten seit 2003 bei der Stärkung der EU-Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen; wiederholt deshalb seine Forderung nach Erstellung eines Weißbuchs zur europäischen Sicherheit und Verteidigung, um sicherzustellen, dass eine breite öffentliche Debatte angeregt und die ESS wirksam umgesetzt wird;
- 30. bedauert, dass die Überarbeitung der ESS trotz umfangreicher Vorbereitung, aber als Folge der durch die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrag von Lissabon verursachten verlorengegangenen Dynamik nicht zu einer neuen strategischen Ausrichtung, sondern lediglich zu einem Bericht geführt hat, in dem alltägliche politische Anliegen in dem Maße behandelt werden, in dem sie relevant werden; stellt fest, dass sich die Bandbreite der Bedrohungen ausgeweitet hat, u.a. auf Computer- und Netzsicherheit, begrüßt innovative Aspekte der Überarbeitung wie das besondere Augenmerk auf Themen wie Klimawandel, Energiesicherheit (einschließlich im nuklearen Bereich die Unterstützung eines multilateralen Kernbrennstoffkreislaufs und eines multilateralen Vertrags für das Verbot der Herstellung von Kernmaterial für Atomwaffen) und den internationalen Vertrag über den Waffenhandel sowie andere Abrüstungsverträge wie die neue Konvention von Oslo über Streumunition;
- 31. hält es für inakzeptabel, dass nur eine beschränkte parlamentarische Debatte und gar keine öffentliche Debatte stattgefunden hat, bevor der Bericht mit dem Vorschlag zur Überarbeitung der ESS angenommen wurde;
Beziehungen zu Russland
- 32. ist der Auffassung, dass die gewalttätige Eskalation der bis dahin festgefahrenen Konflikte in Südossetien und Abchasien sowie die daraufhin erfolgte Anerkennung der Unabhängigkeit dieser Provinzen durch Russland deutlich machen, dass es unbedingt notwendig ist, in dauerhafte Lösungen für solche Konflikte in unserer Nachbarschaft zu investieren; bekräftigt seine Ansicht, dass die Konflikte im Kaukasus nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden können, sowie seine strikte Verurteilung all derjenigen, die während des Konfliktes Gewalt angewendet haben; betont, dass die weitere Entwicklung der strategischen Partnerschaft der Europäischen Union mit Russland einen konstruktiven Dialog über Sicherheit beinhalten muss, der sich darauf gründet, dass beide Parteien ihr Eintreten für ihre gemeinsamen Werte, die Achtung des Völkerrechts und der territorialen Integrität und das Engagement für und die Einhaltung der Verpflichtungen gemäß der Schlussakte von Helsinki erklärt haben;
- 33. betont, dass die Sicherheitsdimension der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland und die Rolle der GASP und der ESVP nicht von der größeren europäischen Sicherheitsarchitektur losgelöst gesehen werden können, die die NATO, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und internationale Vereinbarungen, wie den Vertrag zur Begrenzung von Systemen zur Abwehr von ballistischen Raketen (Anti-Ballistic Missile Treaty) und den Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa umfasst; ist der Auffassung, dass wichtige Entwicklungen in dieser größeren Sicherheitsstruktur im Dialog sowohl mit Russland als auch mit den Vereinigten Staaten behandelt werden sollten, und ersucht den Rat darum, offen und konstruktiv an die Möglichkeit von Gesprächen zwischen der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten, Russland und den OSZE-Mitgliedstaaten, die nicht EU-Mitgliedstaaten sind, heranzugehen, um den transatlantischen Konsens in Sicherheitsfragen zu erneuern, wobei die Schlussakte von Helsinki als Grundlage dienen sollte;
- 34. begrüßt das gemeinsame Vorgehen der Europäischen Union bei den Vermittlungsbemühungen zwischen Russland und Georgien als Reaktion auf die durch den Krieg in Georgien heraufbeschworene Gefahr; weist darauf hin, dass die Europäische Union mit ihrem raschen Eingreifen und ihrer geschlossenen Haltung, die zur Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens und der raschen Entsendung einer Beobachtungsmission unter der ESVP geführt haben, ihre Fähigkeit zur Krisenbewältigung und zu einem gemeinsamen Vorgehen unter Beweis gestellt hat; beglückwünscht den gerade zu Ende gegangenen französischen EU-Ratsvorsitz zu seiner positiven Rolle bei der Aufrechterhaltung eines gemeinsamen europäischen Vorgehens;
- 35. begrüßt den Beschluss des Rates vom 2. Dezember 2008 zur Einsetzung einer unabhängigen Kommission unter Federführung der Europäischen Union, die die Ursachen des Konflikts in Georgien untersuchen wird;
- 36. nimmt die von den baltischen Staaten geäußerten Besorgnisse sowie die von der NATO und ihren Mitgliedstaaten abgegebene Erklärung zur Kenntnis, in der sie eindeutig bestätigt haben, dass ihre Verpflichtungen gemäß Artikel 5 des Nordatlantikvertrags weiterhin Gültigkeit besitzen;
- 37. begrüßt, dass die NATO beschlossen hat, die bestehenden Kommunikationskanäle wieder zu nutzen, und dass der NATO-Russland-Rat reaktiviert werden soll;
- 38. vertritt die Ansicht, dass sowohl die Europäische Union als auch die NATO einen unvoreingenommenen und realistischen Dialog mit Russland über Fragen wie regionale Sicherheit, Energie, Raketenabwehr, Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen, Begrenzung der Streitkräfte und Raumfahrtpolitik führen sollten;
- 39. hält es für wichtig, den multilateralen Dialog über Sicherheitsfragen im Rahmen des Euro-Atlantischen Partnerschaftsrates zu intensivieren;
- 40. stellt fest, dass Russland aufgrund seiner geopolitischen Lage, seiner militärischen Stärke und seines politischen Gewichts, seines Energiereichtums und seines wirtschaftlichen Potenzials von strategischer Bedeutung für Europa ist;
Aufbau der Kapazitäten Europas
- 41. betont, dass die Europäische Union die Mittel zur Umsetzung ihrer Politik erhalten muss und dass sie daher - neben der Stärkung ihrer diplomatischen Fähigkeiten - sowohl über zivile als auch über militärische Kapazitäten verfügen muss, um die ESVP zu stärken und ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen;
- 42. weist darauf hin, dass im Rahmen der ESVP seit ihrem Bestehen 22 Einsätze durchgeführt wurden, von denen 16 einen zivilen Charakter hatten; unterstreicht die Bedeutung der zivilen Komponente der ESVP; begrüßt in diesem Zusammenhang die Einrichtung des Zivilen Planungs- und Durchführungsstabs beim Rat der Europäischen Union; fordert die Mitgliedsstaaten auf, mehr Anstrengungen zu unternehmen, um qualifiziertes Personal für zivile ESVP-Missionen zur Verfügung zu stellen; unterstreicht in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Zivilen Planzieles 2010;
- 43. betont auch, dass - wegen der Tatsache, dass der Schwerpunkt hauptsächlich auf die militärische Dimension der ESVP gelegt wird - im Bereich der zivilen Fähigkeiten und der Konfliktverhütung Fortschritte viel zu langsam erreicht werden, und dass in diesem Bereich Vorschläge für eine neue Dynamik unbedingt sowohl vom Rat als auch von der Kommission vorgelegt werden müssen;
- 44. fordert die Weiterentwicklung der Partnerschaft für Friedensbildung zu einem Europäischen Zivilen Friedenskorps;
- 45. ist der Ansicht, dass die Europäische Union ihre Fähigkeiten auf der Grundlage der zivilen und militärischen Planziele weiter ausbauen sollte; stellt fest, dass sie bestrebt sein sollte, eine Streitmacht von 60 000 Soldaten zur ständigen Verfügung zu haben; bekräftigt seinen Vorschlag, dass das Eurokorps den Kern dieser Streitkräfte bilden sollte, nötigenfalls verstärkt durch zusätzliche See- und Luftkapazitäten; begrüßt die Einigung zwischen Deutschland und Frankreich über den Fortbestand der Deutsch-Französischen Brigade an gemeinsamen Standorten; ist ferner der Ansicht, dass die Europäische Union eine angemessene Anzahl von Polizeibeamten, Richtern und Staatsanwälten zur ständigen Verfügung haben sollte; hält es für verwirrend, dass das Konzept der Gefechtsverbände der Europäischen Union und die spezifischen Szenarien für potenzielle Einsätze anscheinend nicht zu einer Verwendung dieser Verbände bei den externen Operationen der Europäischen Union führen;
- 46. weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union insgesamt mehr als 200 Milliarden Euro im Jahr für Verteidigung ausgeben, was mehr als der Hälfte der Verteidigungsausgaben der Vereinigten Staaten entspricht; ist nach wie vor zutiefst besorgt über die fehlende Effizienz und Koordination bei der Verwendung dieser Mittel; fordert daher verstärkte Anstrengungen, um unnötige Doppelarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden, namentlich durch Spezialisierung, gemeinsame Nutzung und Teilung von bestehenden Kapazitäten und gemeinsame Entwicklung neuer Kapazitäten; beglückwünscht die Europäischen Verteidigungsagentur (EVA) zu der ausgezeichneten Arbeit, die sie bislang geleistet hat, und fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, das Potential der EVA vollständig auszuschöpfen;
- 47. betont, dass im Hinblick auf die Operationen der Streitkräfte, die Grenzüberwachung, den Schutz kritischer Infrastruktureinrichtungen und die Katastrophenbewältigung der Kapazitätsbedarf unter technologischen Gesichtspunkten sehr ähnlich oder gar identisch ist; betont, dass dies neue Möglichkeiten zur Nutzung von Synergien und zur Verbesserung der Interoperabilität zwischen Streitkräften und Sicherheitskräften bietet;
- 48. fordert mit Nachdruck, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen auf die gemeinsamen Kapazitäten konzentrieren, die sowohl für Verteidigungs- als auch für Sicherheitszwecke eingesetzt werden können; hält in diesem Zusammenhang die satellitengestützte Aufklärung sowie Einsatzgeräte für die Überwachung und Frühwarnung, unbemannte Fluggeräte, Hubschrauber und Telekommunikationsausrüstung sowie den Luft- und Seeverkehr für besonders wichtig; fordert eine gemeinsame technische Norm für geschützte Telekommunikation und Mittel zum Schutz kritischer Infrastrukturen;
- 49. begrüßt die Entscheidung des Lenkungsausschusses der EVA vom 10. November 2008 zur Bildung einer Europäischen Lufttransportflotte und nimmt die Absichtserklärung über die Beteiligung an dieser Initiative zur Kenntnis, die von den Verteidigungsministern von 12 EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde;
- 50. erachtet es als notwendig, die Nutzung von Galileo und GMES (weltweite Umwelt- und Sicherheitsüberwachung) Systemen für Sicherheits- und Verteidigungszwecke zu ermöglichen;
- 51. befürwortet die dynamische Weiterentwicklung der Zusammenarbeit nationaler Streitkräfte hin zu einer immer engeren Synchronisierung; schlägt vor, diesem Prozess und den Streitkräften den Namen SAFE "Synchronized Armed Forces Europe" zu geben;
- 52. sieht in SAFE genügend Handlungsspielraum für neutrale wie für in Militärbündnissen verbundene Mitgliedstaaten; für jene, die heute bereits eng zusammenarbeiten und jene, die noch zurückstehen; schlägt für die Organisation von SAFE ein optin Modell vor, das auf stärkerer freiwilliger Synchronisierung beruht;
- 53. befürwortet im Rahmen von SAFE ein europäisches Soldatenstatut, das Ausbildungsstandards, Einsatzdoktrin und Handlungsfreiheit im Einsatz, Fragen der Rechte und Pflichten, sowie das Qualitätsniveau der Ausrüstung, der medizinischen Versorgung und die soziale Absicherung im Falle von Tod, Verwundung und Dienstunfähigkeit regelt;
- 54. befürwortet für SAFE das Prinzip einer europaweiten Arbeitsteilung in den militärischen Fähigkeiten;
- 55. befürwortet eine engere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene in den Bereichen Ausbildung, Wartung und Logistik als entscheidende Voraussetzung, um die Effizienz der Verteidigungsausgaben zu erhöhen;
Notwendigkeit neuer Strukturen
- 56. ist der Ansicht, dass die Fähigkeit der Europäischen Union zu eigenständigem Handeln auf dem Gebiet ihrer Außen- und Sicherheitspolitik verbessert werden sollte, indem ihre Kapazitäten in den Bereichen Analyse, Planung, Führung sowie Aufklärung gezielt weiterentwickelt werden; begrüßt in diesem Zusammenhang die Entscheidung des Europäischen Rates, auf die Schaffung einer ganzheitlichen Struktur zur zivilmilitärischen strategischen Planung für die ESVP-Operationen und -Missionen hinzuarbeiten;
- 57. begrüßt ebenfalls die Entscheidung des Europäischen Rates, eine informelle hochrangige EU-NATO-Gruppe einzurichten, mit der die Zusammenarbeit der beiden Organisationen pragmatisch gestärkt werden soll;
- 58. fordert die Einrichtung eines autonomen und ständigen operationellen Hauptquartiers der Europäischen Union mit der Fähigkeit, eine strategische Planung und ESVP-Operationen und -Missionen durchzuführen;
- 59. unterstützt die Absicht, einen Rat der Verteidigungsminister zu schaffen, um der Verteidigungspolitik der einzelnen Mitgliedstaaten größere Kohärenz zu verleihen und damit den einzelstaatlichen Beiträgen zur ESVP mehr Gewicht zu geben; betont das Ziel der vollständigen parlamentarischen Kontrolle der Einsätze und Operationen der ESVP auch durch das Europäische Parlament;
- 60. befürwortet nachdrücklich den Ausbau eines europäischen Verteidigungs- und Sicherheitsmarktes durch Annahme der Legislativvorschläge der Kommission zum öffentlichen Beschaffungswesen und zur innergemeinschaftlichen Verbringung und empfiehlt weitere Initiativen, um dieses Ziel zu erreichen, insbesondere in den Bereichen der Versorgungs- und Informationssicherheit;
- 61. begrüßt in dem Zusammenhang die Annahme des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern1, der den Verhaltenskodex für Rüstungsexporte zu einem rechtsverbindlichen Instrument macht; begrüßt weiterhin, dass es den EU-Mitgliedstaaten überlassen bleibt, individuell noch schärfere Maßnahmen zu erlassen;
- 62. erinnert daran, dass gemeinsame Waffensysteme durch eine starke europäische Verteidigungsindustrie zur Verfügung gestellt werden sollten, die in der Lage ist, den derzeitigen und künftigen Bedarf der europäischen Streitkräfte zu decken, und die es Europa ermöglichen wird, autark und unabhängig zu werden;
- 63. fordert eine Aufstockung der Gemeinschaftsmittel für die Sicherheitsforschung und die Förderung gemeinsamer Forschungsprogramme der Kommission und der EVA;
Notwendigkeit eines neuen Geistes
- 64. hält es für besonders wichtig, das Europäische Sicherheits- und Verteidigungskolleg zu stärken und es in eine ständige Struktur umzuwandeln, was die Entwicklung einer spezifisch europäischen Sicherheitskultur weiter fördern wird; fordert die Kommission nachdrücklich auf, Ausbildungsmaßnahmen im Bereich des zivilen Krisenmanagements auf EU-Ebene auch nach 2009 weiter zu finanzieren;
- 65. fordert weitere Initiativen im Bezug auf eine gemeinsame Ausbildung und gemeinsame Anforderungen für Personal, das bei zivilen und militärischen Operationen zusammen eingesetzt werden und zusammenarbeiten soll, eine verstärkte Interaktion zwischen den Streitkräften und dem zivilen Personal der EU-Mitgliedstaaten, die Abstimmung der Ausbildung im Zusammenhang mit Krisen, Austauschprogramme unter den Streitkräften in Europa sowie die Öffnung der Armeen für Bürger anderer EU-Mitgliedstaaten;
- 66. unterstützt nachdrücklich erfolgreiche europäische Programme wie den Eurofighter, das Kampfflugzeug, das in den kommenden Jahrzehnten das Kernstück der Einsatzfähigkeit von fünf europäischen Luftwaffen darstellen wird; vertritt in diesem Sinne die Ansicht, dass die Mitgliedstaaten solche Initiativen fördern und unterstützen sollten;
- 67. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie den Generalsekretären der Vereinten Nationen, des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und des Europarates zu übermitteln.
- 1 S. 407/08.
- 2 S. 113/08.
- 3 ABl. L 301 vom 12.11.2008, S. 33.
- 4 ABl. C 33 E vom 9.2.2006, S. 580.
- 5 ABl. C 314 E vom 21.12.2006, S. 334.
- 6 Angenommene Texte P6_TA(2008)0255.
- 1 Angenommene Texte P6_TA(2008)0365.
- 1 ABl. L 335 vom 13.12.2008, S. 99.