Antrag des Freistaates Sachsen
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (... Strafrechtsänderungsgesetz - ... StRÄndG) - Antrag der Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern -

Punkt 22 der 841. Sitzung des Bundesrates am 15. Februar 2008

Der Bundesrat möge beschließen, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen:

Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) Nr. 2 (§ 47 Abs. 1 Satz 2 - neu - StGB) Nr. 3 Buchstabe b (§ 56 Abs. 3 Satz 2 StGB)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Folgeänderungen:

Begründung (nur für das Plenum):

Der Entwurf ist ein deutliches politisches Signal des Gesetzgebers gegen menschenverachtende Vorurteils- und Gewaltkriminalität. In der Bevölkerung besteht teilweise der unbefriedigende Eindruck, es gebe kein hinreichendes Instrumentarium, um insbesondere gegen rechtsextremistische Gewalt vorzugehen.

Die Verhängung einer Geld- oder einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, wird von den Tätern oftmals als Sieg gefeiert.

Die im Gesetzentwurf enthaltenen Vorschläge sind grundsätzlich geeignet, hiergegen ein deutliches Signal zu setzen. In einzelnen Kriminalitätsbereichen und für bestimmte Tätergruppen kann die Ablehnung der Verhängung der kurzen Freiheitsstrafe zudem in Zweifel gezogen werden. Insbesondere bei sozial integrierten Gelegenheitstätern kann eine der Tat rasch folgende Vollstreckung einer kurzen Freiheitsstrafe, die keine Beeinträchtigung der beruflichen Existenz mit sich bringt, durchaus ähnliche Besinnungseffekte auslösen wie etwa der Jugendarrest.

Der Gesetzentwurf beinhaltet jedoch gewisse überschießende Tendenzen, die sich kontraproduktiv auswirken könnten. Die in § 46 Abs. 2 StGB genannten Umstände sind grundsätzlich ambivalent. Sie können sowohl für, als auch gegen den Täter herangezogen werden. Bei den vom Gesetzentwurf neu zu berücksichtigenden Umständen ist jedoch davon auszugehen, dass diese lediglich strafschärfend berücksichtigt werden sollen. Der Gesetzentwurf berücksichtigt dies weder bei der Einfügung der neuen Umstände in § 46 Abs. 2 StGB noch in der Begründung. Zur Veranschaulichung der kontraproduktiven Auswirkungen sollen zwei Beispiele gebildet werden: Ein Pädophiler demonstriert vor einem Kindergarten für die Legalisierung des sexuellen Kontakts mit Kindern und wird dabei von einer Mutter beleidigt. Bei einer Demonstration der NPD zerstört ein Passant das Plakat eines Demonstrationsteilnehmers. Bei den Strafverfahren wegen Beleidigung gegen die Mutter und wegen Sachbeschädigung gegen den Passanten müsste nach dem Gesetzentwurf strafschärfend berücksichtigt werden, dass ein Beweggrund der Tat im ersten Fall die sexuelle Orientierung des Opfers und im zweiten Fall die politische Einstellung des Opfers gewesen sei.

Dies kann nicht gewollt sein.

Durch die enumerative Aufzählung der regelmäßig strafschärfend zu berücksichtigenden Beweggründe in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB-E läuft der Gesetzentwurf zudem Gefahr, dass Straftaten gegen nicht ausdrücklich genannte Gruppen, die von einer entsprechenden Motivation getragen werden, nicht in gleicher Weise sanktionswürdig erscheinen. Die Aufzählung in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB-E ist nicht vollständig und kann es auch gar nicht sein. Die Liste ist beliebig erweiterbar z.B. durch die Merkmale Geschlecht, Alter, Schicht (an die zahlreichen teilweise sehr gravierenden Übergriffe auf Obdachlose sei erinnert), Sprache (vgl. Artikel 3 Abs. 3 GG), Beruf und Zugehörigkeit zu bestimmten Sportvereinen. Der Gesetzentwurf wird damit seinem eigenen Ziel, nicht nur rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Straftaten zu missbilligen, sondern alle Taten, die nicht gegen ein Opfer als Individuum, sondern als Repräsentant einer bestimmten Menschengruppe begangen werden, nicht gerecht. Letztlich führt er zu einer Diskriminierung der nicht genannten Gruppen.

Vom Entwurf nicht geklärt wird letztlich die Problematik des "Motivbündels".

Damit ist die Konstellation gemeint, dass der Täter aus unterschiedlichen Beweggründen handelt die nicht sämtlich der Aufzählung des § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB-E unterfallen. Im Rahmen des § 211 StGB bei der Feststellung der niedrigen Beweggründe und im Sexualstrafrecht bei der "sexuellen Handlung", wenn neben der sexuellen Tendenz auch andere Motive mitschwingen, besteht eine Parallelproblematik. Der Gesetzentwurf ist hierzu in seinen Aussagen widersprüchlich:

Nach dem vorgeschlagenen Normtext des § 46 Abs. 2 Satz 2 StGBE und nach der Begründung, Seite 6, ("ein Beweggrund der Tat") könnte es ausreichend sein dass es sich lediglich um einen Handlungsantrieb von vielen handelt.

An anderer Stelle (Seiten 4 und 5 der Begründung) spricht der Gesetzentwurf hingegen davon, dass die Tat von einem der genannten Beweggründe "getragen" sein muss. Der Beweggrund müsste danach wohl tatbestimmend gewesen sein.

Die durch den Antrag vorgeschlagenen Änderungen räumen die dargestellten Bedenken aus.