836. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2007
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ), der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Ausschuss für Kulturfragen (K) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt das Weißbuch Sport der Kommission als Beitrag zur Förderung dieses wichtigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Sektors.
- 2. Er begrüßt insbesondere die Feststellungen der Kommission, dass der Sport
- - zur Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung von jungen Menschen beiträgt;
- - die aktive Beteiligung von jungen Menschen an der Gemeinschaft fördert;
- - durch seine Rolle in der formalen und nichtformalen Bildung die jungen Menschen und damit auch das Humankapital der EU stärkt;
- - einen wichtigen Beitrag für die soziale Eingliederung, die Integration und die Chancengleichheit leistet.
- 3. Gleichwohl nimmt der Bundesrat die im Weißbuch Sport der Kommission enthaltenen Zielsetzungen mit Besorgnis zur Kenntnis, da im Ergebnis deutliche Tendenzen zu einer Ausweitung der EU-Kompetenzen in Handlungsfelder des Sports hinein zu erkennen sind, die in ihrer Zielsetzung über die derzeitigen Inhalte der Erklärung von Nizza und die bestehenden vertraglichen Regelungen hinausgehen. Die Gemeinschaft verfügt im Bereich des Sports nur über beschränkte Kompetenzen.
- 4. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der Sport, soweit er mit dem Bereich Bildung (insbesondere Schule und Hochschule) verknüpft ist, in Deutschland in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder fällt. Sport kann insoweit europäisch auch langfristig nur als ergänzende Aufgabe der EU verstanden werden.
- 5. Daran wird auch die beabsichtigte Vertragsreform mit Artikel 2 Nummer 141 ff. des Entwurfs eines Vertrags zur Änderung des Vertrags über die EU und des Vertrags zur Gründung der EG - Vertragsentwurf für die Regierungskonferenz CIG 1/ 07, CIG 2/ 07, CIG 3/07 und CIG 4/07 (BR-Drucksache 569/07 (PDF) ) nichts ändern. Die Union trägt demnach entsprechend den bisherigen Regelungen zur allgemeinen und beruflichen Bildung "zur Förderung der europäischen Dimension des Sports bei und berücksichtigt dabei dessen besondere Merkmale, dessen auf freiwilligem Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Funktion". Zu den Aufgaben der Union gehört nach dem Entwurf die "Entwicklung der europäischen Dimension des Sports durch Förderung der Fairness und der Offenheit von Sportwettkämpfen und der Zusammenarbeit zwischen den für den Sport verantwortlichen Organisationen, sowie durch den Schutz der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Sportler, insbesondere junger Sportler."
- 6. Der Bundesrat lehnt daher insbesondere alle Aktionen der Kommission ab, die Einfluss nehmen auf die Gestaltung von Bildungs- und Ausbildungsinhalten im Sport oder auf die unterschiedlichen haushaltsrechtlichen Strukturen der Sportförderung in den Mitgliedstaaten.
- 7. Der Bundesrat sieht unter Subsidiaritätsgesichtspunkten keine Notwendigkeit, die Zuwanderung drittstaatsangehöriger Sportler EU-einheitlich zu regeln oder zum Gegenstand entsprechender zirkulärer Migrationsmechanismen zu machen (vgl. Nr. 2.7 Absätze 26 und 27 der Vorlage). Die Zuwanderung von Sportlern und Sportlerinnen hat dementsprechend weiterhin in nationaler Verantwortung zu erfolgen.
- 8. Der Bundesrat anerkennt zwar die positiven Auswirkungen des Sports auf die Gesundheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger, seine erzieherische Dimension und seine bedeutende gesellschaftliche, kulturelle und freizeitgestaltende Funktion. Sport ist aber ein eigener Politikbereich, wie sich auch aus der Änderung im Entwurf des Änderungsvertrags ergibt. Der Bundesrat ist deshalb der Auffassung, dass der Sport nicht repräsentativ für die duale Berufsausbildung ist und dass der Sportsektor daher nicht als Pilotbereich für die Umsetzung des Leistungspunktesystems ECVET herangezogen werden kann.
- 9. Der Bundesrat verwahrt sich gegen Überlegungen der Kommission, im Bereich des Sports neue europäische Statistik- und Erhebungsvorgaben einführen zu wollen. Dies widerspricht der Eigenständigkeit des Sports, der (bisher) nicht vergemeinschaftet ist.
- 10. Deswegen kann eine Kompetenzausweitung nicht über Artikel 285 EGV erfolgen. Das gilt besonders für regelmäßige Statistiken (Eurobarometer-Umfragen) mit ihrer kosten- wie verwaltungsmäßigen Dauerlast. Andernfalls ist auch das gemeinschaftliche Ziel zur Senkung der Bürokratiekosten nicht erreichbar.
- 11. Die Bundesregierung wird [hilfsweise] gebeten, bei möglichen Verhandlungen zur Entwicklung einer neuen EU-Sport-Statistikmethode direkte oder indirekte Mehrkosten für die Länder zu vermeiden. Auch die Implementierung von sogenannten statistischen "Satellitenkontos" ist hier trotz des grundsätzlich begrüßenswerten methodischen Ansatzes (Rückgriff auf existente nationale Daten) zu nennen.
- 12. "Mainstreaming" des Sports im Sinne einer finanziellen Förderung durch sämtliche europäischen Programme hindurch, die über Bausteine wie Gesundheit, Jugend, Bekämpfung von Diskriminierung und Rassismus und weitere Themenfelder Ansatzpunkte für den Sport bieten, darf nicht zu einer Doppelförderung des Sports unabhängig von den nationalen Kernbemühungen führen. Gegen eine rein ergänzende Mitberücksichtigung des Sports im Rahmen der Obergrenzen des Finanzrahmens 2007 bis 2013 (Anhang I der Interinstitutionellen Vereinbarung) ist nichts einzuwenden.
- 13. Der Bundesrat regt an, dass die Kommission den internationalen Jugendaustausch und grenzüberschreitende Sportveranstaltungen im Jugendbereich, die das europäische Verständnis der Bürgerinnen und Bürger und den interkulturellen Dialog steigern, besonders fördert.
- 14. Der Bundesrat behält sich vor, nach weiteren Beratungen auf Fachministerebene erneut Stellung zu nehmen.
B
- 15. Der Gesundheitsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.