833. Sitzung des Bundesrates am 11. Mai 2007
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union, der Verkehrsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat lehnt die in dem Aktionsplan genannten Maßnahmen grundsätzlich ab.
Zwar hat die Kommission in ihrem Aktionsplan eine realistische Einschätzung über die drohenden infrastrukturellen Kapazitätsengpässe getroffen, die im Wesentlichen geteilt wird. Während die im Aktionsplan eingangs aufgezeigten allgemeinen Ziele noch einen guten Ansatz zur Verbesserung der Situation darstellen, lässt sich aus den konkreteren spezifischen und operationellen Zielen jedoch nur noch ein Maßnahmenkatalog ableiten, in dem das wichtigste Instrumentarium zur Überwindung der Kapazitätsproblematik aus deutscher Sicht vernachlässigt wird: der bedarfsgerechte Aus- und Neubau von Flughafenkapazitäten. In den Vorschlägen der Kommission, die stattdessen überwiegend auf Regulierung und technische Lösungen abstellen, ist der Problematik hingegen nicht hinreichend entsprochen worden. Auf Grund dessen ist der Bundesrat der Auffassung, dass der Aktionsplan in eine verfehlte verkehrspolitische Richtung weist. Dieser ist darüber hinaus geprägt von einem planerischen und dirigistischen Ansatz und zugleich von Misstrauen gegenüber einer organischen Entwicklung der Flughafenmärkte sowie einem unternehmerischen Handeln der Flughäfen. Die Kommission legt nicht schlüssig dar, dass das allgemein prognostizierte Wachstum des Luftverkehrs in den nächsten 20 Jahren nur durch ein Tätigwerden der EG bewältigt werden könnte. Nach der Überzeugung des Bundesrates ist diese Aufgabe bisher in ausreichender Weise von den Mitgliedstaaten erfüllt worden. Gemeinschaftliche Maßnahmen hält der Bundesrat deshalb schon aus Gründen der Subsidiarität für nicht gerechtfertigt.
Der Aktionsplan, insbesondere die darin genannten vielfältigen Rechtsetzungsvorhaben und die geplanten Eingriffe in die Verkehrsmärkte mit dem Ziel einer Verkehrssteuerung zwischen einzelnen Verkehrsträgern bzw. zwischen Gruppen von Flughäfen, sind mit einem marktwirtschaftlichen Verständnis von Luftverkehrspolitik nach Auffassung des Bundesrates nicht vereinbar. Der Aktionsplan stellt keine problemadäquate Lösung zur Verfügung und läuft darüber hinaus den erklärten Bemühungen der Kommission um Deregulierung zuwider. Die Einrichtung neuer Dienststellen, insbesondere bei EASA und Eurocontrol, hält der Bundesrat in diesem Zusammenhang für überflüssig. Dies bedeutet in der Praxis nur weitere Bürokratie und zusätzliche Kosten.
- 2. Im Einzelnen bewertet der Bundesrat die von der Kommission fünf Schlüsselbereichen zugeordneten Vorhaben wie folgt:
- - Bessere Ausnutzung der vorhandenen Flughafenkapazitäten Der Bundesrat hält es für nicht zielführend, Flughafenkapazitäten europaweit einheitlich zu planen und zu bewerten, weil in den einzelnen Flughafenregionen individuelle Gegebenheiten herrschen. Diese Umstände sind nicht vergleichbar und es besteht auch kein entsprechender Bedarf hierfür. Darüber hinaus hat Eurocontrol bereits ein entsprechendes Projekt zur Kapazitätsberechung (CAMAC) mit aktiver Unterstützung maßgeblicher Flughäfen eingeführt. Die universelle Verwendbarkeit eines standardisierten Berechnungsmodells ist ohnehin eingeschränkt, da entscheidende kapazitätsrelevante Einflussfaktoren stets lokaler Natur sind. Der Bundesrat spricht sich in diesem Zusammenhang insbesondere auch gegen die Einrichtung einer Beobachtungsstelle für die mittelfristige Flughafenkapazitätsplanung unter Federführung der Kommission aus. Dies würde vor allem weitere bürokratische Anforderungen mit sich bringen, ohne einen Nutzen zu erzeugen und ohne die regionalen Unterschiede beeinflussen oder ausgleichen zu können. Auf keinen Fall sollten Flughäfen verpflichtet werden, fortlaufend nach Einheitsverfahren erhobene Berechnungsergebnisse an die Kommission oder nachgeordnete Stellen zu liefern. Dies wäre nur eine bürokratische Mehrbelastung ohne erkennbaren Nutzen für die Kapazitätsentwicklung der einzelnen Flughäfen. Die koordinierten Flughäfen legen ihren Behörden ohnehin bereits heute entsprechende Auswertungen vor. Zudem hat die EG keine Zuständigkeit für die Planung der Verkehrsanlagen der Mitgliedstaaten im Einzelnen und darf eine solche auch nicht erhalten. Die Planungshoheit sollte bei den Mitgliedstaaten verbleiben.
Eine engere Verknüpfung der Flugpläne mit der Verkehrsflusssteuerung ist zwar sinnvoll, sie dürfte aber durch ständig wechselnde tatsächliche Gegebenheiten der Flugdurchführung erschwert sein. Der von Eurocontrol hierzu bereits angeforderte Bericht sollte daher nach Auffassung des Bundesrates abgewartet werden. Über mögliche Konsequenzen müsste im Übrigen in der Slot-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 793/2004) entschieden werden.
Die Notwendigkeit eines neuen institutionalisierten Informationsaustauschsystems an europäischen Flughäfen (kollaborative Entscheidungsfindung) wird nicht gesehen. Die im Flugverkehr beteiligten Partner arbeiten bereits heute eng zusammen, um die Netze zu optimieren und Verspätungen zu vermeiden.
- - Konsistenter Ansatz für den sicheren Betrieb an Flughäfen Der Bundesrat spricht sich gegen die Ausdehnung der Zuständigkeit der EASA auf Sicherheitsvorschriften für Flughäfen aus. Die Vorschriften zur Verkehrssicherheit des Luftverkehrs sind das Kernstück des Regelwerks der ICAO. Gerade hinsichtlich der Sicherheit auf Flughäfen besteht ein direkter Weisungsstrang von der ICAO an den Signatarstaat und von dessen Luftbehörde an den Flugplatzbetreiber. Durch Zwischenschaltung der EASA würde dieser Weisungsstrang unterbrochen. Die EASA sollte nicht die Rolle eines Regulators im Bereich der Flughafengestaltung und des Flughafenbetriebs übernehmen, zumal mit der Umsetzung der ICAO-Vorschriften über das Safety Management System in diesem Bereich ausreichend Vorkehrungen getroffen worden sind. Die Einschaltung einer weiteren Behörde führt zu einer erheblichen Zunahme von Bürokratie, verlangsamt die Prozesse und treibt die Kosten unnötig in die Höhe.
Auch nach Auffassung des Bundesrates sollten globale Satellitennavigationssysteme verstärkt genutzt werden, um die Sicherheit an Flughäfen zu erhöhen. Deswegen werden insbesondere die Bemühungen der Kommission um eine Zertifizierung der weltraumgestützten EGNOS/Galileo Signale unterstützt. Der Bundesrat erkennt jedoch keinen Bedarf, dieses Vorhaben in eine Kapazitätsplanung einzubinden.
- - Förderung der "Ko-Modalität", der Integration und Zusammenarbeit der verschiedenen Verkehrsträger Der Bundesrat hält eine verbesserte Vernetzung von Luft und Schiene im Fernverkehr generell für sinnvoll. Dadurch können Kurzstreckenzubringerflüge ersetzt werden. Eine dirigistische Substitution von Schienen- und Luftverkehr im Sinne einer Verkehrslenkung wird jedoch strikt abgelehnt. Die Aussage der Kommission, Finanzmittel u. a. des TEN-V-Programms für eine engere Vernetzung zur Verfügung zu stellen, ist zu begrüßen. Allerdings bedauert es der Bundesrat, dass durch das TEN-V-Programm auf Grund der Unterfinanzierung nicht alle verkehrlich bedeutenden und wünschenswerten Vorhaben zur Verknüpfung von Schiene und Luft adäquat finanziert werden können.
- - Verbesserung der Umweltkapazität von Flughäfen und des Planungsrahmens für neue Flughafeninfrastruktur Der Bundesrat ist der festen Überzeugung, dass die Planungshoheit weiterhin bei den Mitgliedstaaten und ihren administrativen Untergliederungen verbleiben muss. Eine europäische Einflussnahme auf diesem Gebiet lehnt er strikt ab. Darüber hinaus wurden bereits mit dem an Flughäfen angewandten "Balanced Approach" der ICAO in Bezug auf Fluglärm gute Erfahrungen gemacht. Der Ansatz beruht darauf, dass u. a. flugbetriebliche Verfahren möglichst lärmarm gestaltet (z.B. lärmoptimierte An- und Abflugverfahren, lärmmindernde Verfahren bei Triebwerksprobeläufen) und darüber hinaus passive Schallschutzmaßnahmen zum Schutz der Anwohner ergriffen werden. Ferner gehören dazu die durch die Flughäfen in den letzten Jahren verstärkt durchgeführten entgeltpolitischen Maßnahmen, die zu einer abgestuften Berechnung von Flughafenentgelten entsprechend ihrer Lärmklassifizierung führten. Darüber hinaus wird kein Bedarf nach weiterer Regulierung gesehen.
- - Entwicklung und Umsetzung kosteneffizienter technologischer Lösungen Der Bundesrat begrüßt die weitere Entwicklung von Führungs- und Steuerungssystemen für Bodenbewegungen an Flughäfen sowie die weitere technologische Entwicklung für den Flugbetrieb. Dies wird im Rahmen des Programms SESAR erfolgen. Eine Notwendigkeit, entsprechende Maßnahmen auch in einen übergreifenden Ansatz zur Kapazitätsplanung einzubinden, besteht hingegen nicht.
- - Bessere Ausnutzung der vorhandenen Flughafenkapazitäten Der Bundesrat hält es für nicht zielführend, Flughafenkapazitäten europaweit einheitlich zu planen und zu bewerten, weil in den einzelnen Flughafenregionen individuelle Gegebenheiten herrschen. Diese Umstände sind nicht vergleichbar und es besteht auch kein entsprechender Bedarf hierfür. Darüber hinaus hat Eurocontrol bereits ein entsprechendes Projekt zur Kapazitätsberechung (CAMAC) mit aktiver Unterstützung maßgeblicher Flughäfen eingeführt. Die universelle Verwendbarkeit eines standardisierten Berechnungsmodells ist ohnehin eingeschränkt, da entscheidende kapazitätsrelevante Einflussfaktoren stets lokaler Natur sind. Der Bundesrat spricht sich in diesem Zusammenhang insbesondere auch gegen die Einrichtung einer Beobachtungsstelle für die mittelfristige Flughafenkapazitätsplanung unter Federführung der Kommission aus. Dies würde vor allem weitere bürokratische Anforderungen mit sich bringen, ohne einen Nutzen zu erzeugen und ohne die regionalen Unterschiede beeinflussen oder ausgleichen zu können. Auf keinen Fall sollten Flughäfen verpflichtet werden, fortlaufend nach Einheitsverfahren erhobene Berechnungsergebnisse an die Kommission oder nachgeordnete Stellen zu liefern. Dies wäre nur eine bürokratische Mehrbelastung ohne erkennbaren Nutzen für die Kapazitätsentwicklung der einzelnen Flughäfen. Die koordinierten Flughäfen legen ihren Behörden ohnehin bereits heute entsprechende Auswertungen vor. Zudem hat die EG keine Zuständigkeit für die Planung der Verkehrsanlagen der Mitgliedstaaten im Einzelnen und darf eine solche auch nicht erhalten. Die Planungshoheit sollte bei den Mitgliedstaaten verbleiben.
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- 3. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.