COM (2016) 815 final; Ratsdok. 15642/16
975. Sitzung des Bundesrates am 15. März 2019
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union empfiehlt dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, im anhängigen EU-Gesetzgebungsverfahren (Trilog) zur Revision der Verordnung zur Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme (BR-Drucksache 761/16 (PDF) ) darauf hinzuwirken, dass die derzeit eingeforderte Ausstellung sogenannter A1-Bescheinigungen für kurzfristige Dienst- und Geschäftsreisen ins EU-Ausland aufgehoben bzw. zumindest flexibler gehandhabt wird.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Nach geltendem europäischen Recht unterliegt eine Person weiterhin den Rechtsvorschriften des Wohnsitzmitgliedstaats, wenn sie von ihrem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird und diese Entsendung nicht länger als 24 Monate dauert (Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit).
Gemäß § 4 Absatz 1 SGB IV gilt das auch, wenn diese Entsendung zeitlich begrenzt ist. Dabei wird nicht unterschieden, ob die Entsendung zur Durchführung eines Projekts erfolgt oder es sich lediglich um eine kurze Dienst- oder Geschäftsreise zur Teilnahme an Seminaren oder Konferenzen im EU-Ausland handelt.
Die Fortgeltung der deutschen Rechtsvorschriften für diesen Personenkreis bei Aufenthalt im EU-Ausland ist nach Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in Verbindung mit § 106 Absatz 1 SGB IV mit einer entsprechenden Bescheinigung (sogenannte A1-Bescheinigung) nachzuweisen. Seit dem 1. Januar 2019 ist in Deutschland nach § 106 Absatz 1 SGB IV das elektronische Antrags- und Bescheinigungsverfahren zum verbesserten Datenaustausch zwischen den zuständigen Behörden obligatorisch.
Zwar gilt die Verpflichtung zur Ausstellung bzw. die Mitführung einer A1-Bescheinigung bei Reisen ins EU-Ausland bereits seit dem 1. Mai 2010, dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 987/2009.
Diese Verpflichtung wurde vielen Betroffenen jedoch erst durch die Einführung des obligatorischen elektronischen Antrags- und Bescheinigungsverfahrens bewusst. Die Sozialversicherungsträger gehen davon aus, dass das Antragsvolumen bezüglich der A1-Bescheinigung durch die Änderungen zum 1. Januar 2019 stark zunehmen und ein erheblicher Bürokratieaufwand damit verbunden sein wird.
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 10. März 2017 (BR-Drucksache 761/16(B) ) zum Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 mit Blick auf das äußerst komplexe Regelwerk an die EU-Initiative zur besseren Rechtsetzung erinnert. Die Rechtslage sei sowohl für Behörden als auch für Bürgerinnen und Bürger nach wie vor schwierig. Der Bundesrat hat weiterhin Vereinfachungsbedarf gesehen.
Derzeit befindet sich der Verordnungsvorschlag im Trilog-Verfahren. Das Europäische Parlament hat in seiner Stellungnahme (Beschluss des Beschäftigungsausschusses vom 20. November 2018) eine Änderung des Artikels 12 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 dahingehend vorgeschlagen, dass durch eine direkte Aufnahme von Sonderregelungen eine A1-Bescheinigung dann nicht erforderlich sein soll, wenn die Arbeit eine Geschäftsreise betrifft, die nicht mit der Erbringung von Dienstleistungen oder der Herstellung von Produkten verbunden ist. Diese Ausnahmeregelung erscheint sinnvoll, da dadurch unnötiger Verwaltungsaufwand vermieden und eine bürgerfreundliche EU-Politik gestaltet werden kann.
Die Bundesregierung soll deshalb aufgefordert werden, sich in den aktuell laufenden Trilog-Verhandlungen diesbezüglich einzusetzen.
* Erster Beschluss des Bundesrates vom 10. März 2017, BR-Drucksache 761/16(B) ; Wiederaufnahme der Beratungen gemäß § 45a Absatz 4 GO BR (jetzt: EU)