Der Bundesrat hat in seiner 957. Sitzung am 12. Mai 2017 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat begrüßt, dass mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur strafrechtlichen Rehabilitierung Personen, die menschenrechts- und grundrechtswidrig verfolgt und bestraft wurden, rehabilitiert und entschädigt werden sollen.
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Ausweitung der Entschädigungsmöglichkeiten dahin gehend zu prüfen, ob
- - Personen, die Opfer von polizeilichen, strafrechtlichen und dienstrechtlichen Ermittlungen sowie Disziplinarverfahren wurden, in die Entschädigungsregelungen einbezogen werden können;
- - eine Kollektiventschädigung vorgesehen werden kann, die einen Ausgleich für Schäden herbeiführt, die nicht von den individuellen Entschädigungen aufgegriffen werden. Ferner könnte die Kollektiventschädigung der historischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung dienen.
Begründung:
Mit dem Gesetzentwurf wird den Betroffenen der Makel genommen, mit dem sie bisher wegen einer Verurteilung allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung leben mussten. Jenseits von Urteilsaufhebung und Entschädigungsleistungen wird öffentlich bekundet, dass der Gesetzgeber die Bereitschaft zur Korrektur aufbringt. Dies ist ein positives Signal nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Mehrheitsgesellschaft. Es wird damit aber auch über nationale Grenzen hinaus ein Zeichen gesetzt. Deutschland bezieht Position gegen Diskriminierung und Ausgrenzung in Zeiten, in denen Homosexualität in mehreren Ländern immer noch stark geächtet wird.
Bei manchen Personen haben allein die polizeilichen, strafrechtlichen und dienstrechtlichen Ermittlungen dazu geführt, dass ihnen ihre Existenzgrundlage entzogen wurde und sie starke finanzielle Einbußen, bis hin zu einer geschmälerten Rente hinnehmen müssen. Hier könnte der Gesetzgeber durch die Einrichtung eines Härtefonds mit einer entsprechenden Regelung bis hin zu einer Opferrente Abhilfe schaffen.
Aus einer Kollektiventschädigung, deren Mittel einer historischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung dienen sollten, könnten Maßnahmen gegen Homophobie und für Respekt und Toleranz gefördert werden. Es böten sich insbesondere Projekte in der Seniorenarbeit, so zum Beispiel im Bundesaltenplan, an.
Dies wäre ein Zeichen auch für die Menschen, die nicht von der Rehabilitierung und den Entschädigungsregelungen profitieren werden, die aber dennoch Schmach und Unbill in Kauf nehmen mussten.
Ein Ausbau der Entschädigungsleistungen würde einer umfassenden Wiedergutmachung dienen und wäre ein weiteres positives Signal in die Richtung einer nachhaltigen Antidiskriminierungspolitik.
2. Zu Artikel 1 (§ 3 StrRehaHomG)
Der Bundesrat fordert, im weiteren Gesetzgebungsverfahren für die Feststellung der Aufhebung eines Urteils und für die Ausstellung einer Rehabilitierungsbescheinigung gleichfalls die Zuständigkeit des Bundesamtes für Justiz zu bestimmen.
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht bisher für die Feststellung der Urteilsaufhebung und die Ausstellung einer Rehabilitierungsbescheinigung einerseits und für das Entschädigungsverfahren andererseits unterschiedliche Zuständigkeiten vor. Während die Feststellung der Urteilsaufhebung und die Ausstellung der Bescheinigung den Staatsanwaltschaften obliegen soll (§ 3 StrRehaHomG-E), soll das darauf aufbauende Entschädigungsverfahren durch das Bundesamt für Justiz durchgeführt werden (§ 6 StrRehaHomG-E). Die zweigeteilte Zuständigkeit ist weder geboten noch sachgerecht. Die Zuständigkeitskonzentration beim Bundesamt für Justiz fördert im Interesse der noch lebenden Verurteilten die zügige und gleichmäßige Abwicklung der Rehabilitierung und Entschädigung der wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Verurteilten.
Die Zuständigkeit des Bundesamtes für Justiz für das gesamte Verfahren hat wesentliche Vorteile. Die Betroffenen haben bundesweit eine einzige Anlaufstelle. Zuständigkeitsfragen, beispielsweise bei unbekanntem Gericht oder Auslandswohnsitz, stellen sich nicht; Verzögerungen durch die Klärung von Zuständigkeitsfragen können nicht entstehen. Die Ortsnähe der Behörde ist kein maßgeblicher Faktor, da Anträge schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts gestellt werden könnten. Auch ein leichter Zugriff auf bei der Behörde vorhandene Verfahrensakten spielt in der Praxis keine Rolle, da diese in aller Regel vernichtet sein werden. Spezielle Regelungen zum Informationsaustausch im Falle der Rücknahme einer Rehabilitierungsentscheidung sind obsolet.
Vor allem gewährleistet die bundesweite Zuständigkeit einer Behörde eine bundesweit einheitliche Gesetzesanwendung. Die Gefahr regional unterschiedlicher Umsetzung wird vermieden. Das gilt nicht nur für Auslegungsfragen, sondern auch für den Maßstab, der an die Glaubhaftmachung anzulegen ist. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz könnte gegebenenfalls im Wege der Dienstaufsicht für einen gleichmäßigen und zügigen Gesetzesvollzug sorgen. Demgegenüber kann sich bei einer auf alle Staatsanwaltschaften im Bundesgebiet verteilten Zuständigkeit insbesondere in kleinen Behörden mit wenigen Anwendungsfällen weder eine Verfahrens- noch eine Entscheidungsroutine herausbilden.
3. Zu Artikel 1 (§ 4 StrRehaHomG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Erweiterung der Tilgungsvorschrift des § 4 StrRehaHomG-E dahin gehend zu prüfen, ob im Falle von Teilaufhebungen gemäß § 2 StrRehaHomG-E auf Antrag auch entsprechende Teiltilgungen von Eintragungen ermöglicht werden sollen.
Begründung:
§ 4 StrRehaHomG-E erscheint nicht weitgehend genug, um eine nachhaltige Rehabilitierung zu erreichen. Nach § 4 StrRehaHomG-E sind Eintragungen im Bundeszentralregister nur dann zu tilgen, wenn die vollständige Aufhebung des Strafurteils oder der Unterbringungsanordnung festgestellt wurde. Nach § 2 StrRehaHomG-E ist es allerdings möglich, dass Urteile bzw. strafgerichtliche Unterbringungsanordnungen nur insoweit aufgehoben werden, als die Verurteilung bzw. Unterbringungsanordnung auf den in § 1 Absatz 1 StrRehaHomG-E genannten Vorschriften beruht. Bei einer nur zum Teil aufgehobenen Entscheidung wäre der Eintrag im Bundeszentralregister nicht auf Antrag des Verurteilten zu ändern, denn § 4 StrRehaHomG-E sieht eine Tilgung nur teilweise nicht vor. Die derzeitige Fassung hat demnach zur Folge, dass sich eine Verurteilung aufgrund der in § 1 Absatz 1 StrRehaHomG-E genannten Vorschriften weiterhin aus dem Bundeszentralregister ergibt, wenn das Urteil nicht vollständig aufgehoben ist. Denn nach § 5 Absatz 1 BZRG ist die rechtliche Bezeichnung der Tat unter Angabe der angewandten Strafvorschriften einzutragen. Die Tatsache, dass sich eine Verurteilung nach den in § 1 Absatz 1 StrRehaHomG-E genannten Straftaten weiterhin aus dem Bundeszentralregister ergeben kann, steht einer vollständigen strafrechtlichen Rehabilitierung jedoch entgegen.