Der Regierende Bürgermeister von Berlin Berlin, 28. August 2018
Chef der Senatskanzlei
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael Müller
Sehr geehrter Herr Präsident,
der Senat von Berlin hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage mit Begründung beigefügte Entschließung des Bundesrates zur Anpassung des Gewerbemietrechts zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 970. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2018 zu setzen und sie anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Gaebler
Entschließung des Bundesrates zur Anpassung des Gewerbemietrechts
Der Bundesrat möge beschließen:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, unter Berücksichtigung der unterbreiteten Vorschläge eine Modernisierung des Gewerbemietrechts zu prüfen. Insbesondere sollte für den Gewerbemieter ein gesetzlicher Anspruch gegen den Vermieter auf eine Verlängerung des Mietverhältnisses zu den bislang geltenden Konditionen geschaffen werden. Auf der Grundlage dieses Verlängerungsanspruchs sollte der Mieter erreichen können, dass das Mietverhältnis eine Dauer von zehn Jahren ab der Überlassung erhält. Es sollten dabei sachgerechte Ausnahmen zugelassen werden. Ferner sollte dem Vermieter die Befugnis eingeräumt werden, der Verlängerung zu widersprechen, wenn er an der vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses ein schutzwürdiges Interesse hat; der Mieter ist in diesem Fall angemessen zu entschädigen.
Begründung:
Der Entschließung liegen die folgenden Erwägungen zugrunde:
Der Bundesrat beobachtet mit Sorge, dass sich in innerstädtischen Lagen in den letzten Jahren vor dem Hintergrund erheblicher Steigerungen der Gewerbemieten ein Strukturwandel abzeichnet, der auch von einer Verdrängung kleiner inhabergeführter Gewerbebetriebe und sozialer Einrichtungen (z.B. Kitas und Jugendeinrichtungen) geprägt ist. Es ist festzustellen, dass es kleinen und mittleren Unternehmen seltener gelingt, einen Mietvertrag über einen längeren Zeitraum abzuschließen. Ein solcher ist jedoch notwendig, um hinreichende Planungssicherheit zu erhalten.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Regelungen zum Gewerbemietrecht den heutigen Gegebenheiten nicht mehr gerecht werden. Das Gewerbemietrecht ist seit dem Inkrafttreten des BGB im Jahre 1900 kaum angepasst worden. Es liegt schon aufgrund des seither verstrichenen langen Zeitraums auf der Hand, dass die Gesichtspunkte, die für eine interessengerechte Regelung zu beachten sind, sich in der Zwischenzeit verändert haben.
Der Gedanke, der dem geltenden Gewerbemietrecht zugrunde liegt, ist derjenige, dass Vermieter und Mieter sich in den Vertragsverhandlungen gleichsam "auf Augenhöhe" begegnen und deshalb die nähere Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses dem "freien Spiel der Kräfte" überlassen werden kann. Das ist jedoch heute in dieser Form nicht mehr zutreffend, was insbesondere die breite Judikatur zum AGB-Recht belegt; allerdings kann das AGB-Recht den gebotenen Schutz der Gewerbemieter nicht alleine bewältigen.
Aufgrund der gestiegenen Grundstückspreise und der damit einhergehenden hohen Mieten verfügen die Vermieter in den Ballungszentren über eine Position, die es ihnen vermehrt erlaubt, nicht nur die Vertragsbedingungen, sondern auch die Vertragslaufzeit weitgehend zu "diktieren". Es ist festzustellen, dass es kleinen und mittleren Unternehmen immer seltener gelingt, einen Mietvertrag über einen längeren Zeitraum abzuschließen; dieser ist jedoch nötig, um die nötige Planungssicherheit zu erhalten.
Diese Ausgangssituation ermöglicht den Vermietern ein spekulatives Handeln auf Kosten der Gewerbemieter. So haben die Vermieter es in der Hand, dem Mieter einen nur kurzfristigen Mietvertrag in Aussicht zu stellen, um sich auf diese Weise die Möglichkeit offen zu erhalten, nach Ablauf eines sehr überschaubaren Zeitraums einen anderen Mieter zu finden, der zur Zahlung einer noch höheren Miete bereit ist. Da der sich hieraus ergebende Nachteil vorwiegend von weniger finanzkräftigen Unternehmen zu tragen ist, begünstigt dies die Entwicklung in den Ballungszentren, dass kleine und mittlere Unternehmen durch größere Anbieter verdrängt werden.
Zudem ist die Praxis, vermehrt nur noch den Abschluss kurzfristiger Mietverträge zu ermöglichen, eine wichtige Ursache dafür, weshalb die Mieter sich nach dem Ablauf einer vergleichsweise kurzen Mietlaufzeit dazu gezwungen sehen, einer nunmehr geforderten Mieterhöhung des Vermieters zuzustimmen. Die Mieter stehen mithin vor der Wahl, entweder die in diesen Fällen nicht selten exorbitante Mieterhöhung zu akzeptieren oder das Geschäft zu schließen. Letzteres führt bei kurzen Vertragslaufzeiten dazu, dass die vorgenommenen Investitionen sich nicht amortisieren könnten und dass der erworbene Kundenstamm verloren geht; der Mieter steht also "mit dem Rücken zur Wand". Gerade dies kann die Mieter dazu veranlassen, der vom Vermieter begehrten Mieterhöhung zuzustimmen.
Vor diesem Hintergrund sollte dem Gewerbemieter von Räumen gegenüber dem Vermieter grundsätzlich ein gesetzlicher Anspruch darauf zustehen, dass das Mietverhältnis nach Ablauf der Befristung verlängert wird, und zwar solange, bis ein Zeitraum von mindestens zehn Jahren ab der Überlassung erreicht ist. Ähnliche Regelungen gibt es bereits in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wie z.B. Frankreich oder Luxemburg. Der Anspruch ist rechtzeitig vor Ablauf der ursprünglichen Befristung geltend zu machen. Die berechtigten Interessen des Vermieters können insbesondere dadurch geschützt werden, dass das Mietverhältnis grundsätzlich zu den bisherigen Bedingungen fortgesetzt wird, wobei auch die im Vertrag angelegten Mieterhöhungsmechanismen fortzuschreiben sind. Ferner sollte dem Vermieter die Befugnis eingeräumt werden, der Verlängerung des Mietverhältnisses zu widersprechen, sofern er an der Beendigung des Mietverhältnisses ein schutzwürdiges Interesse hat. In diesem Fall hat er den Mieter angemessen zu entschädigen. Die hier vorgeschlagene Grenze von zehn Jahren orientiert sich an der Überlegung, dass im Anschluss an diesen Zeitraum bei typisierender Betrachtung jedenfalls ein erheblicher Anteil der anfänglichen Investitionen abgeschrieben sein wird.
Es sind dabei sachgerechte Ausnahmen vorzusehen. Ein Verlängerungsanspruch des Mieters sollte insbesondere dann nicht bestehen, wenn es um ein Mietverhältnis geht, das anlassbezogen begründet wurde (z.B. Messe). Dabei erscheint es zudem sinnvoll, sehr kurzfristige Mietverhältnisse (etwa bis zu einer Laufzeit von sechs Monaten) generell auszuklammern. Da die hier dargestellte Problematik bislang nicht in Einkaufszentren aufgetreten ist, welche sich insbesondere durch einheitlich geplante, finanzierte, gebaute und verwaltete Gebäudekomplexe auszeichnen, sollten insbesondere auch Gewerbemietverhältnisse über die dort gelegenen Gewerberäume ausgenommen werden.
Es kann sich ferner anbieten, die Regelungen nur für solche Gebiete vorzusehen, in denen die hier beschriebene Problemlage festgestellt werden kann. Eine Möglichkeit besteht insoweit darin, es den Ländern zu gestatten, die betreffenden Gebiete auf der Grundlage einer Rechtsverordnung zu identifizieren.