A.
Der federführende Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nr. 10 Buchstabe c, d ( § 1579 BGB)
In Artikel 1 Nr. 10 sind die Buchstaben c und d wie folgt zu fassen:
- "c) Nach Nummer 6 wird folgende Nummer 7 eingefügt:
7. der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt,
- d) Die bisherige Nummer 7 wird Nummer 8."
Begründung
Durch die Einfügung des neuen Härtegrundes unmittelbar vor dem Auffangtatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB wird die im Entwurf vorgesehene Änderung der Nummerierung weit gehend vermieden, damit die bisher in der Praxis bekannten und immer wieder angewandten Verwirkungsgründe der Nummern 2 bis 6 beibehalten werden können.
Die Begründung für die Änderung der Nummerierung von Nummer 2 (BR-Drs. 253/06 (PDF), Seite 36) ist nicht zwingend. Zwar knüpft die vorgesehene Nummer 2 ebenso wie Nummer 1 der Vorschrift im Unterschied zu den bisherigen Nummern 2 bis 6 nicht an ein Fehlverhalten, sondern an eine objektive Veränderung in den Lebensverhältnissen des Unterhaltsberechtigten an. Da derartige Umstände, wie auch die Begründung des Entwurfs (a.a.O., Seite 33) ausführt, aber auch für die Anwendung der Generalklausel der bisherigen Nummer 7 maßgeblich sein können, ist es nicht geboten, den im Entwurf vorgesehenen neuen Härtegrund im Anschluss an die Nummer 1 zu normieren.
2. Zu Artikel 1 Nr. 13 ( § 1585c Satz 2 BGB), Artikel 3 Abs. 2 ( § 35 EGZPO)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Aufnahme einer klarstellenden Übergangsbestimmung zu prüfen, aus der deutlich hervorgeht, dass in der Vergangenheit von den Ehegatten vor Rechtskraft der Scheidung formfrei getroffene Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt auch für die Zukunft Geltung behalten.
Begründung
§ 1585c Satz 2 BGB-E fordert für eine wirksame Einigung der Ehegatten über den nachehelichen Unterhalt vor Rechtskraft der Scheidung die notarielle Form. Nach bisheriger Rechtslage waren Abreden, die sich auf diesen Inhalt beschränkten, formfrei gültig.
Das vom Entwurf vorgesehene Übergangsrecht geht im Kern dahin, dass nunmehr erheblich gewordene Umstände dann zu berücksichtigen sein sollen, wenn sie zu einer wesentlichen Änderung der Unterhaltsverpflichtung führen und die Änderung dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar ist.
Diese Übergangsbestimmung könnte dahin missverstanden werden, dass die alten formlosen einvernehmlichen Regelungen zumindest für die Zukunft ihre Geltung verlieren (Formerfordernis als erheblich gewordener Umstand?). Der Gesetzgeber sollte jeglicher Rechtsunsicherheit und derartigen Auslegungsversuchen, mit denen die Praxis sich nach Inkrafttreten der Änderung zusätzlich konfrontiert sähe, durch eine klare Übergangsbestimmung, die die Fälle der formfrei geschlossenen Altregelung ausnimmt, von vornherein den Boden entziehen.
3. Zu Artikel 1 Nr. 16 (§ 1609 Nr. 2 BGB)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die gesetzliche Regelung der Möglichkeit einer Billigkeitskorrektur zu Gunsten des früheren Ehegatten zu prüfen.
Begründung
Das Anliegen des Gesetzentwurfs, im Interesse des Kindeswohls alle Kinder betreuenden Elternteile unterhaltsrechtlich untereinander und im Verhältnis zu Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer gleichrangig zu behandeln, ist zu begrüßen.
Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass die Gleichbehandlung in Ausnahmefällen zu unbilligen Ergebnissen führen kann, deren Korrektur das beabsichtigte Gesetz ausdrücklich ermöglichen sollte. Ein solches Bedürfnis könnte sich etwa ergeben, wenn eine auf Grund eines flüchtigen sexuellen Kontakts schwanger gewordene Mutter gleichrangig neben den geschiedenen langjährigen Ehegatten tritt, der wegen Alters oder Krankheit unterhaltsberechtigt ist und der sich (anders als die Mutter) nicht auf die Änderung einstellen konnte. Für den Fall, dass es dem Unterhaltspflichtigen nicht möglich ist, beider Unterhaltsansprüche zu erfüllen, sollte es dem Gericht ermöglicht werden, den Gleichrang dadurch zu lockern, dass es bei der Verteilung der zur Verfügung stehenden Masse den früheren Ehegatten privilegiert. Die in der Begründung (BR-Drs. 253/06 (PDF), Seite 42 f.) aufgezeigte Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen durch eine Reduzierung des Selbstbehalts zu erhöhen, dürfte insoweit nicht ausreichen.
4. Zu Artikel 1 Nr. 16 (§ 1609 Nr. 2 BGB)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Schaffung eines Auskunftsanspruchs gegen vor- und gleichrangig Unterhaltsberechtigte zu prüfen.
Begründung
Die rangmäßige Gleichbehandlung aller Kinder betreuenden Elternteile in § 1609 Nr. 2 BGB-E wirft die Frage auf, wie die die konkurrierenden Personen betreffenden unterhaltsrechtlich relevanten Tatsachen aufzuklären und in den Prozess etwa der getrennt lebenden Mutter gegen den Unterhaltsschuldner einzuführen sind. Auch wäre es für den Unterhaltsprätendenten zur Eindämmung des eigenen Kostenrisikos nützlich, wenn er die Möglichkeit hätte, sich Kenntnis über diese Tatsachen zu verschaffen.
5. Zu Artikel 1 Nr. 16 (§ 1609 Nr. 3, 4 BGB)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Unterhaltsberechtigten der Gruppen aus § 1609 Nr. 3 und 4 BGB-E gleichrangig zusammenzufassen und die Möglichkeit einer Billigkeitskorrektur zu schaffen.
Begründung
Der Gesetzentwurf sieht eine vorrangige Behandlung der geschiedenen nicht privilegierten Ehefrau (Nummer 3) gegenüber nicht privilegierten Kindern (Nummer 4) vor.
Bei Abwägung der schutzwürdigen Interessen kann das volljährige in Ausbildung stehende Kind rechtspolitisch ohne Weiteres mit der geschiedenen Ehefrau konkurrieren. Die vom Gesetzentwurf avisierte Rangfolge würde insbesondere dann zu ungerechten Ergebnissen führen, wenn eine kinderlose Ehe nur von kurzer Dauer war.
Es wird daher angeregt, die Gruppen aus § 1609 Nr. 3 und 4 BGB-E (gleichrangig) zusammenzufassen. Sollte diese Gleichbehandlung in Einzelfällen zu unbilligen Ergebnissen führen, könnten diesen mit einer im Gesetz zu verankernden Billigkeitskorrektur begegnet werden.
6. Zu Artikel 1 Nr. 20 (§ 1615l Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 und 4 BGB)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens den Wortlaut des § 1615l Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 und 4 BGB dahin gehend zu überarbeiten, dass der Betreuungsunterhaltsanspruch dem Elternteil zusteht, von dem wegen der Pflege und Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.
Begründung
Der Wortlaut des § 1615l Abs. 1, 2 und 3 BGB spricht der Mutter eines nichtehelichen Kindes verschiedene Ansprüche gegen den unverheirateten Vater zu. Die den Betreuungsunterhaltsanspruch betreffenden Vorschriften des § 1615l Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 BGB finden auf den betreuenden Vater gemäß § 1615l Abs. 4 BGB lediglich entsprechend Anwendung.
Wie bereits die Entwurfsbegründung aufzeigt, betrug der Anteil der alleinerziehenden Väter in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2000 bereits 14,5 Prozent, mithin 256 665. Auch wenn der Anteil alleinerziehender Mütter wesentlich höher ist, kann der Anteil der Väter nicht mehr als verschwindend gering bezeichnet werden. Als Zeichen der Anerkennung der Verantwortungswahrnehmung durch die Väter in einem in unserer Gesellschaft traditionell von den Müttern wahrgenommenen Sozialbereich erscheint es geboten, seitens des Gesetzgebers die im Wortlaut des § 1615l BGB angelegte verbale Diskriminierung der erziehenden Väter zu beseitigen.
7. Zu Artikel 3 Abs. 3 Nr. 1 ( § 645 Abs. 1 ZPO)
In Artikel 3 Abs. 3 Nr. 1 § 645 Abs. 1 ist die Angabe "1,2-fache" durch die Angabe "1,5-fache" zu ersetzen.
Begründung
Intention des Gesetzgebers bei Schaffung des vereinfachten Verfahrens war es, den Kindern zu ermöglichen, möglichst einfach und schnell einen Unterhaltstitel zu erlangen. Die Begrenzung auf das 1,5-fache des Regelbetrages erschien seinerzeit als eine sinnvolle Grenze. Es ist wenig nachvollziehbar, weshalb nun eine Begrenzung auf das 1,2-fache des Mindestunterhaltes stattfinden soll. Zwar entspricht dies rein rechnerisch etwa der bisherigen Größe des 1,5-fachen des Regelbetrages. Logischer erscheint jedoch die Beibehaltung der 1,5-fachen Regelung im bisherigen § 645 Abs. 1 ZPO. Zwar führt dies zu einer Erhöhung des Betrages, jedoch hat sich in der Praxis erwiesen, dass entgegen früheren Befürchtungen die Obergrenze nur in den seltensten Fällen ausgeschöpft wird. Die Hauptanwender des vereinfachten Verfahrens, nämlich die Jugendämter, errechnen nach den Erfahrungen der Praxis den geschuldeten Unterhalt sorgfältig und beantragen nicht den Maximalbetrag, wenn dieser nicht gerechtfertigt ist. Von daher besteht durch eine Beibehaltung des 1,5-fachen und damit der bisher gewohnten Regelung nicht die Befürchtung, dass dies zu Lasten der Unterhaltsschuldner ausgenutzt wird. Die Regelung mit dem 1,5-fachen der Anknüpfungsgröße hat sich bewährt und ist im Bewusstsein der Rechtsanwender im Bereich des vereinfachten Verfahrens verankert. Dies sollte nicht ohne Not aufgegeben werden.
B.
- 8. Der Ausschuss für Frauen und Jugend, der Ausschuss für Familie und Senioren und der Finanzausschuss empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.