A.
Der federführende Rechtsausschuss (R),
der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ)
und der Ausschuss für Familie und Senioren (FS)
empfehlen dem Bundesrat,
den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen:
1. Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 6 Nr. 4 StGB), Nr. 3 (§ 234b StGB), Nr. 4 - neu - (§ 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- a) Nummer 2 ist wie folgt zu fassen:
2. In § 6 Nr. 4 wird das abschließende Semikolon gestrichen und werden die Wörter "und Zwangsheirat in den Fällen des § 234b Abs. 2 und 3;" angefügt.
- b) In Nummer 3 ist § 234b wie folgt zu ändern:
- aa) In Absatz 1 Satz 1 ist die Angabe "drei Monaten" durch die Angabe "sechs Monaten" und die Angabe "fünf Jahren" durch die Angabe "zehn Jahren" zu ersetzen.
- bb) In Absatz 2 sind die Wörter "seines Vorteils wegen durch die" durch das Wort "unter" zu ersetzen.
- cc) In Absatz 3 sind nach den Wörtern "um sie" die Wörter "unter Ausnutzung einer Zwangslage oder Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in diesem Gebiet verbunden ist," einzufügen.
- dd) Folgender Absatz 5 ist anzufügen:
(5) In minder schweren Fällen der Absätze 1 bis 3 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
- c) Folgende Nummer 4 ist anzufügen:
4. In § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 werden die Wörter "oder zur Eingehung der Ehe" gestrichen.
Folgeänderungen:
- a) Das Vorblatt ist wie folgt zu ändern:
- aa) Dem Abschnitt "B. Lösung" ist folgender Satz anzufügen:
Zugleich ist das durch das Siebenunddreißigste Strafrechtsänderungsgesetz - §§ 180b, 181 StGB - (37. StrÄndG) vom 11. Februar 2005 (BGBl. I S. 239) eingefügte Regelbeispiel für den besonders schweren Fall der Nötigung "zur Eingehung der Ehe" in § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB zu streichen, weil dieser unzureichende Lösungsansatz durch den neuen Straftatbestand überflüssig wird.
- bb) Der Abschnitt "C. Alternativen" ist wie folgt zu fassen: "Beibehaltung des unbefriedigenden geltenden Rechts."
- aa) Dem Abschnitt "B. Lösung" ist folgender Satz anzufügen:
- b) Der Allgemeinen Begründung Abschnitt II. "1. Strafrecht" ist folgender Satz anzufügen:
Diesem Anliegen wird das durch das 37. StrÄndG vom 11. Februar 2005 erfolgte Einfügen des Regelbeispiels für den besonders schweren Fall der Nötigung "zur Eingehung der Ehe" in § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht hinreichend gerecht.
- c) Die Einzelbegründung zu Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- aa) Die Einzelbegründung zu Nummer 3 ist wie folgt zu fassen: "3.
Zu Artikel 1 Nr. 3 (§ 234b - neu - )
Die vorgeschlagene Regelung gliedert sich in drei Absätze, die unterschiedliche Erscheinungsformen der Zwangsheirat sanktionieren, die Bestimmung der Versuchsstrafbarkeit und einen reduzierten Strafrahmen für minder schwere Fälle. Als Straftat gegen die persönliche Freiheit wird sie in den 18. Abschnitt des Strafgesetzbuches eingestellt. Wegen der in Teilbereichen bestehenden Nähe zur Verschleppung ( § 234a StGB) wird die neue Strafnorm im Anschluss daran eingefügt; eine Regelung im Anschluss an § 240 StGB ist nicht geboten, auch wenn § 234b Abs. 1 StGB-E eine Qualifikation der Nötigung enthält.
Die Einstellung der Strafnorm gegen Zwangsheirat in § 234b StGB führt dazu, dass sich die durch eine rechtswidrige Tat verletzte Person der öffentlichen Klage als Nebenkläger anschließen kann (§ 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d StPO). Dies ist sachgerecht; strafprozessualer Folgeregelungen bedarf es nicht.
In Absatz 1 wird die Nötigung zur Eingehung der Ehe als Qualifikation der Nötigung ( § 240 StGB) ausgestaltet. Durch den erhöhten Strafrahmen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird das gegenüber dem Grundfall der Nötigung erhöhte Unrecht zum Ausdruck gebracht, das sich aus dem Zwang zu einer dauerhaften rechtlichen und persönlichen Verbindung ergibt. Der Strafrahmen orientiert sich - wegen des in allen Tatalternativen des § 234b StGB-E vergleichbaren Gewichts des Unrechts - am Strafrahmen des Menschenhandels (§ 232 Abs. 1, § 233 Abs. 1 StGB). Die Verwerflichkeitsklausel des § 240 Abs. 2 StGB wird in § 234b Abs. 1 Satz 2 StGB-E übernommen, weil insbesondere bei der Drohungsalternative Fallgestaltungen nicht ausgeschlossen sind, in denen die Androhung eines empfindlichen Übels zu dem angestrebten Zweck nicht als verwerflich anzusehen ist, beispielsweise bei der Ankündigung eines Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, den anderen zu verlassen, wenn er nicht zur Eingehung der Ehe bereit ist.
Absatz 2 regelt mit derselben Strafdrohung in Anlehnung an den Tatbestand des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ( § 232 Abs. 1 StGB) eine besondere Form der Zwangsheirat, die sich als Heiratshandel kennzeichnen lässt. Dabei reicht die bloße Kenntnis der Zwangslage oder speziellen Hilflosigkeit nicht aus; für die Strafbarkeit erforderlich ist deren Ausnutzung. Wie die durch das 37. StrÄndG neu formulierten Tatbestände des Menschenhandels (§ 232 Abs. 1, § 233 Abs. 1 StGB) ist der hier vorgeschlagene Tatbestand als Erfolgsdelikt ausgestaltet, um die Strafbarkeit nicht zu weit in die Vorbereitung der angestrebten Eheschließung zu verlagern. Einen gewissen Ausgleich schafft die in Absatz 4 vorgesehene Versuchsstrafbarkeit.
Absatz 3 stellt mit derselben Strafdrohung in Anlehnung an den Tatbestand der Verschleppung ( § 234a StGB) Fallkonstellationen unter Strafe, in denen das Opfer dem tatsächlichen und rechtlichen Schutz, der mit seinem Aufenthalt im Inland verbunden ist, durch besondere Einwirkung entzogen wird, um es zur Eingehung der Ehe zu bringen. Zur Eingrenzung des Tatbestands auf strafwürdige Fälle wird vorausgesetzt, dass eine mit dem Aufenthalt im Ausland verbundene Zwangslage oder Hilflosigkeit ausgenutzt werden sol1. Anders als in den Absätzen 1 und 2 der vorgeschlagenen neuen Strafnorm wird hier für die Strafbarkeit die Eheschließung nicht als tatbestandlicher Erfolg vorausgesetzt. Es reicht ein darauf gerichtetes Handeln, wenn dieses einen tatsächlichen, im Regelfall schutzmindernden Aufenthalt im Ausland bewirkt hat; insoweit handelt es sich auch hier um ein Erfolgsdelikt.
Im Interesse eines umfassenden Rechtsgüterschutzes ist in Absatz 4 für alle Tatalternativen Versuchsstrafbarkeit bestimmt.
Absatz 5 sieht - in Anlehnung an die Regelung beim Menschenhandel (§ 232 Abs. 5, § 233 Abs. 3 i.V.m. § 232 Abs. 5 StGB) - einen reduzierten Strafrahmen für minder schwere Fälle vor."
- bb) Folgende Einzelbegründung zu Nummer 4 ist anzufügen:
- aa) Die Einzelbegründung zu Nummer 3 ist wie folgt zu fassen: "3.
"4. Zu Artikel 1 Nr. 4 ( § 240 Abs. 4 StGB)
Das durch das 37. StrÄndG vom 11. Februar 2005 eingefügte Regelbeispiel für den besonders schweren Fall der Nötigung "zur Eingehung der Ehe" in § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB wird durch den neuen Qualifikationstatbestand des § 234b Abs. 1 StGB überflüssig und ist deshalb zu streichen."
Begründung (nur für das Plenum):
Das Siebenunddreißigste Strafrechtsänderungsgesetz - §§ 180b, 181 StGB - (37. StrÄndG) vom 11. Februar 2005, das insbesondere die Tatbestände des Menschenhandels (§§ 232 ff. StGB) neu gefasst und die Nötigung zur Eingehung der Ehe als Regelbeispiel für den besonders schweren Fall der Nötigung (§ 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB) ausgestaltet hat, veranlasst folgende Anpassungen des Gesetzentwurfs:
- - redaktionelle Anpassung der Änderung des § 6 Nr. 4 StGB,
- - erhöhter Strafrahmen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren für die Absätze 1 bis 3 des § 234b StGB-E,
- - Verzicht auf des Merkmal "seines Vorteils wegen" in § 234b Abs. 2 StGB-E,
- - reduzierter Strafrahmen für minder schwere Fälle (§ 234b Abs. 5 StGB-E),
- - Streichung des Regelbeispiels "zur Eingehung der Ehe" in § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB.
Außerdem ist § 234b Abs. 3 StGB-E auf die strafwürdigen Fälle zu beschränken, in denen die mit einem Aufenthalt im Ausland verbundene Zwangslage oder Hilflosigkeit ausgenutzt werden sol1.
2. Zu Artikel 2 Nr. 1 (§ 1317 Abs. 1 Satz 1 BGB)
Artikel 2 Nr. 1 ist wie folgt zu fassen:
- "1. § 1317 Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
- Der Antrag kann in den Fällen des § 1314 Abs. 2 Nr. 2 und 3 nur binnen eines Jahres, im Falle des § 1314 Abs. 2 Nr. 4 nur binnen drei Jahren gestellt werden."
Folgeänderungen:
- a) Im Vorblatt Abschnitt "B. Lösung" Abs. 2 Satz 1 sind die Wörter "den Wegfall" durch die Wörter "eine Verlängerung" und das Wort "Jahr" durch die Wörter "auf drei Jahre" zu ersetzen.
- b) In der Allgemeinen Begründung ist Abschnitt II. "2. Zivilrecht" wie folgt zu ändern:
- aa) In Absatz 1 ist Satz 1 durch folgende Sätze zu ersetzen:
Es ist nicht gerechtfertigt, den Bestand einer Ehe, die durch Zwangsheirat zu Stande gekommen ist, bereits nach Ablauf einer Antragsfrist von einem Jahr zu schützen. Gerade in der ersten Zeit nach Beendigung der meist erheblich traumatisch empfundenen Zwangslage ist der genötigte Ehegatte oft emotional nicht in der Lage, die Aufhebung der Ehe zu betreiben.
- bb) In Absatz 1 Satz 2 ist der abschließende Punkt zu streichen und sind die Wörter "(§ 1315 Abs. 1 Nr. 4 BGB) oder nicht innerhalb einer Frist von drei Jahren die Aufhebung der Ehe beantragt hat." einzufügen.
- cc) Absatz 2 ist zu streichen.
- aa) In Absatz 1 ist Satz 1 durch folgende Sätze zu ersetzen:
- c) In der Einzelbegründung zu Artikel 2 Nr. 1 Abs. 4 sind die Sätze 1 bis 4 durch folgende Sätze zu ersetzen:
Eine kurze Ausschlussfrist von lediglich einem Jahr ist bei durch Zwangsheirat zu Stande gekommenen Ehen dennoch nicht gerechtfertigt. Durch die Änderung von Absatz 1 Satz 1 wird die Antragsfrist von einem auf drei Jahre verlängert. Damit wird der besonderen emotionalen Situation des genötigten Ehegatten Rechnung getragen, der oft erst nach gewissem Zeitablauf in der Lage sein wird, eine Aufhebung der Ehe aktiv zu betreiben.
Begründung (nur für das Plenum):
Der vollständige Verzicht auf eine Frist für die Beantragung der Aufhebung einer durch Drohung erzwungenen Ehe ermöglicht deren Aufhebung auch noch Jahre nach Beendigung der Zwangslage. Dies führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit über den Bestand der Ehe, die gemessen an den Vorteilen für den genötigten Ehegatten unverhältnismäßig erscheint. Bereits nach geltendem Recht ist in den Fällen, in denen die Zwangslage des Genötigten fortdauert, die Aufhebung der Ehe auch lange Zeit nach der Eheschließung möglich, weil die Antragsfrist erst mit Beendigung der Zwangslage beginnt. Liegt hingegen das Beenden der Zwangslage Jahre zurück und hat der damals Genötigte gleichwohl und ohne Zwang an der Ehe festgehalten, besteht kein Grund, ihn grundsätzlich anders zu behandeln als jeden anderen trennungswilligen Ehegatten, dem zur Beendigung der Ehe der Weg der Ehescheidung offen steht. Um der besonderen Situation des genötigten Ehegatten gerecht zu werden, der in der ersten Zeit nach Beendigung der meist erheblich traumatisch empfundenen Zwangslage oft emotional nicht in der Lage ist, die Aufhebung der Ehe zu betreiben, reicht es aus, die bisher geltende Jahresfrist auf drei Jahre zu verlängern.
B.
3. Der federführende Rechtsausschuss schlägt dem Bundesrat vor,
Minister Prof. Dr. Ulrich Goll (Baden-Württemberg)
gemäß § 33 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Beauftragten des Bundesrates für die Beratungen des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag und seinen Ausschüssen zu bestellen.
C.
Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten hat seine Beratungen noch nicht abgeschlossen. *
* Baden-Württemberg hat beim Präsidenten des Bundesrates beantragt, die Vorlage auf die Tagesordnung der 813. Sitzung des Bundesrates am 8. Juli 2005 zu setzen.