A. Problem
- Der Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, den Straftatbestand des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte ( § 113 StGB) zu ändern.
- Vor dem Hintergrund einer in den letzten Jahren festzustellenden Zunahme von tätlichen Angriffen gegen Polizeibeamte ist der durch § 113 Abs. 1 StGB gewährte strafrechtliche Schutz staatlicher Vollstreckungshandlungen nicht mehr ausreichend gewährleistet. So haben beispielsweise die Fälle des Widerstands gegen die Staatsgewalt innerhalb der letzten zehn Jahre bundesweit um ca. 31% zugenommen. Es handelt sich um einen deutlichen und über Jahre anhaltenden Anstieg.
- Der sachliche Schutzbereich des § 113 Abs. 1 StGB bleibt unverändert. Mit der vorgesehenen Erhöhung des Strafrahmens wird auf die zunehmenden Widerstandshandlungen reagiert, indem über die generalpräventive Wirkung des Strafrechts einer Bagatellisierung entgegengewirkt wird.
- § 113 Abs. 2 StGB enthält strafverschärfende Regelbeispiele wie z.B. das Mitführen einer Waffe. Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. September 2008 soll durch die Ergänzung um "andere gefährliche Werkzeuge" eine Strafbarkeitslücke geschlossen werden.
B. Lösung
- Das Höchstmaß der Freiheitsstrafe wird angehoben. Die strafverschärfenden Regelbeispiele in § 113 Abs. 2 StGB werden um das Mitführen von gefährlichen Werkzeugen ergänzt.
C. Alternativen
- Keine.
D. Kosten der öffentlichen Haushalte
1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
- Keine.
2. Vollzugsaufwand
- Keine.
E. Sonstige Kosten
- Keine.
Gesetzesantrag des Freistaates Sachsen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches
Freistaat Sachsen Dresden, den 25. Februar 2010
Der Ministerpräsident
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Bürgermeister Jens Böhrnsen
Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Sächsische Staatsregierung hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten
- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches
zuzuleiten.
Ich bitte Sie, diesen Gesetzesantrag gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 867. Sitzung des Bundesrates am 5. März 2010 aufzunehmen und eine sofortige Entscheidung in der Sache herbeizuführen.
Mit freundlichen Grüßen
in Vertretung Sven Morlok
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches
Das Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 2. Oktober 2009 (BGBl. I S. 3214), wird wie folgt geändert:
§ 113 wird wie folgt geändert:
- 1. In Absatz 1 wird das Wort "zwei" durch das Wort "drei" ersetzt.
- 2. In Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 werden nach dem Wort "Waffe" die Wörter "oder ein anderes gefährliches Werkzeug" eingefügt.
Artikel 2
Inkrafttreten
- Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.
Begründung:
A. Allgemeines
Vor dem Hintergrund ständiger und mit zunehmender Gewalt ausgeführter tätlicher Angriffe gegen Polizeibeamte gerät der durch § 113 Abs. 1 StGB geregelte Schutz zu kurz. Seit dem Jahr 2000 haben sich die Fälle des Widerstands gegen die Staatsgewalt (Polizeiliche Kriminalstatistik - Schlüssel 6210) deutlich erhöht. Innerhalb der letzten zehn Jahre haben die Fallzahlen bundesweit um ca. 31%, innerhalb der letzten fünf Jahre um ca. 13% zugenommen (Bericht der Arbeitsgruppe des AK II der IMK "Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte"). Auch die Anzahl der Aburteilungen und Verurteilten ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Von 2002 bis 2007 stieg die Zahl der Aburteilungen von 4.595 auf 5.350 und der Verurteilten von 3.719 auf 4.919 (Statistisches Bundesamt Deutschland, Fachserie 10, Reihe 3).
Mit der vorgesehenen Erhöhung des Strafrahmens wird auf die zunehmende Anzahl der Widerstandshandlungen reagiert und einer durch den vergleichsweise niedrigen Strafrahmen verbundenen Bagatellisierung entgegengewirkt.
§ 113 Abs. 2 StGB enthält strafverschärfende Regelbeispiele wie z.B. das Mitführen einer Waffe. Im Hinblick auf die auf einen sächsischen Fall zurückgehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. September 2008 soll durch die Ergänzung um "andere gefährliche Werkzeuge" eine Strafbarkeitslücke geschlossen werden.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)
1. § 113 Abs. 1 StGB
§ 113 StGB schützt nicht nur die Autorität staatlicher Vollstreckungsakte und damit das staatliche Gewaltmonopol, sondern auch die zur Vollstreckung berufenen Personen. Der Schutzbereich des § 113 StGB beschränkt sich in sachlicher Hinsicht auf die Vornahme einer Vollstreckungshandlung beziehungsweise der Maßnahmen, die mit dieser unmittelbar in Zusammenhang stehen. Daran hält der Entwurf fest.
Der Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe ist angesichts des Schutzzwecks der Norm zu gering. Widerstandleisten oder der tätliche Angriff gegenüber Vollstreckungsbeamten sind nicht ausschließlich personenbezogen, sondern richten sich immer auch gegen den Staat und die staatliche Autorität und führen zu einer Relativierung des staatlichen Gewaltmonopols.
Mit der Erhöhung des Strafrahmens soll zum einen einer Bagatellisierung begegnet werden, die mit einem niedrigen Strafrahmen verbunden sein kann. Zum anderen hat der Staat auch diejenigen Vollstreckungsbeamten zu schützen, die beispielsweise zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung täglich damit rechnen müssen, Opfer einer Widerstandshandlung oder eines Angriffs zu werden.
2. § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB
Der Zweck des strafschärfenden Regelbeispiels in § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB liegt darin, eine besonders gefährliche Tatausführung schärfer zu sanktionieren. Nach dem Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Januar 1995 (BVerfGE 92, 1 [11ff.]) enthält Art. 103 Abs. 2 GG nicht nur ein Rückwirkungsverbot für Strafvorschriften, sondern verpflichtet den Gesetzgeber auch, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass sich Anwendungsbereich und Tragweite der Straftatbestände aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen.
Nach § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB liegt eine qualifizierte Form der Widerstandshandlung gegen Vollstreckungsbeamte vor, wenn bei der Tathandlung eine Waffe mitgeführt wird. Der "strafrechtliche Waffenbegriff" umfasst körperliche Gegenstände, die nach ihrer objektiven Beschaffenheit und ihrem Zustand zur Zeit der Tat bei bestimmungsgemäßer Verwendung geeignet sind, erhebliche Verletzungen zuzufügen (BGHSt 48, 197 [200]). Hingegen werden Gegenstände, die nicht bei bestimmungsgemäßem Gebrauch, wohl aber nach ihrer objektiven Beschaffenheit und der Art ihrer Benutzung im Einzelfall geeignet sind, erhebliche Verletzungen zuzufügen, in Rechtsprechung und Schrifttum dem Begriff des "gefährlichen Werkzeugs" zugeordnet. Aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht am 1. September 2008 (2 BvR 2238/07) entschieden, dass eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift auf solche Gegenstände dem Bestimmtheitsgebot zuwiderläuft.
Zur Sicherung eines ausreichenden Schutzes der Vollstreckungsbeamten ist es daher angezeigt, in § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht nur das Mitführen von Waffen, sondern auch von anderen gefährlichen Werkzeugen als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte aufzunehmen. Auf diese Art und Weise können die Strafbarkeitslücke geschlossen und Einzelfälle, die ähnlich strafwürdig erscheinen wie das bereits nach geltender Gesetzeslage pönalisierte Verhalten, erfasst werden. Der Begriff "diese" in § 113 Abs.2 Satz 2 Nr. 1 2. HS StGB soll sich dabei auch auf das neu eingefügte andere gefährliche Werkzeug beziehen. Die grammatikalische Unschärfe ist im gegebenen Sinnzusammenhang im Hinblick auf die Lesbarkeit der Vorschrift hinnehmbar.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.