Gesetzesantrag des Landes Rheinland-Pfalz
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Opfer von Zwangsheirat und schwerem "Stalking"

A. Zielsetzung

B. Lösung

C. Alternativen

D. Kosten

E. Auswirkungen

Gesetzesantrag des Landes Rheinland-Pfalz
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Opfer von Zwangsheirat und schwerem "Stalking"

Der Ministerpräsident Mainz, den 11. Dezember 2007
des Landes Rheinland-Pfalz

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust

Sehr geehrter Herr Präsident,

die Regierung des Landes Rheinland-Pfalz hat beschlossen, dem Bundesrat den in der Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten


zuzuleiten.
Ich bitte Sie, diesen Gesetzesantrag gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 840. Sitzung des Bundesrates am 20. Dezember 2007 aufzunehmen.


Mit freundlichen Grüßen
Kurt Beck

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Opfer von Zwangsheirat und schwerem "Stalking"

Vom ...

Der Bundestag hat folgendes Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I. S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeines

Ziel des Entwurfs ist die Verbesserung des Schutzes der Opfer von Straftaten, die regelmäßig in besonders schwerwiegender und nachhaltiger Weise die Lebensführung und den höchstpersönlichen Lebensbereich der Geschädigten beeinträchtigen.

Die zwangsweise Verheiratung stellt eine gravierende Menschenrechtsverletzung dar deren Folgen die Opfer oftmals ihr Leben lang zu tragen haben.

Die Bundesregierung hat in ihrem am 26. September 2007 beschlossenen Aktionsplan II zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen das Bedürfnis Zwangsverheiratungen zu verhindern betont (BT-Drucks. 16/6584, S. 12).

Zwar werden sich Zwangsverheiratungen nicht allein mit den Mitteln des Straf- bzw. Strafverfahrensrechts zurückdrängen lassen. Dies zwingt jedoch umso mehr dazu das insoweit zur Verfügung stehende Instrumentarium jedenfalls so effektiv wie möglich einzusetzen und dadurch die Opfer möglichst weitgehend zu schützen.

Mit der Einordnung der Zwangsheirat als Regelbeispiel eines besonders schweren Nötigung in § 240 Abs. 4 Nr. 1 Alternative 2 StGB durch das 29. Strafrechtsänderungsgesetz ist ein erster Schritt getan. Die mit der erhöhten Strafandrohung einhergehende stärkere abschreckende Wirkung ist ein Element des Schutzes davor, überhaupt Opfer einer solchen Tat zu werden.

Allerdings bedarf der Opferschutz der konsequenten Ergänzung des Strafrechts durch Regelungen im Strafverfahren, die gewährleisten, dass Personen - es dürfte sich meist um Frauen mit Migrationshintergrund handeln -, die gleichwohl Opfer dieser Straftat geworden sind, ihre Rechte effektiv wahrnehmen können.

Entsprechendes gilt für die Opfer schwerer "Stalking"-Taten, durch die entweder sie selbst oder eine ihnen nahe stehende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsgefährdung gebracht geworden sind oder eine ihnen nahe stehenden Person getötet worden ist. Opfer von Zwangsheirat und schweren "Stalking"-Taten sind regelmäßig besonders schwerwiegend und nachhaltig in ihrer Lebensführung beeinträchtigt und in ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich betroffen. Beiden Opfergruppen ist zudem gemein, dass ihren Zeugenaussagen im Strafverfahren herausragende Bedeutung zukommt, sie sich regelmäßig Fragen mit Bezug auf ihren persönlichen Lebensbereich stellen müssen und sich oftmals einer besonders kritischen Prüfung ihrer Glaubwürdigkeit ausgesetzt sehen.

Deshalb ist ihre Stellung im Strafverfahren durch die Schaffung der Nebenklagebefugnis für die Opfer von Zwangsheirat und die Zubilligung eines angemessenen Anspruchs auf Beiordnung professioneller Hilfe durch einen Opferanwalt, der konsequent ihre Interessen vertritt, für die Opfer von Zwangsheirat und schwerem "Stalking" zu stärken.

B. Zu den einzelnen Bestimmungen

Zu Artikel 1 (Änderung der Strafprozessordnung)

Zu Nummer 1 ( § 395 StPO)

Die Nebenklagebefugnis für Opfer von Zwangsverheiratungen folgt dem Zweck des § 395 StPO, bestimmten, durch schwere Straftaten in fundamentalen Rechtsgütern verletzten Opfern prozessuale Rechte zur Wahrung ihrer Belange einzuräumen.

Die Lage der Opfer von Zwangsheirat ist der der bisher zum Anschluss als Nebenkläger Berechtigten vergleichbar. Ihre Nebenklagebefugnis wird deshalb durch die Einfügung eines Buchstaben f in Absatz 1 eingeführt.

Zu Nummer 2 a) und b) ( § 397a StPO)

Nach § 397a Abs. 1 StPO ist den Opfern bestimmter schwerer Nebenklagedelikte auf Antrag ein anwaltlicher Beistand beizuordnen, ohne dass es auf die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe ankäme. Hierdurch wird das Risiko des nicht prozesskostenhilfeberechtigten Nebenklägers, später einen Kostenerstattungsanspruch gegen einen mittellosen Verurteilten nicht durchsetzen zu können, oder im Falle des Freispruchs des Angeklagten nicht einmal zu erlangen, aus Opferschutzgründen vom Staat übernommen.

§ 397a StPO schützt Verletzte, die Opfer von erheblichen Angriffen auf fundamentale Persönlichkeitsrechte, namentlich ihren höchstpersönlichen Lebensbereich oder ihr Leben geworden sind, so dass sie regelmäßig besonders traumatisiert und daher in besonderem Maße schutzbedürftig sind. Darüber hinaus kommt der Zeugenaussage solcher Opfer in Anbetracht der gerade bei Sexual- und Beziehungstaten häufig anzutreffenden "Aussagegegen-Aussage"-Situationen regelmäßig besondere Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund sehen sie sich auch oftmals einer besonders kritischen Prüfung ihrer Glaubwürdigkeit ausgesetzt.

Da diese Voraussetzungen gerade auch bei den insofern bislang nicht privilegierten Opfern von Zwangsheirat und schwerem "Stalking" gegeben sind, werden die geltenden Regelungen zu deren Gunsten ergänzt:

Opfern von Zwangsheirat wird der Anspruch auf Beiordnung eines Opferanwalts eingeräumt wenn sie selbst nicht in der Lage sind, Ihre Interessen hinreichend wahrzunehmen.

Die Einbeziehung der Zwangsheiratsfälle ist aufgrund der nachhaltigen Auswirkungen für die Freiheit und die Lebensgestaltung der Opfer sowie der - angesichts oftmals vorliegender soziokultureller Hintergründe bzw. familiärer Zwangs- und Abhängigkeitsgefüge - regelmäßig gegebenen besonderen Schutzwürdigkeit der Betroffenen geboten. Im Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (S. 26; BT-Drucks. 16/6584, S. 8) wird darauf hingewiesen, dass von Zwangsheirat in erster Linie Mädchen und Frauen im Alter von 16 bis 21

Jahren aus Familien mit Migrationshintergrund betroffen sind. In diesen Fällen liegt es regelmäßig auf der Hand, dass die Opfer ihre Interessen nicht selbst ausreichend wahrnehmen können, so dass ihnen dieselbe Privilegierung zugebilligt wird, die § 397a Abs. 1 Satz 2 StPO auch den Opfern der anderen dort genannten Vergehen gewährt. Einer weitergehenden Privilegierung bedarf es daher nicht.

Dem Straftatbestand des § 238 StGB ist die nachhaltige Betroffenheit der Opfer bereits immanent; er fordert ein beharrliches Nachstellen, durch das die Lebensführung schwerwiegend beeinträchtigt wird. Diese deliktsspezifische Situation hat auch in der Ausweitung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr auf die nach § 238 Abs. 2 und Abs. 3 StGB qualifizierten "Stalking"-Fälle in § 112a Abs. 1 Nr. 1, ihren Niederschlag gefunden.

Durch die vorgesehene Gleichstellung der Opfer bestimmter Fälle des beharrlichen Nachstellens mit den in § 397a Abs. 1 StPO Genannten wird zudem ein Wertungswiderspruch beseitigt: Denn während bestimmte Angehörige Getöteter das Recht aus § 397a StPO in Anspruch nehmen können, ist dies "Stalking"-Opfern selbst dann verwehrt, wenn durch die Tat eine ihnen nahe stehende, aber nicht verwandte oder mit ihnen verheiratete Person getötet wird, obgleich die "Stalking"-Opfer - als Tatopfer und Hinterbliebene - sogar in zweifacher Hinsicht betroffen sind. § 238 StGB stellt die Gefährdung oder Tötung von nahe stehenden Person mit der von Angehörigen gleich. Dieser Schutz ist Ausdruck der Orientierung an der Opferbetroffenheit. Durch die Erweiterung des ebenfalls auf die Opferbetroffenheit gründenden § 397a StPO wird er konsequent fortentwickelt.

Bei Bestimmung des Umfangs, in dem eine Einbeziehung von "Stalking"-Opfern in § 397a StPO angezeigt ist, wird nach dem Grad der Betroffenheit des Opfers differenziert.

Den Opfern von Verbrechen nach § 238 Abs. 3 StGB wird diese Berechtigung ohne weitere Voraussetzungen zugebilligt, den Opfern der Vergehen nach § 238 Abs. 2 StGB dann, wenn sie zur Interessenswahrnehmung ersichtlich unfähig sind während es bei den Opfern der nicht qualifizierten Taten nach § 238 Abs. 1 StGB bei der Möglichkeit der Prozesskostenhilfe verbleibt. Diese Differenzierung nach dem Grad der Betroffenheit gewährleistet einen den Belangen des Opfers im Einzelfall angemessen und flexibel Rechnung tragenden Schutz.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Dieser Artikel regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.