A. Problem und Ziel
Seit dem 1. Januar 2011 können Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Bezug von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII, dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), dem Wohngeldgesetz (WoGG) und Kinderzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) im Rahmen der Existenzsicherung Leistungen für Bildung und Teilhabe in Anspruch nehmen. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Leistungen ist die Übernahme der Mehraufwendungen bei der Teilnahme an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in Schulen, in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege.
Nach derzeitiger Rechtslage sind jedoch nur die bei der Teilnahme an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung entstehenden Mehraufwendungen pro Mittagsessen im Rahmen der Leistungen für Bildung und Teilhabe übernahmefähig. Das bedeutet, dass bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung ein Eigenanteil für ersparte Verbrauchsausgaben für Ernährung von einem Euro je Mittagessen berücksichtigt und durch die anspruchsberechtigten Familien aufgewendet werden muss.
Trotz Bezuschussung kommt es in den Fällen, in denen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung teilnehmen, in etlichen Fällen dazu, dass die Erziehungsberechtigten den ausgewiesenen Eigenanteil nicht entrichten. Dies führt regelmäßig zu einem unmittelbaren Ausschluss des betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen von der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung. In der ergänzenden Förderung und Betreuung im Grundschul- sowie im Kitabereich kann die Nichtzahlung des Eigenanteils zu einem Verlust des Betreuungsplatzes führen. Die Kinder und Jugendlichen erleben diesen Ausschluss als reale Ausgrenzung und insofern als stigmatisierend.
Die Gewährung von Leistungen für Bildung und Teilhabe ist ein wichtiges Instrument, um Armut entgegenzuwirken und Armutsfolgen für Kinder zu reduzieren. Die Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung ist ein wesentliches Element der sozialen Teilhabe in Kindertageseinrichtungen und Schulen. Die Möglichkeit ebenso wie andere an Gemeinschaftsangeboten teilnehmen zu können, verhindert Ausgrenzung und hat Auswirkungen auf den schulischen Erfolg. Jedes Kind braucht ein warmes Mittagessen. Ein leerer Bauch lernt nicht gut. Die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung hat neben der wichtigen täglichen Ernährung auch eine sozialintegrative Funktion. Das gemeinschaftliche Mittagessen fördert die soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sowie deren Integration. Solange der Eigenanteil dazu führt, dass Kinder und Jugendliche nicht an der Gemeinschaftsverpflegung teilnehmen, fehlt es insbesondere bei diesen Kindern und Jugendlichen an der Integration in die Gemeinschaft und der Teilhabe an entsprechenden Gemeinschaftsangeboten.
Eine ausgewogene Ernährung trägt zur gesunden körperlichen, emotionalen und geistigen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen bei. Das gemeinschaftliche Mittagessen fördert die soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und deren Integration. Es werden dabei Werte vermittelt, die die Bewertung ihrer Umwelt prägen und ihre Position innerhalb der Gruppe festigen. Damit Kinder sich auch später selbständig ausgewogen ernähren und ein gesundes Essverhalten beibehalten, ist es von großer Bedeutung, regelmäßig zu essen. Ein verlässlicher Essrhythmus hilft, Ernährung bewusst als wichtigen Teil ihres Lebens wahrzunehmen. Ein vielfältiges Speiseangebot, das Gerichte aus verschiedenen Kulturkreisen integriert, unterstützt das Anliegen von Kita und Schule, Kinder und Jugendliche mit kultureller Vielfalt vertraut zu machen. Mit der Streichung des Eigenanteils für anspruchsberechtigte Familien auf Leistungen für Bildung und Teilhabe, die bislang die Zahlung des Eigenanteils vermieden haben, würde eine wesentliche Hürde für die Teilnahme der Kinder und Jugendlichen an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung beseitigt.
Da insbesondere im Schulbereich die tatsächliche Teilnahme am Mittagessen in einer unterschiedlichen Anzahl von Schultagen erfolgt, entsteht bei der getrennten Rechnungslegung durch den Essensanbieter sowie bei der Erstattung der nach § 34 Abs. 6 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und § 28 Abs. 6 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) entstandenen Mehraufwendungen monatlich ein erheblicher Verwaltungsaufwand. Die Geltendmachung und Einziehung dieses geringen Betrages steht in keinem Verhältnis zu dem dafür entstehenden Verwaltungsaufwand. Die nach § 34a Abs. 2 Satz 1 SGB XII und § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Sach- oder Dienstleistung zu gewährende gemeinschaftliche Mittagsverpflegung macht einen Großteil der insgesamt als Sach- oder Dienstleistung zu gewährenden Leistungen für Bildung und Teilhabe (Lernförderung, eintägige Ausflüge und gemeinschaftliche Mittagsverpflegung) verbundenen Verwaltungskosten aus. Der Grund liegt in der unterschiedlichen Abrechnung und Einziehung des Eigenanteils in der Kindertagesbetreuung sowie an den unterschiedlichen Schulformen und der damit verbundenen unterschiedlichen Organisation der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in den jeweiligen Schulformen.
Neben der aufwändigen Abrechnung der Leistung entsteht auch mit dem Einzug des Eigenanteils ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand, weil die leistungsberechtigten Eltern der mit der Entrichtung des Eigenanteils verbundenen Fürsorgepflicht gegenüber ihren Kindern nicht in hinreichendem Maße nachkommen. Die ausbleibende Entrichtung des geforderten Eigenanteils führt letztendlich trotz Übernahme der Mehraufwendungen nach § 34 Abs. 6 Satz 1 SGB XII und § 28 Abs. 6 Satz 1 SGB II durch den zuständigen Leistungsträger zu einem Ausschluss des Kindes von der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung. Die Kinder und Jugendlichen erleben diesen Ausschluss als reale Ausgrenzung und insofern als stigmatisierend.
Diese Erfahrungen decken sich auch mit den Ergebnissen aus dem im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellten Bericht zur Evaluation des Bildungspakets vom Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen (SOFI). Auf der Grundlage der Daten des Statistischen Bundesamtes wurde festgestellt, dass die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung im Verhältnis zu den anderen Leistungen für Bildung und Teilhabe bei allen am Prozess Beteiligten (Leistungsberechtigten, Leistungsanbietern, Schul- und Kitaverwaltungen und Leistungsstellen) den weitaus größten Erfüllungsaufwand verursacht. Dem Bund wird daher der Wegfall der Eigenbeteiligung empfohlen.
B. Lösung
Streichung des § 9 Abs. 1 Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) und Übernahme der gesamten Aufwendungen für die Teilnahme an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in Schulen, Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege im Rahmen der Leistungen für Bildung und Teilhabe.
C. Alternativen
Keine.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
Es entstehen Mehrkosten für den Bund, die Länder und die Kommunen, die derzeit noch nicht abschätzbar sind. Ein Großteil der Kosten sind im Rahmen der Bundesbeteiligung nach § 46 Absatz 8 SGB II durch den Bund zu tragen.
E. Sonstige Kosten
Das Gesetz führt zu keinen zusätzlichen Belastungen.
F. Bürokratiekosten
Mit der Streichung des Eigenanteils erfolgt eine teilweise Abschaffung der mit der Umsetzung der Regelung verbundenen Bürokratiekosten.
Gesetzesantrag der Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Schleswig-Holstein
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie zur Änderung des Regelbedarfsermittlungsgesetzes und des Bundeskindergeldgesetzes
Chef der Senatskanzlei Berlin Berlin, 14. März 2018
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael Müller
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierungen von Berlin, Brandenburg, Bremen, Schleswig-Holstein haben beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage mit Begründung beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie zur Änderung des Regelbedarfsermittlungsgesetzes und des Bundeskindergeldgesetzes mit dem Antrag zuzuleiten, seine Einbringung beim Deutschen Bundestag zu beschließen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 966. Sitzung des Bundesrates am 23. März 2018 zu setzen und sie anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Björn Böhning
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie zur Änderung des Regelbedarfsermittlungsgesetzes und des Bundeskindergeldgesetzes
Vom.
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
§ 9 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3159) wird wie folgt geändert:
1. Absatz 1 wird aufgehoben.
2. Die Absatzbezeichnung(2) wird gestrichen.
Artikel 2
In § 28 Absatz 6 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), das zuletzt durch Artikel 20 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541) geändert worden ist, wird das Wort "Mehraufwendungen" durch das Wort "Aufwendungen" ersetzt.
Artikel 3
In § 34 Absatz 6 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022, 3023), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3214) geändert worden ist, wird das Wort "Mehraufwendungen" durch das Wort "Aufwendungen" ersetzt.
Artikel 4
§ 6b Absatz 2 Satz 5 des Bundeskindergeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Januar 2009 (BGBl. I S. 142, 3177), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1682) geändert worden ist, wird gestrichen.
Artikel 5
§ 5a Nummer 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld vom 17. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2942), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1858) geändert worden ist, wird gestrichen.
Artikel 6
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am 1. August 2018 in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen
Seit dem 1. Januar 2011 können Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Bezug von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII, dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), dem Wohngeldgesetz (WoGG) und Kinderzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) im Rahmen der Existenzsicherung Leistungen für Bildung und Teilhabe in Anspruch nehmen. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Leistungen ist die Übernahme der Mehraufwendungen bei der Teilnahme an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in Schulen, in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege. Auf Antrag werden für Schülerinnen und Schüler sowie für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindestagespflege geleistet wird, die bei der Teilnahme an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung entstehenden Mehraufwendungen als Bedarf berücksichtigt.
Nach aktueller Rechtslage muss bei Teilnahme an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung der in § 9 Absatz 1 Regelbedarfsermittlungsgesetz genannte Eigenanteil für ersparte Verbrauchsausgaben für Ernährung von einem Euro je Mittagessen berücksichtigt werden.
Die Gewährung von Leistungen für Bildung und Teilhabe ist ein wichtiges Instrument, um Armut entgegenzuwirken und Armutsfolgen für Kinder zu reduzieren. Die Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung ist ein wesentliches Element der sozialen Teilhabe in Kindertageseinrichtungen und Schulen. Die Möglichkeit ebenso wie andere an Gemeinschaftsangeboten teilnehmen zu können, verhindert Ausgrenzung und hat Auswirkungen auf den schulischen Erfolg. Jedes Kind braucht ein warmes Mittagessen. Ein leerer Bauch lernt nicht gut. Die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung hat neben der wichtigen täglichen Ernährung auch eine sozialintegrative Funktion. Das gemeinschaftliche Mittagessen fördert die soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sowie deren Integration. Solange der Eigenanteil dazu führt, dass Kinder und Jugendliche nicht an der Gemeinschaftsverpflegung teilnehmen, fehlt es insbesondere bei diesen Kindern und Jugendlichen an der Integration in die Gemeinschaft und der Teilhabe an entsprechenden Gemeinschaftsangeboten.
Eine ausgewogene Ernährung trägt zur gesunden körperlichen, emotionalen und geistigen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen bei. Das gemeinschaftliche Mittagessen fördert die soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und deren Integration. Es werden dabei Werte vermittelt, die die Bewertung ihrer Umwelt prägen und ihre Position innerhalb der Gruppe festigen. Damit Kinder sich auch später selbständig ausgewogen ernähren und ein gesundes Essverhalten beibehalten, ist es von großer Bedeutung, regelmäßig zu essen. Ein verlässlicher Essrhythmus hilft, Ernährung bewusst als wichtigen Teil ihres Lebens wahrzunehmen. Ein vielfältiges Speiseangebot, das Gerichte aus verschiedenen Kulturkreisen integriert, unterstützt das Anliegen von Kita und Schule, Kinder und Jugendliche mit kultureller Vielfalt vertraut zu machen. Mit der Streichung des Eigenanteils für anspruchsberechtigte Familien auf Leistungen für Bildung und Teilhabe, die bislang die Zahlung des Eigenanteils vermieden haben, würde eine wesentliche Hürde für die Teilnahme der Kinder und Jugendlichen an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung beseitigt.
Da insbesondere im Schulbereich die tatsächliche Teilnahme am Mittagessen in einer unterschiedlichen Anzahl von Schultagen erfolgt, entsteht bei der getrennten Rechnungslegung durch den Essensanbieter sowie bei der Erstattung der nach § 34 Abs. 6 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und § 28 Abs. 6 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) entstandenen Mehraufwendungen monatlich ein erheblicher Verwaltungsaufwand. Die Geltendmachung und Einziehung dieses geringen Betrages steht in keinem Verhältnis zu dem dafür entstehenden Verwaltungsaufwand. Die nach § 34a Abs. 2 Satz 1 SGB XII und § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Sach- oder Dienstleistung zu gewährende gemeinschaftliche Mittagsverpflegung macht einen Großteil der insgesamt als Sach- oder Dienstleistung zu gewährenden Leistungen für Bildung und Teilhabe (Lernförderung, eintägige Ausflüge und gemeinschaftliche Mittagsverpflegung) verbundenen Verwaltungskosten aus. Der Grund liegt in der unterschiedlichen Abrechnung und Einziehung des Eigenanteils in der Kindertagesbetreuung sowie an den unterschiedlichen Schulformen und der damit verbundenen unterschiedlichen Organisation der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in den jeweiligen Schulformen.
Neben der aufwändigen Abrechnung der Leistung entsteht auch mit dem Einzug des Eigenanteils ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand, weil die leistungsberechtigten Eltern der mit der Entrichtung des Eigenanteils verbundenen Fürsorgepflicht gegenüber ihren Kindern nicht in hinreichendem Maße nachkommen. Die ausbleibende Entrichtung des geforderten Eigenanteils führt letztendlich trotz Übernahme der Mehraufwendungen nach § 34 Abs. 6 Satz 1 SGB XII und § 28 Abs. 6 Satz 1 SGB II durch den zuständigen Leistungsträger zu einem Ausschluss des Kindes von der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung. Die Kinder und Jugendlichen erleben diesen Ausschluss als reale Ausgrenzung und insofern als stigmatisierend.
Diese Erfahrungen decken sich auch mit den Ergebnissen aus dem im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellten Bericht zur Evaluation des Bildungspakets vom Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen (SOFI). Auf der Grundlage der Daten des Statistischen Bundesamtes wurde festgestellt, dass die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung im Verhältnis zu den anderen Leistungen für Bildung und Teilhabe bei allen am Prozess Beteiligten (Leistungsberechtigten, Leistungsanbietern, Schul- und Kitaverwaltungen und Leistungsstellen) den weitaus größten Erfüllungsaufwand verursacht. Dem Bund wird daher der Wegfall der Eigenbeteiligung empfohlen.
Die Bundesregierung lehnt die Streichung des Eigenanteils aus rechtssystematischen Gründen bisher ab. Sie begründet ihre ablehnende Haltung wie folgt: Da in die Berechnung der Regelbedarfe auch Ernährungskosten für das Mittagessen einfließen, könne auf eine entsprechende Eigenbeteiligung bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung nicht verzichtet werden.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die Leistungen für Bildung und Teilhabe neben den Regelbedarfen gesondert berücksichtigt werden (§ 28 Abs. 1 SGB II, § 34 Abs. 1 SGB XII). Bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung handelt es sich um einen zusätzlichen Gesamtkomplex bzw. ein zusätzliches Leistungsangebot für Schüler/innen, das hinsichtlich einzelner Positionen nicht teilbar ist. Zudem stellt der Regelsatz nach § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB XII einen monatlichen Pauschalbetrag dar, über dessen Verwendung der Leistungsberechtigte eigenverantwortlich entscheidet. Eine zweckbestimmte Verwendung der eingerechneten Kosten für Ernährung ist gesetzlich gerade nicht vorgesehen.
II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs
Streichung des § 9 Absatz 1 Regelbedarfsermittlungsgesetz und Übernahme der gesamten Aufwendungen der gesamten Aufwendungen für die Teilnahme an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in Schulen, Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege im Rahmen der Leistungen für Bildung und Teilhabe.
III. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 in Verbindung mit Artikel 72 Grundgesetz.
IV. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat
Der Entwurf ist mit dem Recht Europäischen Union sowie mit den von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträgen vereinbar.
V. Auswirkungen des Gesetzesentwurfs
1. Geschlechtsspezifische Auswirkungen
Der Entwurf hat keine erkennbaren gleichstellungspolitischen Auswirkungen.
2. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
Es entstehen Mehrkosten für den Bund, die Länder und Kommunen, die derzeit noch nicht abschätzbar sind. Ein Großteil der Kosten sind im Rahmen der Bundesbeteiligung nach § 46 Absatz 8 SGB II durch den Bund zu tragen.
3. Sonstige Kosten; Bürokratiekosten; Nachhaltigkeitsaspekte
Das Gesetz führt zu keinen sonstigen Kosten.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Regelbedarfsermittlungsgesetzes)
Mit der Streichung des § 9 Absatz 1 Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) entfällt für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung der Eigenanteil für ersparte Verbrauchsausgaben für Ernährung von einem Euro je Mittagessen. Damit sind die Kosten, die dem jeweiligen Leistungsträger für dieses gemeinschaftliche, in schulischer Verantwortung einzunehmende Mittagessen in Rechnung gestellt werden (Aufwand), im Rahmen der Vorschriften zur Ermittlung der entsprechenden Bedarfe für Bildung und Teilhabe vollständig als Bedarf zu berücksichtigen.
Folgeänderung aufgrund der Streichung des Absatzes 1.
Zu Artikel 2 (Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch)
Mit der Änderung des § 28 Absatz 6 Satz 1 werden für Schülerinnen und Schülern, die an einer in schulischer Verantwortung angebotenen Mittagsverpflegung teilnehmen, sowie für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindestagespflege geleistet wird, die an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung teilnehmen, die gesamten mit der Teilnahme an der Mittagsverpflegung entstehenden Aufwendungen als Bedarf berücksichtigt.
Zu Artikel 3 (Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch)
Mit der Änderung des § 34 Absatz 6 Satz 1 werden für Schülerinnen und Schülern, die an einer in schulischer Verantwortung angebotenen Mittagsverpflegung teilnehmen, sowie für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindestagespflege geleistet wird, die an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung teilnehmen, die gesamten mit der Teilnahme an der Mittagsverpflegung entstehenden Aufwendungen als Bedarf berücksichtigt.
Zu Artikel 4 (Änderung des Bundeskindergeldgesetzes)
Für leistungsberechtigte Schülerinnen und Schüler nach § 6b Absatz 2 werden Leistungen für Bildung und Teilhabe für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung entsprechend § 28 Absatz 6 SGB II erbracht. Mit der Änderung werden auch insoweit die vollständigen Aufwendungen als Bedarf berücksichtigt.
Zu Artikel 5 (Änderung der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld)
Folgeänderung zu Artikel 1 - Streichung von § 9 Abs. 1 Regelbedarfsermittlungsgesetz: Die Berücksichtigung von ersparten häuslichen Verbrauchsausgaben entfällt.
Zu Artikel 6 (Inkrafttreten)
Die Bestimmung regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.