842. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2008
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Kulturfragen (K), der Rechtsausschuss (R) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
A Konzeption des EU-Ausschusses
- (bei Annahme von Buchstabe A entfällt Buchstabe B)
I. Allgemeine wirtschaftspolitische Stellungnahme:
Grundsätzliches
- 1. Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich den Vorschlag der Kommission, den Liberalisierungsprozess im Bereich der elektronischen Kommunikation durch die Förderung von Wettbewerb, durch die Sicherung von Investitionen und Innovationen sowie durch die Stärkung der Verbraucherrechte fortzusetzen und den Binnenmarkt für elektronische Kommunikation zu vollenden.
- 2. Der Bundesrat begrüßt die Reduzierung der Märkte, die für eine Vorabregulierung in Betracht kommen, als Zeichen für einen bereits in vielen Telekommunikationsmärkten funktionsfähigen Wettbewerb und eine voranschreitende Deregulierung.
- 3. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Telekommunikationsmärkte überwiegend national geprägt sind. Vor diesem Hintergrund hält der Bundesrat das von der Kommission formulierte Ziel für verfehlt, nach dem die europäischen Rechtsvorschriften im Sinne eines einheitlichen europaweiten Regulierungsansatzes angewendet werden sollen. Anders als die Kommission sieht es der Bundesrat für die Vollendung des Binnenmarkts als nicht erforderlich an, auch das regulatorische Instrumentarium stets in gleicher Weise anzuwenden. Ausschlaggebend für die Vollendung des Binnenmarkts ist vielmehr ein einheitlicher Rechtsrahmen, der es unter Berücksichtigung der nationalen Besonderheiten erlaubt, einen funktionsfähigen Wettbewerb auf den Telekommunikationsmärkten zu erreichen.
- 4. Der Bundesrat vermisst in den Richtlinienvorschlägen ein übergeordnetes regulatorisches Leitbild verbunden mit einer nachhaltigen Wettbewerbskonzeption, anhand derer sich die Abwägung einzelner Regulierungsmaßnahmen orientieren kann.
- 5. Der Bundesrat hält eine sprachliche Präzisierung bei einer Reihe von Begrifflichkeiten innerhalb der Richtlinienvorschläge für erforderlich. Dies betrifft insbesondere Begrifflichkeiten, die grenzüberschreitende Märkte oder Sachverhalte betreffen.
- 6. Der Bundesrat lehnt die erhebliche Ausweitung mitgliedstaatlicher Berichtspflichten als vermeidbaren Bürokratieaufwand ab.
Fehlen von Regelungen für neue Märkte und Next-Generation-Network
- 7. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der Richtlinienvorschlag keine Hinweise auf die regulatorische Behandlung neuer Märkte beinhaltet. In diesem Kontext vermisst der Bundesrat ebenfalls eine zukunftsgerichtete Perspektive hinsichtlich der Eignung des vorgeschlagenen Rechtsrahmens in Bezug auf Wettbewerbsfragen im Rahmen der Netzmigration zu Next-Generation-Networks (NGN). Dabei ist gerade der Aufbau breitbandiger Netzinfrastrukturen der NGN eine zentrale standort- und wettbewerbspolitische Herausforderung, bei der Telekommunikationsunternehmen auf ein hohes Maß an Planungs- und Rechtssicherheit angewiesen sind. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen sicherzustellen, dass die Fragen zur regulatorischen Behandlung neuer Märkte und der Migration zu NGN angemessen berücksichtigt werden, um sowohl den Zielen der Wettbewerbsintensivierung als auch der Innovationsförderung Rechnung zu tragen.
Funktionelle Separierung
- 8. Der Bundesrat begrüßt, dass keine Kompetenz zur eigentumsrechtlichen Entflechtung vertikal integrierter Telekommunikationsunternehmen in der Richtlinie begründet wird.
- 9. Der Bundesrat hält aber auch eine funktionelle Separierung vertikal integrierter Telekommunikationsunternehmen für einen massiven, nicht verhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Unternehmen.
- 10. Der Bundesrat weist in diesem Kontext darauf hin, dass das Instrument der funktionellen Separierung bereits im Zuge der Öffnung der Telekommunikationsmärkte vor zehn Jahren eingehend diskutiert wurde und trotzdem kaum zur Anwendung gelangt ist. Der Bundesrat regt daher an, dass die Bundesregierung in den Verhandlungen auf europäischer Ebene auf eine dezidierte Analyse dieses Regulierungsinstruments drängt.
Vetorecht bei Abhilfemaßnahmen
- 11. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich das Ziel einer verstärkten Koordinierung der Regulierung im Binnenmarkt.
- 12. Vor diesem Hintergrund teilt der Bundesrat nicht die Auffassung der Kommission, dass uneinheitliche Abhilfemaßnahmen in den Mitgliedstaaten als solche den Binnenmarkt beeinträchtigen. Der Bundesrat lehnt daher ein Vetorecht der Kommission bei Abhilfemaßnahmen der nationalen Regulierungsbehörden ab.
- 13. Der Bundesrat hält vielmehr einen Wettbewerb der Regulierungssysteme sowie eine verstärkte Koordinierung nationaler Regulierungsmaßnahmen auf supranationaler Ebene für notwendig.
Frequenzverwaltung - Grundsätze der Technologie- und Diensteneutralität
- 14. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass die Zuteilung und Nutzung von Frequenzen effizient gestaltet werden muss. Der Bundesrat begrüßt daher grundsätzlich den Ansatz, bei der Vergabe von Frequenznutzungsrechten nach den Grundsätzen der Technologie- und Diensteneutralität zu verfahren.
- 15. Der Bundesrat betont zugleich, dass die Frequenzvergabe - mit Ausnahme eng begrenzter paneuropäischer Dienste - ausschließlich in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegt, und dass bei Zielsetzungen im öffentlichen Interesse wie dem Medienpluralismus eine Bindung an bestimmte Technologien möglich sein muss. Vor diesem Hintergrund hält es der Bundesrat für erforderlich, dass der Richtlinienvorschlag den Mitgliedstaaten ausreichend Spielraum für Ausnahmen vom Gebot der Technologie- und Diensteneutralität, insbesondere für die Belange des Rundfunks, zulässt.
- 16. Im Hinblick auf die sich durch die Umstellung des terrestrischen Rundfunks von Analog- auf Digitaltechnik ergebende digitale Dividende weist der Bundesrat nachdrücklich darauf hin, dass es ausschließlich in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fällt zu entscheiden, welcher Anteil der digitalen Dividende zur Deckung des Bedarfs an Rundfunkfrequenzen erforderlich ist und welcher Anteil alternativen drahtlosen Diensten, beispielsweise zur Schließung von Versorgungslücken bei der Breitbandversorgung, zugänglich gemacht werden kann.
Frequenzhandel
- 17. Der Bundesrat sieht im Frequenzhandel eine Möglichkeit, um eine effiziente wirtschaftliche Nutzung von Funkfrequenzen zu gewährleisten. Zugleich erinnert der Bundesrat daran, dass bereits nach dem geltenden Rechtsrahmen die Möglichkeit besteht, Funkfrequenzen national zu handeln.
- 18. Der Bundesrat unterstützt die Kommission bei dem Vorhaben, dass der Handel nicht zu Wettbewerbsverfälschungen führt, indem Frequenzen ungenutzt bleiben.
- 19. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung zu prüfen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um eine Hortung von Funkfrequenzen generell zu verhindern und auf dieser Prüfung basierende Vorschläge in die Verhandlungen auf europäischer Ebene einzubringen.
Allgemeingenehmigung
- 20. Der Bundesrat begrüßt, dass die Gewährung des Frequenzzugangs grundsätzlich im Wege der Allgemeingenehmigung erfolgt, um eine marktorientierte und flexible Entwicklung von Telekommunikationsdiensten zu ermöglichen.
Nutzungsbedingungen und Harmonisierungsregelungen für Dienste mit gesamteuropäischer Bedeutung
- 21. Der Bundesrat begrüßt die in Artikel 6a und 6b des Genehmigungs-Richtlinienvorschlags vorgesehene Harmonisierung der Verfahrensregeln bei der Zuteilung der Frequenznutzungsrechte. Zugleich weist der Bundesrat darauf hin, dass eine gemeinschaftsweite Harmonisierung nur bei echten paneuropäischen Diensten mit grenzüberschreitendem Bezug in Frage kommt. Darunter fallen nach Auffassung des Bundesrates keine Dienste, die von Unternehmen lediglich in mehreren Mitgliedstaaten angeboten werden, ohne einen grenzüberschreitenden Bezug aufzuweisen.
Regelung des einstweiligen Rechtsschutzes
- 22. Der Bundesrat weist jedoch erneut darauf hin, dass die Gemeinschaft keine Kompetenz zur Regelung (verwaltungs-)gerichtlicher Verfahren hat. Die vorgesehene Änderung von Artikel 4 Abs. 1 der Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie) mit der Festlegung gemeinschaftsrechtlicher Kriterien, unter deren Anwendung die nationalen Gerichte allein befugt sind, Entscheidungen der Regulierungsbehörden auszusetzen, überschreitet die Verbandskompetenz der Gemeinschaft.
Eine solche Kompetenz kann auch nicht aus der "Impliedpowers-Lehre" abgeleitet werden. Die Gemeinschaftskompetenz erfasst danach nur die notwendigerweise mitzuregelnden Tatbestände, soweit die Kompetenznormen nicht in vernünftiger, sinnvoller und zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen können.
Der Bundesrat hält eine Berichtspflicht, wie sie in der geänderten Fassung von Artikel 4 Abs. 3 der Richtlinie 2002/21/EG vorgesehen ist, für eine gangbare Möglichkeit, den Bedarf für etwaige weitergehende Legislativmaßnahmen zu ermitteln. Im Zusammenhang mit der bereits vorgesehenen Änderung des Artikels 4 Abs. 1 der Richtlinie 2002/21/EG stellt die vorgesehene Berichtspflicht jedoch lediglich eine weitere bürokratische Anforderung dar, die mit den Grundsätzen einer besseren Rechtsetzung nicht vereinbar ist.
II. Medienpolitische Stellungnahme:
- 23. Die Ausgestaltung der Medienordnung liegt in der Kompetenz der Länder, deren Regelungsbefugnisse im gemeinschaftlichen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste abzusichern sind. Über die Befugnis der Mitgliedstaaten, zur Wahrung ihrer kulturellen Vielfalt Regelungen für den Bereich des Rundfunks zu treffen, kann die Kommission nicht mit dem Hinweis auf ihre Binnenmarktkompetenz hinweggehen. Die Existenz unterschiedlicher nationaler Regelungen reicht nicht aus, um eine Kompetenz der EU zu begründen.
- 24. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei der Novellierung des Rechtsrahmens sicherzustellen, dass die Bedeutung des Rundfunks für die freie, individuelle und öffentliche Meinungsbildung, Meinungsvielfalt und kulturelle Vielfalt bei allen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, die den Rundfunk betreffen können, insbesondere bei der Verteilung von Übertragungskapazitäten, angemessen berücksichtigt wird und Eingang in den verfügenden Teil des Regelungswerks findet. Der Bundesrat erkennt das öffentliche Interesse daran an, dass der Rundfunk seine Aufgaben auch weiterhin erfüllen kann. Daraus folgert der Bundesrat, dass Entscheidungen darüber, inwiefern Übertragungskapazitäten für den Rundfunk benötigt werden, auch in Zukunft von den Ländern getroffen werden und die Verwaltungsverfahren insoweit unberührt bleiben.
- 25. Der Bundesrat bekräftigt, dass die Bedeutung des Rundfunks für Demokratie, Meinungsvielfalt und kulturelle Vielfalt, wie sie in der EU-Grundrechtecharta und der UNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt und der Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste zum Ausdruck kommen, eine primär an wirtschaftlichen Kriterien orientierte Betrachtungsweise verbietet. Daher darf nach Auffassung des Bundesrates bei der Zuweisung von Rundfunkübertragungskapazitäten kein reiner Marktansatz zum Tragen kommen.
- 26. Den Ländern obliegt die Ausgestaltung der Medienordnung. Dazu gehört auch die Entscheidung darüber, inwiefern Übertragungskapazitäten für den Rundfunk benötigt werden. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf sicherzustellen, dass das Recht der Länder, Frequenzen nach eigenen Vorstellungen zur Kultur- und Medienpolitik vorrangig oder ausschließlich dem Rundfunk zuzuweisen, in Abwägung mit den berechtigten Interessen anderer potentieller Bedarfsträger (z.B. der Anbieter von mobilem Breitbandzugang), unangetastet bleibt.
- 27. Der Bundesrat begrüßt den Grundsatz der Technologie- und Diensteneutralität für das Management des Frequenzspektrums und teilt die Auffassung der Kommission, dass die Zuteilung und Nutzung von Frequenzen allgemein effizienter gestaltet werden muss. Der Bundesrat weist aber darauf hin, dass diese Prinzipien nicht uneingeschränkt gelten dürfen.
- 28. Der Bundesrat betont, dass es allein den Ländern obliegt, zu bestimmen, ob und wieweit die Bindung von Frequenzrechten an bestimmte Technologien und Dienste notwendig ist, um Zielsetzungen im öffentlichen Interesse wie die Förderung kultureller Vielfalt, Medienpluralismus sowie die Sicherung der audiovisuellen Politik zu verfolgen.
- 29. Der Bundesrat begrüßt, dass der Entwurf zur Rahmen-Richtlinie und zur Genehmigungsrichtlinie Ausnahmen vom Gebot der Technologie- und Diensteneutralität zulassen. Er ist jedoch der Auffassung, dass diese Bestimmungen zu Lasten der Mitgliedstaaten zu unklar bzw. eng formuliert sind und so neu zu fassen sind, dass das Entscheidungsrecht der Mitgliedstaaten gesichert bleibt.
- 30. Der Bundesrat weist darauf hin, dass das Prinzip der Diensteneutralität anderen Instrumentarien der Frequenzkoordinierung, z.B. den auf der Funkplanungskonferenz 2006 in Genf vereinbarten Konzepten, nicht widersprechen darf.
- 31. Der Bundesrat betont, dass bei jeder Frequenz(neu)zuteilung sicherzustellen ist, dass Störungen des Rundfunks durch Interferenzen ausgeschlossen sind. Dies gilt insbesondere auch, soweit dem Rundfunk zugewiesene Frequenzbereiche durch andere Dienste, z.B. Mobilfunk, mitgenutzt werden sollen.
- 32. Der Bundesrat weist darauf hin, dass es allein den Mitgliedstaaten obliegt, zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen für Rundfunkfrequenzen ein verstärkter Marktansatz, insbesondere Frequenzhandel, in Betracht kommt. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass ein reiner oder verstärkter Marktansatz, insbesondere Frequenzhandel, bei Rundfunkfrequenzen grundsätzlich nicht zum Tragen kommen darf, da er nicht sicherstellt, dass die Vielfalt sichernden Vorgaben und kulturellen Wertentscheidungen des Mitgliedstaats umgesetzt werden können.
- 33. Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass vor allem kleinere, auch lokale und regionale Anbieter beim Frequenzhandel nicht die gebotenen Chancen hätten, zum Zuge zu kommen und zudem die crossmediale Konzentration gefördert werden könnte.
- 34. Der Bundesrat begrüßt, dass der Vorschlag der Rahmen-Richtlinie und der Genehmigungsrichtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, Frequenzen vom Handel auszunehmen. Er ist jedoch der Auffassung, dass diese Bestimmungen zu Lasten der Mitgliedstaaten zu unklar bzw. eng formuliert sind und so neu zu fassen sind, so dass das Entscheidungsrecht der Mitgliedstaaten gesichert bleibt.
- 35. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass Allgemeingenehmigungen bei Rundfunkfrequenzen grundsätzlich nicht zum Tragen kommen dürfen, da sie nicht sicherstellen, dass die rundfunkpolitischen Vorgaben und kulturellen Wertentscheidungen des Mitgliedstaats umgesetzt werden können.
- 36. Der Bundesrat begrüßt, dass der Vorschlag der Genehmigungsrichtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, Ausnahmen vorzusehen. Er ist jedoch der Auffassung, dass diese Bestimmungen zu Lasten der Mitgliedstaaten zu unklar bzw. eng formuliert sind und so neu zu fassen sind, dass das Entscheidungsrecht der Mitgliedstaaten gesichert bleibt.
- 37. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass die digitale Dividende, die sich durch die Umstellung des terrestrischen Fernsehens von Analog- auf Digitaltechnik ergibt, auch Möglichkeiten zur Deckung des rasch wachsenden Frequenzbedarfs drahtloser Dienste bietet.
- 38. Der Bundesrat misst der digitalen Terrestrik auch künftig herausragende Bedeutung bei, um Vielfalt im Rundfunk, einschließlich des Zugangs lokaler und regionaler Anbieter, zu sichern sowie alle Bürger auch in der Fläche mit stationären, mobilen und portablen audiovisuellen Diensten zu versorgen.
- 39. Der Bundesrat weist darauf hin, dass in den Ländern ein Teil der Dividende bereits in den kommenden Monaten genutzt werden wird, um den Bürgerinnen und Bürgern neue Dienste anzubieten. Der Bundesrat weist insbesondere auf bundesweit für Mobilfernsehen vorgesehene UHF-Kapazitäten hin, die beginnend ab Sommer 2008 zur Verbreitung verschiedener Angebote im DVB-H-Standard genutzt werden sollen. Er weist auch darauf hin, dass die Digitalisierung des terrestrischen Fernsehens in den Ländern noch im Jahr 2008 weitestgehend abgeschlossen wird.
- 40. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission in ihrer Mitteilung zur Digitalen Dividende ausdrücklich anerkennt, dass die Mitgliedstaaten die Befugnis haben, einen Teil der Dividende vorrangig dem Rundfunk zuzuweisen. Der Bundesrat weist aber darauf hin, dass das Nutzungsspektrum, das die Kommission in ihrer Mitteilung zur digitalen Dividende für den Rundfunk vorsieht, zu wenig Kapazität umfasst und einen für die Länder nicht hinnehmbaren Rückbau bereits vorhandener digitaler terrestrischer Rundfunkangebote bedeuten könnte.
- 41. Der Bundesrat betont, dass die digitale Dividende in den Fernsehbändern vornehmlich dazu genutzt werden muss, den inhaltlichen und technischen Entwicklungsbedarf des Rundfunks zu decken. Beim Rundfunk besteht Bedarf z.B. nach neuen multimedialen Diensten, verbesserter Bild- und Klangqualität, auch durch HDTV, verbesserter Empfangsqualität sowie drahtlosen Instrumenten zur professionellen Audioproduktion. Es ist Sache der Länder zu entscheiden, welche Kapazitäten hierfür erforderlich sind.
- 42. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass in den Ländern und Regionen zu untersuchen ist, ob und wieweit frei werdende Rundfunkfrequenzen, die nicht zur Sicherung des Entwicklungspotenzials für den Rundfunk gebraucht werden, für andere sozial und wirtschaftlich wichtige Anwendungen genutzt werden können, vor allem für eine verbesserte Breitbandversorgung, insbesondere in der Fläche, wobei zur Ermittlung der technisch und wirtschaftlich am besten geeigneten Lösungen auch Alternativen zu untersuchen sind (z.B. WiMax, Satellit).
- 43. Der Bundesrat weist darauf hin, dass auch zu untersuchen ist, inwieweit die digitale Dividende anderer Frequenzbereiche für die Überwindung der Breitbandkluft geeignet ist. Er macht darauf aufmerksam, dass die Länder bereits erhebliche Anstrengungen zur Schließung der Lücken in der Breitbandversorgung leisten.
- 44. Der Bundesrat unterstützt eine verbesserte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene, um das Potenzial der digitalen Dividende bestmöglich zu erschließen. Er hält jedoch eine Zentralisierung der Frequenzverwaltung für nicht erforderlich. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass das strategische Ziel der Vorschläge, Größen- und Verbundvorteile zu erzielen, hinsichtlich der Rundfunkbänder verkennt, dass die kulturelle und die Medienvielfalt, insbesondere auch die Sprachenvielfalt, eine Fragmentierung weitgehend erfordern.
- 45. Der Bundesrat ist daher auch der Auffassung, dass das Frequenzspektrum für Rundfunkdienste nicht Gegenstand eines gemeinschaftlichen Frequenznutzungsplans sein kann.
- 46. Der Bundesrat hält es allenfalls in Ausnahmefällen für sinnvoll, dass neben den technischen Bedingungen für die Frequenznutzung auch die Konditionen für individuelle Frequenznutzungsrechte, Genehmigungsregeln und die Verfahren zur Auswahl der begünstigten Unternehmen grenzüberschreitend harmonisiert und koordiniert werden können.
- 47. Im Vorschlag bleibt jedoch unklar, bei welchen gemeinschaftsweiten Diensten ein stärker koordiniertes System erforderlich ist. Zur klaren Abgrenzung der Zuständigkeiten ist nach Auffassung des Bundesrates eine Begriffsbestimmung der gemeinschaftsweiten Dienste erforderlich.
- 48. Der Bundesrat vermisst im Rechtsrahmen Regelungen, wie sie für die Frequenzordnung im nationalen Recht angelegt sind und zwar ausgehend von dem Regulierungsziel in § 2 Abs. 2 Nr. 7 und Abs. 5 TKG. Danach sind bei der Frequenzverwaltung die Belange des Rundfunks und der vergleichbaren Telemedien zu berücksichtigen und bleiben die medienrechtlichen Bestimmungen unberührt. Dies gilt unabhängig davon, ob auf dem Rundfunk gewidmete Frequenzen zugegriffen wird oder auf Frequenzen zugegriffen wird, die zwar nicht für Rundfunk zugewiesen sind, gleichwohl aber die erbrachten Dienste auch Rundfunk und vergleichbare Telemedienangebote enthalten.
- 49. Vorgaben auf europäischer Ebene im Wege des Komitologieverfahrens sind nach Einschätzung des Bundesrates nicht geeignet, die Rechte der Mitgliedstaaten, insbesondere der Länder, zu wahren (Intransparenz, fehlende demokratische Legitimation, Verstoß gegen Subsidiaritätsprinzip).
- 50. Im Übrigen weist der Bundesrat darauf hin, dass die Gemeinschaft nicht befugt ist, das Verwaltungsverfahren in den Mitgliedstaaten zu regeln.
- 51. Der Bundesrat fordert, um im Zeitalter digitaler audiovisueller Dienste kulturelle Vielfalt und Medienpluralismus zu sichern, die Bestimmungen der Rahmen- und Zugangsrichtlinie dahingehend zu ergänzen, dass die Mitgliedstaaten befugt sind, Vorgaben für elektronische Kommunikationsnetze und Plattformen vorzusehen, die für Mediendiensteanbieter den diskriminierungsfreien Zugang zu diesen Übertragungskapazitäten sichern.
III. Beteiligung der Länder
- 52. Da bei dem Vorhaben der Bundesrat an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte, bittet der Bundesrat, gemäß § 6 Abs. 1 EUZBLG einen Vertreter der Länder zu den Verhandlungen hinzuzuziehen.
IV. Direktzuleitung an die Kommission
- 53. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
B Konzeption der Ausschüsse K, R und Wi
Grundsätzliches
- 54. Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich den Vorschlag der Kommission, den Liberalisierungsprozess im Bereich der elektronischen Kommunikation durch die Förderung von Wettbewerb, durch die Sicherung von Investitionen und Innovationen sowie durch die Stärkung der Verbraucherrechte fortzusetzen und den Binnenmarkt für elektronische Kommunikation zu vollenden.
- 55. Der Bundesrat teilt grundsätzlich die Einschätzung der Kommission zur Markt- und Wettbewerbsentwicklung sowie ihre Bewertung der Regulierungssituation in der Gemeinschaft und unterstützt daher grundsätzlich die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens.
- 56. Der Bundesrat begrüßt die Reduzierung der Märkte, die für eine Vorabregulierung in Betracht kommen, als Zeichen für einen bereits in vielen Telekommunikationsmärkten funktionsfähigen Wettbewerb und eine voranschreitende Deregulierung.
- 57. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Telekommunikationsmärkte überwiegend national geprägt sind. Vor diesem Hintergrund hält der Bundesrat das von der Kommission formulierte Ziel für verfehlt, nach dem die europäischen Rechtsvorschriften im Sinne eines einheitlichen europaweiten Regulierungsansatzes angewendet werden sollen. Anders als die Kommission sieht es der Bundesrat für die Vollendung des Binnenmarkts als nicht erforderlich an, auch das regulatorische Instrumentarium stets in gleicher Weise anzuwenden. Ausschlaggebend für die Vollendung des Binnenmarkts ist vielmehr ein einheitlicher Rechtsrahmen, der es unter Berücksichtigung der nationalen Besonderheiten erlaubt, einen funktionsfähigen Wettbewerb auf den Telekommunikationsmärkten zu erreichen.
- 58. Der Bundesrat vermisst in den Richtlinienvorschlägen ein übergeordnetes regulatorisches Leitbild verbunden mit einer nachhaltigen Wettbewerbskonzeption, anhand derer sich die Abwägung einzelner Regulierungsmaßnahmen orientieren kann.
- 59. Die Ausgestaltung der Medienordnung liegt in der Kompetenz der Länder, deren Regelungsbefugnisse im gemeinschaftlichen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste abzusichern sind. Über die Befugnis der Mitgliedstaaten, zur Wahrung ihrer kulturellen Vielfalt Regelungen für den Bereich des Rundfunks zu treffen, kann die Kommission nicht mit dem Hinweis auf ihre Binnenmarktkompetenz hinweggehen. Die Existenz unterschiedlicher nationaler Regelungen reicht nicht aus, um eine Kompetenz der EU zu begründen.
- 60. Der Bundesrat weist ferner erneut darauf hin, dass die Gemeinschaft keine Kompetenz zur Regelung (verwaltungs-)gerichtlicher Verfahren hat. Die vorgesehene Änderung von Artikel 4 Abs. 1 der Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie) mit der Festlegung gemeinschaftsrechtlicher Kriterien, unter deren Anwendung die nationalen Gerichte allein befugt sind, Entscheidungen der Regulierungsbehörden auszusetzen, überschreitet die Verbandskompetenz der Gemeinschaft.
- 61. Eine solche Kompetenz kann auch nicht aus der "Impliedpowers-Lehre" abgeleitet werden. Die Gemeinschaftskompetenz erfasst danach nur die notwendigerweise mitzuregelnden Tatbestände, soweit die Kompetenznormen nicht in vernünftiger, sinnvoller und zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen können.
- 62. Der Bundesrat lehnt die Harmonisierung der Regelungen zur Aussetzung von Entscheidungen nationaler Regulierungsbehörden durch einstweilige Maßnahmen als unzulässigen Eingriff in die Kompetenz der Mitgliedstaaten zur Regelung nationaler Gerichtsverfahren ab.
- 63. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei der Novellierung des Rechtsrahmens sicherzustellen, dass die Bedeutung des Rundfunks für die freie, individuelle und öffentliche Meinungsbildung, Meinungsvielfalt und kulturelle Vielfalt bei allen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, die den Rundfunk betreffen können, insbesondere bei der Verteilung von Übertragungskapazitäten, angemessen berücksichtigt wird und Eingang in den verfügenden Teil des Regelungswerks findet. Der Bundesrat erkennt das öffentliche Interesse daran an, dass der Rundfunk seine Aufgaben auch weiterhin erfüllen kann. Daraus folgert der Bundesrat, dass Entscheidungen darüber, inwiefern Übertragungskapazitäten für den Rundfunk benötigt werden, auch in Zukunft von den Ländern getroffen werden und die Verwaltungsverfahren insoweit unberührt bleiben.
- 64. Der Bundesrat bekräftigt, dass die Bedeutung des Rundfunks für Demokratie, Meinungsvielfalt und kulturelle Vielfalt, wie sie in der EU-Grundrechtecharta und der UNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt zum Ausdruck kommen, eine primär an wirtschaftlichen Kriterien orientierte Betrachtungsweise verbietet. Daher darf nach Auffassung des Bundesrates bei der Zuweisung von Rundfunkübertragungskapazitäten kein reiner Marktansatz zum Tragen kommen.
- 65. Den Ländern obliegt die Ausgestaltung der Medienordnung. Dazu gehört auch die Entscheidung darüber, inwiefern Übertragungskapazitäten für den Rundfunk benötigt werden. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, sicherzustellen, dass das Recht der Länder, Frequenzen nach eigenen Vorstellungen zur Kultur- und Medienpolitik vorrangig oder ausschließlich dem Rundfunk zuzuweisen, in Abwägung mit den berechtigten Interessen anderer potentieller Bedarfsträger (z.B. der Anbieter von mobilem Breitbandzugang), unangetastet bleibt.
- 66. Der Bundesrat hält eine sprachliche Präzisierung bei einer Reihe von Begrifflichkeiten innerhalb der Richtlinienvorschläge für erforderlich. Dies gilt insbesondere für Begrifflichkeiten, die grenzüberschreitende Märkte oder Sachverhalte betreffen.
- 67. Der Bundesrat lehnt die erhebliche Ausweitung mitgliedstaatlicher Berichtspflichten als vermeidbaren Bürokratieaufwand ab.
- 68. Der Bundesrat hält zwar eine Berichtspflicht, wie sie in der geänderten Fassung von Artikel 4 Abs. 3 der Richtlinie 2002/21/EG vorgesehen ist, für eine gangbare Möglichkeit, den Bedarf für etwaige weitergehende Legislativmaßnahmen zu ermitteln. Im Zusammenhang mit der bereits vorgesehenen Änderung des Artikels 4 Abs. 1 der Richtlinie 2002/21/EG stellt die vorgesehene Berichtspflicht jedoch lediglich eine weitere bürokratische Anforderung dar, die mit den Grundsätzen einer besseren Rechtsetzung nicht vereinbar ist.
Fehlen von Regelungen für neue Märkte und Next-Generation-Network
- 69. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der Richtlinienvorschlag keine Hinweise auf die regulatorische Behandlung neuer Märkte beinhaltet. In diesem Kontext vermisst der Bundesrat ebenfalls eine zukunftsgerichtete Perspektive hinsichtlich der Eignung des vorgeschlagenen Rechtsrahmens in Bezug auf Wettbewerbsfragen im Rahmen der Netzmigration zu Next-Generation-Networks (NGN). Dabei ist gerade der Aufbau breitbandiger Netzinfrastrukturen der NGN eine zentrale standort- und wettbewerbspolitische Herausforderung, bei der Telekommunikationsunternehmen auf ein hohes Maß an Planungs- und Rechtssicherheit angewiesen sind. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen sicherzustellen, dass die Fragen zur regulatorischen Behandlung neuer Märkte und der Migration zu NGN angemessen berücksichtigt werden, um sowohl den Zielen der Wettbewerbsintensivierung als auch der Innovationsförderung Rechnung zu tragen.
Funktionelle Separierung
- 70. Der Bundesrat begrüßt, dass keine Kompetenz zur eigentumsrechtlichen Entflechtung vertikal integrierter Telekommunikationsunternehmen in der Richtlinie begründet wird.
- 71. Der Bundesrat hält aber auch eine funktionelle Separierung vertikal integrierter Telekommunikationsunternehmen für einen massiven, nicht verhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Unternehmen.
- 72. Der Bundesrat weist in diesem Kontext darauf hin, dass das Instrument der funktionellen Separierung bereits im Zuge der Öffnung der Telekommunikationsmärkte vor zehn Jahren eingehend diskutiert wurde und trotzdem kaum zur Anwendung gelangt ist. Der Bundesrat regt daher an, dass die Bundesregierung in den Verhandlungen auf europäischer Ebene auf eine dezidierte Analyse dieses Regulierungsinstruments drängt.
Vetorecht bei Abhilfemaßnahmen
- 73. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich das Ziel einer verstärkten Koordinierung der Regulierung im Binnenmarkt.
- 74. Vor diesem Hintergrund teilt der Bundesrat nicht die Auffassung der Kommission, dass uneinheitliche Abhilfemaßnahmen in den Mitgliedstaaten als solche den Binnenmarkt beeinträchtigen. Der Bundesrat lehnt daher ein Vetorecht der Kommission bei Abhilfemaßnahmen der nationalen Regulierungsbehörden ab.
- 75. Der Bundesrat hält vielmehr einen Wettbewerb der Regulierungssysteme sowie eine verstärkte Koordinierung nationaler Regulierungsmaßnahmen auf supranationaler Ebene für notwendig.
Frequenzverwaltung - Grundsätze der Technologie- und Diensteneutralität
- 76. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass die Zuteilung und Nutzung von Frequenzen effizient gestaltet werden muss. Der Bundesrat begrüßt daher grundsätzlich den Ansatz, bei der Vergabe von Frequenznutzungsrechten nach den Grundsätzen der Technologie- und Diensteneutralität zu verfahren. (bei Annahme entfällt Ziffer 77)
- 77. Der Bundesrat begrüßt den Grundsatz der Technologie- und Diensteneutralität für das Management des Frequenzspektrums und teilt die Auffassung der Kommission, dass die Zuteilung und Nutzung von Frequenzen allgemein effizienter gestaltet werden muss.
- 78. Der Bundesrat weist aber darauf hin, dass diese Prinzipien nicht uneingeschränkt gelten dürfen.
- 79. Der Bundesrat betont zugleich, dass die Frequenzvergabe - mit Ausnahme eng begrenzter paneuropäischer Dienste - ausschließlich in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegt, und dass bei Zielsetzungen im öffentlichen Interesse wie dem Medienpluralismus eine Bindung an bestimmte Technologien im Ausnahmefall erforderlich ist.
- 80. Der Bundesrat betont weiter, dass es allein den Ländern obliegt, zu bestimmen, ob und wieweit die Bindung von Frequenzrechten an bestimmte Technologien und Dienste notwendig ist, um Zielsetzungen im öffentlichen Interesse wie die Förderung kultureller Vielfalt, Medienpluralismus sowie die Sicherung der audiovisuellen Politik zu verfolgen.
- 81. Vor diesem Hintergrund hält es der Bundesrat für erforderlich, dass der Richtlinienentwurf den Mitgliedstaaten ausreichend Spielraum für Ausnahmen vom Gebot der Technologie- und Diensteneutralität, insbesondere für die Belange des Rundfunks, lässt. (bei Annahme entfällt Ziffer 82)
- 82. Der Bundesrat begrüßt, dass der Vorschlag zur Rahmen-Richtlinie und zur Genehmigungsrichtlinie Ausnahmen vom Gebot der Technologie- und Diensteneutralität zulässt. Er ist jedoch der Auffassung, dass diese Bestimmungen zu Lasten der Mitgliedstaaten zu unklar bzw. eng formuliert sind und so neu zu fassen sind, dass das Entscheidungsrecht der Mitgliedstaaten gesichert bleibt.
- 83. Der Bundesrat weist ferner darauf hin, dass das Prinzip der Diensteneutralität anderen Instrumentarien der Frequenzkoordinierung, z.B. den auf der Funkplanungskonferenz 2006 in Genf vereinbarten Konzepten, nicht widersprechen darf.
- 84. Der Bundesrat betont, dass bei jeder Frequenz(neu)zuteilung sicherzustellen ist, dass Störungen des Rundfunks durch Interferenzen ausgeschlossen sind. Dies gilt insbesondere auch, soweit dem Rundfunk zugewiesene Frequenzbereiche durch andere Dienste, z.B. Mobilfunk, mitgenutzt werden sollen.
- 85. Der Bundesrat vermisst im Rechtsrahmen Regelungen, wie sie für die Frequenzordnung im nationalen Recht angelegt sind und zwar ausgehend von dem Regulierungsziel in § 2 Abs. 2 Nr. 7 und Abs. 5 TKG. Danach sind bei der Frequenzverwaltung die Belange des Rundfunks und der vergleichbaren Telemedien zu berücksichtigen und bleiben die medienrechtlichen Bestimmungen unberührt. Dies gilt unabhängig davon, ob
- - auf dem Rundfunk gewidmete Frequenzen zugegriffen wird oder
- - auf Frequenzen zugegriffen wird, die zwar nicht für Rundfunk zugewiesen sind, gleichwohl aber die erbrachten Dienste auch Rundfunk und vergleichbare Telemedienangebote enthalten.
Digitale Dividende
- 86. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass die digitale Dividende, die sich durch die Umstellung des terrestrischen Fernsehens von Analog- auf Digitaltechnik ergibt, auch Möglichkeiten zur Deckung des rasch wachsenden Frequenzbedarfs drahtloser Dienste bietet.
- 87. Der Bundesrat misst der digitalen Terrestrik auch künftig herausragende Bedeutung bei, um Vielfalt im Rundfunk, einschließlich des Zugangs lokaler und regionaler Anbieter, zu sichern sowie alle Bürger und Bürgerinnen auch in der Fläche mit stationären, mobilen und portablen audiovisuellen Diensten zu versorgen.
- 88. Der Bundesrat weist darauf hin, dass in den Ländern ein Teil der Dividende bereits in den kommenden Monaten genutzt werden wird, um den Bürgern neue Dienste anzubieten. Der Bundesrat weist insbesondere auf bundesweit für Mobilfernsehen vorgesehene UHF-Kapazitäten hin, die beginnend ab Sommer 2008 zur Verbreitung verschiedener Angebote im DVB-H-Standard genutzt werden sollen. Er weist auch darauf hin, dass die Digitalisierung des terrestrischen Fernsehens in den Ländern noch im Jahr 2008 weitestgehend abgeschlossen wird.
- 89. Im Hinblick auf die sich durch die Umstellung des terrestrischen Rundfunks von Analog- auf Digitaltechnik ergebende digitale Dividende weist der Bundesrat nachdrücklich darauf hin, dass es ausschließlich in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fällt zu entscheiden, welcher Anteil der digitalen Dividende zur Deckung des Bedarfs an Rundfunkfrequenzen erforderlich ist und welcher Anteil alternativen drahtlosen Diensten, beispielsweise zur Schließung von Versorgungslücken bei der Breitbandversorgung, zugänglich gemacht werden kann.
- 90. Der Bundesrat begrüßt daher, dass die Kommission in ihrer Mitteilung zur Digitalen Dividende ausdrücklich anerkennt, dass die Mitgliedstaaten die Befugnis haben, einen Teil der Dividende vorrangig dem Rundfunk zuzuweisen. Der Bundesrat weist aber darauf hin, dass das Nutzungsspektrum, das die Kommission in ihrer Mitteilung zur digitalen Dividende für den Rundfunk vorsieht, zu wenig Kapazität umfasst und einen für die Länder nicht hinnehmbaren Rückbau bereits vorhandener digitaler terrestrischer Rundfunkangebote bedeuten könnte.
- 91. Der Bundesrat betont, dass die digitale Dividende in den Fernsehbändern vornehmlich dazu genutzt werden muss, den inhaltlichen und technischen Entwicklungsbedarf des Rundfunks zu decken. Beim Rundfunk besteht Bedarf z.B. nach neuen multimedialen Diensten, verbesserter Bild- und Klangqualität, auch durch HDTV, verbesserter Empfangsqualität sowie drahtlosen Instrumenten zur professionellen Audioproduktion. Es ist Sache der Länder zu entscheiden, welche Kapazitäten hierfür erforderlich sind.
- 92. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass in den Ländern und Regionen zu untersuchen ist, ob und wieweit frei werdende Rundfunkfrequenzen, die nicht zur Sicherung des Entwicklungspotenzials für den Rundfunk gebraucht werden, für andere sozial und wirtschaftlich wichtige Anwendungen genutzt werden können, vor allem für eine verbesserte Breitbandversorgung, insbesondere in der Fläche, wobei zur Ermittlung der technisch und wirtschaftlich am besten geeigneten Lösungen auch Alternativen zu untersuchen sind (z.B. WiMax, Satellit).
- 93. Der Bundesrat weist darauf hin, dass auch zu untersuchen ist, inwieweit die digitale Dividende anderer Frequenzbereiche für die Überwindung der Breitbandkluft geeignet ist. Er macht darauf aufmerksam, dass die Länder bereits erhebliche Anstrengungen zur Schließung der Lücken in der Breitbandversorgung leisten.
- 94. Der Bundesrat unterstützt eine verbesserte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene, um das Potenzial der digitalen Dividende bestmöglich zu erschließen. Er hält jedoch eine Zentralisierung der Frequenzverwaltung für nicht erforderlich. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass das strategische Ziel der Vorschläge, Größen- und Verbundvorteile zu erzielen, hinsichtlich der Rundfunkbänder verkennt, dass die kulturelle und die Medienvielfalt, insbesondere auch die Sprachenvielfalt, eine Fragmentierung weitgehend erfordern.
- 95. Der Bundesrat ist daher auch der Auffassung, dass das Frequenzspektrum für Rundfunkdienste nicht Gegenstand eines gemeinschaftlichen Frequenznutzungsplans sein kann.
Frequenzhandel
- 96. Der Bundesrat sieht im Frequenzhandel eine Möglichkeit, um eine effiziente wirtschaftliche Nutzung von Funkfrequenzen zu gewährleisten.
- 97. Der Bundesrat weist darauf hin, dass es allein den Mitgliedstaaten obliegt, zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen für Rundfunkfrequenzen ein verstärkter Marktansatz, insbesondere Frequenzhandel, in Betracht kommt. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass ein reiner oder verstärkter Marktansatz, insbesondere Frequenzhandel, bei Rundfunkfrequenzen grundsätzlich nicht zum Tragen kommen darf, da er nicht sicherstellt, dass die Vielfalt sichernden Vorgaben und kulturellen Wertentscheidungen des Mitgliedstaats umgesetzt werden können.
- 98. Der Bundesrat bekräftigt, dass es im Interesse der Medienvielfalt Ausnahmen von einem rein wirtschaftlichen Ansatz beim Handel mit Frequenzen geben muss soweit diese für die Übertragung von Rundfunkinhalten benötigt werden.
- 99. Der Bundesrat begrüßt, dass der Vorschlag der Rahmen-Richtlinie und der Genehmigungsrichtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, Frequenzen vom Handel auszunehmen.
- 100. Er ist jedoch der Auffassung, dass diese Bestimmungen zu Lasten der Mitgliedstaaten zu unklar bzw. eng formuliert sind und so neu zu fassen sind, so dass das Entscheidungsrecht der Mitgliedstaaten gesichert bleibt.
- 101. Der Bundesrat unterstützt die Kommission bei dem Vorhaben, dass der Handel nicht zu Wettbewerbsverfälschungen führt, indem Frequenzen ungenutzt bleiben.
- 102. Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass vor allem kleinere, auch lokale und regionale, Anbieter bei Frequenzhandel nicht die gebotenen Chancen hätten, zum Zuge zu kommen, und zudem die crossmediale Konzentration gefördert werden könnte.
- 103. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung zu prüfen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um eine Hortung von Funkfrequenzen generell zu verhindern, und auf dieser Prüfung basierende Vorschläge in die Verhandlungen auf europäischer Ebene einzubringen.
- 104. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der Rechtsrahmen bereits jetzt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, im nationalen Recht Frequenzhandel zuzulassen. (bei Annahme entfällt Ziffer 105)
- 105. Zugleich erinnert der Bundesrat daran, dass bereits nach dem geltenden Rechtsrahmen die Möglichkeit besteht, Funkfrequenzen national zu handeln.
- 106. Diese Option wurde durch § 62 Telekommunikationsgesetz (TKG) in deutsches Recht umgesetzt. Der Bundesrat hält es für geboten, auch künftig die Entscheidung den Mitgliedstaaten zu überlassen. (setzt Annahme von Ziffer 104 oder Ziffer 105 voraus)
Allgemeingenehmigung
- 107. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass Allgemeingenehmigungen bei Rundfunkfrequenzen grundsätzlich nicht zum Tragen kommen dürfen, da sie nicht sicherstellen, dass die rundfunkpolitischen Vorgaben und kulturellen Wertentscheidungen des Mitgliedstaats umgesetzt werden können. (bei Annahme entfällt Ziffer 108)
- 108. Der Bundesrat begrüßt, dass die Gewährung des Frequenzzugangs grundsätzlich im Wege der Allgemeingenehmigung erfolgt, um eine marktorientierte und flexible Entwicklung von Telekommunikationsdiensten zu ermöglichen.
- 109. Der Bundesrat begrüßt ebenfalls, dass Ausnahmeregelungen für Belange des Rundfunks vorgesehen sind. (bei Annahme entfällt Ziffer 110)
- 110. Der Bundesrat begrüßt, dass der Vorschlag der Genehmigungsrichtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, Ausnahmen vorzusehen.
- 111. Er ist jedoch der Auffassung, dass diese Bestimmungen zu Lasten der Mitgliedstaaten zu unklar bzw. eng formuliert sind und so neu zu fassen sind, dass das Entscheidungsrecht der Mitgliedstaaten gesichert bleibt.
Nutzungsbedingungen und Harmonisierungsregelungen für Dienste mit gesamteuropäischer Bedeutung
- 112. Der Bundesrat begrüßt die in Artikel 6a und 6b des Genehmigungs-Richtlinienvorschlags vorgesehene Harmonisierung der Verfahrensregeln bei der Zuteilung der Frequenznutzungsrechte. Zugleich weist der Bundesrat darauf hin, dass eine gemeinschaftsweite Harmonisierung nur bei echten paneuropäischen Diensten mit grenzüberschreitendem Bezug in Frage kommt. Darunter fallen nach Auffassung des Bundesrates keine Dienste, die von Unternehmen lediglich in mehreren Mitgliedstaaten angeboten werden, ohne einen grenzüberschreitenden Bezug aufzuweisen.
- 113. Der Bundesrat hält es daher allenfalls in Ausnahmefällen für sinnvoll, dass neben den technischen Bedingungen für die Frequenznutzung auch die Konditionen für individuelle Frequenznutzungsrechte, Genehmigungsregeln und die Verfahren zur Auswahl der begünstigten Unternehmen grenzüberschreitend harmonisiert und koordiniert werden können.
- 114. Im Vorschlag bleibt jedoch unklar, bei welchen gemeinschaftsweiten Diensten ein stärker koordiniertes System erforderlich ist. Zur klaren Abgrenzung der Zuständigkeiten ist nach Auffassung des Bundesrates eine Begriffsbestimmung der gemeinschaftsweiten Dienste erforderlich.
Weitere Bemerkungen
- 115. Vorgaben auf europäischer Ebene im Wege des Komitologieverfahrens sind nach Einschätzung des Bundesrates nicht geeignet, die Rechte der Mitgliedstaaten, insbesondere der Länder, zu wahren (Intransparenz, fehlende demokratische Legitimation, Verstoß gegen Subsidiaritätsprinzip).
- 116. Im Übrigen weist der Bundesrat darauf hin, dass die Gemeinschaft nicht befugt ist, das Verwaltungsverfahren in den Mitgliedstaaten zu regeln.
- 117. Der Bundesrat fordert, um im Zeitalter digitaler audiovisueller Dienste kulturelle Vielfalt und Medienpluralismus zu sichern, die Bestimmungen der Rahmen- und Zugangsrichtlinie dahingehend zu ergänzen, dass die Mitgliedstaaten befugt sind, Vorgaben für elektronische Kommunikationsnetze und Plattformen vorzusehen, die für Mediendiensteanbieter den diskriminierungsfreien Zugang zu diesen Übertragungskapazitäten sichern.
- 118. Der Bundesrat bleibt bei seiner Haltung, dass eine weitere Zentralisierung von Entscheidungsbefugnissen auf europäischer Ebene nicht erforderlich ist. Die mit dem Vorschlag für eine Verordnung zur Errichtung einer neuen Europäischen Behörde für die Märkte der elektronischen Kommunikation verfolgte Einrichtung einer solchen Behörde (BR-Drucksache 863/07 (PDF) ) wird daher abgelehnt. Entsprechend bittet der Bundesrat die Bundesregierung, im weiteren Verfahren darauf zu achten, dass der vorliegende Richtlinienvorschlag insoweit angepasst wird, als er auf diese neu zu errichtende Behörde Bezug nimmt.
- 119. Da bei dem Vorhaben der Bundesrat an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte, bittet der Bundesrat, gemäß § 6 Abs. 1 EUZBLG einen Vertreter der Länder zu den Verhandlungen hinzuzuziehen.
C
- 120. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.