Empfehlungen der Ausschüsse 808. Sitzung des Bundesrates am 18. Februar 2005
Initiative des Königreichs Schweden mit dem Entwurf eines Rahmenbeschlusses über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, insbesondere in Bezug auf schwerwiegende Straftaten einschließlich terroristischer Handlungen Ratsdok. 10215/04

A


Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und
der Rechtsausschuss
empfehlen dem Bundesrat,
zu der Vorlage
gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG
wie folgt Stellung zu nehmen:

Insofern sind folgende Aspekte beachtlich:

Der Rahmenbeschlussentwurf geht in Erwägungsgrund 5 von einer übergreifenden Betrachtung aus und fordert, dass weder die Art der Straftaten noch die Kompetenzverteilung zwischen den Strafverfolgungs- und Justizbehörden relevant sein darf. Nach Artikel 2 Buchstabe a bezeichnet der Ausdruck "zuständige Strafverfolgungsbehörde" jede Behörde, die befugt ist, "Straftaten oder kriminelle Aktivitäten aufzudecken und zu verhindern". Bei diesem übergreifenden Ansatz kommt es auf die Trennung zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung nicht an. Ob dies sachgerecht ist, bedarf allerdings vertiefter Prüfung, schon weil die rechtlichen Grundlagen in Deutschland unterschiedlich sind und die Gefahrenabwehr grundsätzlich der Länderkompetenz unterfällt.

Nach der derzeitigen Rechtslage richtet sich die Zulässigkeit der Datenübermittlung nachdem Verwendungszweck in dem ersuchenden Staat. Hierbei ist zwischen strafrechtlichen Angelegenheiten im Sinne des IRG und anderen Verfahren zu unterscheiden. Unter strafrechtlichen Angelegenheiten sind solche repressiver Natur (vom Ermittlungs- bis zum Vollstreckungsverfahren) zu verstehen während präventivpolizeiliche Angelegenheiten nicht umfasst sind.

Die Implikationen einer Vereinheitlichung sind offen. Nicht zuletzt um unnötige Kompetenzkonflikte zu vermeiden, sind etwa in den aktuellen Übereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Strafsachen und zur Gefahrenabwehr zwischen Deutschland und Österreich sowie zwischen Deutschland und den Niederlanden die Materien deshalb getrennt worden.

Unbeschadet dessen darf es jedenfalls zu keiner Verwischung der Verantwortlichkeit im Bereich der Strafverfolgung kommen. Artikel 39 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) umschreibt im Gegensatz zu diesem Entwurf den Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit genauer. Insofern mag man daran denken, den Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit auf den gesamten Bereich auszudehnen, in dem die Polizei innerstaatlich zuständig ist. Die Regelungen in den oben erwähnten Übereinkommen könnten hierbei als Vorbild dienen. Eine Abgrenzung der Verantwortlichkeit ist aber in jedem Fall erforderlich, auch um die Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft zu gewährleisten. Nach dem Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-RechtshilfeÜbk) wird diese auch dadurch gewährleistet, dass jeder Staat die "Justizbehörden" bezeichnen kann, die nach seinem Verständnis unter dieses Übereinkommen fallen. Dazu kann je nach nationaler Regelung auch die Polizei gehören.

In Artikel 1 Abs. 3 Satz 2 des Rahmenbeschlussentwurfs wird eine Regelung getroffen die im Wesentlichen Artikel 39 Abs. 2 SDÜ entspricht. Eine solche Regelung steht wie Artikel 39 Abs. 2 SDÜ in einem Spannungsverhältnis zur effektiven Strafverfolgung. Ein Konzept, das grundsätzlich nicht an die Übermittlung als"Beweismittel vor einer Justizbehörde" anknüpft, Artikel 1 Abs. 3 Satz 1, ist mit dem deutschen Strafverfahren im Übrigen schwer vereinbar.

Soweit gemäß Artikel 2 Buchstabe a Satz 2 des Rahmenbeschlussentwurfs eine Justizbehörde nur dann zuständige Strafverfolgungsbehörde sein soll, "wenn sie nach einzelstaatlichem Recht allein über die Informationen oder Erkenntnisse verfügt oder Zugang zu ihnen hat", trägt das dem deutschen Recht ebenfalls nicht Rechnung. Das Ermittlungsverfahren steht in Deutschland in der Gesamtverantwortung der weisungsbefugten Staatsanwaltschaft. Es wäre systemfremd dass nur die Polizei zu Auskünften befugt ist, nicht aber die Staatsanwaltschaft, die selten "allein" über die Informationen verfügt. Soweit es sich um Strafverfolgungsdaten aus anhängigen Ermittlungs- oder Strafverfahren, insbesondere um Bestandteile aus Akten, handelt, kommt demgegenüber eine Übermittlung nur auf der Grundlage einer justiziellen Entscheidung in Betracht, sofern nicht der Bereich der polizeilichen Rechtshilfe konkret eröffnet ist.

Der Entwurf erfasst mit dem Erfordernis einer Mindesthöchststrafe von zwölf Monaten in Artikel 3 Satz 1 nahezu alle Straftaten nach deutschem StGB.

Soweit in Artikel 4a Abs. 2 für die dort genannten Straftaten eine Erledigungsfrist von zwölf Stunden postuliert wird, ist dies so nicht realistisch, unbeschadet dessen dass jede Beschleunigung selbstverständlich zu begrüßen ist. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Straftatenkatalog den Großteil der Kriminalität unter Einschluss auch der Straßenverkehrskriminalität umfasst. Bei einem solchen Katalog, der die Deliktsbereiche allenfalls sehr vage abzugrenzen vermag stellt sich im Übrigen die Frage, ob er nicht ganz verzichtbar ist.

Grundsätzlich kann das dem Entwurf zu Grunde liegende Verfügbarkeitsprinzip nur in dem Rahmen gelten, in dem es innerstaatlich gilt. Dies ist auch zur Wahrung der Verfahrensrechte Betroffener erforderlich. Es erscheint zumindest fraglich ob der Entwurf davon ausgeht.

B