Der Bundesrat hat in seiner 949. Sitzung am 14. Oktober 2016 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt das Ziel des Verordnungsvorschlags.
Die Verbesserung der Qualität, langfristigen Vergleichbarkeit, Anpassungsfähigkeit und Kohärenz der in den jeweiligen Erhebungen gewonnenen Daten durch die Schaffung eines hierfür übergreifenden rechtlichen Rahmens ist - vor allem im Zusammenhang mit der Strategie Europa 2020 - grundsätzlich zu begrüßen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des steigenden Bedarfs an zuverlässigen und zeitnahen Sozialstatistiken zur Einschätzung der sozialen Lage und der Auswirkung wirtschaftlicher Entwicklungen und wirtschaftspolitscher Maßnahmen auf die sozialen Bedingungen in den Mitgliedstaaten und deren Regionen sowie auf die Lage der einzelnen Bevölkerungsgruppen.
- 2. Der Bundesrat hat in folgender Hinsicht erhebliche Bedenken und sieht substanziellen Änderungsbedarf in Bezug auf den Vorschlag der Kommission. Er bittet die Bundesregierung, entsprechende Bedenken in ihren Verhandlungen zu berücksichtigen.
Begrenzung der Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte
Die in Artikel 3 Absatz 4 und Artikel 4 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 15 des Verordnungsvorschlags vorgesehene Befugnis der Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte auf unbestimmte Zeit ist sehr weit gefasst und nimmt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Erforderlichkeit von Ausführungsmaßnahmen mit Blick auf ihre Notwendigkeit und Kostenintensität erneut zu prüfen. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich im Rahmen der Verhandlungen auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte über die in Artikel 3 Absatz 4 und Artikel 4 Absatz 1 vorgesehenen Grenzen des erheblichen Mehraufwandes bzw. der erheblichen zusätzlichen Kosten auf ein konkret festgelegtes Volumen zu beschränken.
Zur Einbeziehung der Erhebung über die Wirtschaftsrechnung der privaten Haushalte und der Zeitbudgeterhebung
Die Wirtschaftsrechnungen privater Haushalte sowie die Zeitbudgeterhebung werden in Deutschland derzeit auf der Basis nationaler Rechtsgrundlagen als freiwillige Erhebungen durchgeführt. Die Aufnahme in die vorgeschlagene europäische Rahmenverordnung würde die zurzeit bestehenden nationalen Gestaltungsspielräume erheblich einschränken.
Erhebliche Bedenken bestehen insbesondere auch gegen die gegenüber dem bisherigen nationalen Recht vorgesehene substanzielle Ausweitung der in den Erhebungen abzufragenden Themenbereiche (gemäß Anhang I) sowie gegen die vorgesehene Durchführung der Erhebungen auf der Basis von Zufallsstichproben gemäß Artikel 11 des Verordnungsvorschlags. Beide Erhebungen sind bereits heute hinsichtlich ihrer Form (zum Beispiel Tagebuchführung) und ihrer Inhalte (zum Beispiel Fragen zum Vermögen) als schwierig und zeitintensiv zu bewerten. Deshalb bestehen selbst bei dem in Deutschland praktizierten Verfahren der Quotenstichproben, bei dem die Haushalte frei angeworben werden, Schwierigkeiten, eine hinreichende Anzahl an teilnehmenden Haushalten zu gewinnen.
Vor diesem Hintergrund ist durch die vorgesehene Einführung von Zufallsstichproben aufgrund der zu erwartenden geringen Teilnahmeraten auch mit Verzerrungen in den Stichproben zu rechnen. Hinzu kommt ein nicht unerheblicher zusätzlicher Umstellungsaufwand für beide Erhebungen. Mit den Grundsätzen des Bürokratieabbaus und der Bürgerfreundlichkeit ist dies nicht zu vereinbaren. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hat sich Deutschland im Vorfeld stets gegen die Aufnahme der Wirtschaftsrechnung privater Haushalte sowie der Zeitbudgeterhebung in die Rahmenverordnung ausgesprochen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, dies auch weiterhin zu tun.
Erweiterung der Längsschnittkomponente von EU-SILC
Der Bundesrat stellt fest, dass bislang die Teilnehmer der Haushalte vier Jahre hintereinander befragt werden müssen. Die Erweiterung von EUSILC zu einer 6-jährigen Wiederholungsbefragung führt zu einer steigenden Belastung bei den teilnehmenden Haushalten und damit korrespondierend zu einem höheren Aufwand in der nationalen amtlichen Statistik, sie ist vor diesem Hintergrund abzulehnen. Allein mit dem Argument der Armutsgefährdung lässt sich das nicht rechtfertigen.
Nach dem Gesetzentwurf zur Neuregelung des Mikrozensus und zur Änderung weiterer Statistikgesetze (vergleiche BR-Drucksache 279/16 (PDF) ) ist dagegen weiterhin eine Befragung in vier aufeinander folgenden Jahren vorgesehen. Ob bei den Befragten die Bereitschaft bestünde, zwei zusätzliche Jahre an der Erhebung teilzunehmen, ist angesichts des steigenden Aufwands fraglich.
Zur Periodizität der Erhebung zur Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass eine jährliche Erhebung der Daten über die Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik (Anhang IV Nummer 5) nicht notwendig ist. Eine Periodizität von zwei Jahren wird auch mit Blick auf die fortschreitende technologische Entwicklung als ausreichend angesehen. Dadurch könnte die Belastung sowohl für die Befragten als auch für die erhebenden Stellen minimiert werden.
Zu den Auswirkungen auf den Haushalt
Die Umsetzung des Verordnungsvorschlags würde wegen der Vorgaben zu Lieferfristen, Erhebungsumfängen und Datenqualität einen erheblichen Mehraufwand bedeuten. Dies gilt auch insbesondere für die weitgehende, sämtliche Einzelthemen in Anhang I umfassende Ermächtigung zum Erlass delegierter Rechtsakte durch die Kommission.
Demgegenüber sollen auf Bundesebene mit dem zuvor genannten Gesetzentwurf national gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, die eine Erfüllung der zukünftigen EU-Anforderungen unter Minimierung der Mehrkosten ermöglichen sollen.