Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank: Jahreswachstumsbericht 2015 und zum Entwurf des gemeinsamen Beschäftigungsberichts der Kommission und des Rates
(Begleitunterlage zur Mitteilung der Kommission zum Jahreswachstumsbericht 2015)

Brüssel, den 24.6.2015
C(2015) 4059 final
siehe Drucksache 583/14(B) HTML PDF

Herrn Volker BOUFFIER
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin
Deutschland

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Jahreswachstumsbericht 2015 (COM (2014) 902 final) und dem beiliegenden Entwurf des gemeinsamen Beschäftigungsberichts (COM (2014) 906 final).

Die Kommission begrüßt die Unterstützung des Bundesrates für die drei sich wechselseitig verstärkenden Säulen - die Steigerung der Investitionen, die Beschleunigung der Strukturreformen und die Fortführung einer verantwortlichen wachstumsfördernden Haushaltskonsolidierung -, auf denen das integrierte Konzept für die im Jahreswachstumsbericht 2015 dargelegte Wirtschaftspolitik ruht.

Einige Aspekte, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme anspricht, sollen im Folgenden geklärt werden.

Wie wichtig der Kommission die Qualität der Arbeitsplätze und der Arbeitsbedingungen ist, spiegelt sich insbesondere im Entwurf des gemeinsamen Beschäftigungsberichts und in dem im März 2015 angenommenen Vorschlag der Kommission für neue beschäftigungspolitische Leitlinien' wider, in denen die Notwendigkeit betont wird, " ein günstiges Umfeld für die Schaffung angemessener Arbeitsplätze zu bereiten" bzw. qualitativ hochwertige Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen.

Auch die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung und, ganz allgemein, die Bedeutung der sozialen Dimension sowie die Berücksichtigung der sozialen Auswirkungen von Maßnahmen stellen Kernelemente der Agenda der Kommission dar, was sich unter anderem auch am Vorhaben von Präsident Juncker zeigt, vor der Umsetzung von Anpassungsprogrammen eine Abschätzung der sozialen Folgen vorzunehmen.

Was die Behandlung des Bereichs Bildung und von Forschung und Entwicklung im Jahreswachstumsbericht anbelangt, so möchte die Kommission in Reaktion auf die Stellungnahme des Bundesrates daran erinnern, dass der Jahreswachstumsbericht dazu dient, die wirtschaftspolitischen Prioritäten der EU für das kommende Jahr vorzustellen. So wurden im Jahreswachstumsbericht 2015 nach dem Amtsantritt der neuen Kommission insbesondere die wesentlichen Punkte der neuen Agenda der Kommission für Wachstum und Beschäftigung dargelegt. Dies erklärt auch, weshalb die betreffenden Themen im Jahreswachstumsbericht aus wirtschaftlicher Perspektive und unter dem Aspekt des Potenzials für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum beleuchtet werden. Die anderen Dimensionen dieser Themen und ihre Auswirkungen erkennt die Kommission im Rahmen verschiedener Initiativen an, wie etwa durch " Horizont 2020" im Bereich Forschung und Innovation.

Was die Bedenken des Bundesrates hinsichtlich der Übertragung von Zuständigkeiten für Kompetenzen, berufliche Bildung und Ausbildung angeht, die innerhalb der Kommission aus der Generaldirektion für Bildung und Kultur ausgegliedert und in die Generaldirektion für Beschäftigung, Soziales und Integration integriert wurden, möchte die Kommission auf die Diskrepanzen zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage verweisen, die zeigen, dass die Bildungssysteme nicht in der Lage sind, Menschen auf die Anforderungen des Arbeitsmarkts vorzubereiten, was in zunehmendem Maße ein Problem für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie darstellt. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, die Zuständigkeiten für Kompetenzen und Qualifikationen eng an die Gestaltung der Beschäftigungspolitik zu koppeln, um auf diese Weise unsere Bemühungen bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu stützen.

Die Kommission teilt die Auffassung des Bundesrates, dass der staatliche Bildungsauftrag weit über das Ziel der Beschäftigungsfähigkeit hinausgeht. Bildung ist ein Motor für Wachstum, dient vielen verschiedenen Zwecken und trägt dazu bei, ein breites Spektrum an persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Zielen zu erreichen; so unterstützt Bildung etwa die Entwicklung eines aktiven Bürgersinns, fördert die aktive soziale Inklusion, verhindert Arbeitslosigkeit und treibt die Innovation voran. Die Förderung der Gerechtigkeit, des sozialen Zusammenhalts und des aktiven Bürgersinns gehört zu den vier strategischen Zielen des strategischen Rahmens für die allgemeine und berufliche Bildung (ET 2020).

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme außerdem eine Reihe von Bemerkungen im Zusammenhang mit dem Europäischen Semester übermittelt. In Bezug auf die vom Bundesrat geäußerten Bedenken hinsichtlich der Rolle der EU in Bereichen, die - wie etwa Bildung - in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, möchte die Kommission daran erinnern, dass der Kampf um Arbeitsplätze und Wachstum von einer Koordinierung auf EU-Ebene profitieren kann. Die EU greift weder in diese Politikbereiche ein, noch strebt sie hier eine Harmonisierung an; sie kann vielmehr einen einzigartigen Überblick über die europäische Wirtschaft bieten und auf dieser Grundlage Empfehlungen abgeben, die den einzelnen Ländern und, angesichts der starken Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften, der EU insgesamt helfen sollen. Ein solches Vorgehen steht vollständig im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip.

In diesem Zusammenhang versteht es sich von selbst, dass die Mitgliedstaaten organisatorisch und inhaltlich für ihre Bildungssysteme zuständig sind. Nach Artikel 6 AEUV ist die Union für die Durchführung von Maßnahmen zur Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport zuständig. Die Kommission verfolgt die Umsetzung der bildungspolitischen Maßnahmen und Reformen der Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen Semesters und unterstützt die politische Zusammenarbeit durch ET 2020. Dieser Rahmen beruht auf freiwilligen und gemeinsam vereinbarten strategischen Zielen, Benchmarks, Beobachtungsmechanismen und Maßnahmen für wechselseitiges Lernen.

Die Kommission nimmt die Vorschläge des Bundesrates hinsichtlich der zeitlichen Abstimmung der nationalen Sozialberichte mit den nationalen Reformprogrammen vor dem Hintergrund einer Straffung des Europäischen Semesters zur Kenntnis. Eines der Ziele in diesem Bereich ist die Straffung der Berichtspflichten der Mitgliedstaaten. Im Jahreswachstumsbericht 2015 hat die Kommission bereits auf Folgendes hingewiesen:

"Die nationalen Reformprogramme können für die Kommunikation und Identifikation in den Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle spielen, wenn sie neu ausgerichtet werden, so dass auf nationaler Ebene noch gezielter und zu einem früheren Zeitpunkt Informationen für die Analysen der Kommission bereitgestellt werden, und wenn die nationalen Parlamente und die Sozialpartner in ihre Ausarbeitung einbezogen werden ".

Was schließlich die von der Kommission vorgenommene Bewertung der Reformbemühungen Deutschlands zur Verbesserung der Verfügbarkeit von Ganztagsschulen betrifft, so gelangt die Kommission in ihrer neuen im Februar 2015 veröffentlichten Analyse' zu dem Schluss, dass Deutschland beim Ausbau der Ganztagsschulen einige Fortschritte erzielt hat. Sie ist jedoch der Ansicht, dass es an einem umfassenden nationalen und regionalen Konzept fehlt. Darüber hinaus wurden keine Fortschritte beim Abbau fiskalischer Fehlanreize für Zweitverdiener erreicht.

Die Kommission hofft, dass die in der Stellungnahme des Bundesrates aufgeworfenen Fragen mit diesen Ausführungen geklärt werden konnten, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Hochachtungsvoll